Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) mit Wirkung ab dem 01.04.2010.
Seit dem 01.05.2008 bezog der am 00.00.1972 geborene Kläger durchgehend von der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend
einheitlich: Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Durch Bescheid vom 19.02.2010 gewährte
der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.03. bis 31.05.2010.
Am 05.03.2010 ging beim Beklagten die vom Kläger am 03.03.2010 unterschriebene Anlage VM "Feststellung der Vermögensverhältnisse
der Antragstellerin/Antragstellers und der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Person" zum Fortzahlungsantrag ein. In dieser
Anlage gab der Kläger an, dass er über Bargeld in Höhe von 48.000,00 EUR und ein Guthaben auf dem Girokonto von 2.500,00 EUR
verfüge. Durch Bescheid vom 09.03.2010 (nach dem Inhalt der Verwaltungsakte, aber vom 11.03.2010 nach dem vom Kläger im Verfahren
vor dem Sozialgericht S 40 AS 2462/10 vorgelegten Bescheid - im Folgenden: Bescheid vom 09.03.2010) hob der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von
Arbeitslosengeld II mit Wirkung ab dem 01.04.2010 unter Berufung auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Das zu berücksichtigende Vermögen von insgesamt 48.000,00 EUR übersteige die Grundfreibeträge von 6.300,00 EUR.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 24.03.2010 Widerspruch ein, den der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 12.07.2010
zurückwies. Dem Widerspruchsbescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, wonach gegen die Entscheidung innerhalb eines
Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf Klage erhoben werden kann.
Am 24.06.2010 erhob der Kläger eine Untätigkeitsklage, S 40 AS 2462/10. Nach Anhörung der Beteiligten wies das Sozialgericht Düsseldorf die Untätigkeitsklage durch Gerichtsbescheid vom 22.03.2011
ab. Die begehrte Untätigkeitsklage sei insoweit erledigt, als der Beklagte den Widerspruchsbescheid erlassen habe. Damit sei
nicht mehr erkennbar, inwieweit der Kläger noch in seinen Rechten verletzt sein könnte. Gegen den ihm am 28.10.2011 ausgehändigten
Gerichtsbescheid legte der Kläger Berufung, L 19 AS 1915/11, mit dem Begehren ein, den Bescheid vom 09.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2011 aufzuheben.
Am 03.09.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht vorgesprochen und folgendes erklärt:
"Mit gerichtlicher Verfügung vom 13.07.2010 wurde mir der Widerspruchsbescheid vom 12.07.2010 übersandt, mit der Anfrage,
ob ich die Klage zurücknehme. Mit dem beigefügten Formular habe ich geantwortet, dass ich die Klage nicht zurücknehme. Ich
bin davon ausgegangen, dass nunmehr der Widerspruchsbescheid gerichtlich überprüft werde. Ich bin nicht davon ausgegangen,
dass ich erneut klagen muss, sondern dass der Widerspruchsbescheid nunmehr Gegenstand der Untätigkeitsklage wird und das Klageverfahren
weitergeführt wird. Falls dies nicht der Fall ist, lege ich vorsorglich Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 12.07.2010
ein und beantrage die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand."
Das Sozialgericht hat diese Vorsprache als Klage gegen den Bescheid vom 09.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12.07.2010 aufgefasst und unter dem Aktenzeichen S 40 AS 3692/11 geführt.
Der Kläger hat vorgetragen, dass es sich bei dem Bargeldbetrag i.H.v. 48.000,00 EUR um die Zahlung eines Pflichtteilsanspruchs
handele, den er sich gerichtlich erstritten habe. Dieser Betrag diene zur Altersvorsorge. Er sei nicht der Ansicht, dass er
das Geld für seinen Lebensunterhalt verwenden müsse.
Der Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger die Klagefrist versäumt habe. Ihm sei keine Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand zu gewähren. Soweit der Kläger der Auffassung gewesen sei, dass der Widerspruchsbescheid Gegenstand der Untätigkeitsklage
geworden sei, handele es sich um einen Rechtsirrtum. Rechtsirrtümer schlössen das Verschulden hinsichtlich der Versäumung
einer Frist regelmäßig nicht aus. Dies sei nur dann nicht der Fall, wenn dieser den Irrtum auch bei sorgfältiger Prüfung nicht
habe vermeiden können. Für ein Verschulden des Klägers spräche die eindeutige, unmissverständliche und richtige Rechtsfolgenbelehrung
am Ende des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2010.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Düsseldorf durch Gerichtsbescheid vom 22.03.2011 die Klage abgewiesen.
Die Klage sei wegen der Versäumung der Klagefrist unzulässig. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren.
Auf die weiteren Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihm am 28.10.2011 ausgehändigten Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung eingelegt.
Er begehrt die Überprüfung des Bescheides vom 09.03.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2010. Er ist
der Auffassung, dass seine Hilfebedürftigkeit durch den Zufluss eines Betrags von 48.000,00 EUR nicht entfallen sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.03.2011 zu ändern und den Bescheid vom 09.03.2010 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des
Beklagten sowie der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Düsseldorf, S 40 AS 2462/10 Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das beklagte Jobcenter ist gemäß §
70 Nr. 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beteiligtenfähig (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 99/10 R = juris Rn 11). Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen
beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die vom Kläger am 03.09.2011 erhobene Anfechtungsklage nach §
54 Abs.
2 SGG ist wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig.
Nach §
87 Abs.
1 Satz 1
SGG ist eine Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Sofern ein Vorverfahren stattgefunden
hat, beginnt die Frist nach §
87 Abs.
2 SGG mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu laufen.
Die Vorsprache des Klägers am 03.09.2010 bei Gericht ist nach Ablauf der Klagefrist des §
87 Abs.
1 Satz 1
SGG erfolgt. Die Klagefrist hat spätestens am 23.07.2010 - dem Datum der Unterschrift des Klägers unter das vom Sozialgericht
zusammen mit dem Widerspruchsbescheid vom 12.07.2010 im Verfahren S 40 As 2462/10 übersandte Formular und damit dem Datum
der Bekanntgabe i.S.v. § 37 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) - zu laufen begonnen. Sie hat spätestens am 23.08.2010, einem Montag, geendet. Damit ist die am 03.09.2010 erhobene Klage
verfristet.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist ist nicht zu gewähren. Nach §
67 Abs.
1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein Verfahrensbeteiligter ohne Verschulden verhindert war, eine
gesetzliche Verfahrensfrist, wie dies die Klagefrist darstellt, einzuhalten. Von Verschulden ist dann auszugehen, wenn der
Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine
Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den
gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (BSG Beschluss vom 20.12.2011 - B 4 AS 161/11 B - mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Versäumnis der Verfahrensfrist darf auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt
nicht vermeidbar gewesen sein. Dabei haben juristisch nicht geschulte Privatpersonen ebenfalls eine Sorgfaltspflicht. Sie
müssen die Rechtsmittelbelehrung beachten und sich notfalls erkundigen. Für die Vorwerfbarkeit der Fristversäumnis kommt es
auf die persönlichen Verhältnisse, insbesondere auch den Bildungsgrad an. Mangelnde Rechtskenntnis entschuldigt ein Fristversäumnis
in der Regel nicht gleichgültig, ob der Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist oder nicht (BSG Beschluss
vom 10.02.1993 - 1 BK 37/92 = juris Rn. 3).
Zur Überzeugung des Senats hat der Kläger diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die für einen gewissenhaften und seine Rechte
und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und die ihm nach den gesamten
Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist. Der Kläger ist ordnungsgemäß über die Einhaltung der Klagefrist im Widerspruchsbescheid
belehrt worden. Damit hat er über die erforderlichen Kenntnisse verfügt. Der Kläger hat auch keine Gründe vorgetragen, die
ihn an der Klageerhebung innerhalb der Frist gehindert haben.
Soweit sich der Kläger bei der Vorsprache am 03.09.2010 bei Gericht dahingehend eingelassen hat, er sei davon ausgegangen,
dass wegen seiner Weigerung, die Klage zurückzunehmen, nunmehr der Widerspruchsbescheid gerichtlich überprüft werde, macht
er einen Rechtsirrtum geltend. Dieser Rechtsirrtum ist vermeidbar gewesen. Insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen in
dem Urteil vom 26.03.2012 im Verfahren L 19 AS 1915/11 Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Anlass, die Revision nach §
160 Abs.
2 SGG zuzulassen, besteht nicht.