Ermittlung des Beschwerdewertes im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
Gründe:
I. Der 1963 geborene Antragsteller wurde am 20.05.2010 vom Markt M. in eine Notunterkunft in A-Stadt eingewiesen. Die Kosten
der Notunterkunft in Höhe von monatlich 465,- Euro wurden zunächst von M., dann von der Antragsgegnerin übernommen. Am 20.05.2010
beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Am 29.06.2010 erhielt
der Antragsteller seinen Arbeitslohn für den Monat Juni 2010 in Höhe von 1074,77 Euro ausgezahlt.
In einem ersten Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz entschied das Sozialgericht München mit Beschluss vom 17.06.2010
(Aktenzeichen ...), dass die Antragsgegnerin als Vorschuss auf zustehende Leistungen eine Einmalzahlung in Höhe von 450,-
Euro zu leisten habe. Dieser Beschluss wurde mit Bescheid vom 23.06.2010 ausgeführt, wobei die 450,- Euro auf Mai und Juni
2010 verteilt wurden.
Am 29.06.2010 beantragte der Antragsteller erneut einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München. Es gehe um die Leistungen
ab 01.07.2010, insbesondere den "A-Stadt-Pass" und einen Kostenübernahmeschein für eine künftige Wohnung. Anschließend teilte
er telefonisch mit, dass der Punkt Kostenübernahme für die Unterkunft entfalle, weil er eine Bewilligung erhalten habe. Danach
teilt er mit, dass er keinen A-Stadt-Pass bekomme und mangels Zustimmung keine Wohnung in A-Stadt anmieten könne, weil die
Antragsgegnerin ihre Zuständigkeit ablehne. Mit Beschluss vom 28.07.2010 verpflichtete das Sozialgericht München die Antragsgegnerin
vorläufig, dem Antragsteller für Juli 2010 einen Euro und für die Monate August bis Oktober 2010 monatlich je 287,20 Euro
(80 % der Regelleistung) zu zahlen. Eine Beschwerde sei gegen den Beschluss nicht möglich.
Am 03.08.2010 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 28.07.2010 erhoben. Es gehe
um die Leistungen von Juli bis Oktober 2010. Bei monatlich einer Regelleistung von 359,- Euro, einer Miete von 465,- Euro
und einem A-Stadt-Pass für 23,95 Euro würden sich insgesamt 3.391,60 Euro ergeben.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 28.07.2010 abzuändern und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm weitere
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Juli bis Oktober 2010 zu gewähren.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte der Antragsgegnerin, die Akten des Sozialgerichts
(und S 8 AS 1785/10 ER) und die Akte des Landessozialgerichts verwiesen.
II. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 28.07.2010 ist als unzulässig zu verwerfen (§
202 Sozialgerichtsgesetz -
SGG i.V.m. §
572 Abs.
2 S. 3
Zivilprozessordnung), weil der Beschwerdewert nicht über 750,- Euro liegt.
Die Beschwerde ist gemäß §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG ausgeschlossen in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre.
Nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG ist eine Berufung ohne ausdrückliche Zulassung nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- Euro übersteigt
oder wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr strittig sind. Dies ist hier nicht der Fall, weil die Beschwer
nur 669,20 Euro beträgt und nur Leistungen für vier Monate strittig sind. Eine gesetzlich nicht vorgesehene Beschwerde ist
ausnahmslos nicht statthaft und damit unzulässig (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig,
Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, §
172 RdNr. 8).
Der Beschwerdewert ergibt sich entgegen der Meinung des Antragstellers nicht aus der Summe seines Bedarfs (359,- Euro Regelleistung
plus 465,- Euro Miete plus A-Stadt-Pass), sondern aus dem, was er beim Sozialgericht erfolglos beantragt hat und im Beschwerdeverfahren
weiter geltend macht (Leitherer, aaO., § 144 Rn. 14).
Es geht um die Leistungen für die vier Monate von Juli bis Oktober 2010. Die Miete für die Notunterkunft hatte er zu Recht
nicht beim Sozialgericht begehrt, weil sie fortlaufend vom M. bzw. von der Antragsgegnerin bezahlt wurde. Strittig sind damit
nur die Regelleistungen, die er für Juli nicht erhalten hatte (358,- Euro) und 215,40 Euro für August bis Oktober (= drei
mal 71,80 Euro für die Differenz von 359,- Euro zu den 287,20 Euro). Selbst wenn man noch den A-Stadt-Pass mit 95,80 Euro
(vier mal 23,95 Euro) hinzunimmt, liegt die Gesamtsumme mit 669,20 Euro deutlich unter 750,- Euro.
Nur ergänzend wird angemerkt, dass der Antragsteller von mehreren falschen Annahmen ausgeht. Das Einkommen vom 29.06.2010
wurde nicht im Mai, Juni, Juli und August angerechnet. Im Mai kann er höchstens für die Zeit ab Antragstellung, also ab 20.05.2010
Leistungen erhalten. Das hat mit dem Einkommen vom 29.06.2010 nichts zu tun. Fraglich ist aber, ob er nicht auch zwischen
20.05. und 31.05.2010 Arbeitsentgelt erhalten hat. Im Juni kann der Antragsteller überhaupt keine Leistung bekommen, weil
das Einkommen vom 29.06.2010 für den ganzen Monat anrechenbar ist (Monatsprinzip im SGB II). Weil dieses Einkommen beim ersten
Beschluss zum einstweiligen Rechtsschutz vom 17.06.2010 noch nicht bekannt war (es war für den Antragsteller wohl vorhersehbar),
hat das Sozialgericht in diesem Beschluss mit 450,- Euro zu hohe Leistungen zugesprochen, die der Antragsteller zumindest
teilweise zurückzahlen muss. Für Juli hat das Sozialgericht im Beschluss vom 28.07.2010 nur einen Euro zugesprochen, weil
der Zufluss von 1.074,77 Euro am 29.06.2010 bekannt war, der Antragsteller keine Miete bezahlen musste und er aus dem ersten
Beschluss vom 17.06.2010 Leistungen erhalten hatte, die ihm nicht zustanden. Es gab im Juli also offenkundig keine finanzielle
Notlage, die finanzielle Leistungen erfordert hätte. Der eine Euro wurde zur Sicherstellung der Krankenversicherung gewährt.
Für die Monate August bis Oktober hat das Sozialgericht 80 % der Regelleistung zugesprochen. Ein Abschlag von der vollen Leistung
ist im einstweiligen Rechtsschutz auch bei existenzsichernden Leistungen möglich (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss
vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Rn. 26).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Die Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil für eine unzulässige Beschwerde keine Erfolgsaussicht besteht.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.