Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Die 1948 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben vom 01.04.1964 bis 31.03.1967 den Beruf einer Gärtnerin erlernt und war
- mit Unterbrechung durch Kindererziehungszeiten - bis Juni 1989 in diesem Beruf als Gärtnerin im Vertrieb mit einer Arbeitszeit
von 3 Stunden täglich beschäftigt. Die Beschäftigung habe sie wegen Umzugs aufgegeben. Vom 01.07.1989 bis 31.03.2007 erfolgte
die familienhafte Mitarbeit in dem vom Ehemann betriebenen Blumengroßhandel. Das Gewerbe wurde zum 31.03.2007 abgemeldet.
Ab April 2007 bis Juni 2008 führte die Klägerin als Selbstständige den Betrieb fort, den sie nach ihren Angaben aus gesundheitlichen
Gründen aufgab.
Die Klägerin beantragte am 23.09.2008 sowohl die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung als auch einer Altersrente wegen
Vollendung des 60. Lebensjahres für Berufsunfähige und Erwerbsunfähige. Sie leide seit etwa 1999 an einer Skoliose, Heberdenarthrose,
Bouchardarthrose und Metacarpalgelenksarthrose beidseits. Dem Antrag waren Bescheinungen des K.-Bildungswerkes vom 22.12.1993
und 28.03.1996 über die Lehrgänge "Grundlagen der Buchführung für Nichtkaufleute" vom 11.10.1993 bis 22.12.1993 und "EDV Finanzbuchhaltung"
vom 27.02.1996 bis 28.03.1996 mit 40 Unterrichtsstunden sowie eine Bescheinigung der B. Fortbildungszentren der Bayer. W.
vom 08.10.2007 über einen Lehrgang "Bewerbungstraining" vom 01.10.2007 bis 08.10.2007 beigefügt.
Die Beklagte stellte unter dem 26.09.2008 fest, dass die Klägerin auf die Wartezeit von 35 Jahren 303 Kalendermonate zurückgelegt
habe. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung seien letztmalig bei einem Leistungsfall
am 31.07.1991 erfüllt gewesen.
Des Weiteren ließ die Beklagte die Klägerin von der Orthopädin Dr. B. untersuchen, die im Gutachten vom 27.10.2008 die folgenden
Gesundheitsstörungen beschrieb:
1. Ausgeprägte Polyarthrosen der Finger mit Schwellneigung, Funktionsstörung, Abnutzungserscheinungen der Handgelenke.
2. Lendenwirbelsäulen-Syndrom mit beginnender Funktionsstörung bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen ohne Wurzelreiz
und ohne segmentbezogene Ausfälle.
3. Halswirbelsäulen-Syndrom mit beginnender Funktionsstörung bei degenerativen Veränderungen.
4. Beginnende Abnutzung der Kniegelenke.
Seit Antragstellung am 23.09.2008 sei davon auszugehen, dass die Klägerin die Tätigkeit als Gärtnerin oder als Selbständige
im Blumengroßhandel nur noch unter 3 Stunden täglich verrichten könne. Leichte Arbeiten ohne Zwangshaltungen, ohne Bücken
und ohne Überkopfarbeiten könnten unter Berücksichtigung der ausgeprägten Gebrauchsminderung der Hände im Umfang von 3 bis
unter 6 Stunden täglich verrichtet werden.
Mit Bescheid vom 30.10.2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Zeiten vom 11.10.1993 bis 22.12.1993, 27.02.1996 bis 28.03.1996
und 01.10.2007 bis 08.10.2007 als Anrechnungszeiten ab, weil es sich bei den Lehrgängen um Maßnahmen zur beruflichen Weiter-
bzw. Fortbildung gehandelt habe, die keine berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und damit keine Anrechnungszeiten wegen
Schulausbildung iSv §
58 Abs
1 S 1 Nr
4, S 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) darstellten. Die Zeit vom 30.08.2007 bis 27.01.2008, in der die Klägerin ohne Anspruch auf Leistungen arbeitslos gemeldet
war, erkannte die Beklagte nicht als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit an (Bescheid vom 08.09.2009). Der Widerspruch
gegen den Bescheid vom 30.10.2008 in der Fassung des Bescheides vom 08.09.2009 blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11.09.2009).
Mit dem streitigen Bescheid vom 31.10.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente und einer Altersrente
wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Berufsunfähige und Erwerbsunfähige ab. Dem Antrag auf Erwerbsminderungsrente konnte
nicht entsprochen werden, weil in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung (23.09.2003 bis 22.09.2008) keine Pflichtbeitragszeiten
für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden seien. Diese versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien auch
nicht aus anderen Gründen als erfüllt anzusehen. Die Voraussetzungen der Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres
für Berufs- und Erwerbsunfähige seien ebenfalls nicht erfüllt. Zwar seien nach den ärztlichen Feststellungen die medizinischen
Voraussetzungen für diese Altersrente seit Antragstellung als erfüllt anzusehen, allerdings fehle es an der erforderlichen
Wartezeit von 35 Jahren (420 Kalendermonate), da nur 303 Kalendermonate vorhanden seien.
Mit ihrem Widerspruch brachte die Klägerin vor, dass eine Erwerbsminderung bereits im Juni 1991 bestanden habe. Nach einem
Arztbrief des L.-Krankenhauses vom 18.07.1991 sei sie dort vom 11.06.1991 bis 26.06.1991 in stationärer Behandlung gewesen.
Operativ seien eine Adhäsiolyse, eine abdominale Hysterektomie sowie eine Harnröhrensuspensionsplastik vorgenommen worden.
Noch Jahre nach der Operation habe eine Empfindlichkeit der Bauchdecke bestanden, so dass es ihr nicht möglich gewesen sei,
sich an Arbeits- oder Gewächshaustischen anzulehnen, was aber für ihre Arbeit als Gärtnerin erforderlich gewesen wäre. Auch
sei das Tragen von Lasten vor dem Körper mit Körperkontakt ausgeschlossen gewesen. Die Ausübung des Berufes als Gärtnerin
sei ihr dadurch unmöglich geworden. Die Vermeidungshaltung habe zu einer stärkeren Belastung der Wirbelsäule geführt (Hinweis
auf Arztbrief der Orthopäden Dres. K. und N. vom 05.01.1994).
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es verbleibe dabei, dass die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen der Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt seien. Von einer Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte
Beschäftigung oder Tätigkeit könne auch nicht abgesehen werden, weil die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten
ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig als erfüllt gelte. Dies wäre allenfalls in Hinblick auf das Bewerbungstraining
vom 01.10.2007 bis 08.10.2007 in dem Sinne denkbar, dass die Erwerbsminderung vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung
einer Ausbildung eingetreten sei. Das Bewerbungstraining stelle jedoch weder eine Schulmaßnahme noch eine berufsvorbereitende
Bildungsmaßnahme dar.
Mit der zum Sozialgericht (SG) Würzburg am 07.10.2009 erhobenen Klage hat die Klägerin die Gewährung einer Rente beantragt und daran festgehalten, dass
sie nicht erst seit dem 23.09.2008 sondern bereits seit Juni 1991 erwerbsgemindert bzw. berufsunfähig sei. Bei Einsicht in
die Akten der Beklagten habe sich eine Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Beklagten zu den im Widerspruchsverfahren
eingereichten medizinischen Unterlagen nicht finden lassen. Daraus sei zu folgern, dass die Beklagte den Widerspruch nicht
geprüft habe.
Die Beklagte hat daraufhin die Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 11.05.2009 mit dem handschriftlichen Vermerk der
Prüfärztin Frau Dr. H. vorgelegt.
Die Klägerin hat hierzu ergänzend ausgeführt, dass der Verdacht bestehe, die Beklagte habe etwas zu verbergen. Denn trotz
ihrer Aufforderung, medizinische Gutachten zu übersenden, sei ihr die Stellungnahme des ärztlichen Dienstes nicht zugeleitet
worden.
Unter dem 05.04.2010 hat die Klägerin noch ergänzend ausgeführt, dass der Beruf der Gärtnerin mit schwerer körperlicher Arbeit
verbunden gewesen sei. Wegen der anhaltenden Empfindlichkeit der Bauchdecke sei ihr die Tätigkeit seit Juni 1991 nicht mehr
möglich gewesen. Sie habe zu Beginn der 90er Jahre diverse Kurse besucht. Die erworbenen Kenntnisse seien ihr bei der Tätigkeit
in der Firma ihres Ehemannes nützlich gewesen. Dort sei sie für die Finanzbuchhaltung, den Schriftverkehr und andere Büroarbeiten
zuständig gewesen. Die Arbeit am Computer sei ihr heute nur noch sehr eingeschränkt möglich, da für diese Tätigkeit der Gebrauch
der Hände vonnöten sei. In dem am 17.08.2010 durchgeführten Erörterungstermin hat die Klägerin weiter angegeben, dass die
für ihren Ehemann ausgeübten Verwaltungstätigkeiten nur einen geringen Umfang gehabt hätten. Sie habe die Tätigkeit als Gärtnerin
1989 zwar infolge eines Umzuges aufgegeben, eine neue Stelle jedoch deshalb nicht gesucht, weil sie zuvor schon immer Beschwerden
in den Armen gehabt und sich körperlich für diese Tätigkeit nicht mehr ausreichend einsatzfähig gefühlt habe.
Die Beklagte hat für den Fall, dass die Klägerin bereits 1991 die Tätigkeit einer Gärtnerin nicht mehr habe ausüben können,
hilfsweise Bürotätigkeiten, Registraturtätigkeiten und Pfortentätigkeiten als mögliche Verweisungstätigkeiten benannt.
Mit Gerichtsbescheid vom 09.09.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Vorzeitige Altersrenten könne die Klägerin nicht beanspruchen. Nach §
236a Abs
4 SGB VI hätten Versicherte, die vor dem 17.11.1950 geboren sind, Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie
am 16.11.2000 und bei Beginn der Altersrente berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31.12.2000 geltenden Recht waren,
das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Eine Altersrente ergebe sich aus §
236a Abs
3 SGB VI für schwerbehinderte Menschen ab dem 63. Lebensjahr für Versicherte, die vor dem 01.01.1951 geboren sind, berufsunfähig oder
erwerbsunfähig nach den am 31.12.2000 geltenden Recht sind und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Die Klägerin habe
die Wartezeit von 35 Jahren nicht erfüllt, sodass die Gewährung einer vorzeitigen Altersrente ausscheide.
Hinsichtlich der Erwerbsminderungsrente ergebe sich, dass der Nachweis des Eintritts der Erwerbsminderung bezogen auf den
allgemeinen Arbeitsmarkt erst für die Zeit ab Antragstellung am 23.09.2008 geführt werden könne. In den fünf Jahren vor diesem
Zeitpunkt seien jedoch keine Pflichtbeiträge im Versicherungsverlauf der Klägerin enthalten. §
43 SGB VI setzte aber für eine Rente wegen Erwerbsminderung voraus, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der
Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt habe. Etwas anderes
ergebe sich nicht etwa aufgrund des Eintritts der Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes, durch den die allgemeine Wartezeit
vorzeitig als erfüllt gelte. Insbesondere seien die von der Klägerin besuchten Qualifizierungsmaßnahmen aufgrund ihres geringen
zeitlichen Umfanges nicht als schulische oder anderweitige Ausbildung iS von §
43 Abs
4 oder §
53 Abs
2 SGB VI einzuordnen. Ein früherer Leistungsfall, insbesondere mit Eintritt vor der letztmaligen Erfüllung der versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen am 31.07.1991 sei nicht nachgewiesen. Bei Antragstellung sei die Klägerin selbst davon ausgegangen, dass ihre
Erwerbsminderung auf seit 1999 vorliegenden Gesundheitsstörungen zurückzuführen sei. Vorhandene Befundberichte auf dem orthopädischen
Gebiet reichten nur in das Jahr 1994 zurück. Die Beschwerden in den Armen, die sie nach dem Umzug 1989 daran gehindert hätten,
eine neue Stelle zu suchen, habe die Klägerin nicht belegen können. Die Operation im Jahr 1991 habe nur zu einer Einschränkung
der zumutbaren Arbeitsbedingungen, aber nicht zu einem Wegfall der Einsatzfähigkeit für geeignete leichte Tätigkeiten des
allgemeinen Arbeitsmarktes geführt.
Für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
bei Eintritt des Leistungsfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung ebenfalls nicht erfüllt. Zwar sei die Klägerin nach dem Mehrstufenschema
der Facharbeiterebene zuzuordnen. Auch würden die für Juni 1991 belegten Gesundheitsstörungen schwere Gärtnertätigkeiten möglicherweise
auch dauerhaft ausschließen. Jedoch wären der Klägerin Verweisungstätigkeiten zumutbar gewesen. Die Klägerin habe sich im
Anschluss an ihre Tätigkeit als Gärtnerin Kenntnisse in Büroarbeiten angeeignet. Es sei daher davon auszugehen, dass die Klägerin
in der Lage gewesen wäre, Büro- und Registraturtätigkeiten mit einer üblichen Anlernzeit von mehr als 3 Monaten in einer Einarbeitungszeit
von bis zu 3 Monaten wettbewerbsfähig auszuüben.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin zum Bayer. Landessozialgericht. Spätestens im Juni 1991 sei der Leistungsfall
eingetreten. Die Beklagte habe sich noch nicht zu den Befunden des L.-Krankenhauses vom 18.07.1991 und der Orthopäden Dres.
K. und N. vom 05.01.1994 geäußert. Sie habe nicht die Akte vorgelegt, aus der die Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom
11.05.2009 stamme. Es sei zu vermuten, dass eine innerdienstliche Akte existiere, aus der hervorgehe, dass der Leistungsfall
schon lange eingetreten sei, und dass die Beklagte diese Akte vernichtet habe. Des Weiteren habe sie einen Schreibfehler im
Rentenantrag festgestellt. Die Diagnose einer Skoliose sei bereits 1993 gestellt worden. Dies sei eine Folgeerkrankrankung
der Operationsfolgen von 1991, so dass die von ihr angegebene Datierung des Eintritts des Leistungsfalls mit 1999 nicht richtig
sein könne.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 18.05.2011 hat die Klägerin weiter vorgetragen, dass sie bei ihrer Tätigkeit
in der Zeit bis 1978 auch Mitglied des Prüfungsausschusses für die Gärtnergehilfenprüfung gewesen sei. Während der Zeit 1981
bis 30.06.1989 habe sie zeitweilig im Betrieb die Ausbildung der Gärtnerlehrlinge übernommen (Arbeitzeugnis der Fa. W. GmbH
vom 30.06.1989). Deshalb sei die bisherige Einordnung in das Mehrstufenschema nicht korrekt. Übergeben werde auch ein Attest
des behandelnden prakt. Arztes Dr. T. vom 15.06.2011. Dieser bestätige, dass im Juni 1991 eine Operation im Bereich des Abdomens
durchgeführt worden sei, die zu einer Arbeitsunfähigkeit von 6 Wochen geführt habe. Diese Operation und die daraus resultierenden
Folgen könnten in mittelbarem Zusammenhang zu den späteren Wirbel- und Sehnenveränderungen gesehen werden.
In der mündlichen Verhandlung des Senats am 28.03.2012 hat die Klägerin angegeben, dass Gegenstand des Berufungsverfahrens
ausschließlich die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Würzburg vom 09.09.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 31.10.2008 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf den Antrag vom 23.09.2008
hin Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 09.09.2010 zurückzuweisen.
Die Klägerin sei nach wie vor der Facharbeiterebene, der zweiten Stufe des Mehrstufenschemas, zuzuordnen. Dies sei aber auch
unerheblich, da eine teilweise Erwerbsminderung erst ab dem 23.09.2008 und nicht ab 1991 vorliege. Nach der Stellungnahme
der Prüfärztin Dr. R. vom 28.06.2011 ergebe sich die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Klägerin aus den degenerativen
Veränderungen des Stütz- und Gelenkapparates und sei nicht durch die Operation 1991 ausgelöst worden.
Ergänzend wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 09.09.2010 zu Recht die Klage gegen den Bescheid vom 31.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14.09.2009 abgewiesen. Die Klägerin hat die Berufung auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung beschränkt.
Die Gewährung dieser Rente kann sie von der Beklagten nicht beanspruchen.
Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung noch wegen teilweiser
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn der Leistungsfall der Erwerbsminderung ist nicht spätestens im Juli 1991 eingetreten,
sodass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Anwendbar ist das ab 01.01.2001 geltende Recht (§
300 Abs
1 SGB VI; §
302b Abs
1 SGB VI greift mangels eines Antrages vor dem 01.01.2001 nicht ein).
Der Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bestimmt sich nach §
43 SGB VI, der neben der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§
50 Abs
1 Nr
2,
51 Abs
1 SGB VI) das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in
den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung voraussetzt ("Drei-Fünftel-Belegung", § 43 Abs 1 S 1 Nrn 2 und 3,
Abs 2 S 1 Nrn 2 und 3 SGB Vl). Darüber hinaus muss volle oder teilweise Erwerbsminderung vorliegen (vgl. §
43 Abs
1 S 1 Nr
1, Abs
2 S 1 Nr
1 SGB VI).
Ein Anspruch der Klägerin käme nur in Betracht, wenn bei ihr (spätestens) am 31.07.1991 der Leistungsfall der Erwerbsminderung
eingetreten wäre. Denn die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §
43 Abs
1 S 1 Nr
2, Abs
2 S 1 Nr
2 und Abs 4
SGB VI waren zuletzt am 31.07.1991 erfüllt. Die Klägerin erfüllt auch nicht alternativ die Voraussetzungen des §
241 Abs
2 SGB VI, da in ihrem Versicherungsverlauf nicht jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung
mit Beitragszeiten oder anwartschaftserhaltenden Zeiten belegt ist. Die bestehenden Versicherungslücken können nicht mehr
durch eine entsprechende freiwillige Beitragsentrichtung aufgefüllt werden (§
197 Abs
2 SGB VI). Von der Voraussetzung einer Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit kann
auch nicht nach §§
43 Abs
5,
53 Abs
2 SGB VI abgesehen werden. Dies wäre der Fall, wenn die Klägerin vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll
erwerbsgemindert geworden wäre und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte
Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt hätte. Hiervon kann aber schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Klägerin
in den letzten zwei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung am 23.09.2008 nicht mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine
versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt hat.
Am 31.07.1991 bestand aber bei der Klägerin keine rentenrechtlich relevante Erwerbsminderung. Teilweise erwerbsgemindert sind
Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§
43 Abs
1 S 2
SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§
43 Abs
1 S 2
SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden
täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§
43 Abs
3 SGB VI).
Zur Überzeugung des Senats lässt sich weder aus dem Bericht des L.-Krankenhauses vom 18.07.1991 noch aus dem Bericht der Orthopäden
Dres. K. und N. vom 05.01.1994 entnehmen, dass die Klägerin auf nicht absehbare Zeit außer Stande war, unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs (oder nach bisherigem Recht acht) Stunden täglich erwerbstätig
zu sein. Die gesundheitliche Beeinträchtigung und das hieraus folgende eingeschränkte zeitliche Leistungsvermögen müssen auf
nicht absehbare Zeit vorliegen. In Anlehnung an die Vorschrift des §
101 Abs
1 SGB VI, wonach befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erst ab dem siebten Kalendermonat nach Eintritt der Erwerbsminderung
zu leisten sind, ist hier von einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten auszugehen (vgl. bereits BSG Urteil vom 23.03.1977
- 4 RJ 49/76 - SozR 2200 § 1247 Nr 16). Rückschauend haben die Folgen der Operation zu einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit und in
der Folge, wie das SG ausführt, möglicherweise zu qualitativen Einschränkungen der zumutbaren Arbeitsbedingungen geführt, aber nicht eine Erwerbsminderung
von mindestens sechs Monaten Dauer bedingt. Hiervon geht auch der die Klägerin behandelnde prakt. Arzt Dr. T. unter dem 15.06.2011
aus, indem er hierfür eine Arbeitsunfähigkeit von 6 Wochen bescheinigt. Der Befundbericht vom 05.01.1994 schildert ein Lendenwirbelsäulensyndrom
und eine Beschwerdesymptomatik aufgrund einer Bursitis trochanterica, die mit lokalen Salben- und Eisapplikationen zu therapieren
war. Eine andauernde Erwerbsminderung vor August 1991 ergibt sich aus diesen Befunden nicht, auch nicht aufgrund eines von
Dr. T. vermuteten mittelbaren Zusammenhangs mit den Folgen der Operation. Vorliegend trägt aber die Klägerin die Beweislast
dafür, dass bei ihr die medizinischen Voraussetzungen der Erwerbsminderung spätestens am 31.07.1991 vorgelegen haben. Der
Nachweis im Sinne des erforderlichen Vollbeweises für das Absinken der quantitativen Leistungsfähigkeit bis zu diesem Zeitpunkt
ist indes nicht erbracht. Diese Nichterweislichkeit geht daher zu Lasten der Klägerin.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, die Beklagte hätte nicht sämtliche Akten vorgelegt oder
Akten vernichtet. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren das im Widerspruchsverfahren gefertigte Zuleitungsschreiben
vom 08.05.2009 an den ärztlichen Dienst vorgelegt. Sie hat damit ihrer aus §
119 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) folgenden Vorlagepflicht ihrer Verwaltungsakten genügt. Nach diesem Zuleitungsschreiben vom 08.05.2009 ist vorgesehen, dass
ggf. in Klage- und Berufungsverfahren ein "gesondertes Blatt" zur Stellungnahme verwendet werden soll. Auf diesem Zuleitungsschreiben
hat die Prüfärztin Dr. H. ihre Stellungnahme vom 11.05.2009 vermerkt. Für das Vorhandensein eines weiteren "gesonderten Blattes",
das aufgrund der Zuleitung auch nicht veranlasst war, bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar,
aus welchen Umständen sich ergeben soll, wie die Klägerin meint, dass aus der "vernichteten Akte" ein früherer Eintritt des
Leistungsfalls hervorgehe.
Die Klägerin erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
nach §
240 SGB VI. Hiernach sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit
von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten
auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§
240 Abs
2 S 1
SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten,
die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung
sowie des bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§
240 Abs
2 S 2
SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann, wobei die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§
240 Abs
2 S 4
SGB VI).
Für einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit müssen ebenso wie für einen Anspruch
auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der so
genannten Drei-Fünftel-Belegung erfüllt sein. Anhaltspunkte, dass die Klägerin vor August 1991 ihren Beruf als Gärtnerin nicht
mehr hat ausüben können, ergeben sich zwar nach Angaben der Klägerin aus den von ihr beschriebenen Folgen der Operation im
Juni 1991 mit der Empfindlichkeit der Bauchdecke. Die Folgen der Operation haben aber nur zum Vorliegen von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit,
jedoch nicht zu einer dauerhaften Einschränkung der bisher ausgeübten Tätigkeit einer Gärtnerin im Vertrieb geführt. Die von
der Klägerin angegebenen Armbeschwerden sind nicht belegt. Die vom prak. Arzt Dr. T. vermuteten mittelbaren Folgen der Operation
haben sich nicht 1991 ausgewirkt. Es ist demnach nicht nachgewiesen, dass die Klägerin diesen bis 1989 ausgeübten Beruf nicht
weiter hat ausüben können.
Ohne dass es darauf ankommt ist noch herauszustellen, dass auch bei dauerhaftem Ausschluss von schweren Gärtnertätigkeiten
aufgrund der Operationsfolgen mit dem SG davon auszugehen ist, dass die Klägerin noch nicht berufsunfähig war. Sie war zumutbar auf Büro- und Registraturarbeiten
mit einer üblichen Anlernzeit von mehr als drei Monaten verweisbar. Auf welche Berufstätigkeiten ein Versicherter mit seinem
fachlichen und gesundheitlichen Leistungsvermögen noch zumutbar verwiesen werden kann, beurteilt sich nach einem vom Bundessozialgericht
entwickelten Mehrstufenschema. Dieses gliedert die Berufe in vier Gruppen mit verschiedenen Leitberufen. An oberster Stelle
steht die Gruppe der Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion und der besonders qualifizierten Facharbeiter. Es folgen die Facharbeiter
in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, danach die angelernten Arbeiter
mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren. Zuletzt folgen die so genannten Ungelernten. Eine vom Versicherten
mindestens sechsstündig ausübbare Tätigkeit ist ihm zumutbar im Sinne des §
240 SGB VI, wenn er Tätigkeiten der eigenen Qualifikationsstufe oder aber der nächst niedrigeren Stufe spätestens nach einer Einarbeitung
und Einweisung von drei Monaten zum Erwerb der notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vollwertig ausüben kann. Dies war bei
der Klägerin der Fall, da sie entgegen ihrer Auffassung nicht in die Gruppe der Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion und
der besonders qualifizierten Facharbeiter einzuordnen war. Dieser Gruppe sind Handwerksmeister zuzuordnen, sofern sie Lehrlinge
ausbilden. Im Vergleich hierzu kennzeichnet die zeitweilige Übernahme der Ausbildung von Lehrlingen nicht eine Tätigkeit,
die in bedeutender Weise über diejenige eines "schlichten" Facharbeiters hinausragt, um die Klägerin zur Gruppe der Facharbeiter
mit Vorgesetztenfunktion und der besonders hoch qualifizierten Facharbeiter zählen zu können.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.