Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Auferlegung von Gerichtskosten im sozialgerichtlichen Verfahren; Verschuldenskosten
wegen Unterlassen erkennbarer und notwendiger Ermittlungen im Verwaltungsverfahren
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Auferlegung von Gerichtskosten durch das Sozialgericht Mannheim (SG).
Zur Ermittlung der gesundheitlichen Folgen des landwirtschaftlichen Unfalls am 27.03.1998 des Versicherten Dr. G. erteilte
die Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 29.09.2009 Professor Dr. Scha. , Direktor des orthopädisch-unfallchirurgischen Zentrums
des Universitätsklinikums M. , den Auftrag zur Erstattung eines Gutachtens. Unter dem 20./23.11.2009 wurde der Beschwerdeführerin
das Erste Rentengutachten vorgelegt, das vom Stellvertreter von Professor Dr. Scha. , Direktor der Klinik für Unfallchirurgie
Professor Dr. O. , und Assistenzarzt Dr. C. unterzeichnet war. Mit dem an Professor Dr. O. gerichteten Schreiben vom 18.01.2010
bat die Beschwerdeführerin Professor Dr. O. um Ergänzung seiner Minderung der Erwerbsfähigkeit(MdE)-Einschätzung, da nach
dem Gutachtensauftrag die MdE nicht erst ab 16.11.2009, sondern ab 08.05.1998 vorzunehmen sei. Im Schreiben vom 24.02.2010
gab Assistenzarzt Dr. C. die MdE-Einschätzung über den Zeitraum ab 08.05.1998 an. Die Beschwerdeführerin lehnte mit Bescheid
vom 20.12.2010 die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der Versicherte legte gegen das Gutachten vom 20.11.2009 und gegen
den hieraus resultierenden Bescheid Widerspruch ein (Schreiben vom 21.01.2011) und verlangte die Anberaumung eines neu zu
erstellenden Gutachtens bei einem Spezialisten für Orthopädie, orthopädische Chirurgie und Neurologie. Der Widerspruchsausschuss
der Beschwerdeführerin wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 08.04.2011).
Im sozialgerichtlichen Klageverfahren S 14 U 1665/11 erteilte das SG den richterlichen Hinweis vom 05.12.2011, wonach das Gutachten von Professor Dr. O. nach Überzeugung der Kammer nicht verwertbar
sei, da gegen die Vorschriften des §
200 Siebentes Buch des Sozialgesetzbuchs (
SGB VII) und §
407a Zivilprozessordnung (
ZPO) verstoßen worden sei. Das SG holte das orthopädische Gutachten von Dr. H. vom 21.02.2012 ein, dem die Verwaltungsakte der Beschwerdeführerin ohne das
Gutachten von Professor Dr. O. , das herausgenommen worden ist, vorgelegt worden war. Gestützt auf das Gutachten von Dr. H.
wies das SG die Klage ab (Urteil vom 14.05.2013) und legte der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 14.05.2013 gerichtliche Ermittlungskosten
in Höhe von 896,43 EUR auf. Die Vergütung des Sachverständigen Dr. H. sowie die durch die Begutachtung entstandenen Auslagen
des Klägers seien nach §
192 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) der Beschwerdeführerin aufzuerlegen, denn aufgrund gravierender Verfahrensfehler könne das im Verwaltungsverfahren zutreffend
für erforderlich gehaltene Gutachten nicht zur Grundlage der gerichtlichen Entscheidung gemacht werden.
Gegen den ihr mit Empfangsbekenntnis am 25.07.2013 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 05.08.2013 vor dem
Landessozialgericht Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, im Begutachtungswesen der gesetzlichen Unfallversicherung
sei es ein völlig normaler Vorgang, dass nicht der namentlich beauftragte Professor Dr. Scha. , sondern dessen Stellvertreter
Professor Dr. O. unter Mitwirkung des Assistenzarztes Dr. C. das Gutachten erstellt habe. Dies lasse keinerlei Beanstandung
im Sinne von Verfahrensfehlern erkennen. Es habe kein ersichtlicher Grund bestanden, Professor Dr. O. nach der Beteiligung
des Assistenzarztes C. zu befragen, nachdem das Gutachten von Professor Dr. O. unterschrieben worden war. Die ergänzende Stellungnahme
zur MdE sei daher mit Sicherheit auch in Kenntnis von Professor Dr. O. erstellt worden. Der Versicherte/Kläger habe in seinem
Widerspruchsschreiben auch keine Einwände gegen das Verfahren anlässlich seiner Begutachtung erhoben, sondern habe die Feststellungen
der anerkannten Dauerfolgen im Gutachten gerügt. Der Kläger sei offensichtlich mit der Verfahrensweise einverstanden gewesen.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 14. Mai 2013 aufzuheben.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beschwerdeführerin und die Akte des SG beigezogen.
II.
Die nach §
172 Abs.
3 Nr.
4 SGG statthafte sowie frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist auch im übrigen zulässig.
Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Der angefochtene Beschluss des SG ist nicht zu beanstanden.
Nach §
192 Abs.
4 SGG kann das Gericht der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare
und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden. Diese
zum 01.04.2008 in Kraft getretene Vorschrift (Gesetz zur Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008, BGBl I Seite 444) ist auch auf das vorliegende Verfahren, das einen vor Inkrafttreten des Gesetzes betreffenden Arbeitsunfall vom 27.03.1998
zum Gegenstand hat, anzuwenden. Das von der Beschwerdeführerin eingeleitete Verwaltungsverfahren war bereits 1998 begonnen
worden, wurde aber mit Hinweisschreiben an den Versicherten vom 10.03.1999 eingestellt, da angefragte Stellungnahmen des Versicherten
trotz Erinnerung nicht vorgelegt worden waren. Das Verfahren ist jedoch fortgesetzt worden, nachdem der Versicherte mit Schreiben
vom 14.02.2009 unter Hinweis auf ein von ihm vorgelegtes Gutachten von 1999 Feststellungen zu Unfallfolgen beantragt hatte.
Das Verwaltungsverfahren war damit erst mit Erlass des Widerspruchsbescheids vom 08.04.2011 beendet. Auf die Rechtsfrage,
ob die ohne Übergangsvorschrift ergangene prozessuale Kostenregelung auch auf vor dem 01.04.2008 abgeschlossene Verwaltungsverfahren
Anwendung findet (bejahend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.08.2009 - L 4 KR 108/09 B-; verneinend Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 16.03.2009 - L 1 B 201/08 U -), kommt es nicht an.
Die neu geschaffene Kostenregelung in §
192 Abs.
4 SGG soll einen Ausgleich für die den Justizhaushalten entstandenen Kosten schaffen, die durch unterbliebene -erkennbare und notwendige-
Ermittlungen im Verwaltungsverfahren, welche von dem Gericht deshalb im Rahmen der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht
zur erforderlichen sachdienlichen Sachaufklärung im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden mussten, entstanden sind. Diese
Bestimmung dient daher dem Zweck, die Verwaltung vor dem Hintergrund der möglichen Kostenfolge zu sorgfältiger Ermittlung
anzuhalten und damit bei den Gerichten Entlastungseffekte zu erreichen (Bundestag-Drucksache 16/7716, Seite 23).
Die Verpflichtung der Behörde zur umfassenden Ermittlung der für den Einzelfall bedeutsamen Umstände folgt dabei schon aus
dem im Verwaltungsverfahren ebenfalls geltenden Untersuchungsgrundsatz nach § 20 Abs. 1 und 2 SGB X. Das ihr hierzu eingeräumte pflichtgemäße Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts erstreckt sich auf die Wahl der zur Aufklärung
des Sachverhalts erforderlichen Beweismittel (§ 21 Abs. 1 SGB X), zu denen auch die Anhörung von Sachverständigen gehört (§ 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X). Ihr pflichtgemäßes Ermessen verletzt die Behörde dann, wenn sie einen Beweis nicht erhebt, der sich ihr bei vernünftiger
Überlegung als für die Entscheidung bedeutsam hätte aufdrängen müssen (von Wulffen in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 21 Rn. 3). In diesen Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens zur Sachverhaltsaufklärung gehört nicht nur das Erkennen eines Ermittlungsbedarfs
und die Auswahl des hierzu geeigneten Beweismittels, sondern auch die Einhaltung des gesetzlich vorgegebenen Verfahrens, soweit
solche Verfahrensverstöße die Verwertung des Beweisergebnisses beeinträchtigen oder ganz verbieten (von Wulffen, a.a.O.).
Die Sozialgerichte dürfen sich unter diesen Bedingungen auf das von der Behörde von Amts wegen im Verwaltungsverfahren eingeholte
Gutachten stützen. Ein Gericht, welches unter Verzicht auf Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zulässigerweise
ein bereits im Verwaltungsverfahren eingeholtes Gutachten (§ 21 Abs. 1 S 2 Nr. 2, Abs. 3 SGB X) im Wege des Urkundenbeweises verwerten will, hat lediglich sicherzustellen, dass die für die Einholung eines Gutachtens
durch die Verwaltung geltenden Grundsätze gemäß § 21 SGB X, die den nach §
118 Abs.
1 SGG i.V.m. §§
402 ff
ZPO einzuhaltenden Grundsätzen entsprechen, beachtet wurden (vgl. BSG, Beschluss vom 17.04.2013 - 9 V 36/12 B -, SozR 4-1500 § 118 Nr. 3).
Demgemäß sind im Sinne von §
192 Abs.
4 SGG erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren auch dann unterlassen worden, wenn zwar der Ermittlungsbedarf
erkannt und ein grundsätzlich hierfür geeignetes Beweismittel herangezogen wurde, das hieraus resultierende Beweisergebnis
jedoch einem gesetzlichen Beweisverwertungsverbot unterliegt. Eine fehlende Erkennbarkeit der solchermaßen unterbliebenen
verwertbaren Beweiserhebung ist in diesen Fällen nur dann anzunehmen, wenn die Behörde selbst unter Beachtung der erforderlichen
Sorgfalt die Einhaltung der Verfahrensvorschriften nicht hat gewährleisten können oder sich auf eine vertretbare Rechtsauffassung
für die Unbeachtlichkeit des Verfahrensverstoßes berufen kann.
Nach diesen Grundsätzen ist das SG im angefochtenen Beschluss rechtlich zutreffend vom Vorliegen der Voraussetzungen des §
192 Abs.
4 SGG ausgegangen.
Das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Professor Dr. O. vom 20./23.11.2009 mit der ergänzenden gutachterlichen
Stellungnahme von Dr. C. vom 24.02.2010 unterlag einem gesetzlichen Beweisverwertungsverbot, wie das SG zutreffend ausgeführt hat.
Der von der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 19.12.2011 eingeräumte Verstoß gegen §
200 Abs.
2 Halbsatz 1
SGB VII, wonach der Hinweis zur Gutachterauswahl vermutlich versehentlich unterblieben sei, kann dahinstehen. Der Versicherte hatte
im Verwaltungsverfahren den ausgebliebenen Vorschlag mehrerer Gutachter nicht gerügt. Er ist damit seiner im Verwaltungsverfahren
bestehenden Rügeobliegenheit nicht nachgekommen, weshalb er sich auf den Verfahrensverstoß im gerichtlichen Verfahren nicht
mehr berufen kann (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 18.01.2011, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3, Rn. 42). Ebenso kann dahinstehen, ob gegen die Verfahrensvorschrift von §
200 Abs.
2 Halbsatz 2
SGB VII verstoßen wurde. Es ist der beigezogenen Verwaltungsakte der Beschwerdeführerin und auch ihrer Stellungnahme vom 19.12.2011
nicht zu entnehmen, dass der Versicherte/Kläger gemäß §
200 Abs.
2 Halbsatz 2
SGB VII vor der Begutachtung auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 SGB X hingewiesen worden ist. Diese dem Sozialdatenschutz dienende Vorschrift gewährleistet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung,
wonach der Betroffene über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen und zu entscheiden hat.
Der Verstoß gegen die Pflicht zum Hinweis auf das Recht, der Weitergabe von Sozialdaten zu widersprechen, führt zum Beweisverwertungsverbot
des Gutachtens (BSG, Urteil vom 18.01.2011 a.a.O.; Ricke in Kasseler Kommentar, §
200 SGB VII Rn. 8; Buchardt in Becker/Buchardt/Krasney/Kruschinski
SGB VII-Kommentar, §
200 Rnrn. 26, 27). Verstöße gegen das Widerspruchsrecht können nur dadurch geheilt werden, dass das entsprechende Gutachten aus
den Akten entfernt wird (BSG a.a.O.; Buchardt a.a.O.). Ob im konkreten Fall der unterbliebene Hinweis auf das Widerspruchsrecht deshalb keinen Verfahrensverstoß
darstellt, weil der Versicherte und Kläger konkludent in die Datenübermittlung eingewilligt hat bzw. auf die Rüge der Gutachtenserteilung
ohne vorherige Belehrung über das Widerspruchsrecht verzichtet hat, indem er als Arzt ausdrücklich eine Begutachtung durch
die Beklagte beantragt hatte und er aufgrund seiner speziellen Sachkenntnis deshalb davon ausgehen musste, dass zur Anfertigung
eines Zusammenhangsgutachtens der Unfallversicherungsträger dem beauftragten Gutachter seine komplette Verwaltungsakte einschließlich
der darin erfassten und dokumentierten Sozialdaten übermittelt, lässt der Senat dahinstehen.
Jedenfalls hat die Beschwerdeführerin und Beklagte das Gutachten von Professor Dr. O. und die gutachtliche Äußerung von Dr.
C. unter Verstoß gegen elementare Regelungen der Beweiserhebung erlangt, da keine ordnungsgemäße Bestimmung dieser Ärzte zu
Sachverständigen erfolgt ist. Hinweise darauf, dass die (Mit-)Unterzeichnung des Gutachtens vom 20./23.11.2009 von dem beauftragten
Professor Dr. Scha. lediglich vergessen wurde, finden sich weder in der Akte noch ist dies geltend gemacht worden. Nach den
allgemeinen Grundsätzen begründet die fehlende Gutachterbestimmung ein Verbot, die dergestalt erlangten gutachterlichen Äußerungen
als Beweismittel zu verwerten.
Das Verwaltungsverfahren ist an bestimmte Formen nicht gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des
Verfahrens bestehen. Es ist einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen (§ 9 SGB X). Die Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens erstreckt sich auch auf die Beweisaufnahme, weshalb prozessuale Regelungen
zur Beweisaufnahme in den Verfahrensordnungen der Gerichtsbarkeiten nicht uneingeschränkt auf das Verwaltungsverfahren zu
übertragen sind (vgl. von Wulffen, a.a.O., §
21 Rn. 4). Nach §
404 ZPO obliegt es dem Gericht, den Sachverständigen auszuwählen und zu ernennen. Mit dem öffentlich-rechtlichen Akt der Ernennung
entsteht ein öffentlich-rechtliches Rechte- und Pflichtverhältnis, das die Pflicht zur Gutachtenserstattung, dessen unparteiische
Durchführung und die Möglichkeit der Vereidigung und die strafrechtliche Verantwortlichkeit des gerichtlichen Sachverständigen
(§§
153,
154 StGB) begründet (vgl. BSG, Urteil vom 25.10.1989 - 2 RU 38/89 -, [...]). Die Ernennung zum Sachverständigen durch das Gericht erfolgt vor der Gutachtenserstattung. Eine wirksame Bestellung
zum Sachverständigen kann deshalb vom Gericht nicht dadurch erfolgen, dass das von einem Arzt, der nicht durch vorherige Ernennung
zum Sachverständigen bestimmt worden war, verfasste Gutachten nachträglich durch das Gericht genehmigt wird (BSG, Urteil vom 25.10.1989, a.a.O.). Dieser vom Gesetzgeber für das gerichtliche Sachverständigengutachten vorgesehene Verfahrensgang
bezweckt, dass es zum einen nicht der ernannten sachkundigen Person überlassen wird, den Gutachtensauftrag an jemand anderen
weiter zu reichen (vgl. §
407 a Abs.
2 ZPO) und zum anderen, dass die Erstellung des Gutachtens unter der durch den Bestellungsakt erfolgten Pflichtenbindung erfolgt
und dies mit der Gutachtensbestellung dem Sachverständigen bewusst gemacht wird (BSG, a.a.O.). Ein unter Verstoß gegen diese Grundsätze erstattetes Gutachten ist nicht verwertbar (BSG, a.a.O).
Der Senat kann vorliegend offen lassen, inwieweit diese für das gerichtliche Gutachten geltenden Grundsätze auf das von der
Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten zu übertragen sind, weil die Pflichtenstellung und Verantwortbarkeit
des gerichtlichen Gutachters und des Verwaltungsgutachters gleich sind und deshalb wie im gerichtlichen Beweisverfahren eine
nachträgliche Genehmigung des Gutachtens eines hierzu nicht beauftragten Arztes von vornherein ausscheidet. Zwar bedarf die
Heranziehung des Beweismittels "Sachverständigengutachten" durch die Behörde keines besonderen Bestellungsaktes, jedoch die
durch Erteilung des Gutachtensauftrags deutlich werdende Heranziehung löst nicht nur die Entschädigungspflicht des Auftragsgebers
nach den Grundsätzen des gerichtlichen Gutachtens aus (§ 21 Abs. 3 S. 4 SGB X), sondern begründet überdies die Pflichtenstellung des Sachverständigen, die mit der des gerichtlichen Sachverständigen insoweit
vergleichbar ist. Es besteht eine Pflicht zur Gutachtenserstattung, insbesondere bei Unabweisbarkeit eines Gutachtens zur
Sachverhaltsaufklärung, was in der Regel zur Feststellung von Unfallfolgen immer gegeben sein dürfte, auch im Rahmen von §
407 ZPO (§ 21 Abs. 3 S. 1 und 2 SGB X). Diese Verpflichtung darf der ernannte Verwaltungsgutachter auch nicht auf einen anderen übertragen, denn §
407 a Abs.
2 ZPO ist entsprechend anwendbar (BSG, Beschluss vom 17.04.2013, a.a.O.). Die Aussagepflicht ist nach § 22 Abs. 1 SGB X durch gerichtliche Vernehmung durchsetzbar. Nach § 22 Abs. 2 SGB X kann die Beeidigung durch das Gericht angeordnet werden. Damit ist auch die Strafbarkeit wegen falscher uneidlicher oder
vereidigter Gutachtenserstattung begründbar. Ob diese in § 22 SGB X geregelte Ausgestaltung des Pflichtenkreises des Verwaltungsgutachters, deren gerichtliche Durchsetzung nicht der Regelfall
ist, für eine wesentliche andere Pflichtenstellung des Verwaltungsgutachters und dafür spricht, dass im formlosen Verwaltungsverfahren
die ermittelnde Behörde anders als das Gericht berechtigt ist, das Gutachten nachträglich nach hierfür erforderlicher zweckmäßiger
Prüfung zu genehmigen, kann dahinstehen.
Denn selbst wenn zu Gunsten der Beschwerdeführerin und Beklagten eine nachträgliche Genehmigung des solchermaßen erstatteten
Gutachtens als rechtlich zulässig unterstellt wird, ist eine solche Genehmigung des Gutachtens von Professor Dr. O. der Akte
nicht zu entnehmen und wird von der Beklagten auch nicht behauptet. Eine ausdrückliche Genehmigung wurde nicht erteilt. Eine
konkludente Genehmigung kann auch nicht in der an Professor Dr. O. und nicht an den ursprünglich beauftragten Professor Dr.
Scha. gerichteten Ergänzungsfrage vom 18.01.2010 gesehen werden. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin
sich dessen bewusst war, dass die an den Verfasser des Gutachtens gerichtete Ergänzungsfrage nicht den ursprünglich bestimmten
Gutachter betraf, geschweige denn ist die erforderliche Prüfung ersichtlich, ob eine vergleichbare Sachkunde und das Wissen
um die besondere Pflichtenstellung und Verantwortbarkeit des Gutachters - sei es kraft seiner Position in der Klinik oder
der Einrichtung bzw. aus bekannter früherer Heranziehung als Gutachter - zum Zeitpunkt der Gutachtenserstattung zu unterstellen
ist. Auf eine nachträgliche Genehmigung in diesem Sinne hat sich die Beschwerdeführerin auch nicht ausdrücklich berufen. Darüber
hinaus ist die Beantwortung der Ergänzungsfrage von Dr. C. der Entscheidung zu Grunde gelegt worden, ohne dass dieser von
der Beschwerdeführerin hierzu beauftragt worden ist oder eine nachträgliche Genehmigung ausdrücklich oder konkludent erteilt
worden wäre. Die Unterstellung der Beschwerdeführerin, Dr. C. habe im Auftrag des allgemeiner Übung entsprechend genehmigten
und bestellten Sachverständigen Professor Dr. O. gehandelt, findet nach Aktenlage keine Stütze, sondern gründet sich allein
auf einer Vermutung der Behörde. Hierauf kommt es aber mangels nachträglicher Genehmigung des Gutachtens von Professor O.
auch nicht an.
Soweit die Beschwerdeführerin sich darauf beruft, diese Verfahrensweise entspreche einer allgemein üblichen Verwaltungspraxis,
ist dies nicht belegt. Außerdem ist eine rechtswidrig Verfahrensweise nicht allein deshalb für die Behörde nicht erkennbar
im Sinne des §
192 Abs.
4 SGG, weil sie häufiger so praktiziert wird. Die Beklagte hat keine Rechtsauffassung benannt, die die behauptete Rechtmäßigkeit
dieser Verfahrensweise stützt, eine solche ist auch für den Senat nicht ersichtlich.
Die Beschwerdeführerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Versicherte/Kläger die Gutachtenserstattung durch Professor
Dr. O. oder Dr. C. nicht gerügt habe, weshalb von seinem Einverständnis auszugehen sei. Der Senat sieht entgegen der vom SG vertretenen Auffassung in dem Widerspruchsschreiben vom 21.01.2011 keine Rüge der Form der Beweiserhebung. Der Versicherte
war nach dem Wortlaut dieses Schreibens mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht einverstanden, denn er stellte in seinem
Widerspruch gegen das Gutachten und den Ausgangsbescheid darauf ab, dass die anzuerkennenden Dauerfolgen aus dem Unfall gravierender
und im Gutachten nicht richtig wiedergegeben seien. Dem im Verwaltungsverfahren nicht anwaltlich vertretenen Kläger kann aber
insoweit nicht die Rechtskenntnis unterstellt werden, dass er die Verfahrensweise der Sachverhaltsermittlung durch die Beschwerdeführerin
erfolgreich hätte rügen können und sein Schweigen daher grundsätzlich als Einverständnis mit der Beweiserhebung auszulegen
ist. Soweit die Beschwerdeführerin in ihrem Vorbringen anklingen lässt, das SG habe die Notwendigkeit eigener Ermittlungen vorzeitig selbst herbeigeführt, da der im Klageverfahren anwaltlich vertretene
Versicherte/Kläger bislang auch insoweit keine Rüge erhoben habe, entlastet dies die Beschwerdeführerin nicht. Die Ermittlungen
des Sozialgerichts waren notwendig, denn das Beweisverwertungsverbot ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Beim Rügeverzicht
ist auch nach der Rechtsprechung des Senats nur über die Sondervorschrift des §
202 SGG i.V.m. §
295 ZPO ein ursprünglich gegebenes Beweisverwertungsverbot unbeachtlich geworden, wenn der Kläger die Verfahrenshandlung des Sozialgerichts,
nämlich die Beiziehung der das unverwertbare Gutachten enthaltende und damit zum Verfahrensgegenstand werdende Akte des beklagten
Versicherungsträgers, hingenommen und sich sachlich zu dem Gutachten in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht eingelassen
hat, obgleich ihm der behauptete Verfahrensmangel der Gutachtenserstellung bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (Urteil
des Senats vom 25.02.2011 - L 8 U 2815/10 -, [...], www.sozialgerichtsbarkeit.de). Damit soll ein gegebenenfalls dem Gericht unterlaufener Verfahrensfehler, der auch
der Sachentscheidung des Gerichts zu Grunde liegt, nicht mehr gerügt werden können, wenn in der darauf folgenden nächsten
mündlichen Verhandlung die Partei sich rügelos zur Sache eingelassen hatte. Im Hinblick auf die Kostenfolge nach §
192 Abs.
4 SGG ist das Gericht aber nicht verpflichtet, zunächst Unterlagen verfahrensfehlerhaft zum Verfahrensgegenstand zu machen, die
erfolgreich mit der Rüge, dass diese Unterlagen einem Verwertungsverbot unterliegen würden, angegriffen werden könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197 a SGG in Verbindung mit §
154 Abs.
2 VwGO. Das Verfahren nach §
192 Abs.
4 SGG ist ein gesondert geregeltes Nebenverfahren über Kosten eines Hauptsacheverfahrens. Das vorliegende Hauptsacheverfahren ist
die Klage des Versicherten gegen die Beschwerdeführerin als Beklagte. In dieser Verfahrensstellung als Beklagte hat die Beschwerdeführerin
gegen die Kostenentscheidung des SG im angefochtenem Beschluss Beschwerde eingelegt, an der der Kläger/Versicherte nicht beteiligt ist. Die Kostenregelung §
197 a Abs.
1 SGG stellt auf den jeweiligen Rechtszug ab (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, §
197a Rn. 3). Die Beschwerdeführerin ist als Unfallversicherungsträger nicht kostenprivilegiert, denn sie gehört nicht zu dem in
§
183 SGG genannten Personenkreis. Die allein im Beschwerderechtszug in Betracht kommenden Gerichtskosten sind von der Beschwerdeführerin
zu tragen, nachdem ihre Beschwerde ohne Erfolg war. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 9. Senats an (Landessozialgericht
Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.03.2011 - L 9 U 1083/10 B - [...], www.sozialgerichtsbarkeit.de; a. A. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.08.2009 a.a.O.;
Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 16.03.2009, a.a.O.).
Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es gemäß § 3 Abs. 1 GKG nicht, denn die Höhe der anfallenden Gebühren richtet sich nach einer anderweitigen Bestimmung. Die Beschwerdeführerin als
einzige Beteiligte war nicht anwaltlich vertreten. Eine außergerichtliche Kostenerstattung kommt nicht in Betracht. Für das
vorliegende Verfahren ergibt sich die Höhe der Gerichtskosten aus dem Kostenverzeichnis Nr. 7504, wo eine feste Gebühr ausgewiesen ist.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).