Feststellung einer Rotatorenmanschettenverletzung als Folge eines Arbeitsunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung; haftungsbegründende
Kausalität bei einer Konkurrenzursache
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung von Unfallfolgen streitig, d. h. ob eine Rotatorenmanschettenverletzung rechts
Folge des Arbeitsunfalls vom 9. November 2006 ist.
Der 1951 geborene Kläger ist als Maurer versicherungspflichtig bei der Firma Sch. Systembau Bauunternehmen in W. beschäftigt.
Er erlitt bei der Arbeit bereits 1985 eine Schultereckgelenksprengung rechts, die operativ versorgt werden musste, und 2003
eine Stauchungsprellung der linken Schulter, die zu einer Arbeitsunfähigkeit von drei Tagen führte (vgl. Vorerkrankungsverzeichnisse
der AOK, Bl. 96 ff. SG-Akte, und der IKK, Bl. ff. 24 V-Akte).
Am 9. November 2006 transportierte der Kläger seinen Angaben zufolge ein ca. zwei Meter langes Kantholz, das er unter dem
rechten Arm eingeklemmt hatte, wobei er zusätzlich in beiden Händen einen Abstellbock, ein Spanneisen und einen Hammer hielt.
Er rutschte auf der ölverschmierten Treppenstufe aus und fiel nach vorne, wobei er mit dem Holz im Geländer hängenblieb, sich
an diesem festhielt und sich dabei den rechten Arm verdrehte. Er arbeitete dann mit der linken Hand bis zum Feierabend weiter.
Am Wochenende nahm er starke Schmerzmittel, arbeitete dann bis Weihnachten weiter und begab sich zunächst nicht in ärztliche
Behandlung.
Erst am 1. Februar 2007 suchte er die Orthopädin Dr. D. auf, die gegenüber der Voruntersuchung vom 23. Mai 2006 (cervicobrachialgiforme
Beschwerden bei u.a. Ansatztendinose der rechten Schulter, Bl. 54 SG-Akte) eine deutliche Bewegungseinschränkung der rechten Schulter mit schmerzhaftem Bogen und auch Abflachung der umgebenden
Muskultur als Ausdruck einer schon etwas länger bestehenden Schonung beschrieb (Bl. 52 SG-Akte). Sie wies aufgrund des Röntgen- und Sonographie-Befundes auf eine Supraspinatussehnenläsion mit reaktivem Flüssigkeitsfilm
Bursa subacromialis bei Zustand nach Clavicular-Fraktur und AC-Gelenksarthrose und ansonsten altersentsprechendem Röntgenbefund
hin (Bl. 52 SG-Akte). Sie veranlasste daraufhin eine kernspintomographische Untersuchung des rechten Schultergelenks, die am 19. Februar
2007 durchgeführt wurde und eine größere Rissbildung in der Rotatorenmanschette rechts zeigte, so dass eine Rotatorenmanschettenruptur
unter Einbeziehung des Musculus supra- und infraspinatus bestätigt werden konnte (Bericht Dr. R., Bl. 20 f. V-Akte). Am 23.
April 2007 stellte sich der Kläger wegen Schmerzen in der rechten Schulter in der Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus
W. vor. Erst am 24. September 2007 begab er sich zur Durchgangsärztin Dr. E.-P., der eine Rotatorenmanschettenruptur rechts
bei deutlichen Arthrosezeichen diagnostizierte und ausführte, die Zusammenhangsfrage zwischen dem Unfall und bereits vorbestehender
Schädigung des Gelenkes müsse geklärt werden. Der bis dahin weiterhin arbeitende Kläger begab sich vom 4. bis 10. Oktober
2007 in stationäre Behandlung in der Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus W., wo in Arthroskopie der rechten Schulter eine
Glättung des Labrums, eine offene AC-Resektion, eine LBS-Tenodese sowie eine Acromioplastik durchgeführt wurde. Dabei zeigte
sich eine größere Zerreißung der Rotatorenmanschette mit Beteiligung der Supra- und Infraspinatussehne bei weitgehend intakter
Subscapularisssehne und entzündlichen Veränderungen der Gelenkhaut im Schultergelenk selbst, degenerativen Ausfaserungen im
Labrum und lokal begrenztem viertgradigem Knorpelschaden in der Schulterpfanne bei beginnenden Gelenkknorpelschäden oberarmseits
(OP-Bericht vom 4. Oktober 2007, Bl. 16 V-Akte). Seit dem 1. Oktober 2007 war der Kläger dann erstmals arbeitsunfähig erkrankt
und bezog vom 12. November 2007 bis zum 18. Oktober 2008 Verletztengeld.
Nach Eingang des Durchgangsarztberichtes von Dr. E.-P. am 8. Oktober 2007 zog die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis,
die Unfallunterlagen zu dem Arbeitsunfall vom 3. Juli 1985 (Schulterprellung rechts mit kompletter Schultereckgelenksprengung
(Bl. 40 ff. V-Akte) sowie die ärztlichen Befundberichte, insbesondere über die stationäre Versorgung, sowie eine Schilderung
des Klägers über den Unfallhergang bei.
Mit Bescheid vom 3. April 2009 anerkannte die Beklagte das Ereignis vom 9. November 2006 als Arbeitsunfall und lehnte zugleich
einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Rotatorenmanschettenverletzung rechts ab, da diese nicht mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden könne. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die anlässlich
der kernspintomographischen und arthroskopischen Untersuchung erhobenen Befunde zweifelsfrei bestätigten, dass es sich bei
der Rotatorenmanschettenverletzung um eine vorbestehende Schädigung handle. Die nachgewiesenen Defekte der rechten Schulter
seien somit ausschließlich Folge von verschleißbedingten Gewebeveränderungen. Gegen eine traumatische Entstehung spreche zudem
der zeitliche Abstand zwischen Unfallereignis und erster ärztlicher Inanspruchnahme. Bei einer traumatischen Rotatorenmanschettenruptur
wäre mit einer sofortigen ärztlichen Behandlung zu rechnen gewesen. Die Folgen des diagnostischen Eingriffs am 4. Oktober
2007 seien nach unfallchirurgischer Erfahrung spätestens am 18. Oktober 2007 folgenlos verheilt. Anspruch auf Sach- und Geldleistungen
bestehe daher über diesen Zeitpunkt hinaus nicht.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, der Unfallhergang sei durchaus geeignet, die geltend
gemachte Verletzung hervorzurufen, nämlich der Sturz auf einen nach hinten ausgestreckten Arm. Dass er nicht sofort fachärztliche
Behandlung in Anspruch genommen habe, sei dadurch zu erklären, dass er bereits zuvor einen ähnlichen Unfall erlitten habe,
der dann aber ohne längere ärztliche Behandlung wieder ausgeheilt sei und zumindest keine größeren Beschwerden verursacht
habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2009 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, allein der Umstand,
dass der Kläger erst nach ca. drei Monaten ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe und seine rechte Schulter so erheblich
vorgeschädigt sei, spreche gegen die Annahme einer unfallbedingten Entstehung der Rotatorenmanschettenverletzung.
Hiergegen hat der Kläger am 12. Juni 2009 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) unter Wiederholung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren erhoben.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen befragt, den OP-Bericht sowie das Vorerkrankungsverzeichnis
seit 1982 beigezogen und anschließend den Kläger orthopädisch von Amts wegen begutachten lassen.
Dr. E.-P. hat berichtet, dass eine Erstvorstellung des Klägers am 24. September 2007 in ihrer Sprechstunde erfolgt sei. Der
Radiologe Dr. K. hat den am 19. Februar 2007 erhobenen MRT-Befund vorgelegt und ergänzend ausgeführt, dass der Kläger bei
ihm oder bei Dr. R. davor nicht zur Untersuchung gewesen sei. Der Allgemeinmediziner Dr. S., bei dem der Kläger seit September
1980 in Behandlung steht, hat über die Schulterprellung rechts mit operativer Versorgung als Arbeitsunfall vom 3. Juli 1985
berichtet. Dr. D. hat ausgeführt, den Kläger erstmalig am 23. Mai 2006 wegen Beschwerden der rechten Schulter gesehen und
behandelt zu haben, dann wieder erneut am 1. Februar 2007.
Dr. H. ist in seinem Gutachten vom 8. Juni 2010 zu dem Ergebnis gelangt, dass es aufgrund des Unfallereignisses vom 9. November
2006 bei dem Kläger zu einer Zerreißung der Rotatorenmanschette gekommen sei. Zum Unfallzeitpunkt habe unzweifelhaft ein degenerativer
Vorschaden bestanden, welcher durch die Röntgenuntersuchung vom 23. Mai 2006 belegt werde. Darüber hinaus habe der Kläger
schon vor dem Unfall belastungsabhängige Schulter- und Gelenksbeschwerden geäußert, die sich nach der Schultereckgelenkssprengung
im Juli 1985 entwickelt hätten, die damals operativ behandelt worden und danach offenbar sehr gut ausgeheilt sei. Nachfolgende
Röntgenaufnahmen zeigten nämlich keine wesentliche Instabilität im rechten Schultergelenk mehr an. Somit deute die Behandlung
am 23. Mai 2006 eher auf chronisch-degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette hin. Vor dem Unfallereignis habe somit
keine großflächige Zerreißung der Rotatorenmanschette vorgelegen, denn die Röntgenaufnahmen vom 23. Mai 2006 zeigten keinen
Oberarmkopfhochstand als radiologischen Hinweis darauf. Der Kläger sei auch, was durch die Aufzeichnungen der Krankenkasse
bestätigt werde, vor dem Ereignis nicht arbeitsunfähig aufgrund von Schulterproblemen gewesen. Er habe den Unfallhergang so
beschrieben, dass durch das Ausrutschen und das reflektorische FesT.ten an dem Kantholz der rechte Arm zur Seite und nach
hinten gerissen worden sei. Der Kläger habe sofort einen massiven Schmerz in der rechten Schulter verspürt, als ob ihm der
rechte Arm abgerissen werden würde. Kurz danach habe er ein Wärmegefühl im rechten Oberarm und der rechten Schulter verspürt.
Er sei dann auf die rechte Körperhälfte gestürzt und wenige Stufen weiter nach unten gerutscht. Der Unfall habe sich kurz
vor Ende der Arbeitsschicht ereignet und der Kläger sei dann noch kurze Zeit auf der Baustelle verblieben. Er habe sich anschließend
zunächst mit Schmerzmedikamenten selbst behandelt und auf eine spontane Besserung der Beschwerden gehofft. Am Montag sei es
ihm etwas besser gegangen und er sei an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt. Er habe dann auf eingeschränktem Niveau noch einige
Tage lang gearbeitet. Weihnachten habe dann die Arbeit offenbar bis in den Februar hinein geruht. Aufgrund anhaltender Beschwerden
habe er sich dann am 1. Februar 2007 bei Dr. D. vorgestellt.
Die Beklagte hat hierzu eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. T. vorgelegt, der eine zeitnahe Dokumentation des Erstkörperschadens
bemängelt hat. Soweit von einer großflächigen Zerreißung der Rotatorenmanschette rechts ausgegangen werde, sei das Verhalten
nach dem Unfall mit einer derart gravierenden Verletzung nicht zu vereinbaren. Denn der "Vernichtungsschmerz" sei selbst durch
stark wirksame Analgetika wenig zu beeinflussen und führe zum Funktionsverlust der betroffenen Gliedmaße. Der Umstand, dass
der Kläger erst knapp drei Monate nach dem Unfallereignis einen Arzt aufgesucht habe, sei ein zweifelsfreies Indiz gegen einen
gravierenden Körperschaden. Dagegen spreche auch der kernspintomographische und arthroskopische Befund, der ausschließlich
degenerative und keinerlei traumatisch bedingte Veränderungen beschreibe. Auch der Unfallhergang sei nicht geeignet die Unfallfolge
hervorzurufen, denn bei einem rücklings Die-Treppe-Herunterrutschen könne ein Arm allenfalls nach oben gerissen werden.
In seiner Stellungnahme hierzu hat Dr. H. am 10. August 2010 ausgeführt, dass eine wachsende Schar von medizinischen Gutachtern
davon ausgehe, dass anhand vager Unfallschilderungen des Verletzten eine exakte biomechanische Analyse nicht durchgeführt
werden könne. Wann ein Verunglückter ärztliche Hilfe in Anspruch nehme, sei auch stark persönlichkeitsabhängig. Selbst nach
Knochenbrüchen nähmen viele Patienten monate- oder jahrelang keine ärztliche Hilfe in Anspruch, wobei hier beispielhaft die
Kahnbeinfraktur am Handgelenk, aber auch Wirbelkörperbrüche zu nennen seien. Bereits am 1. Februar 2007 habe die behandelnde
Orthopädin mittels Ultraschalluntersuchung eine größere Rissbildung in der Rotatorenmanschette festgestellt, die dann am 19.
Februar 2007 kernspintomographisch bestätigt worden sei. Dieser Befund habe sich dann bei einer weiteren Untersuchung am 23.
April 2007 erhärtet und es sei eine Operation empfohlen worden. Der Kläger habe sich aber beruflich bedingt erst am 4. Oktober
2007 operieren lassen und bis dahin weiter gearbeitet. Auch dies spreche für die beschriebene Klägerpersönlichkeit. Ein vergleichbarer
Defekt vor dem Unfallereignis sei bei dem Kläger nicht nachweisbar. Was die kernspintomographischen und arthroskopischen Befunde
anbelange, so dürfe nicht übersehen werden, dass diese erst Monate nach dem Ereignis erhoben worden seien und man zu diesem
Zeitpunkt beim besten Willen keine unfallspezifischen Veränderungen mehr hätte erwarten können, da natürliche Reparaturvorgänge
mögliche akute Verletzungsphänomene innerhalb von wenigen Wochen beseitigten. Was das Knochenmarködem betreffe, so sei dies
zwar ein kernspintomographisches Zeichen, das aber längst nicht bei jeder unfallbedingten Rotatorenmanschettenruptur auftreten
müsse. Im Übrigen verschwinde diese vermehrte Wassereinlagerung im Knochen innerhalb von wenigen Monaten. Der Unfall habe
sich aber mehr als drei Monate vor der kernspintomographischen Untersuchung ereignet. Was die degenerativen Veränderungen
im rechten Schultergelenk anbelange, so könnten nach einem unfallbedingten Strukturschaden sekundär degenerative Phänomene
auftreten. Denn auch nach einer frischen unfallbedingten Zerreißung einer gesunden Sehne komme es in den folgenden Wochen
und Monaten zu einer zunehmenden Verschmächtigung, Schrumpfung und Rückbildung der zugehörigen Muskulatur, selbst wenn überhaupt
kein degenerativer Vorschaden bestehe. Es sei daher völlig unrealistisch zu erwarten, dass knapp ein Jahr nach einem Unfall
operativ unfallunabhängige degenerative Schäden von unfallbedingten Sekundärschäden unterschieden werden könnten.
Die Beklagte hat hierzu eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. T. vorgelegt, der ausgeführt hat, der Sachverständige
Dr. H. habe die Vorschädigung von 1985 nicht ausreichend beachtet. Denn dadurch werde erfahrungsgemäß auch die darunter liegende
Rotatorenmanschette im Laufe der Jahre mit geschädigt. Aus dem Operationsbericht ergebe sich, dass die Subscapularissehne
intakt gewesen sei, was gegen eine unfallbedingte Läsion der anderen Strukturen spreche. Verletzungsspezifische Veränderungen
wie beispielsweise Vernarbungen seien nicht festgestellt worden. Die Verdrehung des Arms nach außen und hinten spreche eher
gegen die Zugrichtung der Rotatorenmanschette, so dass eigentlich keine Dehnungsbelastung bewirkt werden könne.
Mit Urteil vom 7. Dezember 2010, der Beklagten zugestellt am 22. Dezember 2010, hat das SG unter Abänderung der angefochtenen Bescheide festgestellt, dass die Rotatorenmanchettenruptur rechts Folge des anerkannten
Arbeitsunfalls vom 9. November 2006 ist. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, der Sachverständige Dr. H. habe überzeugend
dargelegt, dass das Unfallgeschehen kausal für die Rotatorenmanschettenverletzung gewesen sei. Der vom Kläger geschilderte
Unfallhergang, die passiv ausgeprägte Zerrung am rechten Oberarm zur Seite und nach hinten, sei grundsätzlich geeignet, eine
Schädigung der Rotatorenmanschette hervorzurufen. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben nicht dem tatsächlichen Geschehensablauf
entsprächen, seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe vielmehr diesen Unfallhergang bereits bei der Durchgangsärztin Dr. E.-P.
so geschildert. Dafür, dass es bei dem Geschehen zu der Zerreißung der Rotatorenmanschette gekommen sei, spreche das vorliegende
bildgebende Material. Bei der kernspintomographischen Untersuchung am 19. Februar 2007 sei eine größere Rissbildung in der
Rotatorenmanschette rechts festgestellt worden. Die im Mai 2006 angefertigten bildgebenden Materialen hätten hingegen keine
entsprechende Schädigung und insbesondere keinen Oberarmkopfhochstand als radiologischen Hinweis auf eine längere Zeit vorbestehende
größerflächige Zerreißung der Rotatorenmanschette gezeigt. Auch die Angaben des Klägers bezüglich seiner Beschwerden sprächen
dafür, dass es bei dem Arbeitsunfall zu einer Ruptur der Rotatorenmanschette gekommen sei. Denn er habe gleich danach über
vermehrte Beschwerden beim Oberarmabspreizen und eine relative Kraftlosigkeit bei Abspreizbewegungen berichtet. Er habe dann
nur unter erheblichen Schmerzen weiterarbeiten können, körperlich besonders belastende Arbeiten delegiert und sich weiter
mit Schmerzmitteln behandelt. Dass er erst am 1. Februar 2007 und damit etwa zweieinhalb Monate nach dem Unfallereignis ärztliche
Hilfe in Anspruch genommen habe, spreche nicht gegen die Kausalität des Arbeitsunfalls für die Zerreißung der Rotatorenmanschette.
Denn der Kläger habe nachvollziehbar dargelegt, dass eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung nicht in Betracht gekommen sei, da er
Teil eines Eineinhalb-Mann-Betriebes gewesen sei und kurzfristig kein Ersatz für ihn hätte gefunden werden können. Darüber
hinaus habe er aufgrund einer in der Vergangenheit aufgetretenen Schulterverletzung die Hoffnung gehabt, dass die Beschwerden
auch dieses Mal ohne ärztliche Behandlung zurückgehen würden. Nachdem nach einer über einmonatigen Ruhepause eine Besserung
aber nicht eingetreten sei, habe er dann die Orthopädin Dr. D. aufgesucht. Dass in der kernspintomographischen Untersuchung
am 19. Februar 2007 typische traumatische Veränderungen nicht mehr hätten festgestellt werden können, spreche nicht gegen
eine Verursachung der Rotatorenmanschettenruptur durch den Arbeitsunfall. Denn die Befunde seien erst Monate nach dem Ereignis
erhoben worden und insoweit müssten natürliche Reparaturvorgänge berücksichtigt werden. Insbesondere werde durch das Nichtvorliegen
eines Knochenmarködems eine traumatischen Verursachung nicht widerlegt. Auch die festgestellte Verschmächtigung und teilweise
Verfettung der Muskulatur sowie die beginnenden Anzeichen einer Schultergelenksarthrose sprächen nicht gegen einen kausalen
Zusammenhang, da nach einem unfallbedingten Strukturschaden sekundär degenerative Phänomene auftreten könnten. Der Unfall
sei rechtlich wesentlich für die Rotatorenmanschettenruptur gewesen. Denn trotz der unstreitig vorhandenen degenerativen Vorschäden
wäre es ohne das Unfallereignis nicht zu diesem Zeitpunkt zu einer größeren Zerreißung der Rotatorenmanschette gekommen. Zwar
hätten die am 23. Mai 2006 angefertigten Röntgenaufnahmen eine beginnende arthrotische Veränderung sowie Zeichen einer chronischen
Rotatorenmanschettendegeneration gezeigt. Diese arthrotischen Veränderungen seien aber nicht so leicht ansprechbar gewesen,
als dass es ohne den Arbeitsunfall zu einer entsprechenden Zerreißung gekommen sei.
Hiergegen hat die Beklagte am 20. Januar 2011 Berufung unter Hinweis auf die bereits vorgelegten Stellungnahmen der Beratungsärzte
eingelegt. Insbesondere müssten das nicht verletzungskonforme Verhalten des Klägers, die klinischen Befunde im Verlauf der
Erkrankung sowie die Ergebnisse der Kernspintomographie und Arthroskopie entsprechend berücksichtigt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 7. Dezember 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Mit Beschluss vom 28. Februar 2011 hat der damals zuständige Senat die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Heilbronn
ausgesetzt.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der damalige Senat eine weitere orthopädische Begutachtung nach Beiziehung der
Röntgenbilder und MRT-Aufnahmen veranlasst. Dr. Sch. hat in seinem Gutachten vom 7. Dezember 2011 ausgeführt, dass grundsätzlich
dem Erstbefund nach einem Unfallereignis große Bedeutung zukomme, ein solcher sei beim Kläger aber zeitnah nicht erhoben worden.
Erst am 1. Februar 2007 habe die Orthopädin Dr. D. eine deutliche Bewegungseinschränkung der rechten Schulter beschrieben.
Bei der traumatischen Rotatorenmanschettenverletzung liege ein typischer Symptomverlauf vor, nämlich eine sogenannte Pseudoparalyse,
d.h. eine Lähmung des betroffenen Armes durch den weitgehenden Abriss der schulterführenden Sehne bzw. Rotatorenmanschette,
die in aller Regel eine sofortige Vorstellung beim Arzt nach sich ziehe, weil es sich hierbei um ein sehr traumatisches Ereignis
handle. Der Kläger sei an einem Donnerstag verunfallt und habe dann die Arbeit bis zum Feierabend fortgesetzt. Das Vorerkrankungsverzeichnis
enthalte auch danach keine Fehlzeiten im Spätjahr 2006. Die Röntgenaufnahme im Mai 2006 zeige eine hinreichende Weite des
subacromialen Raums bei jedoch nachweisbaren degenerativen Veränderungen im Ansatzbereich der Rotatorenmanschette. Nach dem
angeschuldigten Ereignis sei eine zunehmende Dezentrierung des Kopfes, d.h. ein Höhertreten des Humeruskopfes durch einen
Defekt der Rotatorenmanschette, nicht entstanden, die aber wegweisend für eine dazwischen stattgehabte Läsion der Rotatorenmanschette
sei. Dies sei den Kernspintomographie- und den Röntgenaufnahmen zu entnehmen. Die Kernspintomographie sei etwa 3,5 Monate
nach dem angeschuldigten Ereignis durchgeführt worden, wobei der Zeitraum für die Ausbildung einer fettigen Degeneration hierfür
zu kurz erscheine. Gewöhnlich bedürfe es dafür eines Zeitraumes von sechs bis zwölf Monaten. Somit sei eher von einem zeitlich
länger zurückliegenden Ereignis bzw. einer Entwicklung der Rotatorenmanschettenläsion auszugehen. Der Operationsbericht bestätige
im Wesentlichen den kernspintomographischen Befund. Da die Operation nahezu ein Jahr nach dem angeschuldigten Ereignis durchgeführt
worden sei, seien die dort festgestellten degenerativen Veränderungen unter Kausalitätsgesichtspunkten nicht mehr verwertbar.
Auch eine histologische Untersuchung würde keinen Aufschluss bezüglich der Kausalität ergeben. Insgesamt gesehen sei daher
ein Zusammenhang nicht mit Wahrscheinlichkeit herzustellen, da der Unfallmechanismus ungeeignet sei, erhebliche Vorschäden
der rechten Schulter bestünden, ein untypischer Erstbefund vorliege und auch die bildgebenden Verläufe untypisch seien.
Dr. Sch. hat sich noch einmal am 2. Februar 2012 zum von ihm festgehaltenen Unfallhergang geäußert, er habe diesen mit Hilfe
eines Besens nachgestellt und der Kläger habe ausdrücklich bestätigt, dass der von ihm aufgenommene Hergang seinen Angaben
entspreche.
Mit Beschluss vom 14. März 2012 hat der damalige Senat das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Sachverständigen Dr. Sch.
zurückgewiesen.
Nachdem das Verfahren im Wege der Geschäftsverteilung auf den erkennenden Senat übertragen worden ist, hat der nunmehr zuständige
Senat den Sachverständigen Dr. H. erneut zu der Einschätzung von Dr. Sch. befragt. Dr. H. hat am 12. Februar 2013 ausgeführt,
Schilderungen über Unfallmechanismen seien generell unzuverlässig, denn die Fähigkeit des Menschen sei eingeschränkt, in einer
völlig überraschend aufgetretenen Unfallsituation nüchtern und sachlich zu analysieren, was zu welchem Zeitpunkt passiert
sei. Der Sachverständige Dr. Sch. könne deswegen nicht präzise die biomechanische Belastbarkeit der drei Sehnenfasern der
Rotatorenmanschette zum Unfallzeitpunkt bewerten. Was die degenerativen Vorschäden anbelange, so "schützten" diese nicht vor
zusätzlichen Unfallschäden. Nicht jeder Mensch reagiere auf Krankheit und Unfallfolgen mit einem zeitnahen Arztbesuch, so
dass ein untypisches Verhalten nicht unbedingt gegen eine unfallbedingte Rotatorenmanschettenruptur spreche. Dr. Sch. übersehe
darüber hinaus, dass das Ausmaß eines Oberarmkopfhochstandes nach Rotatorenmanschettenschädigung abhängig vom Ausmaß des Schadens
sei. Eine große durchgängige Rissbildung führe eher zu einem radiologisch erkennbaren Oberarmkopfhochstand als eine kleine
Teilrissbildung. Aber auch eine große durchgängige Rissbildung müsse nicht automatisch zu einem bedeutsamen Oberarmkopfhochstand
führen. Bei dem Kläger zeigten die Röntgenaufnahmen der rechten Schulter vom 5. Oktober 2007 eine gute Zentrierung des Oberarmkopfes
in der Schulterpfanne, obwohl im Vorfeld unstreitig eine größere Rotatorenmanschettenruptur nachgewiesen und operativ behandelt
worden sei. Dass die fettige Degeneration der Sehnenansätze in einem hierfür zu kurzen Zeitraum aufgetreten sei, treffe ebenfalls
nicht zu. Dagegen sprächen die von ihm aktuell durchgeführten Internetrecherchen. Untersuchungen bei Hunden hätten gezeigt,
dass spätestens nach 12 Wochen nach einer künstlich gesetzten Sehnenverletzung entsprechende Veränderungen der Muskulatur
nachweisbar gewesen seien. Nach einer japanischen Studie an Menschen seien entsprechende Veränderungen der Rotatorenmanschettenmuskulatur
bei allen 29 untersuchten Individuen sechs Monate und später nach dem Unfallereignis nachweisbar gewesen (Studie von 2012).
Dass der Kläger selbst ungewöhnlich indolent belastbar sei, ergebe sich überzeugend aus seinem Verhalten unmittelbar vor der
Operation. Dass sich überdies Beschwerden nach einer Rotatorenmanschettenruptur im Laufe von Wochen bessern könnten, entspreche
seiner bisherigen Berufserfahrung.
Der Senat hat den Kläger noch einmal ausführlich in der mündlichen Verhandlung befragt. Hinsichtlich der Einzelheiten seiner
Angaben wird auf die Niederschrift vom gleichen Tag verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach §
151 Abs.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch statthafte Berufung der Beklagten (§§
143,
144 SGG) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen
Rechten.
Der Kläger erstrebt mit seinem Anfechtungsbegehren (§
54 Abs.
1 SGG) die Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen der Beklagten, soweit mit diesen die Anerkennung weiterer Unfallfolgen abgelehnt
worden sind. Kombiniert mit dieser Anfechtungsklage begehrt er darüber hinaus die gerichtliche Feststellung weiterer Unfallfolgen
(§
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG).
Unfallfolgen sind Folgen von Arbeitsunfällen i. S. von §
7 Abs.
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII), also nach §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII von Unfällen Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3, oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt)
ist in der Regel erforderlich (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 9/10 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 17 - und vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen
ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden
Ereignis, dem Unfallereignis, geführt hat (Unfallkausalität) und letzteres einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten
verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Liegt danach ein Arbeitsunfall vor, so bedarf es für die Gewährung von Leistungen
des Entstehens von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität).
Diese Voraussetzungen sind hier mit Blick auf die vom Kläger geltend gemachte Rotatorenmanschettenruptur erfüllt.
So hat der Kläger zunächst am 9. November 2006 durch den Sturz eine Verdrehung des rechten Arms und damit einen (anerkannten)
Arbeitsunfall erlitten; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Auch liegt die geltend gemachte Rotatorenmanschettenruptur
als Gesundheitserstschaden vor.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen
Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, mit abweichender Begrifflichkeit BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis
und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt - auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes
über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten
(vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 m. w. N.) - zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre.
Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls
ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich
war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer
besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch
andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache
wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige
Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs
nicht Voraussetzung.
Eine Ursache, die zwar naturwissenschaftlich kausal, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist
und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten
Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer
äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf
abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus
ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende
Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung
zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich
vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt allerdings nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden,
nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung ein gegenüber einer Krankheitsanlage
rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 a. a. O., m. w. N.).
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten
Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache
unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - wobei eine Ursache allerdings nicht
deswegen wesentlich ist, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall,
den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck
der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 a. a. O., m. w. N.).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge - im Unterschied zu den Merkmalen
"versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden",
die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für das Gericht feststehen müssen - die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit,
nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 29/07 R - zit. nach [...]). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich
gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten
des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen
Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
In Anwendung dieser Grundsätze ist die vom Kläger geltend gemachte Rotatorenmanschettenruptur mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit
rechtlich wesentlich auf den Arbeitsunfall vom 9. November 2006 zurückzuführen. Das hat das SG in Auswertung des ausführlich ermittelten Sachverhalts, insbesondere des Gutachtens von Dr. H., der sachverständigen Zeugenaussagen
der behandelnden Ärzte sowie der im Wege des Urkundsbeweises berücksichtigten Behandlungsunterlagen unter Zugrundelegung der
hierzu ergangenen Rechtsprechung begründet dargelegt. Der Senat schließt sich dem nach eigener Würdigung an und verweist insoweit
nach §
153 Abs.
2 SGG auf die zutreffenden und überzeugenden Entscheidungsgründe.
Auch die Ermittlungen im Berufungsverfahren und die Befragung des Klägers führen zu keinem anderen Ergebnis.
Denn im Gegensatz zu der von dem Sachverständigen Dr. Sch. unter Vermengung von naturwissenschaftlicher Kausalität und Wesentlichkeit
zusammengefasst vertretenen Auffassung, die Beschwerdesymptomatik des Klägers sei allein auf die degenerativen Veränderungen
zurückzuführen, führen die von dem Sachverständigen Dr. H. mitgeteilten Einschätzungen der für die Kausalitätsprüfung relevanten
Einzelaspekte mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit sowohl zu einer naturwissenschaftlichen als auch zu einer wesentlichen
Ursächlichkeit des vom Kläger erlittenen Sturzes für die fortbestehenden Beschwerden.
Zum einen ist der geschilderte Unfallhergang aus Sicht des Senats durchaus geeignet, die Rotatorenmanschettenruptur hervorzurufen.
Denn der Kläger hat bereits bei der ersten Unfallaufnahme angegeben, dass sein rechter Arm nach hinten verdreht wurde und
dies später bei Dr. H. dahingehend präzisiert, dass bei dem Sturz der rechte Arm zur Seite und dann nach hinten gerissen wurde.
Die Beklagte hat dem folgend auch eine Verdrehung des Armes als Unfallfolge anerkannt. Ein Sturz nach vorn muss nicht eine
Verdrehung nach hinten ausschließen. Dass es sich bei der Verdrehung eines Armes ebenso wie bei einem massiven plötzlichen
Hoch- oder Rückwärtsreißen um einen geeigneten Unfallmechanismus handelt, ist der unfallmedizinischen Literatur zu entnehmen
(Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 412). Insofern geht auch die beratungsärztliche
Stellungnahme von Dr. T. fehl. Dass mit einem Besenstil kaum ein fünf Jahre zurückliegendes Unfallereignis mit einem ca. zwei
Meter langen Kantholz simuliert werden kann, liegt auf der Hand, zumal wenn der Verunfallte noch weitere Gegenstände in den
Händen trägt.
Dessen ungeachtet hat Dr. H. zum anderen zu Recht bemängelt, dass die Schilderungen über Unfallmechanismen generell unzuverlässig
sind. Dass Zeugenaussagen aufgrund der begrenzten Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen und der Neigung, aus einer einmal eingetretenen
Unfallsituation Rückschlüsse auf deren Hergang zu ziehen, nur einen begrenzten Beweiswert haben, ist gerichtsbekannt. Dies
gilt vorliegend umso mehr, denn die Fähigkeit des Menschen ist eingeschränkt, retrospektiv hinsichtlich einer völlig überraschend
aufgetretenen Unfallsituation Bewegungsabläufe quasi in Einzelbildern darzustellen. Deswegen hat Dr. H. zutreffend eine exakte
biomechanische Analyse abgelehnt, denn die genaue Krafteinwirkung auf die drei Sehnenfasern anlässlich des Unfallereignisses
vom 9. November 2006 lässt sich ebenso wenig wie deren biomechanische Belastbarkeit zuverlässig feststellen.
Mit Blick auf die naturwissenschaftliche Kausalität hat der Sachverständige Dr. H. ausgeführt, er gehe davon aus, dass der
Kläger, sofern er zuvor keine Schmerzen gehabt habe, ohne den Sturz zum damaligen Zeitpunkt keine Rotatorenmanschettenruptur
erlitten hätte. Diese Einschätzung ist unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen des Sachverständigen und der Umstände
des vorliegenden Einzelfalles überzeugend.
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass vor dem Unfallereignis keine großflächige Zerreißung der Rotatorenmanschette vorgelegen
hat, denn die zeitnahen Röntgenaufnahmen vom 23. Mai 2006 zeigten keinen Oberarmkopfhochstand als radiologischen Hinweis darauf.
Das hat der Sachverständige Dr. H. aufgezeigt. Nach den glaubhaften und insbesondere durch die mitgeteilten Arbeitsunfähigkeitszeiten
bestätigten Angaben des Klägers sind im Verlaufe der seit dem ersten Arbeitsunfall 1985 verstrichenen Zeit von nunmehr 21
Jahren, der im Übrigen auch nach Einschätzung des Beratungsarztes Dr. T. wesentlich ursächlich für die degenerativen Veränderungen
der Rotarorenmanschette ist, Beschwerden an seinem rechten Schultergelenk erstmals im Anschluss an das Unfallereignis aufgetreten
(vgl. den Arztbericht von Dr. D. vom 1. Februar 2007). Der vorangegangene Arztkontakt vom 23. Mai 2006 fand allein wegen cercivobrachialgiformer
Beschwerden statt, eine Behandlung der Schulter stand nicht im Vordergrund, was der Senat diesem Arztbrief entnimmt. In der
Anamnese wird nämlich über Schulterschmerzen des Klägers nicht berichtet, wenngleich die rechte Schulter mit geröntgt wurde.
Ungeachtet der degenerativen Veränderungen war der Kläger auch in der Lage, seiner körperlich stark belastenden Tätigkeit
ohne nennenswerte Fehlzeiten nachzugehen und dabei schulterbelastend zu arbeiten. Der zeitliche Zusammenhang des Auftretens
der Beschwerden genügt zwar für sich allein für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Gesundheitsstörungen
und dem Arbeitsunfall nicht. Er ist aber - anders als wohl im Rahmen der Prüfung der Wesentlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 a. a. O., m. w. N.) - zumindest als Indiz für einen solchen Kausalzusammenhang anzusehen.
Im Einklang hierzu hat der Sachverständige Dr. H. ausgeführt, dass die degenerativen Veränderungen vor dem Unfall klinisch
stumm waren und sie dann erst in der Folgezeit schmerzhaft in Erscheinung getreten sind. Danach ist ein rein zufälliges zeitliches
Zusammentreffen des Unfalles und des erstmaligen Auftretens der Beschwerden nicht belegt.
Zwar spricht der Umstand, dass der Kläger nicht sogleich nach dem Unfallereignis einen Arzt aufgesucht hat, in der Regel als
Indiz gegen eine traumatische Rotatorenmanschettenverletzung. Darauf hat der Sachverständige Dr. Sch. zu Recht hingewiesen.
Denn durch die Verletzung wird ein typischer Symptomverlauf in Gang gesetzt, nämlich eine sogenannte Pseudoparalyse. Dabei
handelt es sich um eine Lähmung des betroffenen Armes durch den weitgehenden Abriss der schulterführenden Sehne bzw. Rotatorenmanschette,
die in aller Regel eine sofortige Vorstellung beim Arzt nach sich zieht, weil es sich ein sehr traumatisches Ereignis ist.
Allerdings muss nach der unfallmedizinischen Literatur auch nicht zwingend eine Pseudoparalyse eintreten, es handelt sich
lediglich um eine bedeutsame Anknüpfungstatsache (Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl.
2010, S. 418). Der Kläger, der an einem Donnerstag verunfallt ist, hat zwar eigenen Angaben zufolge die Arbeit bis zum Feierabend
fortgesetzt und sich auch in der Folgezeit zunächst nicht krank gemeldet. Insoweit hat der Sachverständige Dr. Sch. aber die
untypische Persönlichkeitsstruktur des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt. Dr. H. hat demgegenüber zu Recht betont,
dass es Patienten gibt, die selbst nach Wirbelbrüchen keine ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen und im Weiteren beispielshaft
auf den Zufallsbefund einer Kahnbeinfraktur hingewiesen. Bei dem Kläger ist insoweit zu berücksichtigen, dass er auch noch
nach Diagnosestellung der Ruptur sich erst zwei Monate später dem Operateur vorstellte, weitere neun Monate und das selbst
nach der Operationsindikation im April 2007 noch als Bauarbeiter und Polier weitergearbeitet hat, also zu einem Zeitpunkt,
wo er unzweifelhaft die Ruptur erlitten hatte und dies nun positiv wusste. Das entnimmt der Senat dem vorgelegten Vorerkrankungsverzeichnis.
Der Kläger hat auch geschildert, dass er zunächst typische, sehr starke Schmerzen hatte, dann aber aufgrund der Betriebssituation
sich gezwungen hat, weiter zu arbeiten, wobei er nur leichte Tätigkeiten mit der linken Hand verrichtete. Dann hat er sich
zunächst über das Wochenende mit Schmerzmedikamenten behandelt, so dass er bis Weihnachten durchhalten konnte, danach war
die wetterbedingte Stillstandzeit auf dem Bau. Er hat also keinesfalls drei Monate durchgearbeitet, sondern nur einen Monat.
Des Weiteren hatte der Kläger schon zwei Unfallverletzungen an beiden Schultern erlitten und ist selbst nach der Schulteroperation
1985 nur kurzzeitig ausgefallen. 2003 wurde er im Krankenhaus ebenfalls nur medikamentös behandelt, man hat ihm damals seinen
Angaben zufolge gesagt, dass es nach einiger Zeit besser wird, was dann auch eingetreten ist. Seine Einlassung, er habe aufgrund
seiner Erfahrungen gehofft, die Schmerzen selbst in den Griff zu bekommen, ist daher - wie für den Sachverständigen Dr. H.
und ihm folgend das SG - auch für den Senat glaubwürdig, zumal den Kläger sogar noch die Medikamente eingenommen hat, die zwar abgelaufen waren,
ihm aber 2003 gut geholfen haben. Somit ist der Ablauf nach dem Unfallereignis zwar untypisch, aber nicht gegen eine Kausalität
sprechend.
Dass die fettige Degeneration der Sehnenansätze, die durch die Kernspintomographie 3,5 Monate nach dem angeschuldigten Ereignis
belegt ist, in diesem Zeitrahmen nach einer Sehnenverletzung auftreten kann, haben die Recherchen von Dr. H. belegt und ist
somit ebenfalls nicht gegen die traumatische Rotatorenmanschettenruptur zu werten. Das gilt aus Sicht des Senats umso mehr,
als sich bereits bei der ersten Untersuchung am 1. Februar 2007 bei Dr. D. degenerative Veränderungen an der Muskulatur in
Form einer Abflachung der umgebenden Schultermuskulatur als Zeichen einer schon länger bestehenden Schonung zeigten, was sich
am ehesten mit dem Zeitpunkt des geschilderten Unfallereignis in Einklang bringen lässt.
Dass sich aus dem Operationsbericht, insbesondere dem Arthroskopiebefund, keinerlei Rückschlüsse auf die Ursache der Rotatorenmanschettenruptur
ergeben, weil die dort festgestellten degenerativen Veränderungen unter Kausalitätsgesichtspunkten nicht mehr verwertbar sind,
hat überdies letztlich auch der Sachverständige Dr. Sch. für den Senat zutreffend dargelegt. Bereits Dr. H. hat in diesem
Zusammenhang ausgeführt, dass natürliche Reparaturvorgänge mögliche akute Verletzungsphänomene innerhalb von wenigen Wochen
beseitigen und auch nach einem unfallbedingten Strukturschaden sekundär degenerative Phänomene auftreten können. Auch nach
einer frischen unfallbedingten Zerreißung einer gesunden Sehne kommt es in den folgenden Wochen und Monaten zu einer zunehmenden
Verschmächtigung, Schrumpfung und Rückbildung der zugehörigen Muskulatur, selbst wenn überhaupt kein degenerativer Vorschaden
besteht. Es ist daher nicht zu erwarten, dass knapp ein Jahr nach einem Unfall operativ unfallunabhängige degenerative Schäden
von unfallbedingten Sekundärschäden unterschieden werden können. Insoweit konnten die abweichenden Ausführungen des Beratungsarztes
Dr. T. nicht überzeugen.
Was das Knochenmarködem anbelangt, so hat Dr. H. zu Recht betont, dass dies zwar ein kernspintomographisches Zeichen ist,
das aber längst nicht bei jeder unfallbedingten Rotatorenmanschettenruptur auftreten muss. Im Übrigen verschwindet diese vermehrte
Wassereinlagerung im Knochen innerhalb von wenigen Monaten. Der Unfall hat sich aber mehr als drei Monate vor der kernspintomographischen
Untersuchung ereignet.
Der nach alledem für die in Rede stehende Rotatorenmanschettenruptur des Klägers wahrscheinlich kausal gewordene Arbeitsunfall
ist neben den degenerativen Veränderungen auch wesentliche Ursache hierfür. Anders als der Sachverständige Dr. Sch. meint,
gibt es in Auswertung der Krankengeschichte des Klägers keinerlei Anhalt dafür, dass bei klinisch stummen Beschwerden in dem
allein dafür in Betracht kommenden Zeitraum von Mai 2006 bis Februar 2007 die Ruptur allein degenerativer Natur war.
Denn dafür, dass der Sturz des Klägers lediglich Gelegenheitsursache oder Auslöser der Rotatorenmanschettenruptur war und
mithin jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte, spricht nichts. Vielmehr
war der Kläger in der Lage jahrelang schulterbelastend zu arbeiten, ohne dass es zu einer Ruptur der Rotatorenmanschette gekommen
ist. Dr. H. hat zu Recht betont, dass degenerative Vorschäden, die bei dem Kläger ohnehin nur diskret und nicht wie Dr. Sch.
meint, erheblicher Natur sind, vorhanden waren, unfallunabhängig zu einer spontanen Ruptur führen können, sie müssen dies
aber nicht.
Insbesondere war nämlich das Unfallereignis selbst, also der Sturz des Klägers auf das linke Handgelenk, kein alltägliches
Ereignis. Auch besteht angesichts des Umstandes, dass der Kläger seine manuelle Tätigkeit als Maurer trotz der Vorschädigung
bis zu dem Unfallereignis beschwerdefrei ausgeübt hat, keinerlei Anhalt dafür, dass diese Schädigung eine Ausprägung hatte,
auf Grund derer jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit zu der Rotatorenmanschettenruptur geführt hätte.
Dies geht zu Lasten der insoweit beweisbelasteten Beklagten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Juli 2011 - L 8 U 197/11 - [...], m. w. N. zur Rechtsprechung des BSG).
Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf §
193 Abs.
1 Satz 1
SGG beruht.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.