Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Erstattung von Reisekosten für eine Vorsprache beim Jobcenter
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Reisekosten zu einem Termin der Klägerin beim Beklagten am 21.01.2010.
Die Klägerin bezog vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom 13.01.2010 lud der Beklagte die Klägerin zu einer persönlichen Vorsprache
für den 21.01.2010 ein. Sie solle aktuelle Unterlagen/Bescheide zum Rentenantrag ihres Ehemannes mitbringen. Es handele sich
um eine Einladung nach §
59 SGB II iVm §
309 Abs
1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III). Unter bestimmten Voraussetzungen könnten Reisekosten erstattet werden. Entsprechend sprach die Klägerin vor und beantragte
die Erstattung der im Zusammenhang mit der Benutzung ihres privaten Pkws angefallenen Fahrtkosten. Der Beklagte bewilligte
darauf mit Bescheid vom 21.01.2010 einen Betrag von 5,34 EUR "aus dem Vermittlungsbudget (Reisekosten zum Vorstellungsgespräch)".
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Bei früheren persönlichen Vorsprachen seien unter Zugrundelegung der einfachen
Entfernung von 22 km in Anlehnung an § 5 Abs 1 Bundesreisekostengesetz (BRKG) eine Wegstreckenentschädigung in Höhe von 0,20 EUR je km, mithin 8,80 EUR je wahrgenommenem Termin gewährt worden. Die nunmehr
vorgenommene Berechnung nach einer angeblichen internen Dienstanweisung nur noch anhand der reinen Treibstoffkosten und der
angeblich kürzesten Entfernung sei nicht hinnehmbar. Betriebskosten eines PKW bestünden nicht nur aus Treibstoffkosten. Zudem
betrage die kürzeste Entfernung zwischen der Wohnung der Klägerin und dem Beklagten nicht 19,46 km, sondern 21,2 km. Es handele
sich um eine bei winterlichen Verhältnissen nicht zumutbare und auch zeitlich deutlich längere Strecke. Die Strecke über J.
betrage 22,9 km.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Gemäß §
16 Abs
1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit §
45 SGB III könnten Arbeitslose aus dem Vermittlungsbudget der Agentur für Arbeit bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen
Beschäftigung gefördert werden, wenn diese für die berufliche Eingliederung notwendig sei. Die Gewährung erfolge im pflichtgemäßen
Ermessen. Es sei festgelegt worden, mittels Routenplaners und entsprechender Angaben zum Verbrauch des Fahrzeugs die tatsächlichen
Benzinkosten zu erstatten. Damit erfolge jeweils eine individuelle Entscheidung. Der Verbrauch des Fahrzeugs und der Tageskurs
des Benzinpreises seien im persönlichen Gespräch einvernehmlich festgelegt worden. Zu ermitteln sei jeweils die kürzeste Strecke,
unabhängig davon, ob tatsächlich eine weitere Strecke gewählt worden sei. Mit dem Betrag von 5,34 EUR sei der Reisezweck erreichbar
gewesen.
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, sie sei aus Zeit- und Witterungsgründen berechtigt gewesen, die Strecke über die
Autobahn mit einer Entfernung von 21,2 km zu nehmen. Eine Ermessensfehlerhaftigkeit ergebe sich auch aus dem Vergleich des
im Regelsatz enthaltenen Tagessatzes von ca. 11 EUR zum vorenthaltenen Betrag von 3,46 EUR. Die Klägerin sei einer Meldepflicht
nach §
59 SGB II iVm §
309 SGB III nachgekommen. Die Einladung habe nicht Vermittlungszwecken gedient, da die Klägerin auch nach Einschätzung des Beklagten
aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung und ihrer Pflegetätigkeit nicht zur Vermittlung verfügbar gewesen sei.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.07.2010 abgewiesen. Der Beklagte habe über die Übernahme der Reiskosten nach §
16 Abs
1 Satz 1 SGB II iVm §
45 SGB III ermessensfehlerfrei entschieden. Die Förderung unter Zugrundelegung der Entfernung, des Verbrauchs und der Benzinkosten sei
nicht zu beanstanden, auch wenn früher das "Reisekostengesetz" analog herangezogen worden sei. Die Erfassung der weiteren
Kosten neben den reinen Benzinkosten würde einen kaum bestreitbaren erheblichen Verwaltungsaufwand erfordern, zudem sei die
Klägerin nicht auf die Benutzung ihres Fahrzeugs verwiesen worden. Sie hätte sich auch des öffentlichen Nahverkehrs bedienen
können. Die Ermittlung der Fahrtstrecke anhand des immer gleichen Routenplaners sei nicht zu beanstanden. Etwaige Abweichungen
zu anderen Planern lägen in einem hinnehmbaren Bereich. Keine Bedenken bestünden gegen die Zugrundelegung der kürzesten Fahrtstrecke.
Mit ihrer vom Bayer. Landessozialgericht zugelassenen Berufung hat die Klägerin weiter vorgebracht, die Benutzung öffentlicher
Verkehrsmittel hätte Kosten von mindestens 8 EUR und einen Zeitaufwand von mehr als zwei Stunden verursacht. Bei Berücksichtigung
nur der Treibstoffkosten würden insofern nur 2/3 der Kosten von öffentlichen Verkehrsmitteln und weniger als die Hälfte der
tatsächlich entstandenen Kosten erstattet. Für die Benutzung der längeren Strecke habe es nachvollziehbare Gründe (bergige
Strecke, winterliche Straßenverhältnisse, geringerer zeitlicher Aufwand) gegeben. Entgegen den ermessenslenkenden Weisungen
habe der Beklagte nicht die tatsächlichen Kosten erstattet. Zudem habe der Beklagte hinsichtlich eines Meldetermins am 10.03.2011
nicht die kürzeste, sondern die schnellste Strecke zugrunde gelegt.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.07.2010 - Az: S 16 AS 378/10 - und den Bescheid des Beklagten vom 21.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2010 aufzuheben,
2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den am 21.01.2010 bei dem Beklagten wahrgenommenen Termin die durch Nutzung
ihres PKW tatsächlich entstandenen Kosten unter Zugrundelegung einer einfachen Fahrstrecke von mindestens 22 km unter Berücksichtigung
bereits gezahlter 5,34 EUR, mindestens jedoch weitere 2,66 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Es sei entsprechend der ermessenslenkenden Weisungen 2010 und der entsprechenden Arbeitshilfe zu §
45 SGB III gehandelt worden. Trotz eines Preises von 1,356 EUR je Liter Superbenzin im Januar 2010 habe man 1,40 EUR je Liter berücksichtigt.
Hinsichtlich des Meldetermins am 10.03.2011 habe man eine falsche Berechnung angestellt. Hieraus lasse sich jedoch kein Anspruch
für künftige oder vergangene Reisekostenanträge ableiten.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten des Beklagten, sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz im streitgegenständlichen
Verfahren Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig (§§
143,
144,
145,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) und begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Soweit der Bescheid des Beklagten vom 21.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 31.03.2010 die Erstattung von Reiskosten über einen Betrag von 5,34 EUR hinausgehend abgelehnt hat, ist er rechtswidrig
und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf zusätzliche 3,26 EUR.
Streitgegenstand ist allein der Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Reisekosten im Zusammenhang mit ihrer Vorsprache
am 21.01.2010 beim Beklagten. Dabei handelt es sich um einen von den übrigen Leistungen des SGB II abtrennbaren, eigenständigen
Streitgegenstand (vgl BSG, Urteil vom 06.12.2007 - B 14/7b AS 50/06 R - zitiert nach juris - Rn 12 = SozR 4-4200 § 59 Nr 1; allgemein zur Beschränkung des Streitgegenstandes BSG, Urteil vom
07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - zitiert nach juris - Rn 11 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Insofern konnte der Beklagte auch mit gesondertem Bescheid über
den Erstattungsantrag der Klägerin entscheiden.
Die Klägerin ist Berechtigte iSv § 7 Abs 1 SGB II. Der Beklagte hatte ihr auch in der streitgegenständlichen Zeit Alg II bewilligt.
Die Entscheidung des Beklagten, der Klägerin für die Terminswahrnehmung am 21.01.2010 Reisekosten nur iHv 5,34 EUR zu erstatten,
ist ermessensfehlerhaft gewesen. Nach §
59 SGB II iVm §
309 Abs
4 SGB III besteht ein Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Übernahme der Reisekosten zur Vorsprache
am 21.01.2010. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten genügt den Anforderungen hieran nicht. Im Hinblick auf eine Ermessensreduzierung
auf Null ist der Beklagte verpflichtet, der Klägerin weitere 3,26 EUR zu zahlen.
Die Gerichte sind bezüglich der Überprüfung von Ermessensentscheidungen eines Leistungsträgers gemäß §
54 Abs
2 Satz 2
SGG darauf beschränkt zu kontrollieren, ob dieser (1.) seiner Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch),
er (2.) mit seiner Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat, d.h. eine nach dem Gesetz nicht
zugelassene Rechtsfolge gesetzt hat (Ermessensüberschreitung), oder (3.) von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung
nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit und Ermessensmissbrauch). Bei der Überprüfung darf das Gericht
nicht eigene Ermessenserwägungen an die Stelle derjenigen des Leistungsträgers setzen. Die Prüfung hat sich auf die Frage
zu beschränken, ob die dargelegten Ermessenserwägungen den Rahmen der §§
39 Abs
1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I), 54 Abs
2 Satz 2
SGG überschreiten (zur Heranziehung der Direktiven des §
39 SGB I zur vorliegenden Ermessensentscheidung vgl BSG, Urteil vom 06.12.2007, aaO., Rn 20).
Im Hinblick auf die Terminswahrnehmung am 21.01.2010 hat die Klägerin ihrer Meldepflicht nach §
59 SGB II iVm §
309 SGB III entsprochen. In der Einladung verwies der Beklagte ausdrücklich darauf, es handele sich um eine "Einladung nach §
59 SGB II iVm §
309 Abs
1 SGB III". Gleichzeitig wurde auf die Sanktionsfolge des §
31 Abs
2 SGB II idF des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Kommunales Optionsgesetz)
vom 30.07.2004 (BGBl I S. 2014) hingewiesen, wenn der Einladung nicht Folge geleistet würde. Mithin handelte es sich nicht um die Wahrnehmung eines Beratungsangebotes
des Beklagten iSv §
16 Abs
1 SGB II iVm §§
29,
30 SGB III oder ähnlichem.
Anspruchsgrundlage für eine Erstattung von Reisekosten zu einem allgemeinen Meldetermin ist damit §
59 SGB II iVm §
309 Abs
4 SGB III. Auf Antrag können nach §
309 Abs
4 SGB III die notwendigen Reisekosten übernommen werden, die aus Anlass der Meldung entstehen, soweit sie nicht bereits nach anderen
Vorschriften oder auf Grund anderer Vorschriften dieses Buches übernommen werden können. Die Übernahme der notwendigen Reisekosten
steht damit im Ermessen der Leistungsträger.
Im angefochtenen Bescheid vom 21.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2010 hat der Beklagte sein ihm
durch §
309 Abs
4 SGB III eingeräumtes Ermessen in keinster Weise ausgeübt. Der Beklagte stellt bei seiner Bezugnahme auf "ermessenslenkende Weisungen"
auf solche für den Förderbereich "Kosten für Bewerbungen" im Rahmen einer "Arbeitshilfe zu §
45 SGB III" ab. Vorliegend geht es aber nicht um eine Bewerbung der Klägerin oder ein Beratungsangebot des Beklagten im Bereich Bewerbung,
sondern um einen Meldetermin nach §
59 SGB II iVm §
309 Abs
1 SGB III. Im Gegensatz zu einem Beratungsangebot o.ä., für das nach §
16 Abs
1 SGB II iVm §§
45 f
SGB III Reisekosten erstatten werden können, ist der Hilfebedürftige bei einer Aufforderung zur Vorsprache nach §
59 SGB II iVm §
309 Abs
1 SGB III zum Erscheinen verpflichtet und bei unentschuldigtem Nichterscheinen tritt eine Sanktion nach §
31 Abs 2 SGB II ein. Der Gesetzgeber geht bei der Meldepflicht von einer besonderen Pflicht mit großer Bedeutung aus.
Der Senat sieht somit hinsichtlich des Ermessens, "ob" der Klägerin im vorliegenden Fall Fahrtkosten zur Wahrnehmung eines
Meldetermins nach §
59 SGB II iVm §
309 SGB III zu erstatten sind, eine Ermessensreduzierung auf Null als gegeben an. Die Klägerin war bedürftig und bezog im Zeitpunkt der
Terminswahrnehmung und der Antragstellung, die entstandenen Reisekosten zu übernehmen, Alg II. Angesichts ihrer wirtschaftlichen
Verhältnisse als Leistungsbezieherin nach dem SGB II und mangels anderer Anhaltspunkte, die eine Ablehnung der Kostenübernahme
rechtfertigen könnten, ist keine andere rechtmäßige Handlungsalternative des Beklagten erkennbar, als die Reisekosten dem
Grunde nach zu übernehmen (vgl dazu auch BSG, Urteil vom 06.12.2007, aaO., Rn 22; Winkler in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand
2012, § 59 SGB II Rn 21). Insofern handelte es sich vorliegend auch nicht um ganz geringfügige Kosten, denn die der Klägerin
zustehenden Fahrtkosten iHv insgesamt 8,60 EUR stellen im Vergleich zum Tagessatz der Regelleistung im Rahmen des Alg II einen
erheblichen Betrag dar (vgl dazu auch im Einzelnen BSG aaO.).
Ob im Hinblick auf die Höhe der zu übernehmenden notwendigen Reisekosten generell ein Ermessen besteht (so für §§
45 f
SGB III in der Fassung bis 31.12.2008: BSG, Urteil vom 12.05.2011 - B 11 AL 25/10 - Rn 26 - zitiert nach juris; anders bei §
16 Abs
1 Satz 2 SGB II iVm §
81 Abs
2 SGB III in der Fassung bis 31.03.2012: BSG, Urteil vom 06.04.2011 - B 4 AS 117/10 R - Rn 15 ff - zitiert nach juris = SozR 4-4200 § 16 Nr 6), braucht nicht entschieden werden, da bei Beziehern von Alg II
in der Regel - wie auch vorliegend - bezüglich der Höhe von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen ist. Es ist bei
Beziehern von Alg II regelmäßig keine andere ermessensgerechte Entscheidung denkbar, als die notwendigen Kosten der Klägerin
zu übernehmen. Insofern ist im Hinblick auf die Bedürftigkeit der Klägerin die vollständige Kostenübernahme angezeigt, insbesondere
auch wegen der drohenden Sanktionsfolge bei Nichtwahrnehmung des Termins. Für ein Abweichen von diesem Regelfall bestehen
vorliegend keine Anhaltspunkte.
Die notwendigen Reisekosten zur Vorsprache am 21.01.2010 betragen 8,60 EUR. Im Hinblick auf den Begriff "notwendig" handelt
es sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der - im Gegensatz zu einer Ermessensausübung - vollständig gerichtlich
überprüfbar ist. Nach Auffassung des Senats sind dabei die Regelungen des BRKG zugrunde zu legen. Die Regelungen stellen eine Präzisierung der möglichen Leistungen dar. Sie dienen einer nachvollziehbaren,
kostendeckenden und verwaltungseinfachen Pauschalierung. Im Gegensatz zu dem vom Beklagten vorgenommenen Ansatz alleine der
Benzinkosten werden damit auch weiter anfallende Kosten im Zusammenhang mit der Haltung und dem Betrieb eines Fahrzeugs berücksichtigt.
Diesbezüglich handelt es sich ebenfalls um tatsächlich angefallene Kosten, die nicht - wie vom Beklagten angenommen - auf
die bloßen Benzinkosten reduziert werden können, denn die Klägerin ist auch diesen Kosten zwingend bei Inanspruchnahme ihres
Kfz ausgesetzt. Bereits im Zusammenhang mit §
46 Abs
2 Satz 2
SGB III in der bis zum 31.12.2008 gültigen Fassung wurde auf die Regelungen des BRKG verwiesen, was auch für die Erstattungsregelung des §
59 SGB II iVm §
309 Abs
4 SGB III anerkannt war (vgl BSG, aaO., Rn 25). Es gibt insofern keine nachvollziehbaren Gründe im Hinblick auf die sanktionsbewehrte
Vorspracheverpflichtung hiervon abzuweichen. Insbesondere kann auch nicht § 6 Abs 1 Nr 3b Alg II-V in der Fassung der 2. Verordnung
zur Änderung der Alg II-Verordnung und Sozialgeldverordnung vom 23.07.2009 (BGBl I S. 2340) zur Bemessung der notwendigen Fahrtkosten herangezogen werden. Danach sind von dem Einkommen Erwerbstätiger die Beträge
nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II absetzbar, zusätzlich bei Benutzung eines Kfz für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
für Wegstrecken zur Ausübung der Erwerbstätigkeit 0,20 EUR für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung,
soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht höhere notwendige Ausgaben nachweist. Die Vorschrift verfolgt demnach einen
anderen Zweck als eine Fahrtkostenerstattung im Zusammenhang mit Meldeterminen. Sie will erzieltes Einkommen insoweit erhalten,
als es für seine Erzielung eingesetzt wird und verhindern, dass es zur Minderung des Anspruchs auf Alg II berücksichtigt werden
muss, wenn es gleichzeitig wegen der Aufwendungen für Fahrkosten nicht tatsächlich zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur
Verfügung steht (BSG, Urteil vom 06.04.2011, aaO.). Dagegen geht es bei der vorliegend streitigen Erstattung um einen Ersatz
der notwendigerweise angefallenen Kosten für eine Reise zu einem vom Beklagten festgelegten Vorsprachetermin, dem sich der
Leistungsbezieher grundsätzlich nicht entziehen darf, ohne eine Sanktion befürchten zu müssen.
Nach § 5 Abs 1 Satz 2 BRKG beträgt bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeuges die Entschädigung 20 Cent je Kilometer
zurückgelegter Strecke. Bei der zugrunde zu legenden Strecke ist dabei nicht zwingend auf die kürzeste Stecke abzustellen.
So wird beispielsweise in §
9 Abs
1 Satz 2 Nr
4 Einkommensteuergesetz (
EStG) für die Bestimmung der Entfernung zwar grundsätzlich auf die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und regelmäßiger
Arbeitsstätte abgestellt, jedoch eine andere als die kürzeste Straßenverbindung zugrunde gelegt, wenn diese offensichtlich
verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte benutzt
wird. Auch die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum BRKG gehen in Nr 5.1.1. von der "verkehrsüblichen" Strecke aus (vgl dazu Rademacker in: Hauck/Noftz,
SGB III, Stand Februar 2007, §
46 Rn 12). Die Klägerin hat unwidersprochen und nachvollziehbar vorgetragen, sie habe wegen der bergigen Strecke und den jahreszeitentsprechenden
Straßenverhältnissen nicht die kürzeste Strecke gewählt. Insbesondere auch im Hinblick auf die Gewährleistung einer pünktlichen
Vorsprache und eines verringerten Unfallrisikos konnte dabei eine nicht unangemessen längere, verkehrsgünstigere Strecke zugrunde
gelegt werden. Insofern ist nach Auffassung des Senats als verkehrsgünstigste Strecke der Weg vom Wohnsitz der Klägerin in
A-Stadt über die A45 bis zur Anschlussstelle Kleinostheim und anschließend über die B8 und B26 zum Beklagten anzusehen. Die
Benutzung von Autobahn und Bundesstraße ist unter Berücksichtigung der Jahreszeit (Januar) und der Verkehrsbedingungen erforderlich
aber auch zumutbar. Für diese Wegstrecke ergibt sich eine Entfernung von 21,4 km (vgl http://maps.google.de/). Die zurückgelegte
Fahrtstrecke beträgt somit 42,8 km, gerundet 43 km. Unter Ansatz von 0,20 EUR pro Kilometer folgen hieraus notwendige Fahrtkosten
von 8,60 EUR. Anhaltspunkte dafür, dass diese Kosten im Vergleich mit den Kosten bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln
unverhältnismäßig wären gibt es nicht. Aktuell kostet die Einzelfahrt für Erwachsene von A-Stadt nach Aschaffenburg Hbf einfach
4,40 EUR (http://www.vab-tarifauskunft.de/ mit Stand 12/2011). Hinweise dafür, Reisekosten im Zusammenhang mit der PKW-Benutzung
im Hinblick auf das Vorhandensein beispielsweise einer Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr o.ä. wären nicht notwendig,
sind nicht ersichtlich und vom Beklagten auch nicht vorgetragen.
Unter Berücksichtigung bereits gewährter 5,34 EUR ergibt sich damit ein noch bestehender Anspruch der Klägerin iHv 3,26 EUR
(8,60 EUR - 5,34 EUR).
Der Bescheid des Beklagten vom 21.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2010 ist damit insoweit rechtswidrig,
als die Erstattung von Reiskosten auf einen Betrag von 5,34 EUR beschränkt worden ist. Im Hinblick auf die hier vorliegende
Ermessensreduzierung auf Null war der Beklagte zur Leistung von weiteren 3,26 EUR zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Berufung nach §
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 06.12.2007 (aaO.) die grundsätzlichen Voraussetzungen
für die Erstattung der Reisekosten geklärt. Im Hinblick auf die Zugrundelegung der jeweiligen Fahrtstrecke und die Ermittlung
der notwendigen Fahrkosten war der vorliegende Einzelfall maßgeblich.