Festsetzung des Gegenstandswerts im sozialgerichtlichen Verfahren bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und juristischen
Personen des öffentlichen Rechts
Gründe:
I. Der Beschwerdeführer, der Insolvenzverwalter eines Zeitarbeitsunternehmens, wendet sich gegen die Streitwertfestsetzung
des Sozialgerichts München. Im Beschluss vom 17.12.2008 setzte das Sozialgericht den Gegenstandswert auf 46.763,01 EUR fest.
Als Rechtsgrundlage nannte es §
197a Abs.1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in Verbindung mit § 68 Abs.1 Gerichtskostengesetz (GKG). Gegen diese Entscheidung sei die Beschwerde innerhalb von sechs Monaten, nachdem sich das Verfahren erledigt habe, einzulegen.
In dem dieser Beschlussentscheidung zugrunde liegenden Verfahren (Az.: S 9 U 646/00) wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Beitragsbescheide der Beklagten für das Jahr 1998 vom 27.04.1999 und für das
Jahr 1999 vom 25.04.2000. Die Beklagte (jetzt Beschwerdegegnerin) forderte für 1998 und 1999 insgesamt 46.763,01 EUR. Im dagegen
erhobenen Widerspruch machte der Beschwerdeführer Einwendungen gegen die Einstufung zur Gefahrtarifstelle, der Höhe und Progression
der Gefahrklassen und forderte, eine zugesagte Beitragsermäßigung zu berücksichtigen. Im Widerspruchsbescheid vom 31.07.2000
begründete die Beschwerdegegnerin die Zurückweisung des Widerspruchs damit, dass die Beitragsbescheide lediglich Folgebescheide
der bestandskräftigen Veranlagungsbescheide seien und nicht den Rechtsweg gegen letztere eröffne.
Am 25.04.2001 forderte die Beschwerdegegnerin für das Jahr 2000 Beiträge in Höhe von 24.477,20 EUR. Auch dagegen erhob der
Beschwerdeführer Widerspruch. Auf den Einwand, dass der Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 nicht zugestellt worden sei, stellte
die Beschwerdegegnerin diesen am 25.06.2003 nochmals zu.
Mit seiner am 30.08.2000 beim Sozialgericht München erhobenen Klage wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Beitragsbescheide
vom 27.04.1999 und 25.04.2000 und schließlich im Schriftsatz vom 19.02.2004 auch gegen den Beitragsbescheid vom 25.04.2001.
Mit Schriftsatz vom 07.12.2004 nahm der Beschwerdeführer den Klageantrag hinsichtlich des Bescheids für 2000 über 24.477,20
EUR zurück. Streitig blieben demnach die Beitragsbescheide für 1998 und 1999.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.12.2004 hob das Sozialgericht die Beitragsbescheide vom 27.04.1999 und 25.04.2000 in der Fassung
des Widerspruchsbescheids vom 31.07.2000 auf und verurteilte die Beschwerdegegnerin zur Rückzahlung der darin genannten Beiträge,
die der Beschwerdeführer zwischenzeitlich gezahlt hatte, nebst Zinsen. Der Beitragsbescheid vom 25.04.2001 sei nicht Gegenstand
des Verfahrens geworden. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer insoweit die Klage zurückgenommen. Die Kosten des Verfahrens
legte es insgesamt der Beschwerdegegnerin auf.
Mit Schreiben vom 29.07.2008 beantragte der Beschwerdeführer, den Gegenstandswert für die erste Instanz auf 71.240,21 EUR
für die Zeit vom 19.02.2004 bis 07.12.2004 und außerhalb dieses Zeitraums auf 46.763,01 EUR festzusetzen. Die Beschwerdegegnerin
versicherte, sie habe die Kostenrechnung des Beschwerdeführers längstens beglichen. Der Gegenstandswert für die erste Instanz
sei mit 46.763,01 EUR richtig anzusetzen. Der Beitragsbescheid für das Jahr 2000 sei aufgrund der Rücknahme des Klageantrags
nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen.
Mit Beschluss vom 17.12.2008 setzte das Sozialgericht den Gegenstandswert auf 46.763,01 EUR fest. Gemäß §
197a SGG in Verbindung mit § 52 Abs.3 GKG sei der Gegenstandswert entsprechend festzusetzen gewesen. Der Beitragsbescheid für das Jahr 2000 sei nicht gemäß §
96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. In der Rechtsmittelbelehrung wurde auf die Beschwerdemöglichkeit gemäß §
197a Abs.1 Satz 1
SGG in Verbindung mit § 68 Abs.1 GKG innerhalb von sechs Monaten verwiesen.
Dagegen legte der Beschwerdeführer am 13.01.2009 Beschwerde ein. Der Beitragsbescheid für das Jahr 2000 sei gemäß §
96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Im Übrigen habe er den Klageantrag mit Schreiben vom 19.02.2004 entsprechend erweitert.
Die Beschwerdegegnerin wandte ein, es ginge nicht an, dass eine Partei den Streitwert zu lasten der anderen Partei beliebig
in die Höhe treiben könne, eventuell durch nicht durchsetzbare Ansprüche.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 17.12.2008 abzuändern und für den Zeitraum vom 19.02.2004 bis 07.12.2004 den
Gegenstandswert auf 71.240,21 EUR anzuheben.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß §
136 Abs.2
SGG auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist statthaft und zulässig. Sie gründet sich aber nicht auf § 68 Abs.1 GKG, wie noch ausgeführt wird. Wird ein Rechtsmittel bei inkorrekter Entscheidung gegen die tatsächlich erlassene Entscheidung
eingelegt, so ist dieses im Sinne des Grundsatzes der Meistbegünstigung zulässig (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer,
SGG, 9. Auflage, vor §
143 Rdnr.14). Die am 13.01.2009 eingelegte Beschwerde ist damit auch rechtzeitig erhoben.
Bei dem bereits seit 30.08.2000 anhängigen sozialgerichtlichen Verfahren findet der erst mit Wirkung vom 02.01.2002 eingefügte
§
197a SGG keine Anwendung, da diese Vorschrift nur gilt, wenn das Verfahren nach in Kraft treten rechtshängig geworden ist. Für vorher
rechtshängige Verfahren gilt für alle Instanzen, auch wenn ein Rechtsmittel erst nach dem 01.01.2002 eingelegt worden ist,
noch Kostenfreiheit nach §
183 SGG (Art.17 Abs.1 Satz 2 des 6. Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes).
Gemäß §§ 60, 61 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) ist für das Klageverfahren die Gebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) weiter anzuwenden.
Der Antrag des Bevollmächtigten eines Beteiligten auf Festsetzung des Gegenstandswertes durch Beschluss ist gemäß § 10 Abs.1 und 2 BRAGO zulässig. § 116 Abs.1 BRAGO legt die Rahmengebühr für Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für den Rechtsanwalt fest. Von dieser Rahmengebühr
ist nur in Ausnahmefällen abzusehen.
§ 116 Abs.2 Satz1 Nr.3 BRAGO nennt die hier in Betracht kommende Ausnahme, nämlich in Verfahren aufgrund von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und
juristischen Personen des öffentlichen Rechts. In solchen Streitigkeiten ist die Gebühr des Rechtsanwalts für seine Tätigkeit
nach dem Gegenstandswert zu berechnen.
Die hier in Streit stehende Beitragsschuld wird vom Unternehmer geschuldet. Der Begriff des Unternehmers ist nicht in jedem
Fall gleichzusetzen mit dem Begriff des Arbeitgebers. In ständiger Rechtsprechung entschied das BSG (Beschluss vom 21.01.1983
- 2 RU 60/01), dass zumindest dann, wenn der Unternehmer Arbeitnehmer beschäftigt und für diese Beiträge zu entrichten hat, dies ein Fall
des § 116 Abs.2 Nr.3 BRAGO ist. Dort wird festgelegt, dass die Gebührenberechnung nach dem Gegenstandswert zu erfolgen hat, wenn es sich um ein Verfahren
aufgrund von Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und juristischen Personen des öffentlichen Rechts handelt.
In diesem Fall ist für die Wertberechnung § 8 Abs.2 BRAGO heranzuziehen. Danach sind die §§ 18 Abs.2 ff. der Kostenordnung sinngemäß anzuwenden und der Gegenstandswert nur, wenn der Wert summenmäßig nicht zu ermitteln ist, nach billigem Ermessen
und wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte feststellbar sind, nach dem Auffangstreitwert zu berechnen. Maßgebend ist dabei
der Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühr, hier also der Zeitpunkt der Klageerhebung bzw. der Klageerweiterung in Bezug auf
den Beitragsbescheid für das Jahr 2000. Es kann insoweit dahinstehen, ob dieser Bescheid gemäß §
96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden ist, denn der Beschwerdeführer beantragt, die Summe der dort geforderten Beiträge
ab der Geltendmachung in seinem Schriftsatz vom 19.02.2004 in die Wertberechnung mit einzubeziehen. Er begrenzt diese Forderung
auf die Zeit bis 07.12.2004, weil er zu diesem Zeitpunkt die Klagesumme reduzierte. Eine solche unterschiedliche Berechnung
des Gegenstandswertes ist zulässig bzw. sogar notwendig.
Entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin führt dies nicht zu einer willkürlichen Anhebung des Gegenstandswertes. Denn das
Gericht hat dies in seiner Kostengrundentscheidung zu berücksichtigen. Allerdings ist hier festzustellen, dass das Sozialgericht
im Gerichtsbescheid vom 07.12.2004 hiervon keinen Gebrauch machte. Es legte die gesamten außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits
der Beschwerdegegnerin auf. Im Rahmen der Streitwertfestsetzung ist jedoch die Kostengrundentscheidung nicht anfechtbar.
Der Senat kommt damit zum Ergebnis, dass der Gegenstandswert für die anwaltschaftliche Tätigkeit lediglich für die Zeit vom
19.02.2004 bis 07.12.2004 auf 71.240,21 EUR anzuheben war und es im Übrigen bei der Streitwertentscheidung im Beschluss vom
17.12.2008 bleibt.
Diese Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei (§ 10 Abs.2 Sätze 4 und 5 BRAGO) und ist endgültig (§
177 SGG, § 10 Abs.3 Satz 2 BRAGO).