Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger über den 30.09.2014 hinaus wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles eine
Rente zusteht.
Der 1968 geborene Kläger verunfallte am 13.08.2013 bei seiner versicherten Tätigkeit als Polier im Unternehmen B-M, C, als
ihm auf einer Baustelle in einer Baugrube ein großer Erdbrocken gegen den rechten Unterschenkel prallte. Er erlitt hierbei
eine Unterschenkelfraktur rechtsseitig mit Beteiligung des Schienbeines im körperfernen bzw. mittleren Drittel sowie des Wadenbeines
im Sinne einer Schaftfraktur im mittleren Drittel. Diese Frakturen wurden osteosynthetisch mittels Verplattung bzw. Schienbeinmarknagelung
versorgt, der postoperative Verlauf war komplikationslos. Nach ambulanter Weiterbehandlung mit erweiterter ambulanter Physiotherapie
(EAP) bis zum 07.02.2014 durchlief der Kläger eine Arbeitsbelastungserprobung, welche in einen Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit
zum 17.03.2014 einmündete. Am 13.03.2014 schätzte Prof. Dr. L, Klinikum M-E, die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) vorläufig mit 20 v.H. ein. In seinem ersten Rentengutachten vom 24.05.2014 revidierte er diese Einschätzung. An wesentlichen
Unfallfolgen stellte er eine leichte Muskelminderung rechtes Bein, eine leichte Weichteilschwellung rechter Unterschenkel,
eine endgradige Einschränkung der Dorsalextension rechtes oberes Sprunggelenk, eine diskrete Gefühlminderung seitlich der
Operationsnarbe am knienahen Unterschenkel, Operationsnarben und noch einliegendes Osteosynthesematerial nach Unterschenkelmehrfragmentfraktur
fest. Die MdE schätzte er nun für die Zeit vom 17.03.2014 bis zum 30.04.2015 mit 10 v.H. ein.
Mit Bescheid vom 30.06.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, er leide unter erheblichen Schmerzen im rechten Unterschenkel.
Die Beklagte holte einen Befundbericht ein von dem den Kläger ambulant weiter behandelnden Chirurgen Dr. N, C. Dieser vertrat
in seinem Befundbericht vom 27.08.2014 die Auffassung, dass die Unfallfolgen in dem Rentengutachten des Dr. L mit 10 v.H.
nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Der Kläger beklage eine deutliche Schwellneigung im rechten Unterschenkel,
die während der Arbeit auftrete und am Abend besonders auffällig sei. Bei der Untersuchung habe sich eine deutliche Umfangsverminderung
im rechten Oberschenkel, der rechten Kniescheibe, im Schienbeinkopfbereich und im Fesselbereich gefunden. Die Beweglichkeit
des rechten Knie- und des rechten Sprunggelenkes sei endgradig eingeschränkt. Die Beklagte holte daraufhin eine beratungsärztliche
Stellungnahme von der Chirurgin Dr. M1 sein. Diese empfahl in ihrer Stellungnahme vom 03.09.2014 eine Gesamtvergütung für
sechs Monate.
Mit Bescheid vom 21.10.2014 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab. Sie bewilligte dem Kläger eine zeitlich befristete
Rente nach einer MdE von 20 v.H. für die Zeit vom 27.03.2014 bis zum 30.09.2014 und stellte als Unfallfolgen eine endgradige
Bewegungseinschränkung im oberen Sprung- und Kniegelenk, leichte Muskelminderung am Oberschenkel, leichte Schwellneigung am
Unterschenkel, sowie subjektive Belastungsbeschwerden nach mit noch liegendem Operationsmaterial knöchern fest verheiltem
Bruch des rechten körperfernen Unterschenkels mit 3-Etagen-Bruch des Schienbeines fest. Den im Übrigen aufrecht erhaltenen
Widerspruch, mit welchem der Kläger geltend machte, zumindest bis zu der für Februar 2015 vorgesehenen Entfernung der Marknagelung
sei ein Rentenanspruch weiter begründet, wies die Beklagte nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr.
Wunder mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2014 zurück. Zur Begründung führte sie aus, funktionell relevante Unfallfolgen lägen
nicht mehr vor; maßgebendes Beurteilungskriterium für die Bemessung der MdE seien objektivierbare Bewegungseinschränkungen.
Hiergegen hat der Kläger am 19.01.2015 Klage vor dem Sozialgericht Detmold (SG) erhoben. Zur Begründung hat er sich im Wesentlichen auf den Befundbericht des Dr. N gestützt. Gemäß der GdB/MdE-Tabelle
sei für eine Muskelminderung des Unterschenkels nach operativ behandeltem Unterschenkelbruch regelmäßig eine MdE in Höhe von
25 v.H. anzunehmen. Die Bewegungseinschränkung im Kniegelenk mittleren Grades sei mit einer MdE von 20 v.H., zumindest aber
mit einer MdE von 10 v.H. anzunehmen. Hinzu komme noch die Bewegungseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenkes, die ebenfalls
mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten sei. Er schlage vor, ihm bis zum Februar des Jahres 2015 eine Rente nach einer MdE in
Höhe von 20 v.H. zu belassen. Dann werde der Nagel im Bein entfernt und es könne eine neue Bewertung vorgenommen werden. Zur
Stützung seines Klagebegehrens hat er eine Bescheinigung seiner Arbeitgeberin vom 02.03.2015 vorgelegt, aus der sich ergibt,
dass der Kläger aufgrund der Unfallfolgen für bestimmte Arbeiten nicht mehr einsatzfähig sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 30.06.2014 und 21.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2014
zu verurteilen, ihm wegen der Verletzungsfolgen seines Arbeitsunfalles vom 13.08.2013 auch über den 30.09.2014 hinaus Verletztenrente
nach einer MdE von 20 v.H. zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Bescheide für rechtmäßig gehalten.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädisch-unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens von Dr. F, C P. Dieser
ist in seinem Gutachten vom 20.11.2015 nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 03.06.2015 und unter Berücksichtigung
der aktenkundigen medizinischen Unterlagen sowie eines anlässlich der Begutachtung angefertigten MRT des rechten Kniegelenks
vom 17.06.2015 zu dem Ergebnis gelangt, dass folgende Unfallfolgen vorliegen:
1. endgradige Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks (0/0/135),
2. schmerzhafte Weichteilschwellung an der Entnahmestelle des Marknagels, (der, wie beabsichtigt, im Frühjahr 2015 entfernt
wurde),
3. dezente Umfangsvermehrung des rechten Unterschenkels mit Hautrötung,
4. dezente Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks bei weichteiliger Verplumpung (Bewegungseinschränkung minimal,
nicht schmerzhaft: 40/0/15),
5. Narben am Knie und rechten Unterschenkel,
6. dezente Taubheitszustände um die Narben.
Die MdE sei mit 20 v.H. einzuschätzen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass auch nahezu frei bewegliche Kniegelenke so stark
in ihrer Gebrauchsfähigkeit eingeschränkt sein könnten, dass eine deutliche MdE bestehe. Daraus ergebe sich, dass die Beweglichkeit
eines Gelenks nicht das einzige Kriterium einer MdE-Einschätzung sein dürfe. So sei es zum Beispiel bei der Bemessung der
MdE bei einer unfallbedingten Arthrose und nach dem Einbau einer Totalendoprothese üblich, dem Unfallverletzten auch bei uneingeschränkter
Funktion eine MdE von 20 v.H. zuzugestehen. Bei dem Kläger liege zwar keine Arthrose und somit auch kein künstliches Gelenk
vor. Die Funktion des rechten Knies bei dem Kläger sei unfallbedingt nachvollziehbar aber stärker reduziert als bei einem
Unfallverletzten mit unfallbedingt implantiertem und perfekt funktionierendem Kniegelenkersatz. Es bestehe eine glaubhafte
Reduktion der Gebrauchsfähigkeit des rechten Kniegelenks, ein deutlich reproduzierbarer vorderer Knieschmerz, der im Verlauf
des Tages belastungsabhängig zunehme, leichte belastungsabhängige Schwellungen im rechten Unterschenkel und eine glaubhafte
deutliche Reduktion der möglichen Aktivitäten. Das Kniegelenk sei noch fast frei beweglich und nur wenig bewegungsreduziert.
Das wäre ein Gelenk mit einer Endroprothese bei normalem Verlauf aber auch.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten des Dr. F die Auffassung vertreten, die darin enthaltenen Ausführungen und Schlussfolgerungen
könnten keinesfalls Grundlage für eine Entscheidung sein. Sie seien fern der üblichen Kriterien eines Gutachtens für den Bereich
der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere hinsichtlich der Auswertung der erhobenen Befunde und der Einschätzung der
MdE. Die aktuellen Befunde rechtfertigten keinesfalls eine MdE in Höhe von 20 v.H. Bei von dem Gutachter selbst als dezente
Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes befundeten Bewegungsausmaßen und fast frei beweglich und nur wenig bewegungsreduziert
beschriebenem rechten Kniegelenk habe er fiktive Unfallfolgezustände mit daraus resultierender MdE konstruiert. Verwertbar
seien lediglich das Messblatt und der dokumentierte körperliche Untersuchungsbefund mit einer insgesamt als weitgehend unauffällig
beschriebenen rechten unteren Extremität.
Mit Urteil vom 12.02.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich hierbei auf die Befunderhebungen des Sachverständigen Dr. F gestützt, dessen Einschätzung
der MdE in Höhe von 20 v.H. wegen der nur geringgradigen funktionellen Einschränkungen jedoch nicht geteilt. Wegen der Einzelheiten
wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihm am 25.02.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.03.2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung stützt er sich
insbesondere auf das Gutachten des Dr. F und beanstandet, dass das SG sich über dessen MdE-Einschätzung hinweggesetzt hat, obwohl es nicht über die entsprechende medizinische Fachkenntnis verfüge.
Im Übrigen habe auch Prof. Dr. L ihm schon nach der ersten Operation mitgeteilt, dass er mit einer dauerhaften MdE in Höhe
von mindestens 20 v.H. zu rechnen habe. Aufgrund der Unfallfolgen könne er nicht mehr fliesen und auch keine Arbeiten auf
dem Dach mehr verrichten. Somit habe er zahlreiche Einschränkungen in seiner Erwerbsfähigkeit.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 12.02.2016 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 30.06.2014
und 21.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2014 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen seines Arbeitsunfalles
vom 13.08.2013 auch über den 30.09.2014 hinaus Rente nach einer MdE von 20 v.H. zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens von Dr. X, C1. Dieser ist
in seinem Gutachten vom 04.06.2016 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers vom 23.05.2016 und unter Berücksichtigung
der aktenkundigen medizinischen Unterlagen bzgl. der Befunde zu demselben Ergebnis gelangt wie Dr. F. Im Gegensatz zu der
Auffassung des Dr. F hat er jedoch eine MdE von 20 v.H. für die Unfallfolgen nicht für gerechtfertigt angesehen, sondern die
MdE lediglich mit 10 v.H. eingeschätzt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Funktionswerte des rechten Kniegelenks (0/0/140)
und des rechten unteren Sprunggelenks (15/0/35) seien unter Verweis auf die gängige Gutachtenliteratur und angesichts fehlender
Kriterien, welche für eine besondere Schonung des rechten Beines sprechen würden (z.B. deutlich messbare muskuläre Defizite),
nicht derart eingeschränkt, dass hieraus eine rentenberechtigende MdE resultiere. Hierzu hätte es einer Bewegungseinschränkung
des Kniegelenks auf 0-0-80° bedurft, d.h. einer Beugung unterhalb der Rechtwinkelstellung. Beim Kläger liege aber keine Bewegungseinschränkung
im rechten Kniegelenk vor. Der Vergleich des Dr. F mit der Situation der gut beweglichen Knieendoprothese sei angesichts des
Vorhandenseins der kniegelenkbildenden Knochenteile nicht schlüssig.
Der Kläger hat sich mit dem Gutachten des Dr. X nicht einverstanden erklärt. Dieser habe nicht berücksichtigt, dass die MdE
höher zu bewerten sei, weil er durch die Schädigungsfolgen besonders beruflich betroffen sei. Im Übrigen habe Dr. X nicht
berücksichtigt, dass seine Beschwerden, wie schon von Dr. F ausgeführt, belastungsabhängig deutlich zunähmen. Wenn Dr. X ihn
nach einem Arbeitstag begutachtet hätte, hätte er die daraus resultierenden Einschränkungen persönlich zu Gesicht bekommen.
Er sei aber vormittags ausgeruht untersucht worden.
Der Senat hat sodann eine ergänzende Stellungnahme von Dr. X eingeholt. Dieser ist in seiner Stellungnahme vom 30.09.2016
bei seiner Einschätzung geblieben. Eine besondere berufliche Betroffenheit habe er zu Recht nicht berücksichtigt, da er bei
seiner Begutachtung die Systematik des Unfallversicherungsrechts und nicht das Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (BVG) zu berücksichtigen habe. Die belastungsabhängige Zunahme der Beschwerden beschreibe eine subjektive Wahrnehmung des Klägers,
welche sich einer objektiven und reproduzierbaren Überprüfung entziehe. Im Rahmen eines Gutachtens seien Beschwerden, welche
grundsätzlich subjektiv seien, durch objektive Fakten auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Derartige objektive Tatsachen
seien z.B. Muskelvermagerungen, eine Minderbeschwielung oder Schwellungszustände z.B. an Gelenken. Hierfür habe sich bei dem
Kläger kein Korrelat gefunden. Wenn er den Kläger nachmittags untersucht hätte, hätte sich keine andere Einschätzung ergeben,
da schlussendlich die (passiv zu erzielenden) Funktionswerte Basis der MdE-Einschätzung seien. Ein Reizzustand des Kniegelenks,
welcher mit massiver Ergussbildung und hierdurch bedingter Beugeeinschränkung auf 80° einhergehe, hätte auch nachmittags nicht
vorgelegen. Dieses wäre aber zu fordern, um eine MdE in Höhe von 20 v.H. zu begründen. Im Übrigen sei den anlässlich der Begutachtung
durch Dr. F angefertigten MRT-Aufnahmen des rechten Kniegelenks vom 17.06.2015 kein Reizzustand gelenkbildender Anteile des
Knies zu entnehmen.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat noch ein unfallchirurgisches Fachgutachten nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von Prof. Dr. P, D, eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 16.03.2017 aufgrund einer körperlichen und röntgenologischen
Untersuchung des Klägers vom 01.03.2017 und unter Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen die Auffassung
vertreten, die Unfallfolgen bedingten eine MdE von 20 v.H. An Unfallfolgen hat er festgestellt: 1. knöchern konsolidierte
3-Etagen-Unterschenkelfraktur rechtsseitig mit entferntem Osteosynthesematerial (Verriegelungsmarknagel), 2. abgelaufenes
drohendes Kompartment-Syndrom des rechten Unterschenkels mit Minderbelastbarkeit, 3. fortgeschrittene Teileinsteifung des
rechten oberen Sprunggelenkes mit pathologischen Funktionstests/Hocksitz, 4. Schwellneigung des rechten Unterschenkels, 5.
vorderer Knieschmerz nach Nageleinschlag der Patellarsehne rechtsseitig. Bei der Einschätzung der MdE müsse berücksichtigt
werden, dass der Beweglichkeitsumfang der betroffenen Gelenke (Kniegelenk - 0/0/140 - und oberes Sprunggelenk - 0/0/30 -)
alleine nach den Erfahrungswerten in der gesetzlichen Unfallversicherung keine MdE von mindestens 20 v.H. begründe. Tatsächlich
ergebe sich jedoch aufgrund der initial die Behandlung bestimmenden und führenden Diagnose des drohenden Kompartment-Syndroms
auch in der Nachschau heute ein klarer Hinweis darauf, dass die Weichteile des Unterschenkels durch das Kompartment-Syndrom
in Bezug auf ihre heutige Belastbarkeit und ihre Drainagefähigkeit sicher dauerhaft beeinträchtigt worden seien. Die Beweglichkeitseinschränkung
des rechten oberen Sprunggelenkes könne sich im Prinzip zwar auch mit der durchgeführten Fixateur externe-Anwendung und auch
der Marknagelung direkt erklären, jedoch sei die initiale Diagnose des drohenden Kompartment-Syndroms im Verbund mit der verbliebenen
Schwellneigung heute noch relevant. Insgesamt habe der Unfall zu einer reduzierten Verlässlichkeit des Unterschenkels geführt,
was eine analoge Bewertung mit einer MdE von 20 v.H. rechtfertige. Die Vorgutachter hätten die Folgen des drohenden Kompartment-Syndroms
nicht gesehen. Zwar sei keine Druckmessung durchgeführt worden, auch keine Dekompression des Unterschenkels. Jedoch passe
sowohl die Beweglichkeitseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenks als auch die beklagte Schwellneigung und Minderbelastbarkeit
zu den Folgen dieser erheblichen Weichteilschädigung durch das Trauma.
Der Kläger sieht sich durch das Gutachten des Prof. Dr. P bestätigt und weist darauf hin, dass dieses bzgl. der MdE-Einschätzung
in Übereinstimmung steht mit dem Gutachten des Dr. F.
Die Beklagte hält das Gutachten des Prof. Dr. P nicht für nachvollziehbar und bezieht sich hierbei auf eine Stellungnahme
ihres Beratungsarztes Dr. Q, Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, vom 16.04.2017. Dr. Q hat an dem Gutachten des Prof.
Dr. P bemängelt, dass dessen MdE-Vorschlag überwiegend auf den vom ihm postulierten Folgen eines drohenden Kompressionssyndroms
beruhe, ein solcher Verlauf mit einem solchen Syndrom aber überhaupt nicht eingetreten sei. Aufgrund der ausgedehnten Fraktur
habe sehr wahrscheinlich eine deutliche Weichteilschwellung vorgelegen, und eine weitere Traumatisierung des Verletzungsbereiches
durch eine offene Operation hätte die Gefahr eben eines Kompressionssyndroms beinhaltet. Eine solche Entwicklung sei aber
durch die äußere Fixation vermieden worden. Zu keinem Zeitpunkt hätten Zeichen eines beginnenden oder unmittelbar bevorstehenden
Kompartment-Syndroms vorgelegen. Auch könne die von dem Sachverständigen angegebene Verschlechterung der Funktion des oberen
Sprunggelenkes, nicht, wie dieser behaupte, durch muskuläre Vernarbungen bedingt sein. Dagegen spreche schon der zeitliche
Verlauf. Wäre diese Begründung richtig, wäre diese Funktionseinschränkung schon früher und nicht erst nach 3,5 Jahren eingetreten.
Bei allen vorherigen Untersuchungen sei jedoch eine deutliche Fußhebung im oberen Sprunggelenk möglich gewesen. Der Sachverständige
habe auch keine passive Funktionsprüfung durchgeführt. Aber auch wenn die von ihm angegebenen Werte belastbar wären, sei eine
MdE von mehr als 10 v.H. nicht zu begründen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der
Beklagten verwiesen. Ihre Inhalte sind auszugsweise Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Das Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Sachverständige Dr. X hat
die angefochtene Entscheidung in seinem Gutachten vom 04.06.2016 nebst ergänzender Stellungnahme vom 30.09.2016 bestätigt.
Er hat dieselben Befunde erhoben wie Dr. F, ist aber zur Überzeugung des Senats mit zutreffender und überzeugender Begründung
in Übereinstimmung mit der Einschätzung des SG zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Befunde lediglich eine MdE in Höhe von 10 v.H. rechtfertigen, da die passiv gemessenen
Funktionswerte des rechten Kniegelenks und des rechten oberen Sprunggelenks und die objektiven Tatsachen keine höhere Einschätzung
rechtfertigen. Diesbezüglich verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen
Urteils zu den im Unfallversicherungsrecht anzuwendenden Erfahrungswerten für die Bemessung der MdE. Diese sind auch unter
Berücksichtigung der aktuellen Auflage von Schönberger/Mehrtens/Valentin -S/M/V-, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage,
8.10.7, Seite 685 f. und 8.12.7, Seite 712 f.) noch richtig. Dr. X hat seine Einschätzung der MdE zu Recht auf objektive Tatsachen
und nicht nur auf die subjektiv vom Kläger vorgetragenen Beschwerden abgestellt. Da sich beim Kläger keine objektiven Tatsachen
für die vorgetragenen Beschwerden gefunden haben (z.B. Muskelvermagerungen, Minderbeschwielung oder Schwellungszustände von
Gelenken, oder ein Reizzustand gelenkbildender Anteile des Knies - siehe MRT des rechten Kniegelenks vom 17.06.2015 -), können
die vom Kläger vorgetragenen Beschwerden mangels Objektivierbarkeit nicht Grundlage für die MdE-Bewertung sein. Da, wie Dr.
X in seiner ergänzenden Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, schlussendlich die passiv zu erzielenden Funktionswerte Basis
der MdE-Einschätzung sind, hätte auch eine Untersuchung am Nachmittag an den Ergebnissen nichts geändert. Zu Recht hat Dr.
X auch darauf hingewiesen, dass der von Dr. F zur MdE-Einschätzung herangezogene Vergleich mit der Situation einer gut beweglichen
Knieendoprothese angesichts des Vorhandenseins der kniegelenkbildenden Knochenanteile nicht schlüssig ist. Bei einer Endoprothese,
die auf eine Unfallverletzung zurückzuführen ist, wird nämlich auch bei einem funktionell guten Ergebnis nur unter präventiven
Gründen - verschlossener Arbeitsmarktanteil wegen Gefährdung des Knochen-Prothesen-Verbundes infolge übermäßiger Belastungseinwirkungen
- grundsätzlich von einer Mindest-MdE von 20 v.H. ausgegangen (siehe S/M/V, a.a.O. 8.10.7, Seite 686 f.). Und schließlich
hat Dr. X auch zu Recht keine besondere berufliche Betroffenheit des Klägers berücksichtigt, da sich die MdE im Unfallversicherungsrecht
nach den funktionellen Beeinträchtigungen im allgemeinen Erwerbsleben richtet und die Vorschriften des BVG hier keine Anwendung finden. Nach §
56 Abs.
2 Satz 3 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (
SGB VII), sind zwar bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte
von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch
in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet
werden kann, ausgeglichen werden. Hierbei handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift zum Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung.
Der konkrete Beruf wird im Rahmen der Rentenberechnung - neben den Pauschalsätzen (MdE) - dadurch berücksichtigt, dass das
individuell während des letzten Falles vor dem Versicherungsfall erzielte Arbeitsentgelt berücksichtigt wird. Da eine allgemeine
Berücksichtigung des besonderen beruflichen Betroffenseins den Beruf zweifach einbeziehen würde, verlangt die Rechtsprechung
unter "Wahrung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung" eine enge Auslegung, ergänzt um das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal
der "unbilligen Härte". Besondere berufliche Kenntnisse oder Erfahrungen müssen deshalb über die Umstände hinausgehen, die
bereits von der nach §
56 Abs.
2 S. 1
SGB VII bemessenen MdE im allgemeinen Erwerbsleben und vom Jahresarbeitsverdienst (JAV) erfasst sind: Das sind übliche berufliche
Kenntnisse und Erfahrungen, ein beruflich länger erprobtes Fachwissen, die grundsätzlich in jedem Beruf vorliegen, der für
eine gewisse Dauer ausgeübt wurde. Besondere berufliche Kenntnisse oder Erfahrungen heben sich von den üblichen Kenntnissen
und Erfahrungen dadurch ab, dass der Versicherte sie sich durch eine spezielle Ausbildung, eine vorhandene Begabung und meist
jahrelange Übung angeeignet hat und die für einen anderen Beruf nicht verwertbar sind. Es handelt sich in der Regel um im
Erwerbsleben seltene Berufe, wie z.B. Künstler, Kaffeeröster, Hauer im Bergbau (siehe hierzu Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche
Unfallversicherung, § 56, Rn. 12, m.N. auf die Rspr.).
Das Gutachten des Prof. Dr. P rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dieses ist hinsichtlich der Einschätzung der MdE schlichtweg
nicht nachvollziehbar, da Prof. Dr. P seine Einschätzung auf ein drohendes Kompartment-Syndrom stützt. Nach den dokumentierten
Aktenunterlagen hat aber zu keinem Zeitpunkt ein drohendes Kompartment-Syndrom oder gar ein Kompartment-Syndrom vorgelegen.
Unabhängig von der Frage, ob die von Prof. Dr. P festgestellte Beweglichkeitseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk
aufgrund einer aktiven oder einer passiven Bewegungsprüfung festgestellt wurde, rechtfertigen die von ihm erhobenen Werte
nach der Neutral-Null-Methode (0/0/30) keine MdE in Höhe von 20 v.H. (siehe S/M/V, a.a.O., 8.12.8, Seite 712), sondern nur
eine MdE in Höhe von 10 v.H. Die von allen Sachverständigen übereinstimmend festgestellte Bewegungseinschränkung von 0/0/135-140
für das Kniegelenk rechtfertigt noch nicht einmal eine MdE in Höhe von 10 v.H. (siehe S/M/V, a.a.O., 8.10.6.4.7, Seite 685).
Prof. Dr. P hat auch selbst klargestellt, dass alleine der Beweglichkeitsumfang der betroffenen Gelenke (Kniegelenk und oberes
Sprunggelenk) unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte keine MdE in Höhe von mindestens 20 v.H. zu begründen vermag.