Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung; Klagebefugnis gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wegen Überschreitens
der Hinzuverdienstgrenze; Qualifizierung der Darstellung der Hinzuverdienstgrenzen im Bescheid als Verwaltungsakt; Verfassungsmäßigkeit;
materielle Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen seines Rentenbezuges höhere Hinzuverdienstgrenzen und wendet sich gegen einen wegen Überschreitung
der Hinzuverdienstgrenzen erlassenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid.
Der 1951 geborene Kläger ist Diplombiologe. Er arbeitete von Oktober 1978 bis Juli 1994 in unterschiedlichen Anstellungen
als wissenschaftlicher Mitarbeiter und von August 1994 bis Juli 1997 als Hochschulassistent am Institut für med. B und M der
F U B. Ab August 1997 arbeitete er dort unentgeltlich weiter, um Forschungsprojekte abzuschließen. Er lebte in dieser Zeit
von seinen Ersparnissen. Von April 2000 bis zum 22. März 2002 war er freiberuflich als Dozent und Unternehmensberater tätig.
Am 23. März 2002 meldete sich der Kläger wegen der stark zurückgegangenen Auftragslage arbeitslos.
Im Dezember 2002 wurde bei dem Kläger eine Gürtelrose (Herpes Zoster) am Kopf festgestellt. Im Januar 2004 erkrankte der Kläger
an einer Lungenentzündung, die stationär behandelt werden musste. Im Verlaufe der Behandlung wurde eine HIV-Infektion im Stadium
AIDS festgestellt.
Am 28. Juli 2004 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung verwies
er auf seine Erkrankungen und gab an, dass er täglich nur noch drei bis vier Stunden arbeiten könne. Die Beklagte zog Befundberichte
der behandelnden Ärzte bei. Die beratende Ärztin Dr. H kam aufgrund der vorliegenden Unterlagen zu der Einschätzung, dass
der Kläger seit März 2002 noch drei bis unter sechs Stunden täglich und seit Januar 2004 nur noch unter drei Stunden täglich
arbeiten könne.
Mit Bescheid vom 14. Januar 2005 bewilligte die Beklagte eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit
vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Januar 2007. Sie ging dabei davon aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen seit dem 22. März 2002
erfüllt seien. Der monatliche Zahlbetrag wurde auf 851,15 EUR festgesetzt. Darin waren die laufende Rente in Höhe von 794,35
und ein Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 56,80 EUR enthalten. In den letzten drei Jahren vor dem Eintritt
der Erwerbsminderung verzeichnet der Bescheid weniger als 1,5 Entgeltpunkte. In der Belehrung über die Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten
wurde auf die in einer Anlage zu dem Bescheid enthaltene Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen verwiesen.
Im Jahr 2005 war der Kläger wieder freiberuflich tätig. Aus dieser Beschäftigung hatte er im Jahr 2005 ausweislich seines
Steuerbescheides vom 13. Juni 2006 Verluste in Höhe von 4.323,- EUR zu verzeichnen. Am 30. Oktober 2005 schloss der Kläger
mit einem Biotechnologieunternehmen einen zunächst auf die Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Dezember 2005 befristeten
Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter ab. Als monatliches Bruttoentgelt wurde ein Betrag
in Höhe von 4.000,- EUR vereinbart. Die Zahlung sollte jeweils zum 15. Tag des Folgemonats erfolgen. Tatsächlich wurden die
Nettoentgelte in Höhe von 3.037,23 EUR für den genannten Zeitraum erst am 10. April 2006 beziehungsweise am 17. Mai 2006 überwiesen.
Am 7. November 2005 stellt der Kläger einen Überprüfungsantrag hinsichtlich des Bescheides vom 14. Januar 2005. Neben der
Festlegung der belegungsfähigen Kalendermonate rügte er die Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen und machte geltend, dass
die Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen unter Berücksichtigung der letzten drei Beitragsjahre vor dem Eintritt der vollen
Erwerbsminderung erfolgen müsse. Mit Überprüfungsbescheid vom 20. Dezember 2005 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag
ab, weil das Recht nicht unrichtig angewandt worden sei. Den am 12. Januar 2005 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2006 zurück.
Auf den Antrag des Klägers auf Weiterbewilligung der Rente wegen Erwerbsminderung vom 9. August 2006 bewilligte die Beklagte
mit Bescheid vom 6. September 2006 für die Zeit ab dem 1. Februar 2007 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Nachdem die Beklagte von dem Arbeitsverhältnis des Klägers und den erzielten Einkünften erfahren hatte, hörte sie den Kläger
mit Schreiben vom 18. August 2006 zu einer aus ihrer Sicht in der Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Dezember 2005 eingetretenen
Überzahlung an. Der Kläger machte mit Schreiben vom 6. September 2006 geltend, dass die Verluste aus seiner freiberuflichen
Tätigkeit mit den Einkünften aus abhängiger Beschäftigung zu verrechnen seien. Die Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen verstießen
zudem gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2006 berechnete die Beklagte die Rente hinsichtlich
der Zeit ab dem 1. November 2005 neu. Ab diesem Zeitpunkt wurde der monatliche Zahlbetrag auf 847,18 EUR festgesetzt, der
sich aus der Rente in Höhe von 794,35 EUR und einem Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 52,83 EUR zusammensetzte.
Für die Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Oktober 2006 stellte die Beklagte eine Überzahlung in Höhe von 1.694,36 EUR
fest und forderte die Erstattung dieses Betrages. Zur Begründung gab sie an, dass die Rente für die Zeit vom 1. November 2005
bis zum 31. Dezember 2005 nicht zu zahlen gewesen sei, da das Einkommen des Klägers die Hinzuverdienstgrenzen überschritten
habe. Hiergegen legte der Kläger am 10. November 2006 Widerspruch ein. Zur Begründung gab er erneut an, dass seine Einkünfte
aus abhängiger Beschäftigung mit seinen Verlusten aus selbständiger Tätigkeit verrechnet werden müssten. Zudem verstießen
die Hinzuverdienstgrenzen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, soweit nicht die letzten drei Jahre mit Beiträgen aus Erwerbstätigkeit,
sondern die letzten drei Kalenderjahre vor dem Eintritt der Erwerbsminderung bei der Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen
berücksichtigt würden. Darüber hinaus sei der Zuschuss zur Krankenversicherung falsch bestimmt worden. Schließlich müsse der
Eintritt der vollen Erwerbsminderung jedenfalls auf einen früheren Zeitpunkt verlegt werden, da die HIV-Infektion bereits
1997 oder 2000 erfolgt sei. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 9. Februar 2007 mitgeteilt hatte, dass der Bescheid vom
10. Oktober 2006 den gesetzlichen Bestimmungen entspreche und dass die Frage des früheren Eintritts der vollen Erwerbsminderung
im Rahmen eines durchzuführenden Überprüfungsverfahrens hinsichtlich des Bescheides vom 14. Januar 2005 zu klären sei, nahm
der Kläger seinen Widerspruch mit Schreiben vom 14. Juni 2007 zurück.
Mit Überprüfungsbescheid vom 10. Juli 2007 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag hinsichtlich des Bescheides vom 14.
Januar 2005 ab, weil kein früherer Zeitpunkt des Eintritts der vollen Erwerbsminderung festgestellt werden könne. Auf den
am 24. Juli 2007 eingelegten Widerspruch des Klägers holte die Beklagte ein Gutachten des Arztes für Innere Medizin Dr. H
vom 13. Oktober 2007 ein. Dieser kam aufgrund einer am 4. Oktober 2007 durchgeführten ambulanten Untersuchung des Klägers
zu dem Ergebnis, dass eine HIV-Infektion auch schon vor Dezember 2002 vorgelegen haben könne. Es bestünden jedoch keine Hinweise
darauf, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers bereits vor Dezember 2002 eingeschränkt gewesen sei. Die vorliegenden ärztlichen
Unterlagen böten hierfür keine Anhaltspunkte. Der Kläger habe selbst geschildert, dass er vor Dezember 2002 gesund gewesen
sei. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2008 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 18. Februar 2008 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Er hat in erster Linie geltend gemacht,
dass die Hinzuverdienstgrenzen nicht anhand der Entgeltpunkte der letzten drei Kalenderjahre vor dem Eintritt der Erwerbsminderung,
sondern anhand der letzten drei Beitragsjahre aus Erwerbstätigkeit berechnet werden müssten. Sofern eine derartige Regelung
nicht möglich sei, werde beantragt, die Hinzuverdienstgrenzen dadurch zu ändern, dass ein früherer Eintritt der Erwerbsminderung
festgestellt wird. Auf schriftliche Anregung des Sozialgerichts vom 22. April 2008 hat der Kläger einen Antrag auf Überprüfung
des Rentenbescheides vom 10. Oktober 2006 hinsichtlich der Hinzuverdienstgrenzen gestellt, wobei er auf sein ursprüngliches
Widerspruchsvorbringen verwiesen hat. Diesen Antrag hat die Beklagte mit Überprüfungsbescheid vom 18. Juni 2008 abgelehnt.
Hinsichtlich der Errechnung der Hinzuverdienstgrenzen sei die Behörde an die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Bei der Veranschlagung
des anzurechnenden Einkommens sei eine Saldierung von negativen Einkünften aus einer selbständigen Beschäftigung mit positiven
Einkünften aus einer abhängigen Beschäftigung nicht möglich. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 28. April 2009 zurück. Hierbei ging die Beklagte davon aus, dass der Bescheid zum Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens
geworden sei. Das Sozialgericht hat die Klage hinsichtlich beider Überprüfungsbescheide mit Gerichtsbescheid vom 30. September
2009 als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat gegen die ihm am 6. Oktober 2009 zugestellte Entscheidung am 28. Oktober 2009
Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides
vom 10. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2008 zu verpflichten, den Bescheid vom 14. Januar
2005 dahingehend zu ändern, dass die Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundlegung eines Leistungsfalls ab dem 1.
Januar 1997, hilfsweise ab dem 1. April 2000, gewährt wird, und dass die Hinzuverdienstgrenzen unter Zugrundelegung der Entgeltpunkte
aus den letzten drei Jahren Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung wegen einer Beschäftigung, hilfsweise
unter Zugrundelegung der Entgeltpunkte aus den letzten drei Jahren Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung
wegen Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug, bestimmt werden,
hilfsweise ein Sachverständigengutachten zur Feststellung des Leistungsfalls 1. Januar 1997, hilfsweise 1. April 2000 einzuholen,
sowie die Beklagte unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 18. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 28. April 2009 zu verpflichten, den Bescheid vom 10. Oktober 2006 hinsichtlich der Aufhebungs- und Erstattungsforderung
zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und
die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Grundlage der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zum Streitgegenstand des vorliegenden
Verfahrens gehört nicht nur der Überprüfungsbescheid vom 10. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar
2008, sondern auch der Überprüfungsbescheid vom 18. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2009,
der während des erstinstanzlichen Verfahrens jedenfalls im Wege der konkludenten Klageänderung gemäß §
99 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) in den Rechtsstreit einbezogen worden ist.
Die Klage ist bereits unzulässig, soweit der Kläger allgemein die Einräumung höherer Hinzuverdienstgrenzen begehrt. Denn bei
der "Darstellung der Hinzuverdienstgrenzen" in den Bescheiden vom 14. Januar 2005 und vom 10. Oktober 2006 handelt es sich
nicht um Verwaltungsakte, so dass dem Kläger jedenfalls die Klagebefugnis im Sinne des §
54 Abs.
1 Satz 2
SGG fehlt, da er insoweit nicht in seinen Rechten verletzt sein kann. Eine behördliche Erklärung, deren feststellende Regelungsqualität
nicht bereits durch Aufnahme in den Tenor des Bescheides dokumentiert worden ist, ist im Wege der Auslegung nur dann als feststellender
Verwaltungsakt zu qualifizieren, wenn der Regelungswille der Behörde in anderer Weise klar und unmissverständlich zum Ausdruck
kommt (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 5. November 2009, 4 C 3/09). Diese Frage ist entsprechend den zu den §§
133,
157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) entwickelten Maßstäben nach dem objektiven Erklärungswert zu beurteilen. Entscheidend ist dabei, wie der Empfänger die Erklärung
unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände bei objektiver Würdigung verstehen muss, wobei Unklarheiten zu Lasten
der Verwaltung gehen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. August 1995, 1 C 15.94; Urteil vom 20. November 1990, 1 C 8.89). Nach dieser Maßgabe war die Darstellung der Hinzuverdienstgrenzen lediglich als Belehrung ohne eigenen Regelungsgehalt
zu verstehen. Das folgt daraus, dass der Bescheid vom 15. Januar 2005 lediglich in der Belehrung über die Mitteilungs- und
Mitwirkungspflichten auf die in einer der Anlagen enthaltene Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen Bezug nimmt, so dass der
Empfänger nach objektivem Maßstab davon auszugehen hat, dass diese selbst nur Bestandteil der Belehrung über die Mitteilungs-
und Mitwirkungspflichten ist, also ausschließlich eine Informationsfunktion haben. Dasselbe gilt für den Bescheid vom 10.
Oktober 2006. Soweit dieser Bescheid zudem die Feststellung der Überzahlung mit der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen
begründet, nimmt er lediglich auf die früher mitgeteilten Hinzuverdienstgrenzen Bezug.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Überprüfungsbescheid vom 10. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17. Januar 2008 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, den Bescheid vom 14. Januar 2005 dahingehend zu
ändern, dass ein früherer Leistungsfall zugrunde gelegt wird. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) in Betracht. Die dort vorausgesetzte unrichtige Rechtsanwendung liegt nicht vor. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür,
dass bei dem Kläger die volle Erwerbsminderung im Sinne des §
43 Abs.
2 Satz 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB VI) bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten ist. Der Senat folgt nach eigener Prüfung dem schlüssigen und überzeugenden
Gutachten des Arztes für Innere Medizin Dr. H vom 13. Oktober 2007. Der Kläger hat sich die HIV-Infektion möglicherweise zu
einem früheren Zeitpunkt zugezogen. Eine volle Erwerbsminderung setzt jedoch eine tatsächliche Leistungsminderung voraus,
für deren früheren Eintritt es im vorliegenden Fall keine Hinweise gibt. Demnach sieht der Senat auch keinen Anlass dafür,
ein weiteres Sachverständigengutachten zu dieser Frage einzuholen.
Soweit die mit Bescheid vom 10. Oktober 2006 erfolgte Aufhebung und Rückforderung in Höhe von 1.694,36 EUR angefochten wird,
ist die Klage ebenfalls unbegründet. Der Überprüfungsbescheid vom 18. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 28. April 2009 ist rechtmäßig. Ein Anspruch aus § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X scheitert wiederum daran, dass die Beklagte das Recht nicht unrichtig angewandt hat.
Die Aufhebung der Leistungsbewilligung in Höhe von 1.694,36 EUR beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden,
soweit nach Erlass des Verwaltungsakts Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt
haben würde. Hierbei gilt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X in Fällen, in denen Einkommen auf einen zurückliegenden Zeitraum anzurechnen ist, als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse
der Beginn des Anrechnungszeitraums.
Das erzielte Einkommen des Klägers führte jedenfalls im Zeitraum vom 1. April 2006 bis zum 31. Mai 2006 im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zum Wegfall seines Leistungsanspruchs, so dass die Bewilligung aufzuheben war. Einkommen ist dann als Hinzuverdienst anzurechnen,
wenn es tatsächlich zugeflossen ist (Bundessozialgericht, Beschluss vom 26. Juni 2007, B 4 R 11/07 S; Urteil vom 30. Mai 1978, 1 RA 61/77; Urteil vom 10. Mai 1977, 11 RA 110/77; Urteil vom 23. März 1977, 4 RJ 177/75). Das ist im vorliegenden Fall erst durch die Überweisungen in der Zeit vom 1. April 2006 bis zum 31. Mai 2006 geschehen.
Soweit die Beklagte die Aufhebung der Leistungsbewilligung ausweislich der Begründung des Bescheides auf die Zeit vom 1. November
2005 bis zum 31. Dezember 2005 bezogen hat, ist das unschädlich. Die Frage, ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig
oder rechtswidrig ist, richtet sich nach dem Recht, das geeignet ist, die getroffene Regelung zu rechtfertigen. Erweist sie
sich aus anderen als in dem Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der Begründung
in ihrem Wesen geändert würde, dann ist der Verwaltungsakt nicht rechtswidrig (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31. März
2010, 8 C 12/09; Urteil vom 19. August 1988, 8 C 29.87). So liegt der Fall hier. Maßgeblich ist allein der Verfügungssatz des Bescheides vom 10. Oktober 2006, der ausdrücklich
für die Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Oktober 2006 eine Überzahlung in Höhe von 1.694,36 EUR feststellt. Der zutreffende
Aufhebungszeitraum vom 1. April 2006 bis zum 31. Mai 2006 ist davon umfasst. Die Regelung der Beklagten wird durch das Auswechseln
des Aufhebungszeitraums nicht in ihrem Wesensgehalt angetastet, da es um die Anrechnung desselben Arbeitsentgelts geht.
Das im genannten Zeitraum erzielte Einkommen in monatlicher Höhe von 4.000,- EUR hat die Hinzuverdienstgrenzen aus §
96a SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung überschritten. Mit dem dadurch eingetretenen Wegfall des Rentenzahlungsanspruchs
entfällt auch der Anspruch auf den Zuschuss zur Krankenversicherung, der gemäß §
106 SGB VI einen Rentenbezug voraussetzt. Gemäß §
96a Abs.
1 SGB VI wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird.
Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder aus einer selbständigen
Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in §
96a Abs.
2 SGB VI genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze
im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Nach §
96a Abs.
2 Nr.
2 und Nr.
3 SGB VI beträgt die Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe ein Siebtel der monatlichen
Bezugsgröße sowie bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von drei Vierteln das 15,6fache, in Höhe der Hälfte
das 20,7fache, in Höhe eines Viertels das 25,8fache des aktuellen Rentenwerts (§
68 SGB VI), vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§
66 Abs.
1 Nr.
1 bis
3 SGB VI) der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung, mindestens mit 1,5 Entgeltpunkten.
Da die monatliche Bezugsgröße gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen in der Sozialversicherung für 2006
vom 21. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3627) monatlich 2.450,- EUR betrug, ergab ein Siebtel davon eine Hinzuverdienstgrenze für eine volle Rente wegen voller Erwerbsminderung
in Höhe von 350,- EUR. Zur Berechnung der weiteren Hinzuverdienstgrenzen ist gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung vom 6. Juni 2005
(BGBl. I S. 1578) zur Bestimmung der Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Alterssicherung der Landwirte zum 1. Juli
2005 von einem aktuellen Rentenwert in Höhe von 26,13 EUR auszugehen. Zudem ist der Mindestbetrag von 1,5 Entgeltpunkten für
die letzten drei Kalenderjahre vor dem Eintritt der vollen Erwerbsminderung anzusetzen. In den letzten drei Kalenderjahren
vor dem mit Bescheid vom 14. Januar 2005 festgestellten Eintritt der vollen Erwerbsminderung am 22. März 2002 hat der Kläger
weniger Entgeltpunkte erworben. Daraus ergibt sich bei einer Dreiviertelrente eine Hinzuverdienstgrenze in Höhe von 611,44
EUR, bei einer Halbrente in Höhe von 811,34 EUR und bei einer Viertelrente in Höhe von 1.011,23 EUR. Das Einkommen des Klägers
übersteigt diese Hinzuverdienstgrenzen. Die Ausnahmeregelung des §
96a Abs.
1 Satz 2
SGB VI ist nicht einschlägig, da die Hinzuverdienstgrenzen um jeweils mehr als den Betrag bis zur Höhe der jeweiligen Hinzuverdienstgrenze
überschritten wurden.
Die Hinzuverdienstregelung des §
96a SGB VI ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. hinsichtlich §
96a Abs.
1 SGB VI in Verbindung mit §
313 SGB VI: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. Juni 2007, 1 BvR 154/05). Die in Art.
14 Abs.
1 des Grundgesetzes (
GG) enthaltene Eigentumsgarantie ist nicht dadurch verletzt, dass das Arbeitsentgelt als Folge gesetzlicher Hinzuverdienstgrenzen
bei der Auszahlung der Erwerbsminderungsrente Berücksichtigung findet. Versichertenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung
genießen zwar den Schutz des Art.
14 Abs.
1 GG, die konkrete Reichweite der Eigentumsgarantie ergibt sich jedoch erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums,
die gemäß Art.
14 Abs.
1 Satz 2
GG dem Gesetzgeber obliegt. Der Gesetzgeber muss die grundsätzliche Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis, die zum Eigentumsbegriff
gehören, achten und darf diese nicht unverhältnismäßig einschränken. Mit §
96 SGB VI hat der Gesetzgeber eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Regelung getroffen. Die Einführung von Hinzuverdienstgrenzen
für den Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrenten verfolgt in einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Weise den legitimen
Zweck, deren Lohnersatzfunktion zu stärken (vgl. BT-Drucksache 13/2590, S. 19). Sie verhindern, dass durch den gleichzeitigen
Bezug von Arbeitsentgelt und einer als Ersatz für Arbeitsentgelt konzipierten Erwerbsunfähigkeitsrente möglicherweise sogar
ein höheres Einkommen erzielt wird als vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit. Die Regelungen bewirken einen angemessenen, insbesondere
hinreichend differenzierten Ausgleich der in Frage stehenden Interessen. Die Rentenzahlungen werden nicht stets völlig eingestellt,
sondern stufenweise abgesenkt. Nach §
96a Abs.
2 SGB VI bleibt ein Hinzuverdienst bis zu einer gewissen Grenze sogar völlig unberücksichtigt. Zudem sieht §
96a Abs.
1 Satz 2
SGB VI vor, dass die monatlichen Hinzuverdienstgrenzen während eines Kalenderjahres in zwei Monaten bis zum Doppelten überschritten
werden dürfen. Auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist nicht verletzt. Den Betroffenen wird der Versicherungsschutz
nicht entzogen, denn ihr Rentenstammrecht bleibt unberührt. Sinkt der Hinzuverdienst unter eine Hinzuverdienstgrenze, kommt
es wiederum zu einer höheren Rentenzahlung.
Die in Frage stehende Regelung verstößt schließlich auch nicht gegen Art.
3 Abs.
1 GG, soweit geltend gemacht werden könnte, das Arbeitsentgelt werde bei zahlreichen anderen Sozialleistungen - etwa Versichertenrenten
gemäß §
56 des Siebenten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB VII) - nicht berücksichtigt. Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe anders behandelt als
eine andere, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht vorliegen, dass sie die
unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten. Hier fehlt es an der Vergleichbarkeit der herangezogenen Fallgruppen. Die
Erwerbsunfähigkeitsrente ist ein in sich geschlossenes Regelungssystem. Wertungen anderer Zweige der Sozialversicherung in
Bezug auf die Berücksichtigung von Arbeitseinkommen bei der Bemessung von Leistungen der jeweiligen Systeme sind darauf nicht
ohne weiteres übertragbar. Die gesetzliche Unfallversicherung verfolgt nach dem Wortlaut von §
1 Nr.
2 SGB VII auch einen Entschädigungszweck, der der Erwerbsminderungsrente fehlt. Art.
3 Abs.
1 GG enthält kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen gleich zu regeln. Auch
soweit der Kläger eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Bezieher einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
geltend macht, ist eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht ersichtlich. Das gilt insbesondere in Bezug auf
Abgeordnetendiäten. Der Gesetzgeber hat die Anwendung der Hinzuverdienstgrenzen auf mit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen
vergleichbares Einkommen erstreckt. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich, dass der Gesetzgeber die Hinzuverdienstgrenzen
abgestuft geregelt hat. Er darf bei der Ordnung von Massenerscheinungen - wie sie besonders im Bereich der Sozialversicherung
auftreten - typisierende Regelungen treffen, wenn die damit verbundenen Härten nicht besonders schwer wiegen und nur unter
Schwierigkeiten vermeidbar wären. Besondere Härten für den Kläger sind hier nicht ersichtlich.
Der Teilaufhebung steht nicht die Jahresfrist des gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X entsprechend anzuwendenden § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entgegen. Danach muss die Behörde, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird, dieses
innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme des Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen.
Diese Frist hat die Beklagte eingehalten.
Die Rückforderung der Leistungen beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGB X. Danach sind erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, wobei die Behörde die zu
erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 und Nr.
2 SGG nicht vorliegen.