LSG Bayern, Urteil vom 11.05.2016 - 19 R 405/14
Eingliederungsleistungen
Funktionelle Zuweisung eines Klageverfahrens
Anknüpfung an ein fiktives Mindestentgelt
Sozialpolitisch gewünschte Absicherung des behinderten Menschen
1. Entscheidend für die funktionelle Zuweisung eines Klageverfahrens ist nicht die Frage, ob eine Vorschrift aus dem Bereich
des SGB VI, SGB V oder SGB XI zu prüfen ist, sondern aus welchem Rechtsverhältnis die streitige Rechtsfrage herrührt.
2. Hierfür ist auf das streitige Leistungsverhältnis abzustellen.
3. Für den Beitrag, der sich aufgrund der Differenz zwischen dem tatsächlichen Entgelt des behinderten Menschen und dem fiktiven
Entgelt auf der Grundlage von 80 % der monatlichen Bezugsgröße ergibt, ordnet § 179 Abs. 1 S. 1 SGB VI eine Erstattungspflicht des Bundes an, weil es sich bei der Anknüpfung an ein fiktives Mindestentgelt um eine sozialpolitisch
gewünschte Absicherung des behinderten Menschen in der gesetzlichen Rentenversicherung mit daraus resultierenden Ansprüchen
im Alter, bei Tod und ggf. bei Erwerbsminderung handelt.
Vorinstanzen: SG Würzburg 02.04.2014 S 3 R 5/13
Tenor I.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.04.2014 aufgehoben und die Sache an das
Sozialgericht Würzburg zurückverwiesen.
II.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Beklagte zur Erstattung von Beiträgen verpflichtet ist, die die Klägerin seit
2006 für den behinderten Menschen C., geb. 1979, getragen hat bzw. künftig noch tragen wird.
Die Klägerin ist Trägerin der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in A-Stadt. In dieser WfbM wird Herr C. im Arbeitsbereich
betreut. Herr C. lebt im Haushalt seiner Mutter. Nach einem schweren Unfall am 09.07.1997 besteht eine halbseitige Spastik.
Die Haftpflichtversicherung des Schädigers ist die A. Versicherung, die für die Betreuungskosten in der WfbM für Herrn C.
aufkommt. Herr C. befindet sich seit dem 01.03.2003 in der WfbM und erhält für seine Tätigkeit im Arbeitsbereich (Fertigung
für Drittunternehmen) eine monatliche Vergütung in Höhe von ca. 130,00 EUR brutto.
Mit Schreiben vom 19.03.2009 bat die Klägerin den Beklagten um Übernahme des anfallenden Sozialversicherungsanteils (Arbeitgeberanteil)
sowie um Übernahme der bereits entstandenen Kosten in Höhe von 3.837,80 EUR. Unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landgerichts
Bayreuth vom 21.02.2007 lehne die A.-Versicherung eine Übernahme des monatlich anfallenden Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung
ab.
Mit Schreiben vom 26.05.2009 lehnte der Beklagte eine Kostenübernahme ab: der Arbeitnehmer in einer WfbM könne schon deshalb
die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung nicht aus § 115 Abs 1 S 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und auch nicht auf einer anderen Anspruchsgrundlage vom Schädiger verlangen, weil er selbst durch die Arbeitgeberzahlungen
keinen Nachteil erleide. Den im Arbeitgeberanteil liegenden Nachteil erleide nicht der Versicherte, sondern sein Arbeitgeber.
Deshalb müsse sich die Klägerin an den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer wenden, da sich ein Anspruch aus übergegangenem
Recht nach § 179 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB VI) ergebe und ein entsprechender Schaden vorliege. Ein Anspruch einer WfbM gegen den Sozialhilfeträger bestehe grundsätzlich
nicht.
Mit Schreiben vom 21.12.2010 wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten darauf hin, dass der Träger der WfbM
nach § 1 S 1 Nr 2 a SGB VI Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 168 Abs 1 Nr 2 SGB VI abführe. Nach § 179 Abs 1 SGB VI habe jedoch der Bund dem Träger die Anteile zur Rentenversicherung zu erstatten. In Konkretisierung dieser Vorgaben sei die
Aufwendungserstattungsverordnung vom 11.07.1975 erlassen worden (BGBl I S 1896), welche das Verfahren regle. Voraussetzung
des Erstattungsanspruchs sei, dass das tatsächlich erzielte Einkommen des behinderten Menschen 80 % der monatlichen Bezugsgröße
nicht übersteige. Beiträge für die Differenz zwischen 80 % der Bezugsgröße und dem tatsächlichen Einkommen seien zu erstatten.
Die Zuständigkeit des Beklagten als Sozialhilfeträger für die Erstattung ergebe sich aus § 1 Abs 1 S 2, Abs 3 Aufwendungserstattungsverordnung
i.V.m. bayerischem Landesrecht. Das Land Bayern habe gegen den Bund einen Erstattungsanspruch. Die Klägerin habe gegen den
Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung keinen Anspruch. Schadensersatzansprüche des Geschädigten gingen auf den Bund
bzw. Kostenträger als Erstattungspflichtigen über.
Mit Schreiben vom 13.01.2011 erwiderte der Beklagte, dass Erstattungsleistungen nach § 179 Abs 1 S 1 SGB VI vom Bund erstattet würden; dies sei gemäß § 1 der Aufwendungserstattungsverordnung nicht der Beklagte, sondern das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) in Bayreuth.
Im Übrigen werde in allen Regelungen immer nur vom Kostenträger gesprochen. Dies sei nicht automatisch ein Sozialhilfeträger,
sondern der Träger, der - aus welchen Gründen auch immer - die Werkstattkosten zu tragen habe. Dies sei im konkreten Fall
die A. Versicherung. Mit Schreiben vom 17.03.2011 korrigierte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seine bisherigen Schreiben,
da er erst jetzt erfahren habe, dass das ZBFS die Rentenversicherungsbeiträge gemäß § 179 SGB VI erstatte. Bislang offen seien die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und gesetzlichen Pflegeversicherung. Bis
zum Jahr 2009 seien 3.837,80 EUR an Sozialversicherungsbeiträgen angefallen, die die Werkstatt habe zahlen müssen.
Mit Schreiben vom 29.04.2011 teilten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass bis zum IV. Quartal 2010 6.393,80
EUR an Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung offen seien. Diese seien auch von der A. Versicherung nicht erstattet worden.
Das ZBFS erstatte die RV-Beiträge auf das fiktive Entgelt nach Abzug der Anteile, die von den Kostenträgern (in diesem Falle
die A. Versicherung) zu leisten seien und nehme bei den sog. "Drittschuldnern" Regress. Beigefügt war eine "Aufstellung der
nicht durch die A. erstatteten SV-Anteile zur KV/PV/RV". Aus dieser Aufstellung ergibt sich ein Rentenversicherungsbeitrag
auf das tatsächliche Entgelt in Höhe von 46,79 EUR je Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil für die Zeit von Oktober bis Dezember
2010, ein Rentenversicherungsbeitrag in Höhe von 406,76 EUR monatlich (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) in Bezug auf das
fiktive Entgelt und eine monatliche Erstattungszahlung durch das ZBFS in Höhe von ca. 380,00 EUR, für das 4. Quartal 2010,
insgesamt in Höhe von 1.126,70 EUR. Auf Nachfrage des Beklagten (Schreiben vom 30.06.2011) teilte das ZBFS mit, dass der Lebenshilfe
A-Stadt nur die RV-Beiträge nach § 179 Abs 1 S 1 SGB VI erstattet würden, die auf den Differenzbetrag zwischen dem tatsächlichen Entgelt und der fiktiven Größe (80 % der jeweiligen
monatlichen Bezugsgröße, § 168 S 1 Nr 2 SGB VI) entfielen. Diese Beiträge regressiere das ZBFS nach § 179 Abs 1a SGB VI bei der zuständigen Versicherung. SV-Beiträge auf das tatsächlich in der Werkstatt gezahlte Arbeitsentgelt würden vom ZBFS
nicht erstattet.
Mit Schreiben vom 29.11.2011 legte der Beklagte der Klägerin seine Rechtsauffassung dar: Gemäß § 168 Abs 1 Nr 2 SGB VI sei der Einrichtungsträger grundsätzlich verpflichtet, die Beiträge abzuführen. Ergänzt werde diese Regelung durch § 179 Abs 1 SGB VI, wonach eine "Erstattungspflicht" für RV-Beiträge bestehe. Danach erstatte der Bund den Rentenversicherungsbeitrag, der sich
aus der Differenz zwischen 80 % der Bezugsgröße und dem tatsächlichen Arbeitsverdienst errechne. Der Beitrag, der sich aus
dem tatsächlichen Werkstattlohn errechne, habe der Kostenträger zu zahlen, § 179 Abs 1 S 2 SGB VI. Hinsichtlich der Erstattungspflicht für Rentenversicherungsbeiträge sei auf § 179 Abs 1a SGB VI abzustellen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift habe die Haftpflichtversicherung (A.) dem Bund (hier ZBFS) die anteiligen Rentenversicherungsbeiträge
zu erstatten. Gem. Satz 2 dieser Vorschrift habe der Schadensersatzpflichtige dem Kostenträger die Rentenversicherungsbeiträge,
also die Beiträge, die sich aus dem Werkstattverdienst errechneten, zu erstatten. Fraglich sei jedoch, wer in einem Fall,
in dem die schadensersatzpflichtige Versicherung die Kosten des Werkstattaufenthalts gegenüber der Einrichtung direkt übernehme,
der Kostenträger im Sinne des § 179 Abs 1 a Satz 4 SGB VI sei. Unabhängig von der Frage, ob Kostenträger nur ein Sozialleistungsträger im Sinne des Ersten Buches Sozialgesetzbuches ( SGB I) oder auch eine private Versicherung sein könne, bleibe festzustellen, dass jedenfalls der Beklagte (Bezirk Unterfranken)
in keinem Fall Kostenträger für die Maßnahme in der Einrichtung sei. Die Werkstatt müsse die Beiträge abführen und habe einen
Anspruch auf Erstattung gegen einen Leistungsträger, den es nicht gebe. Der Bezirk sei in diesen Fällen kein Leistungsträger.
Der behinderte Mensch könne nicht in Anspruch genommen werden, weil nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) Werkstattleistungen einkommens- und vermögensunabhängig zu leisten seien. Für einen Erstattungsanspruch der Klägerin gebe
es deshalb keine Anspruchsgrundlage.
Mit Schriftsatz vom 19.12.2012 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben, mit dem Antrag, ausstehende Beiträge in Höhe von 9.172,36 EUR zu erstatten sowie auch künftig ab dem 1. Quartal
2013 die entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung für den behinderten Menschen C. zu erstatten. Bezüglich der Rentenversicherungsbeiträge
wurde die Klage auf die Beitragsdifferenz hinsichtlich des tatsächlichen Werkstattlohnes beschränkt. Kostenträger sei der
Beklagte. Herr C. habe auf der Grundlage seiner Behinderungen einen Anspruch auf Eingliederungshilfe gegenüber dem Beklagten
und zwar in Form der Aufnahme in eine WfbM. Rechtsgrundlage seien die §§ 53 ff. SGB XII i.V.m. §§ 41 und 136 ff. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB IX). Diese Leistungspflicht dem Grunde nach sei zwischen den Parteien unstreitig. Tatsächlich erbringe aber der Beklagte keine
Leistungen für Herrn C., weil die A. als Haftpflichtversicherer die entsprechenden Kosten der Werkstatt direkt erstatte. Die
A. weigere sich unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landgerichtes Bayreuth vom 21.02.2007, die Sozialversicherungsbeiträge
zur KV, PV und RV zu erstatten. Die Einrichtung habe der A. diese Kosten mehrfach in Rechnung gestellt. Sie habe auch keine
Klagebefugnis gegen den Haftpflichtversicherer. Die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung sei unzutreffend. Nur weil die
A. direkt die Kosten an die WfbM erstatte, ändere sich die gesetzliche Regelung nicht. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich vorgesehen,
dass der Klägerin sämtliche Kosten vom Kostenträger zu erstatten seien, weil nur auf diesem Wege das vom Gesetzgeber verfolgte
Ziel erreicht werden könne, nämlich das Arbeitsergebnis als Vergütung an die behinderten Menschen auszuschütten. Das Gesetz
knüpfe für die Erstattungspflicht in § 251 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB V) und § 179 SGB VI nicht daran an, wieweit der Kostenträger weitere Kosten zu erstatten habe, sondern allein an den Anspruch auf Eingliederungshilfe
- in welcher Höhe diese auch tatsächlich finanziell zu Buche schlage - und an die Beitragstragung der Behinderteneinrichtung.
Hätte die A. zunächst die Kostenübernahme für die WfbM verweigert, hätte die Beklagte unstreitig als Kostenträger eintreten
müssen und hätte dann nach § 116 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) von der A. Regress verlangt. Die Tatsache also, dass die A. durch eine sachgerechte und zeitnahe Schadensregulierung direkt
der Einrichtung die Kosten erstatte, könne nicht zur Folge haben, dass der Beklagte sich gesetzlichen Pflichten entziehe.
Das zunächst beim SG Würzburg unter dem Aktenzeichen S 15 SO 151/12 erfasste und geführte Verfahren wurde vom SG sodann in 3 Klageverfahren aufgeteilt, die künftig unter den Aktenzeichen S 17 KR 5/13, S 9 P 1/13 und S 3 R 5/13 geführt wurden. Das Verfahren S 15 SO 151/12 wurde aktenordnungstechnisch erledigt. Die beiden Klageverfahren S 17 KR 5/13 und S 9 P 1/13 wurden zum Ruhen gebracht und zwischenzeitlich ebenfalls aktenordnungstechnisch infolge des Ruhens von mehr als 6 Monaten
erledigt.
In dem nun vom SG betriebenen Verfahren S 3 R 5/13 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 14.01.2013 darauf hingewiesen, dass es sich bei der Mitteilung
der beiden Aktenzeichen S 3 R 5/13 und S 17 KR 5/13 um zwei Versehen handele. Richtig dürfte doch die Eingangsbestätigung vom 28.12.2012 zum Aktenzeichen S 15 SO 151/12 sein.
Laut Vermerk der Vorsitzenden der 3. Kammer über ein Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat dieser auf
eine schriftliche Beantwortung seines Schreibens vom 14.01.2013 verzichtet.
Mit Schriftsatz vom 06.02.2013 hat der Beklagte ausgeführt, dass die Klage bereits unzulässig sei. Der Beklagte habe mit Schreiben
vom 29.11.2011 verbindlich eine Kostenübernahme abgelehnt. Dabei habe es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X gehandelt. Zwar habe der Beklagte versäumt, eine Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen, jedoch sei auch die Jahresfrist nach
§ 66 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) bereits versäumt. Im Übrigen sei die Klage aber auch unbegründet, da der Beklagte nicht Kostenträger sei. Des Weiteren werde
nach § 113 SGB X eine Verjährung der Ansprüche aus dem Jahr 2006 und 2007 geltend gemacht; zumindest sei eine Verwirkung durch die Untätigkeit
der Klägerin eingetreten.
Auf Nachfrage des SG hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 04.12.2013 mitgeteilt, dass sich die Summe der offenen Beiträge
zur gesetzlichen Rentenversicherung auf 2.327,98 EUR für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2011 belaufe. Im Jahr 2011 habe
sich die Differenz auf monatlich 26,22 EUR belaufen. Sie ändere sich jeweils nach Maßgabe der Bezugsgröße und des Beitragssatzes
im jeweiligen Jahr. Nach Durchführung eines Erörterungstermines am 12.12.2013 vor dem SG hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 08.01.2014 den Klageantrag nochmals korrigiert und den Erstattungsbetrag
auf 2.626,78 EUR beziffert (einschließlich 2013). Beigefügt war eine Aufstellung über die auf das tatsächliche Entgelt von
Herrn C. entfallenden Rentenversicherungsbeiträge pro Quartal von 2006 bis 2013. Mit weiterem Schriftsatz vom 27.03.2014 wurde
der Erstattungsbetrag auf 2.701,48 EUR beziffert (einschließlich 1. Quartal 2014).
Nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 SGG erklärt hatten, hat das SG mit Urteil vom 02.04.2014 den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 2.701,48 EUR zu zahlen. Ferner wurde festgestellt, dass
der Beklagte auch ab April 2014 weiterhin verpflichtet sei, der Klägerin die Rentenversicherungsbeiträge zu erstatten, die
dieser für den behinderten Menschen C. zu tragen habe. Die Klage sei zulässig, weil es sich um eine echte Leistungsklage handele.
Ein Subordinationsverhältnis liege zwischen Klägerin und Beklagtem nicht vor. Soweit die Klägerin auch die Feststellung der
Erstattungspflicht des Beklagten in der Zukunft begehre, sei die Klage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG statthaft. Das notwendige Feststellungsinteresse sei unzweifelhaft gegeben. Das in Streit stehende Rechtsverhältnis ergebe
sich aus § 179 Abs 1 S 2 Hs 1 SGB VI und betreffe die Frage, ob der Beklagte der Klägerin Rentenversicherungsbeiträge zu erstatten habe, sofern keine Erstattung
nach Satz 1 der Vorschrift erfolge. Eine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage bestehe nicht,
weil es um die Feststellung der Leistungspflicht in der Zukunft gehe.
Die Klage sei auch begründet, da der Beklagte - trotz der privatrechtlichen Schadensersatzpflicht der A. gegenüber C. - grundsätzlich
weiter Rehabilitationsträger iSv § 41 Abs 3 SGB IX sei. Reha-Träger im Sinne dieser Vorschrift seien nur die in § 6 SGB IX genannten Versicherungs- bzw. Sozialleistungsträger. Deshalb seien auch nur diese Träger - und nicht privatrechtliche Haftpflichtversicherer
- mögliche Kostenträger im Sinne des § 179 Abs 1 S 2 Halbsatz 1 SGB VI. Dies belege auch § 179 Abs 1a S 4 SGB VI, der - quasi in einem zweiten Schritt - einen etwaigen Regress des Kostenträgers gegen den nach Privatrecht ersatzpflichtigen
Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer regle. Die Erstattungspflicht des Beklagten ergebe sich auch aus Sinn und Zweck
der Regelung des § 179 Abs 1 SGB VI. Eine Verjährung der geltend gemachten Forderungen für 2006 und 2007 sei nicht eingetreten, weil der Ablauf der Verjährungsfrist
durch die langen außergerichtlichen Verhandlungen zwischen den Parteien für mindestens 25 Monate gehemmt gewesen sei. Ebenso
wenig seien Umstände ersichtlich, die zur Annahme einer Verwirkung des Klageanspruchs führen könnten. Die Forderungshöhe als
solche sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Streitwert des Verfahrens sei auf 7.701,48 EUR festzustellen gewesen (2.701,48
EUR Forderung, 5.000,00 EUR für den die Zukunft betreffenden Teil). Hiergegen hat der Beklagte am 09.05.2014 Berufung zum
Bayerischen Landessozialgericht eingelegt, im Wesentlichen unter Wiederholung der bereits außergerichtlich vorgetragenen Argumentation.
Sofern das Gericht davon ausgehe, dass Kostenträger im Sinne des § 179 S 2 SGB VI nur ein Rehaträger im Sinne des SGB IX sein könne, also nicht eine Haftpflichtversicherung, handele es sich um eine Gesetzeslücke, die einer entsprechenden Auslegung
bedürfe. Nachdem der Gesetzgeber im Jahr 2001 den Abs 1 a neu aufgenommen habe und in Satz 4 ausdrücklich geregelt habe, dass
alle (Rentenversicherungs-)Beiträge vom Schädiger zu erstatten seien, sei nach Meinung des Beklagten eine Auslegung nur dahingehend
möglich, dass zumindest ein Anspruch gegen den Bezirk Unterfranken nicht gegeben sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.04.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.04.2014 zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Insbesondere ist nicht erforderlich, dass die Berufungssumme des § 144 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG erreicht wird. Vorliegend handelt es sich nicht um einen Erstattungsrechtsstreit im rechtlichen Sinne. Ein solcher wäre nur
dann gegeben, wenn zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Erstattung von Sozialleistungen im Sinne des
§ 11 SGB I streitig wäre (Breitkreuz/Schreiber, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl., 2014, § 144 Rdnr. 26; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 11. Aufl., 2014, § 144 Rdnr 11 ff. m.w.N.). Vorliegend geht es jedoch um die Frage der Verpflichtung zur Erstattung von Beitragsanteilen zur gesetzlichen
Sozialversicherung durch den Beklagten in seiner Eigenschaft als Sozialhilfeträger gegenüber einer WfbM unter zivilrechtlicher
(vereinsrechtlicher) Trägerschaft. In einer solchen Konstellation ist die vom Gesetzgeber mit der in § 144 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG vorgesehenen hohen Streitwertgrenze gewünschte Einschränkung der Rechtsmittel zwischen Sozialleistungsträgern gerade nicht
gerechtfertigt. Die Berufung des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das SG begründet. Das Urteil des Sozialgerichts vom 02.03.2014 mit dem Aktenzeichen S 3 R 5/13 hätte nicht erlassen werden dürfen. Es liegt ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter und damit ein wesentlicher Verfahrensfehler
vor, der einer Sachentscheidung durch den Senat entgegensteht.
Der Senat ist der Auffassung, dass die vorliegende Streitigkeit sehr wohl - wie vom SG anfangs auch angenommen - eine Streitigkeit aus dem Bereich des SGB XII ist. Entscheidend für die funktionelle Zuweisung eines Klageverfahrens ist nicht die Frage, ob eine Vorschrift aus dem Bereich
des SGB VI, SGB V oder SGB XI zu prüfen ist, sondern aus welchem Rechtsverhältnis die streitige Rechtsfrage herrührt. Hierfür ist auf das streitige Leistungsverhältnis
abzustellen. Maßgebend ist vorliegend, dass der bei der Klägerin tätige C. aufgrund der durch den Unfall im Jahr 1997 erlittenen
Verletzungen dauerhaft behindert ist und nur im Arbeitsbereich einer WfbM tätig sein kann. Hieraus folgt ein Anspruch des
Herrn C. auf Eingliederungsleistungen gegen den Beklagten. Aus dieser Stellung als Kostenträger resultieren für den Beklagten
gesetzliche Verpflichtungen bei der Abwicklung, u. a. die hier streitige Erstattung von Beiträgen, u.a. auf der Grundlage
des § 179 SGB VI.
Der Beklagte ist Kostenträger im Sinne des § 179 SGB VI: Gemäß § 41 Abs 1 SGB IX erhalten behinderte Menschen Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM, bei denen eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
(Nr. 1) oder Berufsvorbereitung, berufliche Anpassung und Weiterbildung oder berufliche Ausbildung (Nr. 2) wegen Art oder
Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in Betracht kommen und die in der Lage sind, wenigstens ein
Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Die Leistungen sind nach § 41 Abs 2 SGB IX gerichtet auf Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung des Behinderten entsprechenden Beschäftigung
(Nr. 1), Teilnahme an arbeitsbegleitenden Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der im Berufsbildungsbereich erworbenen
Leistungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit (Nr. 2) sowie Förderung des Übergangs geeigneter behinderter
Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen (Nr. 3). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass
der behinderte Mensch C. in den Arbeitsbereich der WfbM der Klägerin eingegliedert ist und dort auch in geeigneter Weise unter
Berücksichtigung seiner Behinderung tätig sein kann. Hierfür erhält Herr C. auch ein seinem Arbeitsergebnis entsprechendes
Arbeitsentgelt. Die Zuständigkeit für die Leistungsgewährung bestimmt sich dabei nach § 42 SGB IX, für den Arbeitsbereich einer WfbM nach § 42 Abs 2 Nr. 1 - 4 SGB IX: die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung im Rahmen ihrer Zuständigkeit für durch Arbeitsunfälle Verletzte und von
Berufskrankheiten Betroffene (Nr. 1), die Träger der Kriegsopferfürsorge unter den Voraussetzungen des § 27 d Abs 1 Nr 3 Bundesversorgungsgesetz - BVG - (Nr. 2), die Träger der öffentlichen Jugendhilfe unter den Voraussetzungen des § 35 a Achtes buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII - (Nr. 3), im Übrigen jedoch - die Träger der Sozialhilfe unter den Voraussetzungen des SGB XII (Nr. 4). Da eine Zuständigkeit nach den Ziff. 1 - 3 des § 42 SGB IX nicht gegeben ist, ist der Träger der Sozialhilfe zuständiger Leistungsträger, sofern das SGB XII entsprechende Leistungen vorsieht. Derartige Leistungen sind in den §§ 53 ff. SGB XII als Leistungen der Sozialhilfe vorgesehen. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich dabei aus § 97 Abs 3 SGB XII. Der Beklagte ist überörtlicher Träger der Sozialhilfe im Sinne des § 97 Abs 3 SGB XII i.V.m. Art. 81 ff. BayAGSGB (Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuch, Bayern).
Als zuständiger Leistungsträger für die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Unterbringung im Arbeitsbereich einer
WfbM ist der Beklagte auch Rehaträger im Sinne des § 6 SGB IX. Dort sind - ausdrücklich - nur Sozialleistungsträger, also Körperschaften des öffentlichen Rechts genannt, die die im Sozialgesetzbuch
genannten - und im SGB I ausdrücklich aufgeführten - Sozialleistungen gewähren müssen. Bereits aus diesem Grund kann Kostenträger einer Sozialleistung
im Sinne des Sozialgesetzbuches keine private Haftpflichtversicherung sein. Die Klägerin hat insoweit auch zutreffend darauf
hingewiesen, dass die gesetzliche Regelungen über die Leistungsgewährung der Betreuung eines behinderten Menschen in einer
Werkstatt so ausgestaltet ist, dass in jedem Fall durch die öffentlich-rechtlichen Träger die Leistungsgewährung unmittelbar
sichergestellt werden soll und Fragen der konkreten Kostenabwicklung dann im Wege der Geltendmachung von Erstattungs- oder
Regressansprüchen zwischen dem Leistungsträger und einem eventuell vorhandenen Drittschädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer
erfolgt, ohne den Behinderten zusätzlich belasten zu müssen. Diese Zielsetzung wäre nicht gewährleistet, wenn über die Frage
des Umfangs und der Kostentragung dem Grunde und der Höhe nach erst gestritten werden müsste. Deshalb ist von der Frage, wer
zuständiger Leistungsträger ist - vorliegend der Beklagte - ganz klar die Frage zu unterscheiden, ob es ggf. eine rechtliche
Möglichkeit gibt, den Drittschädiger in Verantwortung zu nehmen und gegebenenfalls hier Erstattungs- oder Regressansprüche
durchzusetzen. Eine zivilrechtliche Schadensersatzverpflichtung - wie hier die der A. Versicherung als Haftpflichtversicherer
des Schädigers nach § 115 VVG - lässt das sozialrechtliche Leistungsverhältnis zwischen dem behinderten Menschen und dem Träger der Leistung - vorliegend
dem Beklagten - unberührt. Sofern es um die Kosten der Unterbringung in der WfbM dem Grunde und der Höhe nach ginge, wäre
§ 116 SGB X anzuwenden: Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften (z. B. § 823 BGB - Bürgerliches Gesetzbuch -) beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit
dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art
dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Dazu gehören auch die Beiträge,
die von Sozialleistungen zu zahlen sind (Arbeitnehmeranteil; § 116 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X) und die Beiträge zur Krankenversicherung, die für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld unbeschadet des § 224 Abs 1 SGB V zu zahlen wären (§ 116 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB X). Die Übernahme der Kosten für die Unterbringung von Herrn C. in der WfbM durch die A. ist letztlich nur eine Verkürzung
des Zahlungsweges, da der Beklagte zunächst die Kosten zu tragen hätte und dann bei der A. eine Erstattung der Kosten auf
der Grundlage des durch Legalzession übergegangenen Schadensersatzanspruchs des Herrn C. gegen seinen Schädiger nach § 116 SGB X verlangen könnte. § 116 SGB X ist allerdings nach seinem klaren Wortlaut nur auf Sachverhalte anwendbar, bei denen es um die Erstattung der Aufwendungen
für erbrachte Sozialleistungen geht. Nach einhelliger Meinung sind aber abgeführte Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung
im Sinne des § 179 SGB VI keine Sozialleistungen.
Der Klägerin als Trägerin der WfbM kommt im Hinblick auf die Tätigkeit des Herrn C. im Arbeitsbereich die Funktion eines Arbeitgebers
zu. Als Arbeitgeber ist die Klägerin grundsätzlich auch verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge für den behinderten Menschen
abzuführen. Gemäß § 2 Abs 2 Nr 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB IV) sind in allen Zweigen der Sozialversicherung, also in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, behinderte
Menschen versichert, die in geschützten Einrichtungen (WfbM) beschäftigt werden. Die Versicherungspflicht ist für die gesetzliche
Rentenversicherung speziell in § 1 S 1 Nr 2 SGB VI angeordnet. Die Beiträge werden nach § 168 Abs 1 Nr 2 SGB VI von den Trägern der Einrichtung, wenn ein Arbeitsentgelt nicht bezogen wird oder das monatliche Arbeitsentgelt 20 % der monatlichen
Bezugsgröße nicht übersteigt, sowie für den Betrag zwischen dem monatlichen Arbeitsentgelt und 80% der monatlichen Bezugsgröße,
wenn das monatliche Arbeitsentgelt 80% der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt, im Übrigen von den Versicherten und den
Trägern der Einrichtung je zur Hälfte. Gemäß § 162 Nr. 2 SGB VI sind bei behinderten Menschen als Arbeitsentgelt die der Beitragserhebung zugrunde liegenden Einnahmen anzusehen, mindestens
jedoch 80 % der Bezugsgröße. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber beabsichtigt, bei behinderten Menschen durch eine Mindestbeitragsabführung
für eine entsprechende Alterssicherung im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung zu sorgen. Dies stellt eine sozialpolitisch
sicherlich wünschenswerte gesetzgeberische Entscheidung dar, die gerichtlich nicht zu überprüfen ist. Der Träger der WfbM
- vorliegend die Klägerin - muss diese Beiträge zunächst an die gesetzliche Rentenversicherung abführen, unabhängig davon,
wer Schädiger des behinderten Menschen gewesen ist und wer Träger der Leistung ist. Konsequenterweise sieht § 179 SGB VI entsprechende Erstattungsregelungen vor, damit der Träger einer WfbM nicht mit Aufwendungen belastet wird, die von ihm auf
Dauer nicht getragen werden können. Ausgehend von dieser Zielsetzung ist die WfbM von den Beitragslasten durch entsprechende
Erstattungen zu befreien. Kostenträger im sozialrechtlichen Sinne bleibt aber vorliegend der Beklagte als zuständiger Leistungsträger.
Zur Frage der Abwicklung des Leistungsanspruchs des Herrn C. gehört auch die Frage, ob der Beklagte zur Erstattung von anteiligen
Sozialversicherungsbeiträgen gegenüber der WfbM verpflichtet ist. Dass im Rahmen dieses Leistungsverhältnisses Vorschriften
geprüft werden müssen, die sich in anderen Büchern des Sozialgesetzbuches, also im SGB V, SGB VI und SGB XI befinden, vermag an der Natur des Rechtsverhältnisses nichts zu ändern. Entsprechend dem sog. Fachkammernprinzip nach § 12 SGG war die Erfassung der Klage als SO-Streitigkeit mit der Zuweisung an eine funktionell zuständige Kammer, hier die 15. Kammer
des SG, zutreffend. Die 3. Kammer des Sozialgerichts Würzburg ist nach dem damals gültigen richterlichen Geschäftsverteilungsplan
für SO-Streitigkeiten nicht funktionell zuständig gewesen.
Eine funktionelle Zuständigkeit der 3. Kammer ist auch nicht durch die Aufteilung der Klage in drei Verfahren eingetreten.
Eine Abtrennung der Verfahren hätte bereits aufgrund der oben ausgeführten Gründe nicht erfolgen dürfen. Die Trennung des
Verfahrens in drei verschiedene, den Fachkammern für Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zugewiesenen Streitigkeiten
war aber auch deshalb rechtswidrig, weil diese ohne entsprechenden Gerichtsbeschluss erfolgt ist. Gemäß § 202 SGG i.V.m. § 145 Abs 1 S 2 Zivilprozessordnung ( ZPO) muss eine Trennung - so die Voraussetzungen für diese Trennung überhaupt gegeben wären, was vorliegend nicht der Fall war
- durch gerichtlichen Beschluss erfolgen, der auch zu begründen ist. Ein solcher Beschluss ist nicht erfolgt. Das Verfahren
S 15 SO 151/12 ist laut Auskunft des SG Würzburg nur aktenordnungstechnisch erledigt worden, d. h. durch Eintragung neuer
Aktenzeichen durch die Registratur. Eine gerichtliche Anordnung im Sinne des § 145 Abs 1 S 1 ZPO ist aber nur die Maßnahme eines Spruchkörpers des Gerichts, nicht die der Registratur oder der Geschäftsstelle (vgl. BFH,
Beschluss vom 24.10.1973 - VII B 47/72 - BFHE 110, 465; BayLSG, Beschluss vom 22.08.2013, Az L 20 R 653/13 NZB; Reichold, in: Thomas-Putzo, ZPO, 36. Auf. 2016, § 145 Rdnr. 2; Leitherer/Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 113 Rdnr 5 m.w.N.).
Mangels wirksamer Trennung des Verfahrens ist davon auszugehen, dass die mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin
vom 19.12.2012 zum Sozialgericht Würzburg erhobene Klage nach wie vor in der 15. Kammer des Sozialgerichts anhängig ist. Eine
Entscheidung durch die 3. Kammer hätte deshalb nicht ergehen dürfen.
Es liegt auch nicht nur ein unbeachtlicher Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit vor, da nach dem Fachkammernprinzip
bei sozialhilferechtlichen Streitigkeiten nach § 12 Abs 5 SGG die ehrenamtlichen Richter aus den Vorschlagslisten der Kreise und kreisfreien Gemeinden auszuwählen und an der Entscheidung
zu beteiligen sind. Beim Urteil des SG vom 02.04.2014 haben solche ehrenamtlichen Richter nicht mitgewirkt, sondern Personen aus den Listen nach § 12 Abs 2 SGG. Das Gericht war somit bei der Entscheidung am 02.04.2014 nicht ordnungsgemäß besetzt. Damit wurde das grundrechtlich aus
Art. 103 Grundgesetz ( GG) geschützte Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Dies führt zu einem wesentlichen Verfahrensfehler, der nach § 159 Abs 1 SGG zur Aufhebung und Zurückverweisung an das SG führt. Eine entsprechende Rüge durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin war mit Schriftsatz vom 14.01.2013 erfolgt.
Der Senat war zur Entscheidung selbst funktionell zuständig, weil er nach der richterlichen Geschäftsverteilung des Bayer.
Landessozialgerichts für Berufungen gegen Urteile erster Instanz in R-Sachen zuständig ist. Wegen des wesentlichen Verfahrensfehlers
des SG ist dem Senat eine Entscheidung in der Sache verwehrt.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage unmittelbar aus
der gesetzlichen Regelung des § 179 Abs 1 SGB VI lösen lässt. Für den Beitrag, der sich aufgrund der Differenz zwischen dem tatsächlichen Entgelt des behinderten Menschen
und dem fiktiven Entgelt auf der Grundlage von 80 % der monatlichen Bezugsgröße ergibt, ordnet § 179 Abs 1 S 1 SGB VI eine Erstattungspflicht des Bundes an, weil es sich - wie oben bereits ausgeführt - bei der Anknüpfung an ein fiktives Mindestentgelt
um eine sozialpolitisch gewünschte Absicherung des behinderten Menschen in der gesetzlichen Rentenversicherung mit daraus
resultierenden Ansprüchen im Alter, bei Tod und ggf. bei Erwerbsminderung handelt. Diese Kosten können und sollen von der
WfbM nicht getragen werden, ohne ihre Funktionsfähigkeit zu gefährden. Für die übrigen Beiträge ist eine Erstattung ausdrücklich
in § 179 Abs 1 S 2 SGB VI vorgesehen, und zwar durch den Kostenträger. Die übrigen Beiträge können nur auf den bei der Erstattung nach § 179 Abs 1 S 1 SGB VI nicht umfassten, tatsächlichen Lohn des behinderten Menschen bezogen sein. Kostenträger ist - wie oben ausgeführt - der Beklagte.
Die Zahlung der A. Versicherung an die Klägerin stellt keine Änderung der Leistungszuständigkeit dar, sondern lediglich eine
Verkürzung des Zahlungsweges. Kostenträger im sozialrechtlichen Sinne, und darauf kommt es bei § 179 SGB VI an, ist und bleibt der Beklagte als überörtlicher Sozialhilfeträger. Dieses Ergebnis wird auch aus der im Jahr 2001 eingefügten
Regelung des § 179 Abs 1a SGB VI deutlich. Ein Regress gegen einen Drittschädiger, vorliegend die A. Versicherung als Haftpflichtversicherung des Schädigers,
ist in dieser Regelung in S 1 für den Bund vorgesehen, soweit dieser Erstattungen nach § 179 Abs 1 S 1 SGB VI erbracht hat, und in § 179 Abs 1a S 4 SGB VI ist ein solcher Regress für den Kostenträger vorgesehen (vgl. auch Wehrhahn, in: Kasseler Kommentar, § 179 SGB VI, Rdnr 4 und 9 m.w.N.). Wäre die A. Versicherung Kostenträger in diesem Sinne, müsste sie bei sich selbst Regress nehmen,
was offensichtlich keinen Sinn macht. Auch die Argumentation des Beklagten, die Klägerin habe einen Erstattungsanspruch, nur
niemanden an den sie sich wenden könnte, ist sicherlich nicht haltbar, weil dies der gesetzlichen Regelung eindeutig widerspricht.
Eine auslegungsbedürftige Gesetzeslücke liegt sicherlich insoweit nicht vor (zur Frage der Durchsetzbarkeit eines Regressanspruchs
bei Abfindungsvereinbarungen zwischen Geschädigtem und Schädiger vgl. BGH, Urteil vom 01.07.2014, Az VI ZR 546/13, veröffentlicht bei [...]; Lang, Anmerkung zu OLG Hamm 25. Zivilsenat, Urteil vom 15.11.2013 - I-25-U 2/13, veröffentlicht bei [...]).
Nach alledem war das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.04.2014 aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des SG vorbehalten.
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