Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.01.2004 hinaus bis 31.07.2006.
Der 1953 in Kasachstan geborene, von dort 1986 nach Russland gezogene und 1992 nach Deutschland übergesiedelte Kläger hatte
in der Zeit vom 01.09.1969 bis 14.07.1971 den Beruf eines Reparaturschlossers erlernt und war nach kurzer Tätigkeit in diesem
Beruf laut seinem russischen Arbeitsbuch als Kraftfahrer, Baggerführer und seit 1986 als Hilfsarbeiter im Baubereich tätig,
wobei es sich jedoch nach seinen eigenen Angaben bei den Tätigkeiten im Baubereich um Verputzertätigkeit im Wohnungsbau gehandelt
hat. Im Mai 1991 wurde ihm nach erfolgter Fachprüfung von der zuständigen Kommission die Berufsqualifikation "Stukkateur,
III. Kategorie" zuerkannt.
In Deutschland war der Kläger erneut im Baugewerbe als Verputzer bzw. als "Maurer/Verputzer/Estrichleger" (so seine Angaben
in Rentenformularen) versicherungspflichtig beschäftigt, gab diese Tätigkeit jedoch ca. 1996/1997 aus gesundheitlichen Gründen
auf (vgl. Entlassungsdiagnosen nach stationärem Aufenthalt vom 17.02.1998 bis 31.03.1998 in der Psychosomatischen Klinik B.:
"chronisches Wirbelsäulensyndrom mit Sensibilitätsstörungen, anhaltende somatoforme Schmerzstörung").
Auf seinen Antrag vom 04.10.2000 gewährte die Beklagte dem Kläger auf Grund der vorliegenden medizinischen Unterlagen mit
Bescheid vom 17.01.2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit mit einem am 20.07.2000 eingetretenen Leistungsfall befristet
bis 31.07.2002. Sie verlängerte die Befristung mit Bescheid vom 03.06.2002 bis 31.01.2004. Den anschließend gestellten Weitergewährungsantrag
lehnte sie mit Bescheid vom 13.01.2004 nach Einholung eines Gutachtens der Ärztin für Psychiatrie Dr. R. vom 04.12.2003 ab
mit der Begründung, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden möglich. Dr.
R. hatte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine anhaltende mittelgradige Depression sowie ein Wirbelsäulensyndrom
mit ausgeprägter Skoliosebildung nach im Kindesalter durchgemachter Poliomyelitis mit Beinlängenverkürzung links um 1,5 cm
und Verschmächtigung der Unterschenkelmuskulatur diagnostiziert. Sie hatte die Auffassung vertreten, der Kläger könne als
Verputzer nicht mehr eingesetzt werden, wohl aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen
an die psychische Belastbarkeit überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr verrichten.
Mit seinem Widerspruch legte der Kläger ein Attest des behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vom 11.02.2004
vor ("chronische WS-Beschwerden mit funktioneller Überlagerung, chronisch depressive Entwicklung und Spannungskopfschmerzen,
keine Besserung der im Vordergrund stehenden somatoformen Schmerzstörung").
Die Beklagte ließ den Kläger erneut durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. am 17.03.2004 untersuchen und begutachten.
Dieser ging von einer seit der Bewilligung der Zeitrente eingetretenen Besserung aus und bestätigte im Wesentlichen die Diagnosestellung
und die Leistungsbeurteilung der Vorgutachterin. Die bestehende schmerzbedingte Beeinträchtigung und die psychische Störung
sah er als nicht so gravierend an, dass sie nicht mit einer zumutbaren Willensanstrengung überwunden werden könnten; eine
krankheitswertige Depression mit entsprechender Antriebsstörung im Zeitpunkt seiner Untersuchung verneinte er.
Die Beklagte versuchte vergeblich bei den früheren Arbeitgebern des Klägers (Fa. H.- BauGmbH in D-Stadt und K.E. BauGmbH in
W.) bezüglich der dort verrichteten Tätigkeiten des Klägers zu ermitteln ("Firma erloschen, keine Unterlagen vorhanden" bzw.
keine Antwort). Sie wies mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2004 den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Auswertung
der vorgelegten ärztlichen Unterlagen, der Gutachten nach ambulanten Untersuchungen am 17.03.2004 und 04.12.2003 sowie der
Befunde aus den vorangegangenen Verfahren habe ergeben, dass der Kläger leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen ohne länger
andauernde Zwangshaltungen, ohne Schicht- bzw. Nachtdienst und ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit
mindestens 6 Stunden tgl. verrichten könne. Er sei damit weder voll noch teilweise erwerbsunfähig im Sinne von §
43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) noch berufsunfähig im Sinne von §
240 Abs.2 S. 1
SGB VI. Selbst wenn die letzte Tätigkeit als Verputzer ihrer Qualität nach der Gruppe der angelernten Arbeitnehmer des oberen Bereichs
zuzuordnen sein sollte, liege Berufsunfähigkeit nicht vor, denn der Kläger könne jedenfalls noch sozial und gesundheitlich
zumutbare Verweisungstätigkeiten als Tagespförtner (tarifliche Einordnung z.B. nach BAT VIII) sowie als Sortierer und Verpacker leichter Gegenstände verrichten.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem SG verfolgte der Kläger sein Begehren weiter und brachte weitere ärztliche Unterlagen in Vorlage.
Das SG zog aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. E., Dr. D. ("leichte Besserung der Rückenschmerzen im Jahr 1994 durch
Behandlung") und Dr. E. ("Befunde gleichgeblieben") bei, ferner Unterlagen der AOK Bayern, Geschäftsstelle A-Stadt, der Arbeitsagentur
S. sowie die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung in E-Stadt. Es erhob Beweis über den Gesundheitszustand
des Klägers durch Einholung eines Gutachtens der praktischen Ärztin und Ärztin für Psychotherapie Dr. V. sowie ein orthopädisches
Fachgutachten des Prof. Dr. G. im Rahmen von §
109 SGG.
Dr. V. diagnostizierte in ihrem umfangreichen Terminsgutachten vom 14.03.2005 beim Kläger "wirbelsäulenabhängige Beschwerden
bei Wirbelgleiten L 5/S1 und ausgeprägter Fehlstatik ab 1995, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive
Reaktion ab 1984, Zustand nach Kinderlähmung mit Muskel- und Kraftminderung am linken Bein bei nahezu unauffälligem Gangbild
und Schultergelenksbeschwerden rechts mehr als links bei Rotatorenmanschettensyndrom". Sie beschrieb einen dysphorisch gereizten
Kläger ohne feststellbare krankheitswertige Depression und verwies auf eine auffallend passive Krankheitsverarbeitung mit
Ablehnung sämtlicher vorgeschlagenen Möglichkeiten. Eine nervenärztliche insbesondere medikamentös-antide-pressive Therapie
werde nicht durchgeführt. Zur optimalen medikamentösen Einstellung und Vermeidung weiterer Progredienz sei prinzipiell eine
stationäre Reha-Maßnahme erforderlich, bei fehlender aktiver Mitarbeit und Motivation jedoch nicht sinnvoll, zumal auch ambulante
Maßnahmen wie Behandlung in einer Schmerzambulanz, psychologische Schmerztherapie bisher nicht durchgeführt worden seien.
Die ambulanten Möglichkeiten seien bei weitem nicht ausgeschöpft.
In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung kam Frau Dr. V. zu der Auffassung, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
leichte Arbeiten vollschichtig unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen (überwiegend im Sitzen mit gelegentlichem
Gehen und Stehen, in Tagschicht, ohne schweres Heben und Tragen, häufiges Bücken, Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten, ohne
besondere psychische Belastung, kein ständiger Armvorhalt) verrichten könne. Einschränkungen der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit
oder der Wegefähigkeit sah die Gutachterin nicht.
Die sodann auf Antrag des Klägers gehörten Gutachter Prof. Dr. G./Oberarzt Dr. H. erhoben in dem am 19.09.2005 eingegangenen
orthopädischen Gutachten folgende Diagnosen:
"chronisches Cervikalsyndrom ohne eindeutige radikuläre Symptomatik, Lumbalsyndrom bei guter Funktion der Wirbelsäule ohne
eindeutige radikuläre Symptomatik, beginnende Handgelenksarthrose links, Restparese nach Polio in der Kindheit mit verminderter
Fußsenkung, deutliche Atrophie der Wadenmuskulatur, angedeuteter Hohlfuß, leichte muskuläre Instabilität mit verstärkter Valgisierung
im oberen Sprunggelenk".
Auf Grund der Diagnosen wurde der Kläger wegen der degenerativen Aufbraucherscheinungen und Fehlstatik der Wirbelsäule für
die Tätigkeit als Verputzer als nicht mehr geeignet angesehen, wohl aber für leichtere Arbeiten im ständigen Wechsel der Körperhaltungen
ohne Heben und Tragen von schweren Gegenständen über 15 kg sechs Stunden und mehr täglich. Insoweit sei der Kläger gegenüber
seinen Altersgenossen nur geringfügig beeinträchtigt.
Der Kläger wandte zunächst ein, das beantragte Gutachten nach §
109 SGG liege in Wirklichkeit noch nicht vor, denn das bisherige Gutachten sei von Herrn Dr. H. erstellt worden, Prof. Dr. G. habe
es nur mitunterschrieben. Das reiche nicht aus. Er legte u.a. einen ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik und Poliklinik
für Neurochirurgie der Universität E-Stadt über eine am 13.09.2005 erfolgte Spodylodese L 5/S 1 vor und verwies in der Folgezeit
auf einen inzwischen erfolgten weiteren stationären Aufenthalt vom 08.08. bis 19.10.2006 in der Klinik und Poliklinik für
Psychiatrie der Universität am Bezirksklinikum E-Stadt. Hier war der Kläger wegen einer schweren depressiven Episode als Folge
einer Anpassungsstörung bei multiplen psychosozialen Belastungsfaktoren behandelt und mit der Beurteilung entlassen worden,
dass seine Leistungsfähigkeit auf Dauer deutlich eingeschränkt und eine Berentung dringlich zu empfehlen sei.
In der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2007 erklärte sich die Beklagte u.a. im Hinblick auf einen erneuten Rentenantrag des
Klägers wegen drastischer Verschlimmerung ab August 2006 bereit, mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Aufnahme des Klägers im
Bezirksklinikum E-Stadt (August 2006) eine neue rechtsbehelfsfähige Entscheidung über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung
zu treffen. Der Kläger beschränkte daraufhin das Klagebegehren auf den Zeitraum vom 01.02.2004 bis Juli 2006; er beantragte
weiterhin die Einholung des Gutachtens nach §
109 SGG.
Das SG wies die auf Rente wegen Erwerbsminderung für diesen Zeitraum gerichtete Klage mit Urteil vom 29.03.2007 ab. Es führte dazu
aus, der Kläger sei im noch streitigen Zeitraum weder voll noch teilweise erwerbsgemindert i.S. von §
43 SGB VI und auch nicht berufsunfähig i.S.v. §
240 Abs.2
SGB VI gewesen. Es stützte sich dabei auf die Gutachten von Dr. V. und Prof. Dr. G. und nahm auch auf die Vorgutachten im Rentenverfahren
durch Dr. R. und Dr. S. Bezug. Bei zusammenfassender Würdigung aller beim Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum vorliegenden
und zu objektivierenden Gesundheitsstörungen sei dessen Leistungsfähigkeit ab 01.02.2004 zwar qualitativ beeinträchtigt gewesen,
er habe jedoch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses noch regelmäßig
sechs Stunden täglich Arbeitsleistungen erbringen können. Der durch die vorliegenden Gesundheitsstörungen verursachten eingeschränkten
Leistungsfähigkeit habe angemessen und ausreichend durch Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen Rechnung getragen
werden können (nur mehr leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, mit gelegentlichem Gehen und Stehen, kein schweres
Heben und Tragen, häufiges Bücken, keine Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten, keine besonderen psychischen Belastungen und
kein ständiger Armvorhalt), eine Einschränkung des qualitativen Leistungsvermögens habe sich dagegen nicht ergeben.
Weiter hieß es, der Kläger sei entsprechend seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeiten als Verputzer - welche nach der Qualität
der verrichteten Arbeit der Gruppe der angelernten Arbeiter im oberen Bereich zuzuordnen seien - nach der Rechtsprechung des
BSG auf alle ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht allereinfachster Art verweisbar. Beispielhaft anzuführen
seien insoweit Tätigkeiten als einfacher Pförtner (Tagschicht), als Verpacker leichter Gegenstände oder auch einfache Bürohilfstätigkeiten.
Für die Tätigkeiten habe der Kläger das notwendige Anpassungs- und Umstellungsvermögen besessen.
Bezüglich des Antrags auf weitere Begutachtung nach §
109 SGG führte das SG aus, der vom Kläger genannte Gutachter Prof. Dr. G. sei bereits gehört worden, die vorgetragenen rechtlichen Bedenken könnten
nicht durchgreifen. Prof. Dr. G. habe das Gutachten wie üblich mit dem Vermerk unterschrieben "nach eigener Überprüfung und
Überzeugung einverstanden". Damit habe er die volle Verantwortung für das Gutachten übernommen, auch wenn er nicht persönlich
die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Befunde erhoben habe. Dieser Verfahrensablauf sei bei der Erstellung eines Klinikgutachtens
ausreichend und rechtlich zulässig. Das Antragsrecht nach §
109 SGG sei damit verbraucht.
Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen diese Entscheidung und begehrt weiterhin Rente wegen Erwerbsminderung, hilfsweise
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 01.02.2004 bis 31.07.2006. Er vertritt weiter die Auffassung,
der nach §
109 SGG benannte Gutachter habe ihn nicht persönlich untersucht, daher sei das beantragte Gutachten noch nicht eingeholt worden.
Im Übrigen habe das SG es unterlassen, von Amts wegen ein Gutachten auf orthopädischem Gebiet einzuholen. Er machte weiter unter Hinweis auf die
WS-Operation im September 2005 (Spondylodese) eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands geltend, jedenfalls sei eine
Besserung seines Gesundheitszustands seit Beginn der Zeitrente nicht eingetreten. Er verwies ferner auf die seines Erachtens
in den bisher eingeholten Gutachten enthaltenen Widersprüche.
Die Beklagte erließ während des Verfahrens den Bescheid vom 29.08.2007, mit dem sie rückwirkend ab 01.09.2006 dem Kläger Rente
wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer gewährte.
Der Senat forderte den Kläger zur Vorlage von Arbeitsverträgen, Bescheinigungen und Zeugnissen über seine in Deutschland ausgeübten
Tätigkeiten auf. Dieser benannte die früheren Arbeitskollegen J. N. aus A-Stadt und V. N. aus Bad E. als Zeugen für seine
in der UDSSR ausgeübten Verputzertätigkeiten und legte ein am 26.11.2007 ausgestelltes, offenbar vorgeschriebenes Arbeitszeugnis
des letzten Arbeitgebers E. K. aus D., sowie ein im wesentlichen gleichlautendes, am 15.01.2008 vom Geschäftsführer der H.-BauGmbH
in D-Stadt ausgestelltes Arbeitszeugnis über seine Tätigkeiten von August 1994 bis Februar 1995 bzw. von März 1995 bis Februar
1996 als Innen- und Außenverputzer vor. Eine Rückfrage des Senats bei E. K. ergab jedoch, dass dieser über keinerlei Unterlagen
über die Beschäftigung des Klägers in seiner früheren Firma mehr verfügte und lediglich noch aussagen konnte, dass der Kläger
als Putzer in einer Kolonne mit drei bis vier Mann gearbeitet habe und dass die Arbeit der Kolonne sehr ordentlich gewesen
sei.
Nach Einholung aktueller Befundberichte und ärztlicher Unterlagen der behandelnden Ärzte Dr. D., Dr. V., Dr. E., Dr. E. und
Dr. B. sowie der Beiziehung der Schwerbehindertenakten beauftragte der Senat den Orthopäden Dr. K. sowie den Neurologen und
Psychiater Dr. S. mit der Erstellung eines orthopädischen und eines nervenärztlichen Fachgutachtens über die Gesundheitsstörungen
und die Leistungsfähigkeit des Klägers im Zeitraum vom 01.02.2004 bis 31.07.2006.
Dr. K. setzte sich in seinem sehr gründlichen Gutachten vom 31.03.2008 ausführlich mit der bisherigen umfangreichen medizinischen
Dokumentation auseinander und stellte folgende relevante orthopädische Gesundheitsstörungen im streitigen Zeitraum fest:
"Wirbelsäulensyndrom mit intermittierender Wurzelreizsymptomatik rechts bei Wirbelgleiten L 5 über S 1, Beinverkürzung und
Beinverschmächtigung links bei Zustand nach Poliomyelitis im Kindesalter und konsekutiver linkskonvexer WS-Skoliose, intermittierendes
HWS-Syndrom, Zustand nach Spondylodese L 5/S1 von September 2005, Handgelenksarthrose links, Funktionsstörung rechte Schulter
bei beginnender Schultereckgelenksarthrose rechts".
Der Gutachter führte dazu aus, aus diesen Diagnosen hätten im genannten Zeitraum eine eingeschränkte Beweglichkeit und Belastbarkeit
der Wirbelsäule, ein unsicheres Gangbild (stabilisiert nach Verordnung eines orthopädischen Schuhes) und weiterhin eine auf
ein bis zwei Kilometer eingeschränkte Gehstrecke resultiert. Der Gesundheitszustand habe sich in dieser Zeit allenfalls intermittierend
verschlechtert, vor der Durchführung der Wirbelsäulenversteifung (September 2005) seien zunehmende ausstrahlende Schmerzen
in die Beine zu verzeichnen gewesen, diese Verschlechterung sei jedoch nur vorübergehend aufgetreten, da sich postoperativ
die ausstrahlenden Schmerzen deutlich gebessert hätten.
Auch Dr. K. kam, wie die Vorgutachter, zu dem Ergebnis, dass der Kläger seine berufliche Tätigkeit als Verputzer im streitigen
Zeitpunkt nur mehr weniger als drei Stunden täglich habe ausüben können, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hätten die beschriebenen
Funktionsdefizite aber nur zu Einschränkungen qualitativer Natur geführt. Der Kläger sei aus orthopädischer Sicht in der Lage
gewesen, leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen vollschichtig durchzuführen, die Wegefähigkeit sei erhalten gewesen (tägliche
Anmarschwege von viermal 500 bis 1000 m zu Fuß). Als qualitative Einschränkungen nannte der Gutachter mittelschwere und schwere
Arbeiten überwiegend im Gehen und Stehen, dauerhafte Arbeiten im Freien, Heben und Tragen von Gegenständen über 10 kg, häufiges
Bücken sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten.
Im Auftrag des Senats erstellte sodann der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. das nervenärztliche Gutachten vom 20.07.2008.
Der Kläger gab bei der Untersuchung an, er sei davon überzeugt, dass seine psychischen Probleme ausschließlich durch seine
schwere körperliche Erkrankung verursacht seien. Im Jahre 2006 (gemeint: August 2006) sei es zu einem regelrechten Zusammenbruch
gekommen, Grund dafür seien u.a. finanzielle Probleme gewesen. Er könne nicht verstehen, dass ihm die drei Jahre lang gewährte
Rente "entzogen" worden sei, obwohl doch sein Gesundheitszustand sich weiter verschlechtert habe. Der Gutachter beschrieb
einen z.T. verzweifelt wirkenden, affektiv wenig auslenkbaren und dysphorisch verstimmten, gedanklich auf den chronischen
Schmerz eingeengten Kläger. Er diagnostizierte an Gesundheitsstörungen im fraglichen Zeitraum auf neurologischem Gebiet eine
schwere Schmerzerkrankung bei nachgewiesener Spondylolisthesis sowie statische Fehlbelastung bei durchgemachter Poliomyelitis
mit Beinverkürzung rechts ohne sicher nachweisbare neurologische Defizite. Er führte dazu aus, die Spondylolisthesis habe
in der streitigen Zeit zu glaubhaften chronischen Schmerzen geführt, dies stelle eine ausreichende somatische Erklärung für
die Schmerzen dar; daher könne er die bisherige Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, bei der ja ein schwerer
quälender Schmerz durch eine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden könne, nicht vollständig nachvollziehen.
Emotionale Konflikte oder psychosoziale Probleme, die oft die Ursache für eine solche somatoforme Störung seien, könnten beim
Kläger nicht erhoben werden. Auf psychiatrischem Gebiet fand der Gutachter dementsprechend keine eigenständige Erkrankung,
es könne allenfalls von einer depressiv gefärbten Anpassungsstörung gesprochen werden, die nicht zu erheblichen Leistungseinschränkungen
führe. In seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung vertrat Dr. S. die Auffassung, dass der Kläger auf Grund der chronischen
Schmerzerkrankung im streitigen Zeitraum keiner Erwerbstätigkeit habe nachgehen können, auch leichte körperliche Arbeiten
seien wegen der massiven Verstärkung der Schmerzen bei Bewegung auf Grund des Wirbelgleitens und dann möglicher "flüchtiger"
neurologischer Ausfälle nur in zeitlich geringem Umfang (weniger als drei Stunden täglich) möglich gewesen. Leistungsmotivation,
Konzentrations- und Anpassungsfähigkeit sah der Gutachter nicht als eingeschränkt an.
Der Ärztliche Dienst der Beklagten wandte ein, die Einschätzung des Gutachters beruhe im Wesentlichen auf der Schilderung
der in der Vergangenheit bestehenden Schmerzsymptomatik durch den Kläger. Befunde, auf Grund deren er von den Einschätzungen
der Vorgutachter abweiche, nenne Dr. S. nicht.
Dieser führte in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22.10.2008 aus, er komme letztlich auf Grund einer anderen Gewichtung
und Bewertung der Untersuchungsbefunde zu einem anderen Ergebnis. Es sei jedenfalls seit dem Beginn der Rentenzahlung beim
Kläger nicht zu einer Besserung der Befunde gekommen, eher zu einer langsamen Verschlechterung, welche zu dem operativen Eingriff
im September 2005 (Wirbelsäulenteilversteifung) geführt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 29.03.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 13.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22.04.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.02.2004 bis 30.07.2006 Rente wegen voller,
hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Akten
der Beklagten Bezug genommen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sie erweist sich aber nicht als begründet.
Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 13.01.2004/Widerspruchsbescheid vom 22.04.2004, mit welchem die
Beklagte die Zahlung von Erwerbsminderungsrente über den 31.01.2004 hinaus ablehnte.
Das etwas knappe, auf Antrag des Klägers eingeholte erstinstanzliche orthopädische Gutachten von Prof. Dr. G. wird im Berufungsverfahren
im Wesentlichen bestätigt durch das von Amts wegen erholte umfangreiche und gründliche Gutachten des Dr. K., der ebenfalls
ein verbliebenes Leistungsvermögen des Klägers von mindestens sechs Stunden täglich für leichte körperliche Arbeiten annimmt.
Dabei kann vernachlässigt werden, dass Prof. Dr. G. - ohne nähere Begründung - leichte Tätigkeiten in ständigem Wechsel der
Körperhaltung empfiehlt, während Dr. K. ebenso wie zuvor Dr. V. wegen der eingeschränkten Belastbarkeit der Wirbelsäule schlüssig
und nachvollziehbar leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen als weiterhin möglich ansieht. Seinem Gutachten kann voll und
ganz gefolgt werden.
Nicht zu folgen ist dagegen dem zuletzt eingeholten nervenärztlichen Gutachten des Dr. S ... Dieser Gutachter stellt sich
mit der Annahme einer chronischen Schmerzerkrankung und Ablehnung der seit 1998 (vgl. Entlassungsbericht des Psychosomatischen
Heilverfahrens in der Klinik B.) im Raum stehenden Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung gegen diese bisher auf seinem
Fachgebiet einhellig vertretene Auffassung (vgl. Gutachten Dr. R., Dr. S., Dr. V., sowie die Angaben der behandelnden Ärzte),
ohne dass er eindeutige Befunde erhoben hätte, die die Abweichung rechtfertigen würden. Wie der Ärztliche Dienst der Beklagten
zu Recht ausführt, beruht seine Einschätzung im Wesentlichen auf den subjektiven Schilderungen des Klägers zu seinem Schmerzerleben.
Eine Schmerzstörung auf Grund der Wirbelsäulenbefunde wurde von den orthopädischen Gutachtern dagegen nicht angenommen. Seine
weitere Begründung, es sei im Gesundheitszustand des Klägers seit der Rentenbewilligung nicht zu einer Besserung gekommen,
reicht für die Annahme eines auch für leichte Arbeiten reduzierten Leistungsvermögens im streitigen Zeitraum nicht aus. Sie
vermag eine Weitergewährung der Rente nicht zu begründen, da es hier nicht um die Entziehung einer Rente geht, sondern um
die Neubeurteilung nach Auslaufen einer Zeitrente. Auch kann von einer Verschlechterung der Wirbelsäulenbefunde nicht die
Rede sein, wie sich aus dem Gutachten des Dr. K. ergibt: sie zeigten im streitigen Zeitraum keinerlei Progredienz. Nach allem
ist dem Gutachten des Dr. S. nicht zu folgen. Es bedarf auch insoweit keiner Einholung weiterer Gutachten für den inzwischen
nur mehr streitigen bereits länger zurückliegenden Zeitraum.
Der Senat kommt in Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass der Kläger im streitigen
Zeitraum auf Grund der bestehenden Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet, insbesondere
des Wirbelsäulensyndroms mit intermittierender Wurzelreizsymptomatik bei Wirbelgleiten L 5 über S1 und Zustand nach Spondylodese
L 5/S1 im September 2005 sowie einer daneben bestehenden somatoformen Schmerzstörung nur mehr leichte körperliche Arbeiten
überwiegend im Sitzen, ohne häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und ohne besondere psychische Belastungen (Zeitdruck.
Akkord, Nachtschicht) täglich sechs Stunden und mehr verrichten konnte.
Nach dieser Vorschrift sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich
zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen
Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeiten von Versicherten
zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung
der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen
Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann;
dabei ist die jeweilige Arbeitslage nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt für die Prüfung von Berufsunfähigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung der bisherige Beruf des Versicherten,
in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit. Beim Kläger ist dies die in Deutschland
bei verschiedenen kleineren Firmen ausgeübte Tätigkeit eines Verputzers/Stukkateurs. Diese Tätigkeit kann der Kläger unstreitig
nicht mehr verrichten. Damit ist er aber noch nicht berufsunfähig. Berufsunfähigkeit besteht vielmehr erst dann, wenn auch
andere berufliche Tätigkeiten, die ihm sozial zumutbar und für ihn gesundheitlich und fachlich geeignet sind, nicht mehr in
Betracht kommen.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung
der Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen - ausgehend von der Bedeutung, die Dauer
und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben - aufgeteilt (oberste Gruppe mit dem Leitberuf des Vorarbeiters
mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, dann die Gruppe des Facharbeiters mit anerkanntem
Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, die Gruppe des angelernten Arbeiters mit einer Regelausbildungszeit
bis zu zwei Jahren und schließlich die Gruppe des ungelernten Arbeiters). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses
Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend
ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren ermittelte Wert der Arbeit
für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die oben genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung
sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird. Grundsätzlich darf
der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200
§ 1246 Nr. 143; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5).
Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht die zuletzt in Deutschland verrichtete Tätigkeit
des Klägers der Gruppe der angelernten Arbeitnehmer und zwar des oberen Bereichs (entsprechend einer Ausbildungszeit von ein
bis zwei Jahren) zugeordnet hat. Nach den gesamten Umständen des Falles besteht kein Anlass, diese Bewertung in Zweifel zu
ziehen. Zwar handelt es sich bei dem Beruf des Stukkateurs in Deutschland um einen dreijährigen Ausbildungsberuf im Rahmen
einer Stufenausbildung in der Bauwirtschaft. Ob der Kläger in seiner früheren Heimat eine der mehr als zweijährigen Ausbildung
eines Facharbeiters im rentenrechtlichen Sinne vergleichbare Ausbildung durchlaufen und die zugehörigen theoretischen Kenntnisse
und praktischen Fähigkeiten eines Facharbeiters erworben hat, kann hier letztlich offen bleiben. Entscheidend für die Einstufung
ist das Gesamtbild der in Deutschland ab Mitte 1993 versicherungspflichtig verrichteten Tätigkeiten. Es handelte sich dabei,
wie dem Versicherungsverlauf zu entnehmen ist, um drei oder vier verschiedene relativ kurze Beschäftigungsverhältnisse als
Verputzer (02.06. bis 31.12.1993, 07.03. bis 31.07.1994; 01.08.1994 bis Februar 1995 - so nachträgliches Arbeitszeugnis Fa.
H. Bau GMBH; von März 1995 m.U. bis Juli 1996 bei E.K. BauGmbH). Diese jeweils kurzen und wechselnden Beschäftigungen, über
die keine Unterlagen mehr zu erhalten sind, sprechen als solche nicht ohne weiteres für Tätigkeiten mit qualifizierten Kenntnissen
und Fähigkeiten, es könnte sich auch um Putzarbeiten aus einem Teilbereich der Aufgaben eines voll ausgebildeten Facharbeiters
gehandelt haben. Der dazu befragte letzte Arbeitgeber E. K. konnte keine konkreten Angaben mehr dazu machen. Damit liegt kein
Nachweis darüber vor, dass der Kläger zuletzt im Bundesgebiet im Beruf des Verputzers wettbewerbsfähig als Facharbeiter tätig
war.
Es ist nach dem gesamten Sachverhalt vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger in seinen in Deutschland verrichteten Tätigkeiten
als angelernter Arbeitnehmer tätig geworden ist. Als solcher ist er auf vergleichbare andere angelernte Tätigkeiten wie auch
auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes - soweit diese sich durch dass Erfordernis der Einweisung und Einarbeitung
oder durch betriebliche Vorkenntnisse auszeichnen - verweisbar. Geht man zu seinen Gunsten von verrichteten Anlerntätigkeiten
des oberen Bereichs (Anlerntätigkeit mit einer Regelausbildung von mehr als einem bis zu zwei Jahren) aus, so ist ihm im Rahmen
der Verweisung auf andere Tätigkeiten eine noch in Betracht kommende konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Das SG hat insoweit die Tätigkeit des einfachen Pförtners (Tagesschicht) aufgezeigt, was weiter zutreffend erscheint. Diese Tätigkeit
ist dem Kläger sozial zumutbar und entspricht seinem verbliebenen Leistungsvermögen, da es sich um leichte körperliche Arbeit
handelt, die überwiegend im Sitzen ausgeübt werden kann - bei weitgehend selbstbestimmter jederzeitiger Möglichkeit zum Aufstehen
und Umhergehen - und nicht grundsätzlich mit besonderen psychischen Belastungen verbunden ist.