Tatbestand
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung
für die Zeit von Januar 2016 bis Mai 2019.
Der 1969 in der Türkei geborene Kläger ist 1990 in die BRD zugezogen und verfügt über keinen deutschen Schul- bzw. Berufsabschluss.
Von Juni 1991 bis Juni 2014 war er versicherungspflichtig als Kommissionierer im Blumengroßhandel tätig. Im Anschluss bezog
er wechselnd Krankengeld und Arbeitslosengeld I, zuletzt Arbeitslosengeld I bis zum 09.03.2017. Seitdem bezieht er keine Sozialleistungen
mehr, lebt vom Einkommen der Ehefrau mit und ist nicht mehr arbeitssuchend gemeldet.
Der Kläger durchlief im Dezember 2014 eine von der Beklagten bewilligte psychosomatische Reha-Maßnahme in der C Klinik, aus
der er mit einem Leistungsvermögen für mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich 6 Stunden und
mehr, derzeit arbeitsunfähig, entlassen wurde.
Bei dem Kläger ist seit Juni 2015 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt für die Behinderungen: Seelisches Leiden,
Syndrom der unruhigen Beine (GdB von 30), Hörbehinderung (GdB von 20), Funktionsstörungen der Wirbelsäule mit Nervenstörungen
(GdB von 20) und Bronchialasthma (GdB von 10).
Im Juni 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab an, er halte
sich seit 2012 für erwerbsgemindert. Ursächlich seien Wirbelsäulen- und Hüftgelenksbeschwerden mit Ausstrahlung in die Beine,
schwere Depression, Atemwegserkrankung, Schwerhörigkeit des Innenohres, Schwindelerscheinungen, Schilddrüsenerkrankung und
Restless Legs Sydnrom; hierdurch könne er keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten.
Im Verwaltungsverfahren zog die Beklagte den Reha-Entlassungsbericht der C Klinik bei und holte Befundberichte der den Kläger
behandelnden Hausärztin Dr. F (aus der Gemeinschaftspraxis N/F) vom 02.09.2015 (nach dem sich der Kläger dort seit 1996 in
regelmäßiger Behandlung befindet und seit Juni 2014 für arbeitsunfähig befunden wurde) und der Fachärztin für Nervenheilkunde
Dr. N1 vom 18.10.2015 (nach dem sich der Kläger dort seit Februar 2015 in monatlicher Behandlung befindet) ein; beide Ärztinnen
sandten weitere medizinische Berichte mit. Dr. N1 sandte u.a. den Bericht des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. A vom 21.08.2014 mit, nach dem bei dem Kläger eine depressive Störung, schwere Episode ohne psychotische Symptome, eine
posttraumatische Belastungsstörung, eine Angststörung und eine Somatisierungsstörung zu diagnostizieren seien.
Anschließend holte die Beklagte ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. B vom 16.11.2015 ein, zu dem
der Kläger in Begleitung seines Sozialberaters (und Dolmetschers) Herrn L erschien. Dr. B stellte bei dem Kläger aufgrund
ambulanter Begutachtung im November 2015 eine Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik fest und gelangte zu dem Ergebnis,
der Kläger könne regelmäßig sechs Stunden und mehr arbeitstäglich mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
mit qualitativen Einschränkungen verrichten. Dr. B führt auch aus, der Kläger habe sich in der Untersuchung bei der Anamneseerhebung
klagsam gezeigt. Die Beschwerdesymptomatik habe in der Untersuchung nur teil- und ansatzweise nachvollzogen werden können.
Insbesondere die eigenanamnestisch als erheblich beschriebene Somatisierungsstörung und die posttraumatische Belastungsstörung
würden konstruiert und aggravierend dargestellt erscheinen. Besonders im Zusammenhang mit der im Juni 2014 erfolgten Kündigung
nach über 20 Jahre währendem Arbeitsverhältnis als Blumenkommissionierer erscheine aus gutachterlicher Sicht ein Aufflammen
einer posttraumatischen Belastungsstörung oder einer Somatisierungsstörung wenig plausibel. Die aus Arbeitslosigkeit resultierenden
und damit verbundenen sozialen, finanziellen und emotionalen Probleme würden den Kläger belasten und ließen die depressiven,
somatischen und emotionalen Probleme in den Vordergrund treten. Die psychische Störung und die daraus resultierenden Einschränkungen
wie depressive Symptome, unspezifische Schmerzen, sozialer Rückzug und Verstärkung weiterer somatischer Beschwerden seien
als Folge und Reaktion auf die sozialen, familiären und finanziellen Probleme des Klägers anzusehen. Unter der Intensivierung
der ambulanten psychiatrisch-fachärztlichen Behandlung, gegebenenfalls unter Wahrnehmung von teil- oder vollstationären Behandlungen
in einer psychiatrisch ausgerichteten Klinik sei eine deutliche Besserung des aktuell einschränkenden belastenden Beschwerdekomplexes
zu erwarten. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei aufgrund des beklagten und wenig plausiblen Verlaufs mit langer Symptomfreiheit
bei dem Kläger nicht anzunehmen, weshalb auch eine traumaspezifische Behandlung nicht anzusetzen sei.
Mit Bescheid vom 18.12.2015 wies die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung nach §
43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) zurück, weil er auch unter Berücksichtigung der Einschränkungen, die sich aus den bei ihm vorliegenden Erkrankungen ergäben
(Mittelgradige depressive Episode, Asthma bronchiale, LWS-Syndrom, BSV 2008, Restless Legs Syndrom, Hypothyreose, Anpassungsstörung
mit emotionaler Symptomatik), noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne.
Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs führte der Bevollmächtigte des Klägers an, der Gutachter Dr. B habe
die Diagnosen des Psychiaters Dr. A (in dessen Bericht vom 21.08.2014) nicht beachtet. Dessen Diagnosen sei aber uneingeschränkt
zu folgen. Insofern könne eine Leistungsfähigkeit des Klägers nicht festgestellt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger sei
weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne des §
43 SGB VI. Der Kläger habe im Widerspruchsverfahren keine neuen medizinischen Gesichtspunkte genannt und auch keine weiteren medizinischen
Unterlagen vorgelegt. Seiner Leistungseinbuße sei mit der Begrenzung seines Leistungsvermögens auf mittelschwere Arbeiten
des allgemeinen Arbeitsmarktes ausreichend Rechnung getragen worden.
Am 15.07.2016 hat der Kläger über seinen Bevollmächtigten Klage beim Sozialgericht Düsseldorf (SG) erhoben und der Klage ein Attest von Dr. N1 vom 09.09.2016 beigefügt. Darin hat Dr. N1 ausgeführt, der Kläger sei chronisch
krank und nur unter drei Stunden belastbar unter Beachtung der Diagnosen eines chronischen somatoformen Schmerzsyndroms, einer
posttraumatischen Belastungsstörung und eines Erschöpfungssyndroms. Im Laufe des Klageverfahrens hat der Bevollmächtigte des
Klägers im Wesentlichen noch weiter ausgeführt, der Sachverständige Dr. G habe festgestellt, dass die Verwaltungsentscheidung
der Beklagten nicht haltbar sei und habe sich auch mit den Einwänden der Beklagten auseinandergesetzt; der Klage sei daher
stattzugeben.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.12.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2016 zu verurteilen,
ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf der Grundlage eines Versicherungsfalles vom Juni
2015 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagten hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, eine Erwerbsminderungsrente komme nicht in Betracht, solange vom Kläger noch nicht sämtliche Behandlungsmöglichkeiten
ausgeschöpft worden seien.
Das SG hat Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers - Dr. N2 (Orthopäde und Unfallchirurg) vom 13.10.2016, Dr. N1
vom 15.10.2016, Dr. J (Lungen- und Bronchialheilkunde) vom 16.10.2016, Dr. U (Neurologe und Psychiater) vom 02.11.2016 und
Dr. N (Allgemeinmediziner und Hausarzt) vom 05.12.2016 - eingeholt. In der Leistungsbewertung haben Dres. J, U und N für die
Zeit seit jeweiligem Behandlungsbeginn (März bzw. August 2014 bzw. 1996) ein Leistungsvermögen des Klägers für arbeitstäglich
mindestens sechs-stündige leichte Tätigkeiten bejaht. Dr. N2 hat sich aufgrund nur einmaliger Behandlung zu einer Leistungsbeurteilung
nicht in der Lage gesehen. Dr. N1 gelangte zu einer nur noch unter drei-stündigen regelmäßigen Belastbarkeit des Klägers;
eine weitere Reha könne dessen Arbeitsfähigkeit nicht mehr herstellen.
Das SG hat anschließend ein Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. G vom 26.05.2017
eingeholt. Dr. G hat zu der Begutachtung keinen Dolmetscher hinzugezogen. Er hat aufgrund einer ambulanten Begutachtung des
Klägers im Mai 2017 ein psychisches Störungsbild in Form eines chronischen Verstimmungszustandes (Dysthymia), eine somatoforme
Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Anteilen (nicht hohen Grades), eine nervöse Schlafstörung, eine körperliche
Störung aus psychischen Gründen vor dem Hintergrund struktureller Vorschädigungen im Sinne akzentuierter Persönlichkeitszüge
und führend im Gesamtbild eine chronische Depression diagnostiziert. Er hat ausgeführt, im Arztbrief des Psychiaters Dr. A
vom 21.08.2014 werde vom Bestehen einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgegangen; er sei aber nicht davon überzeugt,
dass dies der (einzige) Grund für die Störung sei. Im Rahmen der Eigenanamnese hatte Dr. G dazu ausgeführt, dass die vom Kläger
nun gemachte Eigenangabe,- er sei seit einer vor sechs Jahren gemachten Türkeireise mit einem Besuch des Grabes seines Vaters
sehr reizbar und geradezu explosiv,- an keiner anderen Stelle gemacht worden sei und insbesondere auch nicht in den Berichten
von Dr. N1 oder in dem Entlassungsbericht über die psychosomatische Reha-Maßnahme erwähnt worden sei; dies sei hinsichtlich
der Angaben über die jetzt beschriebene auslösende Szenerie in 2011 zu beachten; letztlich dürfte der Verlust des langjährigen
vertrauten Arbeitsplatzes und der Beginn erster altersbedingter körperlicher Beschwerden die Hauptrolle als Auslöser des psychischen
Beschwerdekomplexes des Klägers spielen. Hinsichtlich der Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers im Erwerbsleben hat
Dr. G ausgeführt, hier sei eine Einschätzung schwierig. In der psychosomatischen Klinik C im Jahr 2014 sei schon der Unwille
des Klägers aufgefallen, sich auf die dortige Behandlung einzulassen. Auch hier sei die offensichtliche Absicht des Klägers,
als Ursache seiner psychischen Störungen eine posttraumatische Ursache nahezulegen, und zwar in absichtsgeleiteter Form, sowie
sein Hinweis auf die über viele Jahre viel zu harten Arbeitsbedingungen und die plötzliche Kündigung ein starker Hinweis darauf,
dass der Kläger gegenüber der eingetretenen Entwicklung eine sehr passive Haltung einnehme; in die gleiche Richtung spreche
die Tatsache, dass er kein spezielles Interesse an einer muttersprachlichen Behandlung in einer psychotherapeutischen oder
psychiatrischen Klinik geäußert habe, was bei dem vom Kläger beschriebenen hohen Leidensdruck und dem angeblich unzureichenden
Erfolg nervenärztlicher und psychosomatischer Behandlungen bemerkenswert sei. Bei der Beantwortung der Beweisfragen ist Dr.
G für die zu beurteilende Zeit seit Rentenantragstellung im Juni 2015 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger bei körperlich
noch vorhandenem Leistungsvermögen für mittelschwere Tätigkeiten wegen des nur noch eingeschränkt vorhandenen geistigen Leistungsvermögens
auf absehbare Zeit nicht mehr in der Lage sei, im Erwerbsleben verwertbare Leistungen zu erbringen; das Leistungsvermögen
liege bei unter drei Stunden arbeitstäglich. Bei dem Kläger bestehe eine der Arbeitsaufnahme entgegenstehende psychische Fehlhaltung.
Diese hätte sich im Laufe der letzten drei Jahre auch durch psychosomatische Heilverfahren und durch nervenärztliche Behandlung
nicht beeinflussen lassen. Nach dem gegenwärtigen psychopathologischen Zustandsbild gehe er davon aus, dass der Kläger zu
zumutbarer Willensanspannung zum Zwecke der Überwindung dieser Fehlhaltung vorerst nicht imstande sein werde. Simulation habe
er nicht sicher erkennen können. Intendierte Aggravation dürfte nicht in höherem Ausmaß vorhanden gewesen sein als bei vielen
klagenden Rentenantragstellern. Der Kläger habe nicht alle in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Heilmaßnahmen
hätten durchaus Aussicht auf Erfolg, da der Kläger nicht an schweren, fortgeschrittenen und destruierenden Erkrankungen leide.
Hinsichtlich der bestehenden psychischen Störungen sei am ehesten geeignet eine stationäre, danach eine ambulante Behandlung
in einem Behandlungszentrum, das auch für die Behandlung türkisch-kurdischer Migranten ausgerüstet sei. Das Alter des Klägers
und die (aufgrund nur geringer Spezifität des psychischen Leidenszustandes) nur sehr begrenzte Prognostizierbarkeit würden
eine Berentung auf unbestimmte Zeit nicht zulassen; er empfehle eine Nachuntersuchung in, von jetzt an gerechnet, zwei Jahren.
Die Beklagte hat im Anschluss an die Begutachtung Einwände gegen die Leistungsbeurteilung durch Dr. G erhoben (beratungsärztliche
Stellungnahme von Dr. U1 vom 03.07.2017), im Wesentlichen, dass Dr. G in seinem Gutachten von erheblichen Aggravierungen von
Seiten des Klägers berichte und dass der Kläger kognitiv uneingeschränkt sei und über drei Stunden ein Anamnesegespräch mit
korrekten Angaben habe führen können; zudem seien nicht alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und es müsse auf die Akutbehandlung
des Klägers verwiesen werden; auch erscheine die von Dr. G gemachte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung sehr
unwahrscheinlich.
Hierzu hat sich Dr. G in einer ergänzenden Stellungnahme vom 16.08.2017 geäußert, dass es zutreffen würde, dass er eine kognitive
Einschränkung beim Kläger nicht angenommen habe; Aggravationsverhalten komme in sehr variablem Ausmaß bei Rentenantragstellung
vor; bei dem Kläger sei sicherlich keine typische posttraumatische Belastungsstörung anzunehmen; an Behandlungsmöglichkeiten
sei eine stationäre Krankenhausbehandlung in einer Einrichtung mit Erfahrung im Umgang mit Patienten geeignet, die aufgrund
traumatischer Erlebnisse in Kindheit und Jugend persönlichkeitsstrukturelle Störungen erworben hätten, die sich im späteren
Leben dann in entsprechenden kritischen Situationen in Form gravierender Symptome zeigen würden, wobei eine muttersprachlichen
Behandlung wichtig wäre; auch eine muttersprachliche ambulante Psychotherapie könnte, vor allem nach einer stationären Behandlung,
eine positive Rolle spielen; insgesamt halte er an seiner Beurteilung fest, dass ab Rentenantragstellung bis zwei Jahre von
der Erstellung seines Gutachtens an gerechnet, also bis Mai 2019, vom Bestehen einer Erwerbsunfähigkeit des Klägers auszugehen
sei.
Dem trat die Beklagte mit einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme (Dr. I vom 01.09.2017) entgegen, dass Einigkeit
darin bestehe, dass therapeutische Optionen vom Kläger in erheblichem Umfang bisher nicht genutzt würden; bei zumutbaren Therapieoptionen
scheide aber die Annahme einer Erwerbsminderung aus.
Durch Urteil vom 08.12.2017 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 18.12.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2016 aufgehoben und die Beklagte
verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf der Grundlage eines Versicherungsfalles vom Juni 2015
befristet für dem Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 30.05.2019 zu gewähren (im Übrigen wies es die Klage konkludent ab).
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
"Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in
seinen Rechten, §
54 Abs.
2 SGG. Er hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gegen die Beklagte, §
43 Abs.
6 SGB VI.
...
Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger i.S.d. vorgenannten Bestimmungen
voll erwerbsgemindert ist.
...
Die Gesundheitsstörungen wirken sich rein auf den körperlichen Gesundheitszustand in der Zusammenschau dahingehend aus, dass
noch ohne unmittelbaren Schaden für die Gesundheit und ohne unzumutbare Schmerzen körperlich mittelschwere Tätigkeiten, im
Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen verrichtet werden könnten.
...
Der Kläger ist allerdings im Hinblick auf die Anforderungen an das geistige Leistungsvermögen auf absehbare Zeit nicht zu
im Erwerbsleben verwertbaren Leistungen imstande. Der Kläger verfügt nicht über ein genügendes Umstellungsvermögen, um andere
als bisher gewohnte Tätigkeiten mit den erwähnten Anforderungen an das geistige Leistungsvermögen auszuüben. Mit diesen Feststellungen
zum Gesundheitszustand und dem Leistungsvermögen des Klägers im Erwerbsleben folgt die Kammer dem schlüssigen und überzeugenden
Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. G. Dr. G hat seine Feststellungen auf eine ausführlich erhobene Anamnese
gestützt und seine Beurteilung orientiert sich an anerkannten Bewertungsmaßstäben. Die Ergebnisse des Gutachtens trägt auch
dem Untersuchungsverlauf Rechnung und ist frei von Widersprüchen. Die Einwendungen der Beklagten vermochten das Gutachten
nicht zu entkräften. Der Sachverständige hat dezidiert Stellung genommen. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass die Beklagte
sich zunächst auch lediglich auf die vermeintliche Aggravation kaprizierte. Erst nachdem der Sachverständige diesen Umstand
nochmals klarstellte, erklärte die Beklagte, so lange nicht sämtliche Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien, komme die
Gewährung der Erwerbsminderungsrente nicht in Betracht. Diese Auffassung greift jedoch zu kurz. Denn der Sachverständige Dr.
G hat sehr deutlich und nachvollziehbar geschildert, dass eine quantitative Leistungseinschränkung seit mehr als 6 Monaten
vorliegt und auch über einen längeren Zeitraum vorliegen wird. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass selbst bei einer adäquaten
Behandlung - die nunmehr auch von dem Kläger gefordert werden darf - eine Nachuntersuchung in 2 Jahren ab Begutachtungszeitraum
empfohlen wird. Dies zeigt dann aber auch, dass die Erkrankung des Klägers keiner kurzfristigen Besserung durch adäquate Behandlungsmaßnahmen
zugänglich ist, sondern lediglich mittelfristig. Es handelt sich somit nicht lediglich um eine Akuterkrankung beim Kläger.
Der Kläger hat demnach einen Anspruch auf die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung, da sein geistiges Leistungsvermögen
entsprechend den Feststellungen der Beweisaufnahme unter 3 Stunden herabgesunken ist und zwar ab dem Zeitpunkt des Gutachtens.
Das Gericht hat sich bei der Befristung und dem Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles ebenfalls an dem Gutachten
des Dr. G orientiert...."
Mit der am 01.02.2018 eingegangenen Berufung gegen das der Beklagten am 11.01.2018 zugegangene Urteil trägt diese vor, das
Gutachten von Dr. G sei widersprüchlich und nicht schlüssig. Das Gutachten sei ohne Zuziehung eines vereidigten Dolmetschers
angefertigt worden. Bei der von Dr. G mehrfach angesprochenen Tendenz zur Verdeutlichung, zur Aggravation, hätte eine testpsychologische
Untersuchung erfolgen müssen. Ausgerechnet der Fragebogen, der die Validität der anamnestischen Angaben überprüfen sollte,
habe nicht ausgefüllt werden können. Die eingenommene analgetische und antidepressive Medikation befinde sich nach anamnestischen
Angaben im untersten therapeutischen Bereich. Eine Bestimmung bezüglich der Medikamenteneinnahme sei allerdings nicht erfolgt.
Vorliegend sei allerdings nicht nur die Psychopharmakatherapie nicht ausgereizt. Im gesamten Verlauf seit Entlassung aus dem
früheren Beruf fänden sich keinerlei Belege für eine stationäre oder teilstationäre Behandlung in einer Klinik für Psychiatrie;
auch habe keine leitliniengerechte Psychotherapie stattgefunden; auch die medikamentöse Therapie sei als ungenügend einzustufen.
Anzumerken sei ferner, dass selbst der Hausarzt des Klägers, Dr. N, den Kläger in seinem Befundbericht vom 05.12.2016 für
leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes als vollschichtig belastbar und als psychisch stabil bezeichnet habe. Solange
zumutbare Behandlungsoptionen auf neurologischen bzw. psychiatrischen Fachgebiet (ärztlicher, therapeutischer oder medikamentöser
Art) bestünden, die auf absehbare Zeit die Möglichkeit einer Überwindung dieser Erkrankungen erwarten ließen, scheide die
Annahme einer quantitativen Leistungsminderung aus.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.12.2017 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Sein Bevollmächtigter trägt vor: Von einer schwierigen Verständigung zwischen
Dr. G und dem Kläger im Rahmen der Begutachtung könne nicht die Rede sein; der Sachverständige habe in seinem Gutachten mitgeteilt,
dass die Deutschkenntnisse des Klägers zur Exploration ausreichend gewesen seien. Der Sachverständige habe auch beschrieben,
dass Aggravation nicht nur durch einen Rentenwunsch motiviert sein müsse. Liege eine der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entgegenstehende
Erkrankung über einen derart langen Zeitraum wie bei dem Kläger vor und seien Behandlungsmaßnahmen, die zu einer möglichen
Besserung des Gesundheitszustandes führen würden, erst noch in Zukunft zu ergreifen, so liege eine Erwerbsunfähigkeit auf
Zeit vor, da eine Besserung selbst bei Aufnahme entsprechender Therapie nicht in einem Zeitraum bis zu sechs Monaten stattfinden
könne.
Die Beklagte hat auf Anforderung des Senats einen Versicherungsverlauf (vom 19.03.2018) übersandt und mitgeteilt, die besonderen
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente seien im Sinne der sog. 3/5-Belegung zum Zeitpunkt der Antragstellung
im Juni 2015 und dann zuletzt bei einem Eintritt eines Leistungsfalls einer Erwerbsminderung am 30.04.2019 erfüllt (Schriftsatz
vom 19.03.2018).
Der Senat hat die beim Kreis O geführte Schwerbehindertenakte des Klägers beigezogen und Befundberichte der behandelnden Ärzte
des Klägers - Dr. N1 (Fachärztin für Nervenheilkunde) vom 05.09.2018 und Dr. N (Allgemeinmediziner und Hausarzt) vom 01.10.2018
- eingeholt. Beide haben das Leistungsvermögen des Klägers dahingehend eingeschätzt, dass diesem Tätigkeiten arbeitstäglich
nur noch unter drei Stunden zumutbar seien.
Der Senat hat von Amts wegen ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr.
E vom 05.03.2019 eingeholt. Dr. E hat zur Begutachtung auf Anordnung des Senats einen Dolmetscher hinzugezogen und hat auf
der Grundlage einer ambulanten Begutachtung des Klägers im Februar 2019 an leistungsreduzierenden Erkrankungen eine Dysthymie
und Kreuz- und Hüftschmerzen diagnostiziert. Die Diagnose einer depressiven Episode gleich welchen Schweregrades habe bei
der Untersuchung nicht bestätigt werden können; die vom Kläger beklagten Stimmungsschwankungen und depressiven Einbrüche bestünden
nicht kontinuierlich und andauernd über einen mehrwöchigen Zeitraum hinaus, sondern seien nur fluktuierend ausgeprägt gewesen.
Die von der behandelnden Ärztin Dr. N1 gestellte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung mit der von ihr daraus
gezogenen Leistungsbeurteilung könne wegen der bei dem Kläger vorliegenden zu langen Latenz nicht nachvollzogen werden. Auch
die von Dr. G gestellte Diagnose einer persönlichkeitsstrukturellen Störung, die Anklänge an eine posttraumatische Belastungsstörung
erkennen lassen würde, sei nicht nachvollziehbar. Bei der Untersuchung des Klägers hätten sich spürbare Verzerrungstendenzen
gefunden, die in ihrer Ausprägung über den als situationsangemessen zu bewertenden Verdeutlichungstendenzen gelegen hätten.
Es hätten sich Diskrepanzen zwischen der subjektiven Beeinträchtigung und dem weitgehend intakten psychosozialen Funktionsniveau
bei der Alltagsbewältigung gefunden, die der Schilderung des Tagesablaufs hätten entnommen werden können. Weiter hätten sich
Diskrepanzen zwischen dem Ausmaß der geschilderten Beschwerden und der Intensität der bisherigen Inanspruchnahme therapeutischer
Hilfe gezeigt. Schließlich auch Diskrepanzen zwischen den am Untersuchungstag als eingenommen angegebenen Medikamenten und
dem Nachweis der Medikamente im Blutserum. Es könne in einem spürbaren Umfang bezweifelt werden, dass der Kläger die seelischen
und körperlichen Beschwerden in der jeweils angegebenen Intensität oder Ausprägung aufweise. Hinsichtlich des Leistungsvermögens
des Klägers im Erwerbsleben hat Dr. E ausgeführt, der Kläger könne, bezogen auf die Zeit seit Rentenantragstellung im Juni
2015, regelmäßig und mit betriebsüblichen Pausen körperlich leichte und gelegentlich mittelschwere und geistig einfache und
mittelschwierige Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten bei vorhandener Wegefähigkeit. Die von
Dr. G gestellte Diagnose einer persönlichkeitsstrukturellen Störung mit der von ihm daraus gezogenen Leistungsbeurteilung
sei nicht nachvollziehbar; Dr. G habe keine Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit bzw. der Ausdauer oder eine zunehmende
Ermüdung im Untersuchungsgang mitgeteilt; die von ihm getroffene Leistungseinschätzung ließe sich daher aus dem erhobenen
psychopathologischen Untersuchungsbefund und den Schilderungen der Teilhabefähigkeiten nicht ableiten lassen. Aggravation,
Simulation und Dissimulation seien, soweit das unter ambulanten Untersuchungsbedingungen möglich sei, weitgehend auszuschließen.
Die vom Senat gestellte Beweisfrage, ob bei dem Kläger gegebenenfalls eine sogenannte unüberwindbare Fehlvorstellung über
die Erwerbsfähigkeit vorliege (d.h. ob bei einem Leistungsvermögen für mindestens leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
sechs Stunden arbeitstäglich eine bisher weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher Hilfe überwindbare krankhafte Fehlvorstellung
(psychische Störung oder neurotische Erscheinungen mit Krankheitswert), nicht mehr erwerbstätig sein zu können, vorliege,
bei der Aggravation oder Simulation ausgeschlossen werden können, und bei der feststehe, dass die neurotischen Erscheinungen
bei endgültiger Ablehnung einer Rente nicht ohne Weiteres verschwinden würden), hat Dr. E verneint.
Auf Antrag und gegen Kostenvorschuss des Klägers ist anschließend ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie
und Psychotherapie Dr. T vom 03.09.2019 eingeholt worden. Dr. T hat zur Begutachtung auf Anordnung des Senats eine Dolmetscherin
hinzugezogen und hat auf der Grundlage einer ambulanten Begutachtung des Klägers im September 2019 für den "Untersuchungszeitpunkt"
an leistungsreduzierenden Erkrankungen eine mittelgradig ausgeprägte depressive Episode ohne psychotische Symptome mit gedrückter
Stimmungslage, Interessenverlust, Rückzugstendenzen sowie Einschlaf- und Durchschlafstörungen und diffusen Ängsten diagnostiziert.
Bezüglich der zu diskutierenden posttraumatischen Belastungsstörung sei nur eine sehr eingeschränkte Aussage möglich; es verbleibe
fraglich, warum der Kläger die Symptome und deren Auftreten von Begutachtung zu Begutachtung ergänzt habe. Der Kläger sei
gut in der Lage gewesen, der Untersuchung zu folgen. Hinsichtlich des Leistungsvermögens des Klägers im Erwerbsleben hat Dr.
T ausgeführt, eine Einschränkung des Leistungsvermögens bestehe seit 2015 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.
Derzeit könne der Kläger regelmäßig und mit betriebsüblichen Pausen körperlich leichte, selten auch mittelschwere Arbeiten
und geistig leichte bis mittelschwierige Arbeiten weniger als sechs, aber mindestens drei Stunden verrichten bei vorhandener
Wegefähigkeit. Im Vergleich zur Voruntersuchung (durch Dr. E) im Februar 2019 zeige sich eine deutlicher ausgeprägte depressive
Symptomatik. Die Leistungsfähigkeit sei d. Es sei, wie auch in den Vorbegutachtungen ausgeführt, keine ausreichende Therapie
erfolgt. Derzeit bestehe weder eine differenzierte Pharmakotherapie noch sei die mehrfach empfohlene muttersprachliche Therapie
erfolgt, die eine Linderung herbeiführen könne. Eine Schlafmedikation bestehe nicht, eine stationäre Behandlung sei nicht
erfolgt. Unter einem multimodalen therapeutischen Ansatz sei eine Besserung der durch den Kläger berichteten Symptomatik wahrscheinlich,
auch wenn hier eine Therapiedauer von mindestens zwölf Monaten angenommen werden müsse. Nach erfolgter Therapie könne der
Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder vollschichtig am Erwerbsleben teilnehmen. Die vom Senat gestellte Beweisfrage,
ob bei dem Kläger gegebenenfalls eine sogenannte unüberwindbare Fehlvorstellung über die Erwerbsfähigkeit vorliegt, hat Dr.
T verneint.
Die Beklagte hat im Anschluss an die Begutachtung Einwände gegen die Leistungsbeurteilung durch Dr. T erhoben (beratungsärztliche
Stellungnahme von Dr. I1 vom 25.09.2019) und ausgeführt, sie könne sich dem Gutachten von Dr. T nicht anschließen.
Der Senat hat von Dr. E eine ergänzende Stellungnahme vom 05.01.2020 mit der Bitte um Würdigung des Gutachtens von Dr. T eingeholt,
in der Dr. E ausgeführt hat, die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode könne schon auf der Befundebene nicht nachvollzogen
werden, somit auch nicht die Leistungsbeurteilung von Dr. T; er verbleibe bei seiner im Gutachten abgegebenen Leistungsbeurteilung.
Auf Anfrage des Senats, ob die Berufung weiter aufrechterhalten bleibt, hat der Kläger nach §
109 SGG beantragt, von Dr. T eine ergänzende Stellungnahme zu der ergänzenden Stellungnahme von Dr. E einzuholen. In seiner ergänzenden
Stellungnahme vom 03.03.2019 (versehentlich datiert mit dem 03.09.2019) hat Dr. T ausgeführt, dass die Kritik an seiner Diagnose
einer mittelgradigen Depression nicht nachvollziehbar sei, weil hier alle Kriterien für eine Depression erfüllt seien. Die
im Rahmen seiner Begutachtung gestellte Diagnose sei naturgemäß nur eine Momentaufnahme. Seine Einschätzung der Einschränkungen
seit dem Jahr 2015 basiere auf den vorliegenden ärztlichen Berichten. Eine Abweichung von seiner sozialmedizinischen Einschätzung
sei nicht erforderlich.
Die Beklagte hat auch gegen die ergänzende Stellungnahme von Dr. T Einwände erhoben (beratungsärztliche Stellungnahme von
Dr. N3 und Dr. I vom 30.03.2020) und ausgeführt, sie könne sich Dr. T nicht anschließen; derzeit erfolge bei dem Kläger keine
Therapie mit einem Antidepressivum; selbst wenn eine relevante Depression bei dem Kläger vorliegen würde, wäre eine Besserung
bereits durch ein Antidepressivum bereits nach zwei bis drei Wochen zu erwarten, weil ein Antidepressivum, das entsprechend
der Therapieleitlinien bei einer depressiven Episode erfolgversprechend sei, bereits nach zwei bis drei Wochen eine Verbesserung
zeige.
Auf Anfrage der Berichterstatterin vom 25.06.2020 haben sich die Beteiligten mit einer Übertragung der Entscheidung auf die
Berichterstatterin als konsentierter Einzelrichterin und mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt
(Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 01.07.2020 und der Beklagten vom 06.07.2020).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten,
der Verwaltungsakten und der Schwerbehindertenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat über die Berufung gemäß §
124 Abs.
2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung und gemäß §
155 Abs.
3 und
4 SGG durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin.
Die Frage, ob eine Entscheidung durch den Einzelrichter auch bei Vorliegen des Einverständnisses der Beteiligten nach §
155 Abs.
3 und
4 SGG ausgeschlossen ist, wenn es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handelt oder ein Fall einer Divergenz
vorliegt (so BSG, Urteile vom 06.09.2018, B 2 U 3/17 R; vom 08.11.2007, B 9/9a SB 3/06 R; vom 07.08.2014, B 13 R 37/13 R; vom 23.08.2007, B 4 RS 2/06 R; vom 18.05.2010, B 7 AL 43/08 R; und BSG, Großer Senat, Beschluss vom 31.08.2011, GS 2/10; alle in juris; anderer Auffassung BSG, Urteil vom 12.12.2018, B 6 KA 50/17 R, juris, Wenner in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm. zum Sozialrecht, 5. Aufl. 2017, §
159 SGG Rdn. 17; Knispel, SGb 2010, 357 ff.; Söhngen, jurisPR-SozR 22/2008 Anm. 1), kann hier offen bleiben. Hier liegt weder eine Rechtssache grundsätzlicher Bedeutung
noch ein Fall einer Divergenz vor; es ist hier über eine Rechtssache im Einzelfall ohne grundsätzliche Bedeutung zu entscheiden,
weswegen auch die Revision nicht zuzulassen ist; auch wird hier eine bislang höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte
entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht aufgeworfen.
Die Berufung der Beklagten ist statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§
143,
144,
151 Absatz
1 SGG).
Da allein die Beklagte Berufung eingelegt hat, ist im Berufungsverfahren nur darüber zu entscheiden, ob der Kläger Anspruch
auf Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.01.2016 bis zum 30.05.2019 hat. Soweit das SG die Klage im Übrigen (konkludent) abgewiesen hat, ist das Urteil des SG rechtskräftig. Denn der Kläger hat keine Berufung eingelegt.
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Sie hat mit Bescheid vom 18.12.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2016 den Rentenantrag des Klägers
zu Recht abgelehnt.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von voller oder teilweiser Erwerbsminderungsrente nach §
43 Sozialgesetzbuch 6. Buch (
SGB VI) für die Zeit von Januar 2016 bis Mai 2019.
Das SG hat der Klage insoweit zu Unrecht stattgegeben.
Nach §
43 Absatz
1 bzw. Absatz
2 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung,
wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (§ 43 Absatz 1 Satz 1 Nr.
1 und Satz 2 bzw. Absatz
2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2
SGB VI), in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung
oder Tätigkeit zurückgelegt (§
43 Absatz
1 Satz 1 Nr.
2 und Absatz
2 Satz 1 Nr.
2 SGB VI) und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§
43 Absatz
1 Satz 1 Nr.
3 und Absatz
2 Satz 1 Nr.
3 SGB VI).
Der Kläger erfüllte zwar in der Zeit seit Rentenantragstellung im Juni 2015 (und vorerst noch bis April 2019) die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen des §
43 SGB VI für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung (dazu I.).
Zur Überzeugung des Senats konnte der Kläger aber unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auch in der
Zeit vom 01.01.2016 bis zum 30.05.2019 arbeitstäglich noch mindestens sechs Stunden arbeiten und war deshalb nicht voll oder
teilweise erwerbsgemindert im Sinne des §
43 SGB VI (dazu II.).
I.:
Der Kläger erfüllte zwar in der Zeit seit Rentenantragstellung im Juni 2015 - und vorerst noch bis April 2019 - die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach §
43 SGB VI.
Nach §
43 Absatz
1 bzw. Absatz
2 SGB VI haben voll oder teilweise erwerbsgeminderte Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen
voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge
für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt haben (§
43 Absatz
1 Satz 1 Nr.
2 und Absatz
2 Satz 1 Nr.
2 SGB VI) und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§
43 Absatz
1 Satz 1 Nr.
3 und Absatz
2 Satz 1 Nr.
3 SGB VI).
Unter Berücksichtigung der in seinem Versicherungskonto enthaltenen Beitragszeiten erfüllt der Kläger die Voraussetzungen
der Nummer
3 des §
43 Absatz
1 Satz 1 bzw. Absatz
2 Satz 1
SGB VI, weil sein Versicherungskonto die erforderliche allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (§
50 Absatz
1 Satz 1 Nr.
2 SGB VI) aufweist.
Auch erfüllt er unter Berücksichtigung der in seinem Versicherungskonto enthaltenen Versicherungszeiten die sog. 3/5-Belegung
der Nummer
2 des §
43 Absatz
1 Satz 1 bzw. Absatz
2 Satz 1
SGB VI, zuletzt noch bis April 2019 (vgl. auch Schriftsatz der Beklagten vom 19.03.2018). Denn für die Zeit bis zuletzt zum 09.03.2017
sind (mehr als) 36 Pflichtbeiträge im Versicherungskonto des Klägers gespeichert (Versicherungsverlauf vom 09.04.2018). Weil
der Versicherungsverlauf des Klägers in der Zeit ab dem 10.03.2017 nicht mehr mit Versicherungszeiten belegt ist, auch nicht
etwa mit (einen Versicherungsschutz aufrechterhaltenden) Anrechnungszeiten, erfüllt der Kläger die sog. 3/5-Belegung noch
bis April 2019, weil er durch diese Belegung zwar im 5-Jahres-Zeitfenster von April 2014 bis April 2019 die erforderlichen
36 Pflichtbeiträge noch aufweist, danach aber nicht mehr.
Ein Tatbestand einer vorzeitigen Wartezeiterfüllung im Sinne des §
43 Absatz
5 i.V.m. §
53 SGB VI, der das Erfordernis der sog. 3/5-Belegung der Nummer
2 des §
43 Absatz
1 Satz 1 bzw. Absatz
2 Satz 1
SGB VI entfallen lassen würde, liegt nicht vor. Es liegen hier ersichtlich weder ein Tatbestand der Nummern 1 bis 4 des Absatzes
1 des §
53 SGB VI noch ein Tatbestand des Absatzes 2 des §
53 SGB VI vor.
Der Kläger besitzt auch keinen laufenden Versicherungsschutz nach §
241 SGB VI, weil sein Versicherungskonto die dafür erforderliche Erfüllung von fünf Jahren Wartezeit vor dem 01.01.1984 nicht aufweist.
II.:
Zur Überzeugung des Senats konnte der Kläger aber unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Zeit
vom 01.01.2016 bis zum 30.05.2019 arbeitstäglich noch mindestens sechs Stunden arbeiten und war deshalb nicht voll oder teilweise
erwerbsgemindert im Sinne des §
43 SGB VI.
Nach §
43 Absatz
1 bzw. Absatz
2 SGB VI haben Versicherte, die die oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen, bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze
Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (§ 43
Absatz 1 Satz 1 Nr.
1 und Satz 2 bzw. Absatz
2 Satz 1 Nr.
1 und Satz 2
SGB VI. Gemäß §
43 Absatz
1 Satz 2
SGB VI sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Gemäß
§
43 Absatz
2 Satz 2
SGB VI sind Versicherte voll erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Über diese
(gesetzliche) Definition des Versicherungsfalls der vollen Erwerbsminderung hinaus sind auch diejenigen Versicherten voll
erwerbsgemindert, die noch einer Erwerbstätigkeit von drei bis unter sechs Stunden täglich nachgehen können und damit den
Tatbestand der teilweisen Erwerbsminderung nach §
43 Absatz
1 Satz 2
SGB VI erfüllen, denen der Arbeitsmarkt jedoch praktisch verschlossen ist, weil sie mangels Vermittelbarkeit eines ihrem Restleistungsvermögen
entsprechenden Teilzeitarbeitsplatzes arbeitslos sind (vgl. Ulrich Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VI, 2. Aufl., §
43 SGB VI, Rdn. 221 ff.). Erwerbsgemindert ist demgegenüber gemäß §
43 Absatz
3 SGB VI nicht, wer mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein
kann; bei diesem Personenkreis ist die Arbeitsmarktlage für den Rentenanspruch grundsätzlich ohne Bedeutung.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Kläger in der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 30.05.2019 weder teilweise noch
voll erwerbsgemindert gewesen, denn er ist nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten medizinischen Ermittlungen
in diesem hier allein strittigen Zeitraum noch in der Lage gewesen, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit in einem zeitlichen
Umfang von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nachzugehen.
Eine zeitliche Leistungsminderung bestand insbesondere nicht aufgrund der ganz im Vordergrund des Beschwerdebildes stehenden
neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen des Klägers.
Zwar dürften diese, anders als die Beklagte meint, rentenrechtliche Relevanz haben. Psychische Erkrankungen haben (erst) dann
rentenrechtliche Relevanz, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen
ist, dass der Versicherte die psychischen Erkrankungen dauerhaft - also nicht in einem überschaubaren Zeitraum von sechs Monaten
- nicht überwinden kann, weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe (so (vgl. BSG vom 12.9.1990 - 5 RJ 88/89 sowie vom 29.3.2006 - B 13 RJ 31/05 R = BSGE 96, 147 = SozR 4-2600 § 102 Nr 2). Dass die bei dem Kläger vorliegende psychiatrische Erkrankung - unabhängig davon, ob mit Dr. E
eine Dysthymie oder mit Dr. T eine mittelgradig ausgeprägte depressive Episode angenommen wird - bei Durchführung einer adäquaten
Behandlung binnen sechs Monaten behoben werden kann, haben die Sachverständigen nicht ausgeführt. Dr. T hat unter einem multimodalen
therapeutischen Ansatz eine Therapiedauer von mindestens zwölf Monaten angenommen.
Im Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 30.05.2019 war der Kläger jedoch aufgrund der ganz im Vordergrund des Beschwerdebildes
stehenden neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen nicht zeitlich leistungsgemindert.
Dies ergibt sich sowohl aus der Leistungseinschätzung des vom Senat von Amts wegen beauftragten Gutachters Dr. E als auch
aus der Einschätzung des auf Antrag des Klägers beauftragten Gutachters Dr. T.
Dr. E ist aufgrund einer im Februar 2019 durchgeführten ambulanten Begutachtung des Klägers zu dem Ergebnis gelangt, dass
der Kläger, bezogen auf die Zeit seit Rentenantragstellung im Juni 2015, regelmäßig und mit betriebsüblichen Pausen körperlich
leichte und gelegentlich mittelschwere und geistig einfache und mittelschwierige Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
vollschichtig verrichten kann.
Dr. T hat hinsichtlich des Leistungsvermögens des Klägers im Erwerbsleben zwar ausgeführt, eine Einschränkung des Leistungsvermögens
bestehe seit 2015. Welche Einschränkung dies sein soll, führt er hierbei aber nicht aus. Bei der Beweisfrage nach der Leistungsbeurteilung
selbst hat er dann aber ausdrücklich ausgeführt, der Kläger sei derzeit aus gutachterlicher Sicht nur noch in der Lage, weniger
als sechs, aber mindestens drei Stunden (körperlich leichte, selten auch mittelschwere Arbeiten und geistig leichte bis mittelschwierige)
Arbeiten zu verrichten. Ergänzt hat er dies damit, dass eine rückwirkende Beurteilung nur schwer möglich sei und dass sich
im Vergleich zur Voruntersuchung (durch Dr. E) im Februar 2019 eine deutlicher ausgeprägte depressive Symptomatik zeige. Die
Leistungsfähigkeit sei derzeit insbesondere durch die berichteten Schlafstörungen beeinträchtigt. Aus diesem Gesamtkontext
heraus steht fest, dass Dr. T seine Leistungsbeurteilung ausdrücklich auf den "derzeitigen" und damit auf den Zeitpunkt seiner
Begutachtung im September 2019 bezogen hat.
Damit steht für den Senat unter Würdigung sowohl des im Berufungsverfahren von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachtens
von Dr. E als auch des im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers eingeholten Sachverständigengutachtens von Dr. T fest,
dass der Kläger im Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 30.05.2019 auch unter Beachtung der ganz im Vordergrund des Beschwerdebildes
stehenden neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen nicht auf unter sechs-stündige arbeitstägliche Tätigkeiten leistungsreduziert
war.
Damit in Einklang steht auch die Beurteilung des im Verwaltungsverfahren tätig gewesenen Gutachters Dr. B, der den Kläger
aufgrund ambulanter Begutachtung im November 2015 und somit zu einem zeitlich nur unwesentlich vor dem streiterheblichen Zeitraum
liegenden Zeitpunkt ebenfalls für fähig erachtet hatte, regelmäßig sechs Stunden und mehr mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes zu verrichten.
Vor diesem Hintergrund hält der Senat weder die von Dr. G aufgrund einer ambulanten Begutachtung des Klägers im Mai 2017 abgegebene
Beurteilung, der Kläger könne im Erwerbsleben keine verwertbaren Leistungen mehr erbringen und das Leistungsvermögen liege
bei unter drei Stunden arbeitstäglich, noch die von den behandelnden Ärzten des Klägers - Dr. N1 im Bericht vom 05.09.2018
und Dr. N im Bericht vom 01.10.2018 - zuletzt abgegebene Beurteilung, dem Kläger seien Tätigkeiten arbeitstäglich nur noch
unter drei Stunden zumutbar, für schlüssig bzw. überzeugend.
Mit diesen im Jahr 2017 und 2018 abgegebenen Leistungsbeurteilungen haben sich sowohl Dr. E als auch Dr. T eingehend auseinandergesetzt.
Dr. E ist aber auch unter Würdigung dieser Beurteilungen zu seiner davon abweichenden Beurteilung eines seit 2015 bestehenden
Leistungsvermögen des Klägers für sechs-stündige arbeitstägliche Tätigkeiten gelangt, nachdem er sich umfassend, ausführlich
und differenziert mit dem Beschwerdebild des Klägers befasst hat. Auch Dr. T ist unter Würdigung dieser Beurteilungen zu seiner
davon abweichenden Beurteilung gelangt, dass derzeit - damit zum Zeitpunkt September 2019 - ein nur noch drei- bis unter sechs-stündiges
Leistungsvermögen des Klägers besteht.
Der Kläger, der zur Überzeugung des Senats unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Zeit vom 01.01.2016
bis zum 30.05.2019 arbeitstäglich noch mindestens sechs Stunden arbeiten konnte und daher nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert
im Sinne des §
43 SGB VI war, litt in dieser Zeit auch nicht etwa an einer sog. unüberwindbaren Fehlvorstellung über die Erwerbsfähigkeit, die zur
Annahme seiner Erwerbsminderung führen könnte (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 21.10.1969, 11 RA 219/66 (SozR Nr. 76 zu § 1246
RVO) und Urteil vom 12.09.1990, 5 RJ 88/89, dort Rdn. 17; beide in juris).
Eine solche sog. unüberwindbare Fehlvorstellung über die Erwerbsfähigkeit liegt bei einem erhaltenen Leistungsvermögen für
mindestens leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden arbeitstäglich nur vor, wenn eine bisher weder aus
eigener Kraft noch mit ärztlicher Hilfe überwindbare krankhafte Fehlvorstellung (psychische Störung oder neurotische Erscheinungen
mit Krankheitswert), nicht mehr erwerbstätig sein zu können, vorliegt, bei der Aggravation oder Simulation ausgeschlossen
werden können, und bei der feststeht , dass die neurotischen Erscheinungen bei endgültiger Ablehnung einer Rente nicht ohne
Weiteres verschwinden würden.
Zwar hat Dr. G ausgeführt, bei dem Kläger bestehe eine der Arbeitsaufnahme entgegenstehende psychische Fehlhaltung; diese
hätte sich im Laufe der letzten drei Jahre auch durch psychosomatische Heilverfahren und durch nervenärztliche Behandlung
nicht beeinflussen lassen; nach dem gegenwärtigen psychopathologischen Zustandsbild gehe er davon aus, dass der Kläger zu
zumutbarer Willensanspannung zum Zwecke der Überwindung dieser Fehlhaltung vorerst nicht imstande sein werde. Diese Ausführungen
von Dr. G sind aber schon nicht schlüssig. Denn der Kläger würde, soweit er sich selbst nicht zu einer mindestens 3-stündigen
arbeitstäglichen Tätigkeit in der Lage sehen würde, bei Zugrundelegung der Feststellung von Dr. G, der Kläger sei nur noch
unter 3 Stunden arbeitstäglich belastbar, gar nicht an einer Fehlvorstellung über seine Erwerbsfähigkeit leiden. Zudem steht
den Ausführungen von dR. G auch in diesem Punkt die Beurteilung der im Berufungsverfahren tätig gewesenen Sachverständigen
Dres. E und T entgegen, die beide das Vorliegen einer sog. unüberwindbaren Fehlvorstellung über die Erwerbsfähigkeit bei dem
Kläger auf ausdrückliche Anfrage des Senats klar verneint haben.
Zur Überzeugung des Senats konnte der Kläger daher unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Zeit
vom 01.01.2016 bis zum 30.05.2019 arbeitstäglich noch mindestens sechs Stunden arbeiten und war deshalb nicht voll oder teilweise
erwerbsgemindert im Sinne des §
43 SGB VI.
Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.01.2016 bis zum 30.05.2019 sind daher nicht
erfüllt. Hierbei kann dahinstehen, dass alle Sachverständigen bei dem Kläger - neben festgestellten Diskrepanzen zwischen
objektivem und subjektiven Befund und klagsamem und absichtsgeleitetem Verhalten - insbesondere auch festgestellt haben, dass
der Kläger die bestehenden therapeutischen Möglichkeiten bei Weitem nicht ausgeschöpft hat; dies hätte nur im Rahmen der Frage
Relevanz, ob und in welchem Umfang eine zu zahlende Rente zu befristen wäre.
Das SG hätte der Klage daher insoweit nicht stattgeben dürfen.
Auf die Berufung der Beklagten war deshalb das Urteil des SG abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Absatz
2 Nr.
1 und
2 SGG nicht erfüllt sind.