Einstweiliger Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren; Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen einen Bescheid
über die Heranziehung zu einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung; Rechtsschutzbedürfnis
Gründe:
I.
Der 1979 geborene Antragsteller [ASt] bezieht von dem Antragsgegner [AG] laufend Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [SGB II] in Höhe von zuletzt zusammen monatlich 696,80 € (Bescheid vom 21. Mai 2013 für den Leistungszeitraum vom 01. Juni
bis zum 30. November 2013). Aufgrund einer Gallenblasenerkrankung mit Heilungsbewährung, degenerativer Wirbelsäulenveränderungen
und einer Beinverkürzung rechts ist er als Schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung [GdB] von 100 nach dem
Neunten Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX] anerkannt (Bescheid Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg vom 18. Februar 2013 - GZ: ...).
In der Zeit vom 26. Mai 2011 bis zum 09. April 2013 war der ASt durch den Praktischen Arzt Dr. L, C, arbeitsunfähig krankgeschrieben.
Am 13. Juni 2013 schloss er mit dem AG eine Eingliederungsvereinbarung, die unter Punkt III, Unterpunkt 3 die Vermittlung
in eine gemeinnützige Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung vorsah. Mit "Bescheid über die Heranziehung zu einer
Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung gemäß § 16d SGB II" vom 21. Juni 2013 wies der AG den ASt eine Arbeitsgelegenheit im Zeitraum vom 15. Juli 2013 bis zum 14. Januar 20(13)14
als Begleithilfe beim Seniorenzentrum P der Städtischen Werke G GmbH zu. Der ASt erhob am 01. Juli 2013 gegen die Eingliederungsvereinbarung
und am 15. Juli 2013 gegen den Bescheid vom 21. Juni 2013 unter Vorlage einer Erstbescheinigung über Arbeitsunfähigkeit im
Zeitraum vom 09. bis 21. Juli 2013 der Praktischen Ärztin Dipl. Med. Z Widerspruch, über die der AG bisher noch nicht entschieden
hat.
Ebenfalls am 15. Juli 2013 beantragte er vor dem Sozialgericht [SG] Cottbus im Wege der einstweiligen Anordnung die Anordnung
der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. Juni 2013. Zur Begründung hat er im Wesentlichen
vorgetragen, selbst wenn der Bescheid mit einem Endzeitpunkt zum 14. Januar 2014 noch auslegungsfähig sei, verkenne der AG,
dass er mit einem GdB von 100 gesundheitsbedingt nicht in der Lage sei, dem gestellten Anforderungsprofil gerecht zu werden.
Mit Beschluss vom 12. August 2013 hat das SG den Antrag zurückgewiesen und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe [PKH] abgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, die Heranziehung sei nicht deshalb rechtswidrig, weil dem AG (gemeint wohl ASt) eine unzumutbare
Tätigkeit abverlangt werden würde; der ASt habe sich in jüngster Vergangenheit für körperlich anstrengendere Maßnahmen beworben.
Gegen diese ihm am 21. August 2013 zugestellte Entscheidung hat der ASt am 22. August 2013 mit der Begründung Beschwerde eingelegt,
das SG habe den Prüfungsmaßstab im Eilrechtsschutzverfahren verkannt. Vorrangig sei eine Güterabwägung, andernfalls hätte das SG den Sachverhalt abschließend ermitteln müssen. Auf Nachfrage des Senats hat der ASt bestätigt, dass er die angebotene Arbeitsgelegenheit
nicht angetreten habe.
Der ASt beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 12. August 2013 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom
15. Juli 2013 anzuordnen;
zudem unter Abänderung des Bescheides vom 21. August 2013 ihm unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. L, C, für das erstinstanzliche
Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Der AG beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und auf den der vom Senat beigezogenen Leistungsakte des AG Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden des ASt gegen den Beschluss des SG Cottbus vom 12. August 2013 sind nach §§
172 Abs.
1,
173 Sozialgerichtsgesetz [SGG] zulässig, in der Sache allerdings nicht begründet. Dem ASt steht weder ein Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung seines Widerspruchs vom 15. Juli 2013, noch auf Bewilligung von PKH für das erstinstanzliche Verfahren zu.
Im Ergebnis jedenfalls zutreffend hat das SG die beantragte aufschiebende Wirkung des Widerspruchs abgelehnt. Indem allerdings weder das SG, noch die Beteiligten zwischen dem "Angebot einer Arbeitsgelegenheit" und der "Zuweisung und damit der Begründung des öffentlich-rechtlichen
Verhältnisses" (dazu: BSG, Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 98/10 R - SozR 4-4200 § 16 Nr. 7 -; Urteil vom 27. August 2011 - B 4 AS 1/10 R - SozR 4-4200 § 16 Nr 9 -; Harks in jurisPK-SGB II, 3. Auflage 2012, § 16d Rn 75 ff; Stölting in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 16d Rn 40 ff) differenziert haben, hat das SG bereits zu Unrecht einen (Eil-)Rechtsschutz nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG (wohl) i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 1 letzte Alternative SGB II - ohne jegliche rechtliche Prüfung - für zulässig erachtet.
Tatsächlich fehlte dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 15. Juli 2013 das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Der ASt wandte sich lediglich gegen eine ihm auferlegte Obliegenheit, der alleine noch keine Verwaltungsaktsqualität nach
§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] beizumessen ist. Insoweit greift der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
vom 15. Juli 2013 anzuordnen ins Leere. Für den vom ASt letztlich begehrten vorbeugenden (Eil-) Rechtsschutz fehlt es im Übrigen
am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen. Dem ASt ist es zuzumuten, einen möglichen Absenkungs- bzw. Sanktionsbescheid
nach §§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 31a SGB II abzuwarten, gegen den er dann ggf. nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative SGB II einstweiligen gerichtlichen Rechtschutz erhalten kann.
Für die dogmatische Einordnung des Widerspruchs vom 15. Juli 2013 ist entscheidend, dass die Wahrnehmung einer angebotenen
Arbeitsgelegenheit schon aus verfassungsrechtlichen Gründen (dazu mit weiteren Nachweisen, Harks, am angegebenen Ort [aaO.],
§ 16d Rn 26; Thie in Münder, SGB II, 4. Auflage 2011, § 16d Rn 21) keine mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung erzwingbare Pflicht sondern eine reine Obliegenheit des ASt als
Leistungsberechtigter darstellt (vgl. auch § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Der AG kann daher den ASt ebenso wenig verpflichten, eine Arbeitsgelegenheit tatsächlich wahrzunehmen, wie er ihn verpflichten
kann, eine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder ein Angebot einer Trainingsmaßnahme anzunehmen (dazu BSG, Beschluss vom 21. Oktober 2003 - B 7 AL 82/03 R - juris.de -; Urteil vom 19. Januar 2005 - B 11a/11 AL 39/04 R - SozR 4-1300 § 63 Nr. 2). Deshalb kann der AG dem ASt hierüber
auch keine - vollstreckbare - Regelung im Sinne des [i.S.d.] § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB X treffen, er kann eine Arbeitsgelegenheit nur anbieten. Wenn der ASt dieses Angebot - wie hier - nicht annimmt, muss der AG
später in einem gesonderten Verwaltungsverfahren prüfen, ob er aufgrund einer möglichen Obliegenheitsverletzung Sanktionen
über §§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 31a SGB II verhängt. Dies bedeutet gleichzeitig, dass sich ein Leistungsberechtigter grundsätzlich gerichtlich nicht bereits gegen das
Angebot ("Zuweisung") einer Arbeitsangelegenheit wehren kann, sondern erst einen ggf. darauf aufbauenden Absenkungs- oder
Sanktionsbescheid abwarten muss, bevor er gerichtlichen (Eil-) Rechtsschutz wirksam einfordern kann (so ausdrücklich Stölting
in Eicher, aaO., § 16d Rn 43; zustimmend wohl auch Harks in jurisPK-SGB II, aaO., § 16d Rn 77; Thie in Münder, aaO., § 16d Rn 21).
Nach diesen Grundsätzen fehlt dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 15. Juli 2013 bereits
das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Tatsächlich hat sich der Antragsteller erkennbar bereits gegen das bloße Angebot
gewandt, eine Arbeitsgelegenheit bei der Städtischen Werke G GmbH aufzunehmen. Wie ausgeführt, stellt ein solches Angebot
im "Heranziehungsbescheid" vom 21. Juni 2013 für sich allein betrachtet rechtlich noch keine Regelung i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar (zur notwendigen Differenzierung: BSG, Urteil vom 27. August 2011 - aaO.), mit der Folge, dass insoweit überhaupt kein vollstreckungsfähiger Verwaltungsakt vorgelegen
hat. Dem steht nicht entgegen, dass sich der AG ausdrücklich der Bescheidform bedient hat. Das bloße Angebot einer Arbeitsgelegenheit
belastet den ASt nicht, die dem "Heranziehungsbescheid" vom 21. Juni 2013 zugrundeliegende Regelung wäre erst dann zum Tragen
gekommen, wenn der ASt, wie hier gerade nicht, die Arbeitsgelegenheit tatsächlich zumindest angetreten hätte (dazu: Harks
in jurisPK-SGB II, aaO., § 16d Rn 79).
Nichts Anderes gilt, wenn man, wie offenbar das SG, dem "Heranziehungsbescheid" vom 21. Juni 2013 zumindest eine Doppelnatur als Verwaltungsakt (dazu mit weiteren Nachweisen
Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Loseblatt, Stand Juni 2013, § 16d Rn 32) mit einem rein begünstigenden und einem belastenden Teil i.S. einer Teilnahmeberechtigung und einer Teilnahmeobliegenheit
nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II beimisst. Insoweit hätte sich das SG allerdings wohl zunächst gedrängt sehen müssen, zu prüfen, ob überhaupt noch eine Teilnahme an der angebotenen Arbeitsgelegenheit
möglich ist oder sich der Verwaltungsakt bereits durch Fristablauf nach § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat (zum vergleichbaren Fall des Meldeversäumnisses: Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen Urteil vom 10.
Januar 2013 - L 6 AS 1792/12 -; Bayrisches LSG, Urteil vom 09. Juni 2011 - L 7 AS 594/10 - beide juris.de). All dies kann jedoch bei der hier allein zu treffenden Entscheidung dahingestellt bleiben, denn der dann
nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 1 letzte Alternative SGB II wohl grundsätzlich statthafte Antrag hätte, worauf der Bevollmächtigte des ASt zu Recht im Beschwerdeverfahren hingewiesen
hat, auf der Grundlage einer Abwägungsentscheidung beurteilt werden müssen (dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage 2012, §
86b Rn 12e ff). Abzuwägen wären das private Interesse des ASt, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss
des Verfahrens verschont zu bleiben und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung. Im Rahmen
dieser Interessenabwägung käme zwar den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine große Bedeutung zu, maßgebend
wäre allerdings, dass für einen vorbeugenden Rechtsschutz ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse zumindest glaubhaft (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §§
920 Abs.
2,
294 Abs.
1 ZPO) gemacht werden muss, das insbesondere beinhalten muss, dass der Betroffene nicht auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen
werden kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/leitherer, aaO., Rn 17 vor § 51 und § 54 Rn 42a).
Daran fehlt es auch hier: Die ASt wendet sich gegen den "Vollzug" der Pflichten aus dem "Heranziehungsbescheid" vom 21. Juni
2013, der, wie vom SG zutreffend unterstellt, jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig ist. Er will im Ergebnis nur wissen, ob er den dort
aufgeführten Obliegenheiten Folge leisten muss oder bei Missachtung der Pflichten Sanktionen nach §§ 31 ff SGB II riskiert. Weil die Sanktionen in dem strittigen Bescheid nicht festgelegt sind, begehrt der ASt hier lediglich einen vorbeugenden
Rechtsschutz. Der ASt hat bisher nicht einmal im Ansatz geltend gemacht, einstweiligen Rechtsschutz zu begehren, um eine gegenwärtige
Notlage zu vermeiden. Eine derartige Situation besteht auch nicht nach Aktenlage. Der ASt kann den Pflichten nachkommen oder,
sofern er - wie hier - den Pflichten nicht nachkommen will oder kann, Rechtsschutz gegen die dann grundsätzlich möglichen
Sanktionen suchen. Eine dem Gesetz entsprechende Sanktion muss ohnehin nicht verhindert werden. Einstweiliger Rechtsschutz
hat regelmäßig nicht die Aufgabe, vorab Rechtsfragen zu beantworten, die mit einer gegenwärtigen Notlage nichts zu tun haben.
Lag nach alledem bereits bei Antragstellung am 15. Juli 2013 ein erforderliches Rechtsschutzbedürfnis für die beantragte Anordnung
der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 15. Juli 2013 im Wege der einstweiligen Anordnung nicht vor, hat das SG zu Recht den Antrag auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. L mangels hinreichender Erfolgsaussicht
nach §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
114 ZPO abgelehnt, weshalb die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde ebenfalls zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidungen beruhen auf einer entsprechenden Anwendung der §§
183 und
193 SGG, bzw. auf §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
127 Abs.
4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden, §
177 SGG.