Einstweiliger Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren; Anordnungsanspruch bei vorbeugender Unterlassungsklage im Hauptsacheverfahren
Gründe:
I. Der Antragsteller (ASt) begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung der Antragsgegnerin (Ag) aufzugeben, Vermutungen,
Behauptungen und unbewiesene Äußerungen über seine Person und seine Ehefrau zu unterlassen.
Die Ag bewilligte dem ASt zuletzt mit Bescheid vom 18.08.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld
II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nachdem der Außendienst der Ag festgestellt hatte, der ASt sei
orts- abwesend, entzog die Ag mit Bescheid vom 10.09.2009 dem ASt die laufenden Leistungen für die Zeit ab dem 01.09.2009.
In der Folgezeit meldete sich der ASt bei der Ag und beantragte die Fortzahlung der Leistungen. Nachdem Aufforderungen der
Ag Nachweise über Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorzulegen (Schreiben vom 20.10.2009 und 27.01.2010) unbeantwortet
blieben, versagte die Ag die Bewilligung von Leistungen wegen fehlender Mitwirkung für die Zeit ab dem 13.10.2009 (Bescheid
vom 01.12.2009) bzw. 22.12.2009 (Bescheid vom 01.03.2010). Nach Lage der Akten sind weder Widersprüche gegen die Bescheide
vom 10.09.2009, 01.12.2009 und 01.03.2010 eingelegt worden, noch ist ein Fortzahlungsantrag für die Zeit ab dem 01.03.2010
zu verzeichnen.
Am 05.05.2010 erhob der Kläger Klage (S 13 AS 748/10) zum Sozialgericht Nürnberg (SG). Es sei menschenunwürdig, wenn ihm nach mehr als zwei Jahren Verfahrensdauer der Widerspruchsbescheid vom 16.04.2010 ausgehändigt
werde. Das SG wies diese Klage als unzulässig ab, denn dieser Widerspruchsbescheid sei Gegenstand des Verfahrens S 13 AS 1219/08. Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt (L 11 AS 526/10).
Am 17.05.2010 hat der ASt beim SG beantragt, die Ag im Wege einer einstweiligen Verfügung zu verpflichten, es zu unterlassen Vermutungen, Behauptungen oder
sonstige unbewiesene Äußerungen in Bezug auf seine Person und seine Ehefrau aufzustellen, insbesondere Vermutungen zu äußern
es handle sich um Doppelgänger des ASt und seiner Ehefrau, die zum Zwecke des Leistungsbezuges für sie in N. in Erscheinung
träten.
Das SG hat mit Beschluss vom 16.06.2010 den Antrag als unzulässig abgewiesen, weil ein Rechtsschutzbegehren nicht ersichtlich sei.
Es werde weder ein Bescheid angefochten noch würden Leistungen begehrt.
Gegen diesen Beschluss hat der ASt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter
Instanz Bezug genommen.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist - soweit verständlich - ein Anspruch des ASt gegen die Ag, diese habe die Behauptung
zu unterlassen, es träten Doppelgänger des ASt und seiner Ehefrau in N. auf, um Leistungsansprüche nach dem SGB II zu verwirklichen.
Das SG hat insoweit zu Recht den Eilantrag des ASt als unzulässig angesehen. Es ist nicht ersichtlich, dass der ASt ein Hauptsacheverfahren
eingeleitet hätte, denn das in zeitlichem Zusammenhang stehende Verfahren S 13 AS 748/10 betraf einen Widerspruchsbescheid vom 16.04.2010, mit dem über Leistungsansprüche des ASt für den Zeitraum 24.11.2006 bis
21.01.2007 entschieden worden ist.
Unabhängig von der Unzulässigkeit des Eilverfahrens vor dem SG ist auch ein Anordnungsanspruch nicht zu erkennen.
Eine Regelungsanordnung iSd §
86b Abs
2 Satz 2
SGG setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches
- das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den die ASt ihr Begehren stützen - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast
glaubhaft zu machen (§
86b Abs
2 Satz 2 und
4 SGG i.V.m. §
920 Abs
2, §
294 Zivilprozessordnung -
ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
86b Rn. 41).
Eine Behauptung, es handle sich um Doppelgänger des ASt und seiner Ehefrau, die in N. Leistungen nach dem SGB II beantragt
hätten, hat die Ag bislang auch nicht nach dem Vortrag des ASt aufgestellt, so dass der ASt für dieses Anliegen in einem Hauptsacheverfahren
allenfalls eine vorbeugende Unterlassungsklage erheben kann, für die ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse erforderlich
ist. Dies liegt in aller Regel jedoch nicht vor, solange ein Betroffener auf nachträglichen effektiven Rechtsschutz verwiesen
werden kann (vgl. Keller aaO., § 54 Rn.42a). Ein besonderes, qualifiziertes Rechtsschutzinteresse hat der ASt jedoch nicht
ansatzweise dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Ag beabsichtigt Behauptungen - wie vom ASt vorgebracht - aufzustellen.
Zudem könnte sich der ASt, soweit eine Behauptung im oben genannten Sinne im Raum stehen würde, im Rahmen eines Folgenbeseitigungsanspruches
effektiv gegen eine solche Äußerung wenden, denn es ist nicht zu erkennen ist, welcher unmittelbare Schaden sich aus einer
solchen Äußerung für den ASt ergeben könnte. Nachvollziehbar erscheint in diesem Zusammenhang allenfalls, dass die Ag Konsequenzen
aus ihren Ermittlungen zieht und die Bewilligung von Leistungen an den ASt verweigert. Aber auch in diesem Fall würde dem
ASt die effektive Möglichkeit offen stehen, vor den Sozialgerichten um (einstweiligen) Rechtsschutz nachzusuchen. Im Ergebnis
ist daher keine Notwendigkeit zu erkennen einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch geltend zu machen, so dass auch Erfolgsaussichten
eines eventuell noch einzuleitenden Hauptsacheverfahrens nicht gegeben sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des ASt.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar, §
177 SGG.