Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten für das Widerspruchverfahren
Unbilligkeit von geltend gemachten Gebühren für das Tätigwerden im Widerspruchsverfahren (hier: Widerspruch gegen Mahnbescheid
und Begründung von drei Sätzen)
Beurteilung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger
Anwendbarkeit von neuem Prozessrecht auf bereits anhängige Verfahren (hier: § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b) SGG)
Vertrauen in den Fortbestand verfahrensrechtlicher Regelungen
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig.
I. Die Statthaftigkeit der Beschwerde scheitert nicht an dem durch das BUK-NOG am 25. Oktober 2013 in Kraft getretenen §
172 Abs
3 Nr
2b)
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) (Ausschluss der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung
bedürfte). Diese Vorschrift findet im vorliegenden Fall noch keine Anwendung. Zwar ist nach dem sog. intertemporalen Rechtssatz
bei fehlenden Übergangsvorschriften auch in bereits anhängigen Verfahren ab Inkrafttreten der Rechtsänderung grundsätzlich
das neue Prozessrecht anzuwenden. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn ein Beteiligter nach bisherigem Recht eine schutzwürdige
Position erlangt hat, die es nach neuem Verfahrensrecht nicht mehr gibt (BSG, Beschluss vom 19. Februar 1992 - GS 1/89, BSGE 70, 133; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 16.01.2014 - L 11 AS 1320/13 B).
Zum einen ist nicht erkennbar, dass die Gesetzgebung mit dem neuen Recht auch die hier relevante besondere Fallkonstellation
erfassen wollte, in denen die Rechtsänderung in den Lauf der Rechtsmittelfrist fällt. Auch gebietet es der Zweck des Änderungsgesetzes
nicht, diese besondere Fallkonstellation dem Regime des neuen Rechts zu unterstellen. Denn das mit der Rechtsänderung erstrebte
Ziel, "die Sozialgerichtsbarkeit nachhaltig zu entlasten und zugleich eine Straffung der sozialgerichtlichen Verfahren herbeizuführen"
(BT-Drucks. 16/7716 S. 1), hängt nicht davon ab, dass auch und gerade die zahlenmäßig begrenzten "Interimsfälle" einbezogen
werden (erkennender Senat vom 16.09.2008 - L 7 B 159/08 AS ER).
Zum anderen gebietet nach Überzeugung des Senats der im Rechtsstaatsprinzip des Art.
20 Abs.
3 Grundgesetz (
GG) verankerte Schutz des Vertrauens eines Rechtsmittelführers in die prozessrechtlich gewährleistete Rechtsmittelsicherheit
und Rechtsmittelklarheit das hier gewonnene Ergebnis. Zwar ist das Vertrauen in den Fortbestand verfahrensrechtlicher Regelungen
von Verfassung wegen weniger geschützt als das Vertrauen in die Aufrechterhaltung materieller Rechtspositionen. Im Einzelfall
aber können verfahrensrechtliche Regelungen ihrer Bedeutung und ihres Gewichts wegen im gleichen Maße schutzwürdig sein wie
Positionen des materiellen Rechts. Einer Verfahrensregelung kommt in sehr unterschiedlicher Weise Bedeutung und Gewicht zu.
Nicht selten enthält Verfahrensrecht bloße ordnungsrechtliche, technische Prozessführungsregelungen. Es kann aber auch, zumal
bei bereits anhängigen Verfahren, Rechtspositionen gewähren, die in ihrer Schutzwürdigkeit materiell-rechtlichen Gewährleistungen
vergleichbar sind (zum Vorstehenden: BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 07.07.1992, 2 BvR 1631, 1728/90, BVerfGE 87, 48 (63 f.); sowie erkennender Senat aaO).
Der Kläger hat eine solche schutzwürdige Rechtsposition erlangt. Der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 26.09.2013 ist
der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 01.10.2013 zugestellt worden. Ginge man davon aus, der in das Prozessrecht neu
eingefügte §
172 Abs.
3 Nr.
2b)
SGG erfasse auch die vorliegende Fallkonstellation, würde dies im Ergebnis zu einer - hier erheblichen - Verkürzung der Beschwerdefrist
führen. Denn hätte der Antragsteller seine Beschwerde noch bis zum 24.10.2013 erhoben, wäre unzweifelhaft noch das alte Recht
zugrunde zu legen und die Beschwerde statthaft gewesen (vgl. insoweit auch Hauck a.a.O.). Eine derartige faktische Verkürzung
der Beschwerdeerhebungsfrist ist für einen Rechtsschutzsuchenden, vor allem in den Fällen, in denen er nicht durch einen Prozessbevollmächtigten
vertreten sein sollte, nicht (hinreichend) erkennbar. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip fließende Postulat der Rechtsmittelklarheit
umschließt das Gebot, dem Rechtsuchenden in klarer Abgrenzung den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidung zu weisen
(BVerfGE 87, 48 (65)). Dieses Gebot des vorhersehbaren und fairen gerichtlichen Verfahrens (BVerfG a.a.O.) steht nach Überzeugung des erkennenden
Senats hier einer Auslegung des Prozessrechts entgegen, die im Ergebnis eine für einen juristischen Laien nicht erkennbare
Verkürzung der Beschwerdeerhebungsfrist bewirkt. Dies gilt vor allem dann, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung des angegriffenen
Beschlusses die Beteiligten auf eine Beschwerdeerhebungsfrist von einem Monat ausdrücklich hinweist (erkennender Senat aaO).
Eine Übergangsvorschrift hat der Gesetzgeber nicht erlassen. Auch aus der Gesetzesbegründung (hierzu BT-Drucks. 16/7716, S.
75 und 106 f.) ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber die vorliegende Fallkonstellation bedacht hätte.
II. Die Beschwerde des Klägers ist aber unbegründet.
Nach §
73a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in Verbindung mit den §§
114,
115 Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Das Sozialgericht (SG) hat zu Recht die hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. §
73a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
114 ZPO zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs verneint. Auf die zutreffenden Ausführungen der erstinstanzlichen
Entscheidung wird Bezug genommen.
Das Ausgangsverfahren hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dem Kläger stehen keine weiteren geltend gemachten außergerichtlichen
Rechtsanwaltskosten für das Widerspruchsverfahren zu. Der Beklagte hat die Gebühren in Höhe von 119,- Euro in den angegriffenen
Bescheiden zu Recht festgesetzt.
Nach § 3 Abs. 1 S 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Bei Rahmengebühren bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt die Gebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfanges und der Schwierigkeit
der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers
nach billigem Ermessen. Dabei ist auch das Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem
Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Einschlägige Rechtsgrundlage für die Vertretung im Verwaltungsverfahren ist Nr. 2400 VV RVG i.V.m § 14 RVG. Diese umfasst einen Betragsrahmen von 40 bis 520 Euro. Ausdrücklich ist in der Norm klargestellt, dass eine Geschäftsgebühr
von mehr als 240 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Es ist damit nicht automatisch
die sogenannte Mittelgebühr maßgebend.
Die von der Prozessbevollmächtigten geltend gemachte Gebühr in Höhe von 168,- Euro für das Tätigwerden im Widerspruchsverfahren
ist unbillig. Vorliegend handelt es sich um einen weit unterdurchschnittlichen Fall.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im Widerspruchsverfahren ist hier als unterdurchschnittlich zu bewerten. Bei der Beurteilung
des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit ist der Arbeits- und Zeitaufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben
hat und den er objektiv auch auf die Sache verwenden musste, zu würdigen. Dabei ist der gesamte Arbeits- und Zeitaufwand,
den der Rechtsanwalt im Verfahren aufgewendet hat, in die Beurteilung mit einzubeziehen.
Vorliegend hat die Prozessbevollmächtige lediglich Widerspruch gegen den Mahnbescheid vom 17.12.2012 eingelegt und diesen
mit drei Sätzen begründet. Zeitintensives Lesen der Akte, Auseinandersetzen mit rechtlichen Problemstellungen oder das Verfassen
von Schriftsätzen fielen nicht an. Eine Nachfrage beim Kläger, ob dieser Widerspruch gegen den dem Mahnbescheid zugrundeliegenden
Aufhebungs- und Erstattungsbescheid eingelegt hat, reichte vorliegend aus. Das Verfahren dauerte nur fünf Tage.
Die Schwierigkeit der Tätigkeit der Rechtsanwältin ist ebenfalls allenfalls als unterdurchschnittlich einzustufen. Dabei sind
die qualitativen Anforderungen an die Tätigkeit im konkreten Fall zu berücksichtigen, wobei nicht auf die subjektive Einschätzung
des Rechtsanwaltes, insbesondere nicht auf dessen Vorkenntnisse, abzustellen ist (BSG Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R; LSG NRW Beschluss vom 16.12.2009 L 19 B 180/09 AS), sondern es ist eine objektive Betrachtungsweise vorzunehmen. Das Erfordernis des Vorhandenseins von speziellen Kenntnissen
und Fertigkeiten in eingeschränktem Umfang für die Bearbeitung des Falls begründet aber nicht schon allein die Annahme einer
überdurchschnittlichen Schwierigkeit. Erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende (tatsächliche oder juristische) Probleme
während des Mandats, die eine überdurchschnittliche Schwierigkeit begründen können (vgl. hierzu BSG aaO), sind nicht ersichtlich. Die Prozessbevollmächtigte musste hier nur darauf verweisen, dass gegen den der Mahngebühr
zugrunde liegenden Erstattungsbescheid Widerspruch eingelegt war. Einer rechtlichen Auseinandersetzung bedurfte es daher nicht.
Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger ist ebenfalls als unterdurchschnittlich zu bewerten. Bei der Beurteilung der
Bedeutung der Angelegenheit ist auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche
Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit abzustellen. Dabei wird Streitigkeiten über Leistungen nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), in der Regel überdurchschnittliche Bedeutung beigemessen (BSG aaO). Jedoch ist bei der Bewertung zu berücksichtigen, dass vorliegend Streitgegenstand des Widerspruchsverfahrens nur die
Festsetzung von Mahngebührten in Höhe von 29,85 Euro waren, was für eine unterdurchschnittliche wirtschaftliche Bedeutung
der Streitigkeit für den Auftraggeber spricht.
Da der Kläger auf den Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) angewiesen war, sind seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse als unterdurchschnittlich zu bewerten. Ein besonderes Haftungsrisiko
ist aufgrund der geringen Höhe des Streitgegenstandes nicht erkennbar.
Sofern die Prozessbevollmächtigte des Klägers vorträgt, dass sie einen erheblichen Zeitaufwand für das Widerspruchsverfahren
hatte, kann dem nicht gefolgt werden. Wie oben bereits dargestellt, musste sie lediglich einen kurzen Widerspruch gegen den
Mahnbescheid einlegen, dem auch fünf Tage später stattgegeben wurde. Die rechtliche Prüfung bestand nur darin, ob Widerspruch
gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid eingelegt wurde und daher die aufschiebende Wirkung eingetreten war, so dass
Mahngebühren nicht entstanden sein konnten. Wenn die Prozessbevollmächtigte dennoch einen höheren Zeitaufwand betrieben hat,
oblag dies ihrem eigenen Kostenrisiko.
III. Kosten werden im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§73a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
127 Abs.
4 ZPO).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§
177 SGG).