Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob bei der Klägerin Zeiten nach dem Fremdrentengesetz, die sie in Kasachstan zurückgelegt hat, zu 6/6 zu berücksichtigen sind.
Die 1940 geborene Klägerin ist am 03.09.1993 aus O./Kasachstan in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen. Sie ist gemäß
§ 4 Bundesvertriebenengesetz (BVG) als Spätaussiedlerin anerkannt (Ausweis Nr. 9652/20113, ausgestellt vom Landratsamt Würzburg - Ausgleichsamt - am 03.11.1994).
Am 05.06.2000 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres,
die die Beklagte mit Bescheid vom 30.08.2000 ab dem 01.10.2000 in Höhe von 894,30 DM monatlich (= 457,25 EUR) bewilligte.
In Anlage 10 des Rentenbescheides sind bei der Klägerin Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) vom 01.10.1956 beginnend mit Unterbrechungen bis zum 22.07.1993 aufgelistet. Jeweils erfolgte eine Anrechnung zu 5/6. Das
aufgrund des Widerspruchs vom 19.09.2000 eingeleitete Widerspruchsverfahren wurde wegen anhängiger Verfahren beim Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) übereinstimmend zum Ruhen gebracht und der Widerspruch dann mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin
vom 28.07.2005 zurückgenommen, nachdem die Beklagte mitgeteilt hatte, dass zwischenzeitlich Akten vernichtet worden seien
und ein Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sinnvoller sei.
Am 13.02.2001 wurde bereits erstmals ein Überprüfungsantrag wegen der Vertrauensschutzregelung im Hinblick auf einen fehlenden
Nachweis von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit gestellt, der mit Bescheid vom 27.02.2001 abgelehnt worden
war. Rechtsbehelfe hiergegen wurden nicht ergriffen. Mit Schriftsatz vom 15.02.2002 wiesen die Prozessbevollmächtigten der
Klägerin darauf hin, dass sie mit einem Schreiben vom 24.09.2001 einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X hinsichtlich der Anrechnung der fremdrentenrechtlichen Zeiten gestellt hätten. Die Beklagte teilte daraufhin mit, dass dieses
Schreiben nicht vorliege. Ferner werde um Übersendung des Arbeitsbuches der Klägerin gebeten, um die Angelegenheit prüfen
zu können. Eine Übersendung des Arbeitsbuches ist damals offensichtlich nicht erfolgt.
Mit Schreiben vom 25.04.2005 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Überprüfung des Altersrentenbescheides
vom 30.08.2000 in Hinblick auf die 5/6-Anrechnung der Beschäftigungszeiten nach dem FRG und legten hierzu das Arbeitsbuch der Klägerin vor. Aus der in der Rentenakte vorhandenen Übersetzung des Arbeitsbuches geht
hervor, dass das Arbeitsbuch auf den Namen "R.-A.", Vorname "" mit Datum 17.02.1959 ausgestellt war. Aus den vorhandenen Übersetzungen
des Arbeitsbuches ergibt sich weiter, dass das Holzverarbeitungskombinat O. am 21.02.1974 umbenannt wurde in den Namen "K.".
Vermerkt war des Weiteren, dass die Klägerin am 22.07.1993 "wegen Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland mit ständigen
Wohnsitz dort" entlassen wurde. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 24.08.2005 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag
nach § 44 SGB X ab. Eine Berücksichtigung der Zeiten zu 6/6 sei nicht möglich, da im vorgelegten Arbeitsbuch weder Arbeits- noch Fehltage
eingetragen seien. Es verbleibe somit bei der Berücksichtigung zu 5/6.
Hiergegen legte die Klägerin am 29.08.2005 Widerspruch ein und übersandte mit Schriftsatz vom 17.10.2005 zwei "Archiv-Bescheinigungen"
des Arbeitgebers mit der Reg.Nr. K-20 und K-18. Die Beklagte lehnte mit weiterem Bescheid vom 22.11.2006 eine Anerkennung
der Beitragszeiten zu 6/6 ab, da in den vorgelegten Archiv-Bescheinigungen in der Spalte Krankheitstage lediglich der Vermerk
"kein Eintrag" vorhanden sei. Da nach den bisherigen Erkenntnissen im Sozialversicherungsrecht der Staaten der ehemaligen
UdSSR Unterbrechungen bei der Festsetzung der sog. "allgemeinen Beschäftigungsdauer" wie eigentliche Arbeitszeiten bewertet
worden seien, bestehe derzeit noch berechtigter Zweifel, ob es den früheren Arbeitgebern tatsächlich möglich sei, Arbeitsbescheinigungen
mit den vorgelegenen Arbeitsunterbrechungen auszustellen. Die Archiv-Bescheinigungen stellten somit keinen Nachweis dar, der
zu einer 6/6-Anrechnung führe. Der Bescheid werde nach §
86 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens und es werde um Mitteilung gebeten, ob aufgrund dieses Bescheides der Widerspruch
zurückgenommen bzw. für erledigt erklärt werde. Mit Schreiben vom 14.12.2006 legten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin
Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.11.2006 ein und wiesen darauf hin, dass nach Aussage der Klägerin über den gesamten
Zeitraum keine Erkrankung vorgelegen habe, sodass in der Spalte Krankheitstage logischerweise kein Eintrag habe erfolgen können.
Es werde deshalb um die Anrechnung zu 6/6 gebeten. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch vom 29.08.2005 gegen den Bescheid
vom 24.08.2005 in der Gestalt des Bescheides vom 22.11.2006 als unbegründet zurück. Die vorgelegten Archiv-Bescheinigungen
vom 30.05.2005 könnten ebenso wie das Arbeitsbuch lediglich als Mittel zur Glaubhaftmachung angesehen werden, da aus ihnen
die tatsächlich geleisteten Arbeitstage nicht hervorgingen. Arbeitsbescheinigungen könnten nur dann als Nachweis angesehen
werden, wenn ihre Angaben und die vorgelegten Unterlagen in sich schlüssig seien, wenn aus den Bescheinigungen die tatsächlichen
Arbeitstage und/oder die Fehlzeiten vollständig hervorgingen sowie die Unterlagen angegeben würden, aufgrund der die Bescheinigungen
erstellt worden seien. Dies sei aus den vorgelegten Archiv-Bescheinigungen nicht ersichtlich.
Zur Begründung der hiergegen am 20.03.2007 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf hingewiesen, dass im Widerspruchsverfahren klargestellt
worden sei, dass in den mit Urlauben belegten Monaten keine Krankheitszeiten bestanden hätten und deshalb die Entwertungszeichen
angebracht worden seien. Dies habe sich auch feststellen lassen, da nach Aussage der Klägerin im Zeitraum von 1983 bis 1993
keine Krankheitszeiten aufgetreten seien. Trotz dieser nachvollziehbaren Erklärung sei am 05.03.2007 der ablehnende Widerspruchsbescheid
erlassen worden, der Grundlage des Klageverfahrens sei. Mit den vorgelegten Archiv-Unterlagen sei hinreichend nachgewiesen,
dass neben den üblichen Urlaubszeiten in diesem Zeitraum keine Krankheitszeiten vorhanden gewesen seien. Ferner sei man auch
der Auffassung, dass die im russischen Arbeitsbuch ausgewiesenen Beschäftigungszeiten in vollem Umfang anzuerkennen seien,
da eine durchgehende Beschäftigung bestanden habe und somit keine Fehlzeiten hätten bestehen können.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2008 hat die Klägerin angegeben, dass sie die vorgelegten Archiv-Bescheinigungen
telefonisch erbeten habe. Ihr sei gesagt worden, dass im Archiv nachgesehen werde. Sie habe dann die beiden Bescheinigungen
bekommen. Weitere Bescheinigungen habe sie nicht erhalten, obwohl sie immer in demselben Betrieb gearbeitet habe.
Das SG Würzburg hat sodann mit Urteil vom 19.08.2008 die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 24.08.2005 und vom 22.11.2006
in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.03.2007 verurteilt, bei der Klägerin die Zeit vom 01.01.1983 bis 01.07.1993 als
nachgewiesene Beschäftigungszeit nach dem Fremdrentengesetz, d.h. zu 6/6, anzuerkennen, die Altersrente der Klägerin ab 01.01.2001 neu festzustellen und den Differenzbetrag nachzuzahlen.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass die Zeiten bis zum 01.01.1983, die in dem Arbeitsbuch der Klägerin aufgelistet seien, nicht als nachgewiesen
angesehen werden könnten, da das Arbeitsbuch zwar ein zulässiges Beweismittel darstelle, jedoch nur zur Glaubhaftmachung einer
entsprechenden Beitragszeit ausreiche. Unterbrechungen der Beitragszahlungen beispielsweise wegen einer länger dauernden Erkrankung
würden hier nicht ausgewiesen. Allerdings könnten Bescheinigungen des ehemaligen Arbeitgebers und/oder staatlicher Archive
ergänzende Angaben zum Arbeitsbuch machen. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestünden für das Gericht keine generellen
Zweifel, dass derartige Informationen auch heute noch ermittelt werden könnten. Zwar seien dem Gericht keine Originalunterlagen
aus kasachischen Archiven bekannt. Eine ähnliche Argumentation sei jedoch auch hinsichtlich Beschäftigungen in Rumänien geführt
worden. Dort sei zwischenzeitlich für das Gericht eindeutig belegt, dass Lohnlisten mit den entsprechenden Angaben existierten.
Da diese jedoch nicht bezogen auf die Einzelpersonen geführt worden seien, sei die Auswertung über längere Zeiträume jeweils
relativ aufwendig, aber nicht ausgeschlossen. Von entscheidender Bedeutung sei daher, dass keine einzelfallbezogenen Zweifel
entstanden seien, dass die Daten tatsächlich aus den jeweiligen Lohnlisten entnommen worden seien. Für das Gericht erscheine
es plausibel, dass im gesamten ehemaligen Ostblock - vergleichbar der Situation in Rumänien - Lohnlisten existiert hätten,
aus denen im Einzelfall die entsprechenden notwendigen Angaben über Ausfallzeiten entnommen werden könnten. Für das Gericht
sei auch die Schilderung nachvollziehbar, wie die Klägerin zu diesen Bescheinigungen gelangt sei. Der bisweilen in anderen
Fällen geäußerte Verdacht, dass über einen sehr langen Zeitraum ohne genaue Betrachtung der Unterlagen quasi aus Gefälligkeit
eine entsprechende Bescheinigung erstellt worden sei, sei im vorliegenden Fall nicht anzunehmen, da der Beschäftigungsbetrieb
nicht für den gesamten Zeitraum der dortigen Beschäftigung eine derartige Archiv-Bescheinigung ausgestellt und die Archiv-Bescheinigung
sich zudem auf die jüngsten Zeiträume beschränkt habe. Die Auswertung dieser Bescheinigungen ergebe für das Gericht im vorliegenden
Einzelfall auch, dass an deren Inhalt keine begründeten Zweifel entstanden seien, da die Bescheinigungen sich nicht in Widerspruch
zu früheren Angaben oder zum Arbeitsbuch setzten. Die einzige Abweichung könnte darin angenommen werden, dass bei der Bescheinigung
K-18 eine fehlende Lohnzahlung bereits ab Anfang Juli 1993 angegeben sei, während das Arbeitsbuch der Klägerin von einem Entlassen
aus der Beschäftigung zum 22.07.1993 spreche. Für das Gericht ergebe sich daraus jedoch kein zwingender Widerspruch, da gerade
im Hinblick auf das Stellen eines Ausreiseantrags und das Beenden der Beschäftigung vor dem Monatsende ein Unterbleiben der
entsprechenden Lohnauszahlung denkbar sei. Zu überlegen wäre allenfalls, ob die Zeit vom 02.07.1993 bis 29.07.1993 auch weiterhin
als glaubhaft gemachte Beitrags- und Beschäftigungszeit einzuordnen sei. Das Gericht sehe im Umfang der vorgelegten Archiv-Bescheinigungen
einen entsprechenden Nachweis über eine ununterbrochene bzw. nicht wesentlich unterbrochene Beschäftigung als geführt an.
Das Gericht habe keine Zweifel, dass diese Bescheinigungen aufgrund der Lohnlisten aus dem Beschäftigungsbetrieb der Klägerin
erstellt worden seien. Zwar enthielten diese Archiv-Bescheinigungen keine taggenaue Lage von Arbeits- oder Fehltagen. Gleichwohl
sei mit hinreichender Sicherheit und damit iS eines Nachweises vom Fehlen länger dauernder Ausfallzeiten während des Zeitraums
vom 01.01.1983 bis 01.07.1993 auszugehen. Das Gericht sei zu der Überzeugung gelangt, dass die Eintragungen in den Archiv-Bescheinigungen
nicht bedeuten sollten, dass hierüber Aussagen und Erkenntnisse fehlen würden, sondern dass Krankheitstage iS von länger dauernden
Ausfallzeiten nicht vorgelegen hätten. Ansonsten wäre eine Eintragung in den jeweiligen Monatsspalten erfolgt. Daran ändere
auch die Aussage der Klägerin, dass es in dem Zeitraum möglich gewesen sein könnte, dass sie einmal wegen einer Erkältung
ein paar Tage gefehlt habe, nichts. Wenn derartige kurzfristige Ausfallzeiten, bei denen eine förmliche Arbeitsunfähigkeit
gar nicht festgestellt worden sei, als normale Beschäftigungszeiten verbucht worden seien, entspreche dies durchaus der Intention
des Gesetzgebers, der ursprünglich die Anwendung der 5/6-Regelung mit der Gleichsetzung mit einem durchschnittlichen Beschäftigten
in Deutschland begründet hätte. Kurzfristige Erkrankungen würden auch in Deutschland nicht zu einem Wegfall der Beitragszeit
führen.
Zur Begründung der hiergegen am 06.10.2008 von der Beklagten eingelegten Berufung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 25.05.2009
vorgetragen, dass eine nachgewiesene Beitragszeit nicht angenommen werden könne. Es sei allgemein anerkannt, dass das von
der Klägerin vorgelegte Arbeitsbuch nicht den erforderlichen Nachweis erbringe, dass während der streitigen Zeiten keine relevanten
Unterbrechungen vorgelegen hätten. Insoweit könne nur von einer glaubhaft gemachten Beitragszeit ausgegangen werden. Aber
auch die beiden Archiv-Bescheinigungen vom 30.05.2005 seien nicht geeignet, einen Nachweis von Beitragszeiten zu führen. Sie
würden als Grundlage der angeführten Daten Lohnabrechnungen der in der O.-Vereinigung "K. H." beschäftigten Arbeiter und Angestellten
angeben. Dafür, dass solche Listen nach dem damaligen sowjetischen Recht überhaupt zu führen gewesen seien, spreche das Vorhandensein
von Vorschriften über Zeit und Umfang von unterschiedlich hohen Geldleistungen an Arbeiter und Angestellte bei vorübergehender
Arbeitsunfähigkeit. Deren Höhe sei unabhängig von der Ursache der Arbeitsunfähigkeit, der Dauer der unterbrochenen Beschäftigungszeit
sowie von der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft. Bis zur Auflösung der UdSSR sei nach dem sowjetischen Sozialversicherungsrecht
für den Rentenanspruch entscheidend gewesen, welche Beschäftigungszeiten vorhanden gewesen seien. Eine Beschäftigungszeit
habe vorgelegen, wenn ein Arbeitsverhältnis bestanden habe und Entgelt gezahlt worden sei und keine Invalidität begründende
Arbeitsunfähigkeit gegeben gewesen sei. Eine Beitragsleistung sei dagegen nicht entscheidend gewesen. Da nach deutschem Recht
Arbeitsunfähigkeitszeiten grundsätzlich keine Pflichtbeitragszeiten, sondern beitragslose Ausfallzeiten bzw. seit dem Inkrafttreten
des Rentenreformgesetzes 1992 Anrechnungszeiten seien, setze die Gleichstellung von russischen Beitragszeiten mit deutschen
Beitragszeiten die Kenntnis voraus, wann genau Arbeitsunfähigkeitszeiten und auch sonstige Arbeitsunterbrechungen ohne Beitragsleistung
vorgelegen hätten. Darüber hinaus sei nicht bekannt, welche Daten für die Klägerin in den Lohnabrechnungslisten enthalten
gewesen seien. Auch der Aufbau dieser Unterlagen sei nicht bekannt und vom Arbeitgeber nicht mitgeteilt worden. Damit könne
auch nicht festgestellt werden, ob die angegebenen Daten zutreffend seien und es könne nicht verglichen werden, ob die in
den beiden Archiv-Bescheinigungen enthaltenen Daten tatsächlich in vollem Umfang den Originalunterlagen entsprächen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.08.2008 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 24.08.2005
und 22.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2007 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.08.2008 zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz verwiesen. Die Beklagte stellte im Rahmen der Berufungsbegründung einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung
aus dem erstinstanziellen Urteil (L 19 R 442/09 ER). Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erklärten sich mit der Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung in der
Hauptsache einverstanden.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§
143,
144,
151 SGG). Sie ist auch begründet, da das SG zu Unrecht von einer nachgewiesenen Beitragszeit im Sinne des § 22 FRG ausgegangen ist.
Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden
ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht
erhoben worden sind. Im Fall der Rücknahme verpflichtet § 44 Abs 4 SGB X den Sozialleistungsträger, die zu Unrecht nicht erbrachten Sozialleistungen längstens für 4 Kalenderjahre vor dem Antrag
des Leistungsempfängers zu erbringen.
Mit dem Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vom 25.04.2005 begehrt die Klägerin eine Überprüfung des zwischenzeitlich bestandskräftig gewordenen Altersrentenbescheides
vom 30.08.2000, bei dem die Zeiten nach dem Fremdrentengesetz mit 5/6 angesetzt waren. Dieser Altersrentenbescheid ist jedoch in Hinblick auf die Anrechnung der Beschäftigungszeiten nach
dem FRG rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Klägerin ist als Spätaussiedlerin nach § 4 BVG anerkannt und fällt damit nach § 1 a FRG unter den Anwendungsbereich des Fremdrentengesetzes. Gemäß § 14 FRG richten sich die Rechte und Pflichten der nach dem FRG Rentenberechtigten grundsätzlich nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden allgemeinen Vorschriften, d.h. nach
dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch -
SGB VI -, soweit die §§ 14a ff. FRG keine hiervon abweichenden Regelungen treffen.
Gemäß § 15 Abs 1 FRG stehen die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Beitragszeiten inländischen
Beitragszeiten gleich. Sind die Beiträge aufgrund einer abhängigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit entrichtet,
steht gemäß § 15 Abs 1 S 2 FRG diese Tätigkeit einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit oder Beschäftigung nach dem
SGB VI gleich. Sofern Beiträge hierfür nicht entrichtet wurden, stehen diese Zeiten den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten
gleich, soweit für sie nach Bundesrecht Beiträge zu zahlen gewesen wären (§ 15 Abs 3 FRG). § 16 FRG stellt des weiteren Beschäftigungszeiten vor der Vertreibung oder in früher deutschen Ostgebieten einer rentenversicherungspflichtigen
Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, für die Beiträge entrichtet sind, gleich. Für die Feststellung derartiger
Beitragszeiten genügt es gemäß § 4 Abs 1 FRG, dass sie glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen,
die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 4 Abs 1 Satz 2 FRG).
Gemäß § 22 Abs 1 S 1 FRG werden für Zeiten der in §§ 15 und 16 FRG genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von §
256b Abs
1 Satz 1 1. Halbsatz, Satz 2 und 9 des
SGB VI ermittelt. Diese ermittelten Entgeltpunkte werden jedoch gemäß § 22 Abs 3 FRG für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, um 1/6 gekürzt. Diese Kürzung beruht auf der durch
statistische Untersuchungen gewonnenen Erfahrung, dass auch die durchschnittliche Beitragsdichte im Bundesgebiet nur diesem
Umfang von 5/6 entspricht (BSG SozR 5050 § 15 Nrn 4 und 16 mwN). Um eine Besserstellung des fremdrentenberechtigten Personenkreises
gegenüber in Deutschland rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern zu vermeiden, muss eine höhere Beitragsdichte bezüglich
etwaiger Fremdrentenzeiten jeweils im Einzelfall nachgewiesen sein. Der Nachweis ist iS eines Vollbeweises zu führen. Ein
solcher liegt erst vor, wenn für das Vorliegen der behaupteten rechtserheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit
grenzender Grad an Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen,
die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen haben (BSGE 6, 144; Bayer. LSG vom 26.07.2006 - L 16 R 100/02 mwN).
Problematisch ist im vorliegenden Fall, dass Nachweise über die von der Klägerin geltend gemachten Beschäftigungszeiten in
Kasachstan, die die Beklagte ihrem bestandskräftigen Altersrentenbescheid vom 30.08.2000 offenbar zugrunde gelegt hatte, nicht
mehr in der Akte vorhanden sind. Diese sind offensichtlich während des Ruhens des Widerspruchsverfahrens oder unmittelbar
danach vernichtet worden. Ein - sonst üblicher - Übersichtsbogen über die Dauer und Art der Beschäftigung, gegebenenfalls
bestehende Unterbrechungen durch Krankheit, Schwangerschaft, Erziehungszeit oder sonstiges liegt ebenfalls nicht vor. Die
Klägerin hat im Rahmen des Überprüfungsantrags vom 25.04.2005 allerdings wohl ihr Arbeitsbuch im Original vorgelegt, das laut
Vermerk der Beklagten auch zur Akte genommen worden war, jetzt aber nicht mehr im Original vorliegt. Aus den in der Akte vorhandenen
Übersetzungen aus dem Arbeitsbuch geht jedoch hervor, dass die Klägerin wechselnde Tätigkeiten wohl bei demselben K. verrichtet
hat, das im Laufe der Zeit mehrfach umbenannt wurde. Zunächst hat die Klägerin ab Oktober 1956 als Hilfsarbeiterin mit Unterbrechungen
(jeweils Entlassungen auf eigenen Wunsch der Klägerin) verrichtet, dann war sie Schneiderin (1960), Kosten-Rechner (1963),
wieder Schneiderin (1963), dann Maschinenbediener (1972), anschließend als Tapezierer-Polsterer (ab 1977) mit Anerkennung
der 1., 2. und 3. Kategorie und abschließend versetzt in die Spiegelabteilung als Reinemachfrau (1990). Aus dem Arbeitsbuch
lassen sich jedoch nur jeweils Beginn und Ende der einzelnen Tätigkeiten feststellen, aber weder der Umfang der Arbeitsleistung
als solcher noch Unterbrechungszeiten. Das SG hat deshalb zu Recht festgestellt, dass die Zeiten bis zum 01.01.1983, die ausschließlich anhand des Arbeitsbuches nachzuvollziehen
sind, nur als glaubhaft gemachte, aber nicht als nachgewiesene Beitragszeiten im Sinne des § 22 FRG angesehen und deshalb nur zu 5/6 berücksichtigt werden können.
Zu Unrecht hat das SG jedoch die weiteren Zeiten vom 01.01.1983 bis 01.07.1993 als nachgewiesene Beitragszeiten eingestuft, da diese Zeiten aufgrund
des Arbeitsbuchs und der vorgelegten "Archiv-Bescheinigungen" ebenfalls nur als glaubhaft gemacht anzusehen sind. Ein Nachweis
ununterbrochener Beschäftigung in dem Sinne, dass jeder vernünftige Zweifel aufgrund der vorgelegten Dokumente zu schweigen
habe, liegt gerade nicht vor.
Die Klägerin hat zum Nachweis der ununterbrochenen Beschäftigungen im Widerspruchsverfahren sog. "Archivbescheinigungen" des
"Leiters des K. Staatlichen Kreis-Archivs der Nebenstelle der staatlichen Einrichtung "Staatsarchiv des Gebietes K." vom 30.05.2005
vorgelegt. Diese sind an A./A. S. G. adressiert. Sie bescheinigen jedoch für A. O. G. eine Beschäftigung als Arbeiterin von
1983 bis 1988 (K-20) und von 1989 bis 1992 (K-18). Für das Jahr 1993 findet sich kein Eintrag, obwohl die Klägerin nach den
Angaben des Arbeitsbuches noch bis 22.07.1993, bis zu ihrer Ausreise nach Deutschland, dort tätig gewesen sein soll. Die Archivbescheinigungen
enthalten des Weiteren keine Anzahl von Urlaubstagen, sondern nur einen jeweiligen Rubelbetrag sowie den Monat, in dem Urlaub
in Anspruch genommen worden sein soll. Dabei fällt auf, dass für das Jahr 1992 ein etwa sechs mal so hoher Betrag des Urlaubsentgelts
(1.127,42 Rubel gegenüber regelmäßig unter 200 Rubel in den anderen Jahren) bescheinigt wird, obwohl auch nur Urlaub in einem
Monat beansprucht worden sein soll. Für Zeiten der Krankheit findet sich in den vorgelegten Archivbescheinigungen jeweils
"kein Eintrag". Welche Tage die Klägerin überhaupt gearbeitet hat und in welchem Umfang, lässt sich den vorgelegten Bescheinigungen
nicht entnehmen, zumal eine Überprüfungsmöglichkeit anhand der angeblich vorhandenen Lohnlisten nicht besteht, da diese nicht
mit vorgelegt wurden. Nicht nachvollziehbar ist auch, weshalb die Bescheinigungen erst ab dem Jahr 1983 eine Arbeitsleistung
für das K. bestätigen, wenn die Klägerin durchgehend in demselben Betrieb beschäftigt war und dieser bereits im Februar 1974
in "K." umbenannt wurde. In der Bescheinigung K-20 ist jedoch bescheinigt, dass die Klägerin von 1983 an in der O. Vereinigung
"K." beschäftigt war. Weshalb die Klägerin keine Berichtigung dieser Bescheinigung verlangt hat, ist nicht ersichtlich. Die
Klägerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 19.08.2008 lediglich erklärt, dass sie die vorgelegten Archivbestätigungen "damals telefonisch erbeten" habe. Ihr sei
gesagt worden, dass im Archiv nachgesehen werde. Sie habe dann die beiden Bescheinigungen bekommen. Weitere Bescheinigungen
habe sie nicht erhalten, obwohl sie immer in demselben Betrieb gearbeitet habe.
Hinsichtlich des auf den Archivbescheinigungen enthaltenen Namens "O." hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom
28.03.2012 zwar angegeben, dass sie damals von dem russischen Mitarbeiter in der Buchhaltung gehänselt worden sei, da dieser
ihren Namen nicht gekannt habe und nicht habe aussprechen können. Er habe sie einfach mit "O." angeredet und auch immer "O."
geschrieben. Dies kann zwar durchaus eine mögliche Erklärung sein, jedoch ist zum einen nicht auszuschließen, dass die Archivbescheinigungen
sich tatsächlich auf eine "O. A." beziehen könnten. Zum anderen sind die Archivbescheinigungen an "A. S. G." adressiert, so
dass bei dem ehemaligen Arbeitgeber bzw. im Archiv der Name der Klägerin wohl schon bekannt gewesen sein dürfte. Auch das
Arbeitsbuch der Klägerin, das dem Arbeitgeber vorzulegen war, lautete schließlich auf den Namen A ...
Hinsichtlich des Nachweises einer höheren Beschäftigungssequenz als 5/6 reicht - entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten
der Klägerin - allein die Behauptung der Klägerin, sie sei in der Zeit von 1983 bis 1993 nicht krank gewesen, nicht aus, um
einen Nachweis im Sinne des § 22 Abs 3 FRG annehmen und eine 6/6-Anrechnung vornehmen zu können, ebenso wenig reichen Bescheinigungen aus, die in sich widersprüchlich
sind und deren Inhalt nicht entsprechend objektiviert werden kann.
Selbst wenn man aber aufgrund der vorgelegten Archivbescheinigungen im Zusammenspiel mit dem Arbeitsbuch der Klägerin eine
ununterbrochene Beschäftigung annehmen wollte, liegen keinerlei Erkenntnisse zum Umfang ihrer Tätigkeit vor. Es ist nicht
ersichtlich, ob es sich um Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung gehandelt hat, ob witterungsbedingte Arbeitsunterbrechungen
bestanden haben könnten, ob Arbeitsunterbrechungen, sei es aufgrund eigenen Willens der Klägerin - wie in den Jahren bis 1969
-, sei es auf Anordnung des Arbeitgebers oder aus sonstigen Gründen, stattfanden oder nicht. Eine Anrechnung zu 6/6 kommt
aber nach der Rechtsprechung des BSG nur dann in Betracht, wenn die Entgeltpunkte weder nach § 22 Abs 3 FRG noch nach § 26 FRG anteilsmäßig zu kürzen wären (BSG Urteil vom 19.11.2009 - B 13 R 145/08 R, veröffentlicht bei juris).
Aufgrund der doch erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten Archivbescheinigungen können die Zeiten vom 01.01.1983
bis 22.07.1993 nicht als nachgewiesene Beitragszeiten, sondern allenfalls als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach FRG berücksichtigt werden, die mit 5/6 anzurechnen sind. Der zu überprüfende Altersrentenbescheid vom 30.08.2000 ist deshalb
rechtlich nicht zu beanstanden. Die Entscheidung des SG Würzburg war deshalb aufzuheben und die Klage gegen die streitgegenständlichen
Bescheide abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.