Tatbestand
Streitig ist die nachträgliche Auszahlung von Rente aus abgetretenem Recht.
Der im Juni 1941 geborene, bei der Beklagten versicherte Beigeladene (im Folgenden zunächst: Versicherter) ist verheiratet
und hat eine 1995 geborene Tochter. Ab 1987 bezog er von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die Beklagte hob die
Bewilligung dieser Rente ab dem 1.1.1998 auf. Nach erfolglosem Widerspruch erhob der Versicherte - vertreten durch den Kläger
und den damals mit ihm in einer Bürogemeinschaft zusammenarbeitenden Rechtsanwalt S - mit Klageschrift vom 26.10.2000 Klage
vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg (Aktenzeichen (Az) S 4 KN 304/00).
Am 2.12.2002 legte der Kläger der Beklagten ein ebenfalls unter dem Datum "26.10.2000" verfasstes Schriftstück (im Original)
mit folgendem Wortlaut vor: "Abtretungserklärung Hiermit trete ich, I C, C-Weg 00, F, meine beim Sozialgericht Duisburg am
26.10.00 geltend gemachte Klage-/Nachzahlungsforderung gegen die C C, Vers.-Nr. 000, bis zu einem Betrag von DM 200.000,-
(in Worten zweihunderttausend Deutsche Mark) an Herrn Rechtsanwalt N I, X-straße 00, N, wegen der am Bauvorhaben X-str. 1,
N, 1997 aufgetretenen Baumängel ab. Herr Rechtsanwalt I nimmt die Abtretung an." Es folgen Unterschriften der als Unterzeichner
angegebenen "I C" und "RA I".
Im Mai 2003 bewilligte die Beklagte dem Versicherten Altersrente für Schwerbehinderte (jetzt: Altersrente für schwerbehinderte
Menschen) rückwirkend ab dem 1.10.2001 (Bescheid vom 5.5.2003). Von dem dabei errechneten Nachzahlungsbetrag zahlte sie unter
Bezugnahme auf die vorgelegte Abtretungserklärung im Juni 2003 an den Kläger EUR 183,60 aus.
Mit Urteil vom 5.1.2005 gab das SG der am 26.10.2000 erhobenen Klage im Verfahren S 4 KN 304/00 statt. Die Beklagte bewilligte dem Versicherten deshalb für die Zeit vom 1.1.1998 bis 30.9.2001 nachträglich Rente wegen
Berufsunfähigkeit und errechnete einen Nachzahlungsbetrag von EUR 28.499,84 (Bescheid vom 8.4.2005). Davon zahlte sie die
Hälfte (EUR 14.249,92) an den Versicherten aus. Aus dem Restbetrag befriedigte sie Forderungen anderer Sozialleistungsträger.
Dem Kläger teilte sie mit, eine Auszahlung an ihn erfolge nicht, weil die Pfändungsfreigrenzen des §
850 c Zivilprozessordnung (
ZPO) auch bei Rentennachzahlungen anzuwenden seien; auch aufgelaufene Rentenbeträge unterlägen den Pfändungsfreigrenzen (Schreiben
vom 25.4. und 13.5.2005). Der Kläger machte weiter die Zahlung der "leichtfertig" an den Versicherten "ausgezahlten EUR 15.000"
geltend; eine Pfändungsfreigrenze gelte für die Rentennachzahlung nicht. Zur Begründung bezog er sich auf einen Beschluss
des Landgerichts Siegen (vom 28.2.1990, Az 4 T 41/90). Im Dezember 2005 legte der Kläger der Beklagten eine mit "I C" unterschriebene "Freigabeerklärung" vom 14.12.2005 vor (Freigabe
der gesamten Rentennachzahlungen und Zinsen aus dem Verfahren S 4 KN 304/00) und forderte die Beklagte erneut zur Überweisung "des Guthabens" auf. Die Beklagte antwortete, ein Restbetrag zur Auszahlung
sei nicht verblieben.
Mit seiner Klage vom 10.2.2006 hat der Kläger Zahlung von EUR 14.249,92 begehrt. Der Betrag habe nicht an den Versicherten
ausgezahlt werden dürfen, weil er zuvor bereits an ihn - den Kläger - abgetreten gewesen sei.
Die Beklagte hat gemeint, aus der Nachzahlung stehe ein Restbetrag, der an den Kläger ausgezahlt werden könne, nicht mehr
zur Verfügung. Sie hat dem Kläger indes im Mai 2007 "aufgrund der [ ] Abtretungserklärung vom 26.10.2000" den Zinsanspruch
des Versicherten (errechnet aus den an den Versicherten gezahlten EUR 14.249,92) in Höhe von EUR 2.983,18 überwiesen.
Das SG hat die Klage abgewiesen: Die Abtretung von Ansprüchen auf laufende Geldleistungen sei durch §
53 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) beschränkt. Auch eine Rentennachzahlung betreffe laufende Geldleistungen, auf die §
850 c ZPO anzuwenden sei (im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangenes Urteil vom 9.4.2010, dem Kläger
zugestellt am 9.7.2010).
Mit seiner am 6.8.2010 eingelegten Berufung hat der Kläger vorgetragen, die Nachzahlung habe dem Versicherten nie zum Lebensunterhalt
gedient und dienen können, da der Unterhalt nicht nachträglich durch Zahlungen für die Vergangenheit bestritten werden könne.
Der Versicherte habe seinen Lebensunterhalt im Zeitraum, für den die Nachzahlung erfolge, durch Arbeitseinkommen, Arbeitslosengeld
und Krankengeld bestritten. Da weder der Lebensunterhalt des Versicherten noch Interessen Dritter gefährdet gewesen seien,
sei die Abtretung wirksam.
Mit Beschluss vom 14.1.2011 hat das Gericht den Versicherten zum Verfahren beigeladen (im Folgenden nunmehr: Beigeladener).
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09.04.2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an
ihn 14.249,92 Euro zu zahlen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bezieht sich zur Begründung sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger habe dagegen nichts Erhebliches vorgetragen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er trägt vor, nie Rentenansprüche an den Kläger abgetreten zu haben. Die Abtretungserklärung
vom 26.10.2000 und die Erklärung vom 14.12.2005 seien nicht von ihm unterschrieben worden. Es habe auch keine Baumängel gegeben.
Nachdem er von der Beklagten die Hälfte der Nachzahlung erhalten habe, habe der Kläger gemeint, man könne sich EUR 14.249,92
nochmals holen und untereinander aufteilen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten
und die Akten des Vorprozesses zwischen dem Beigeladenen und der Beklagten (Az S 4 KN 304/00) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass der streitige Zahlungsanspruch nicht besteht.
Die Klage ist zulässig.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß §
51 Abs
1 Nr
1 SGG eröffnet, da auch nach einer Abtretung von Renten(nach)zahlungsansprüchen beim Streit um diese noch eine öffentlich-rechtliche
Streitigkeit vorliegt. Der Kläger macht einen Zahlungsanspruch aus der "Abtretungserklärung" vom 26.10.2000 geltend. Bei dieser
handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, § 53 Abs 1-3 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm §
398 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) analog, der ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts insoweit ändert, als Gläubiger der Rentennachzahlung
der Kläger und nicht mehr der Beigeladene sein soll. Der Annahme eines öffentlich-rechtlichen Vertrages steht dabei nicht
entgegen, dass es sich sowohl beim Kläger als auch beim Beigeladenen nicht um Rechtsträger des öffentlichen Rechts handelt.
Entscheidend für die Qualifizierung des Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten als privat- oder öffentlich-rechtlich
ist vielmehr der Gegenstand der vertraglichen Regelung, hier also die Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Sozialleistungsansprüche;
bei der Abtretung dieser Ansprüche handelt es sich überdies um eine im öffentlichen Recht - nach §
53 SGB I - explizit zugelassene Vertragsgestaltung (vgl BSGE 70, 37ff = SozR 3-1200 § 53 Nr 2).
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft (vgl BSGE 53, 182, 183 f = SozR 1200 § 54 Nr 5; BSGE 64, 17, 19 = SozR 1200 § 54 Nr 13; BSGE 67, 143, 145 = SozR 3-1200 § 52 Nr 1 mwN). Nach der Rechtsprechung des BSG bedarf es in den Fällen, in denen zwischen Abtretungsgläubigern einerseits und Sozialleistungsträgern andererseits über die
Auszahlung von Sozialleistungen nach Abtretungen gestritten wird, keiner Entscheidung der Beklagten gegenüber dem Kläger durch
einen Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X. Eine Regelung durch Verwaltungsakt ist nicht (mehr) erforderlich, weil die rechtsbegründende "Regelung" hier bereits mit
der Abtretung des Rentenanspruchs durch den Beigeladenen erfolgt ist. Mit dieser rechtsgeschäftlichen Verfügung wurde die
Rechtszuständigkeit über die abgetretene Forderung verändert. Der geltend gemachten Auszahlung durch die Beklagte kommt keine
konstitutive Bedeutung mehr zu; sie vollzieht lediglich nach, was der Abtretungsvertrag bewirkt hat.
Die Klage ist allerdings unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von EUR 14.249,92 aus abgetretenem Recht. Er ist nicht aktiv legitimiert, weil
er nicht Inhaber der Forderung des Beigeladenen gegen die Beklagte auf Nachzahlung von Rente wegen Berufsunfähigkeit für den
Zeitraum vom 1.1.1998 bis 30.9.2001 geworden ist. Die Abtretungsvereinbarung hat nicht zu einem Forderungsübergang geführt,
weil sie nicht rechtswirksam zustande gekommen ist. Die besonderen Voraussetzungen des §
53 SGB I, die im Sozialrecht für die Abtretung von Sozialleistungsansprüchen erfüllt sein müssen und damit deren Verkehrsfähigkeit
einschränken, liegen nicht vor.
Der Senat ist allerdings davon überzeugt, dass der Beigeladene und der Kläger unter dem 26.10.2000 einen schriftlichen Abtretungsvertrag
geschlossen haben, der Beigeladene also insbesondere die "Abtretungserklärung" auch unterschrieben hat. Dies entspricht zunächst
der glaubhaften Einlassung des Klägers, der Beigeladene habe am Tag vor der Klageerhebung "nach einigem Hin- und Her und einigen
Wortwechseln" die Abtretung unterzeichnet. Außerdem hat der Beigeladene erstmals 2011 behauptet, die Unterschrift stamme nicht
von ihm. Gleiches gelte für die Unterschrift auf der Freigabeerklärung. Er unterzeichne immer nur mit "C". Dass diese Behauptung
nicht zutrifft, ergibt sich aus zahlreichen aktenkundigen Dokumenten, die belegen, dass der Beigeladene nicht nur mit "C",
sondern auch mit "I C" oder "H. C" unterschreibt (Beispiele finden sich auf Blatt 441, 477, 561, 621, 786, 846, 860 R, 1016,
1114, 1115 der Verwaltungsakten (VA) der Beklagten und auf Blatt 66, 79 der Gerichtsakten). Zudem zeigen die Unterschriften
auf den beiden streitigen Dokumenten schon bei reiner Inaugenscheinnahme an Übereinstimmung grenzende Ähnlichkeit mit der
Unterschrift des Beigeladenen (wie sie sich zB auf Blatt 436 R, 449, 480, 491, 498, 604 VA findet). Entscheidender für die
Überzeugung des Senats ist jedoch der Umstand, dass der Beigeladene das Zustandekommen der Abtretungsvereinbarung erst acht
Jahre, nachdem er (angeblich) zum ersten Mal von ihrer Existenz Kenntnis erlangt hat, bestreitet. Er wurde nämlich bereits
im Juni 2003 von der Beklagten darüber informiert, dass der Kläger ihr gegenüber ein abgetretenes Recht geltend mache und
sie daraufhin EUR 183,60 an den Kläger auszahlen werde. Im Mai 2007 teilte die Beklagte ihm mit, dass sie Zinsen iHv 2.983,18
Euro an den Kläger überweisen werde, da die Abtretungserklärung vom 26.10.2000 vorliege. Wenn der Beigeladene diese tatsächlich
nicht unterschrieben haben sollte, widerspricht es jeder Lebenserfahrung, dass er sich nicht bereits zu diesem Zeitpunkt gegen
die behauptete Abtretung und die Auszahlungen zur Wehr gesetzt hat. Dies umso mehr, als der Beigeladene sich offenbar in einer
sehr angespannten finanziellen Situation befand und - jedenfalls nach seinem jetzigen Vortrag - gar keine Baumängel vorlagen,
sondern im Gegenteil offene Werklohnforderungen bestanden.
Wegen der durch §
53 Abs
2 und
3 SGB I eingeschränkten Verkehrsfähigkeit sozialrechtlicher Leistungsansprüche kann der Kläger auf der Grundlage des mit dem Beigeladenen
geschlossenen Verfügungsvertrags nur Inhaber der streitigen Forderung geworden sein, wenn entweder die Voraussetzungen der
Grundvorschrift des §
53 Abs
2 oder diejenigen der Spezialvorschrift des §
53 Abs
3 SGB I vorliegen. Beides ist nicht der Fall.
Nach §
53 Abs
2 SGB I können Ansprüche auf Geldleistungen (grundsätzlich nur) übertragen und verpfändet werden (1) zur Erfüllung oder zur Sicherung
von Ansprüchen auf Rückzahlung von Darlehen und auf Erstattung von Aufwendungen, die im Vorgriff auf fällig gewordene Sozialleistungen
zu einer angemessenen Lebensführung gegeben oder gemacht worden sind oder (2) wenn der zuständige Leistungsträger feststellt,
dass die Übertragung oder Verpfändung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt. Gemäß §
53 Abs
3 SGB I können (darüber hinaus) Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt
sind, in anderen Fällen übertragen und verpfändet werden, soweit sie den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag
übersteigen. §
53 Abs
3 SGB I gestattet (anders die Vorgängervorschrift des § 119
Reichsversicherungsordnung) eine weitgehende Übertragbarkeit von Ansprüchen auf laufende Sozialleistungen ohne Begrenzung des Kreises der Abtretungsempfänger
und ohne die in Abs 2 vorgesehene Mitwirkung des Sozialleistungsträgers, soweit nicht der durch die Pfändungsfreigrenzen des
§
850c ZPO geschützte Grundbetrag betroffen ist. Die Voraussetzungen des §
53 Abs
3 SGB I liegen entgegen der Auffassung des Klägers nicht vor. Es trifft nicht zu, dass für Rentenzahlungen, die für die Vergangenheit
geschuldet werden, eine andere Wertung gilt als für monatlich geleistete. Der unterhaltsrechtliche Grundsatz "in praeteritum
non vivitur" ist hier nicht einschlägig.
Laufende Geldleistungen sind Leistungen, die regelmäßig oder wiederkehrend für bestimmte Zeiträume gezahlt werden. Ob eine
Leistung der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt ist, hängt von ihrer Höhe und der gesetzlichen Zweckbestimmung
ab, nicht jedoch vom Zahlungs- oder Zuflusszeitpunkt. Bei einer Rente wegen Berufsunfähigkeit handelt es sich nach Zweck und
Höhe um eine laufende, monatlich zu zahlende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Diese Qualifizierung ändert sich
nicht, wenn die Rente nicht (mehr) laufend monatlich ausgezahlt werden kann, sondern in einer Summe (rückwirkend) nachbewilligt
wird. Die Unterhaltssicherungsfunktion der Leistung geht nicht dadurch verloren, dass die Rentenzahlung verspätet oder zusammengefasst
für mehrere Zeitabschnitte nachgezahlt wird (Häusler in: Hauck/Noftz
SGB I. 34. Lieferung Stand 2011. K 53 Rn 35; Lilge in: Berliner Kommentar zum Sozialrecht Sozialgesetzbuch - Band I. 2. Auflage
2009. §
53 Rn 44; Voelske in jurisPK-
SGB I. §
54 Rn 6; Gabbert. "Die Möglichkeiten des Versicherten zur rechtsgeschäftlichen Verfügung über seine Sozialleistungsansprüche"
in: Kompass 11/12 2005 S 13). Es widerspräche im Gegenteil dem Sinn und Zweck des Gesetzes, die Sicherungsfunktion der Geldleistung
(und damit die Schutzbedürftigkeit des Empfängers) davon abhängig zu machen, wann und wie die Leistung gezahlt wird. Der Schutz
des Leistungsempfängers darf nicht davon abhängen, ob der Leistungsträger pünktlich leistet oder die Leistung zu Unrecht verweigert,
und später zur Nachzahlung verpflichtet wird. Denn der (objektiv anspruchsberechtigte) Leistungsempfänger muss den Lebensunterhalt
in der Zeit der Leistungsverweigerung zB durch anderweitige Sozialleistungen, durch Darlehen oder durch Einschränkungen in
der Lebensführung sicherstellen und ist deshalb unter Umständen Rückzahlungsansprüchen oder Verrechnungsansprüchen ausgesetzt.
Der Kläger bleibt eine fundierte Begründung seiner Ansicht, ein solches Normverständnis sei anachronistisch, schuldig.
Die Beklagte hat in der über §
53 Abs
3 SGB I gebotenen entsprechenden Anwendung des §
850 c ZPO den (nicht) pfändbaren Betrag auch zutreffend ermittelt. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte den Grenzbetrag richtig unter
Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtungen des Beigeladenen gegenüber Ehefrau und Tochter nach §
850 c ZPO iVm der für 1998 bis 2001 maßgeblichen Lohnpfändungstabelle (als Anhang zu §
850c ZPO) ermittelt. Der monatliche Wert der Rente (Rentenzahlbetrag) betrug netto (ohne den Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung)
zwischen 1.172,17 DM (ab 1.1.1998) und 1.217,92 DM (ab 1.7.2001). Bereits ohne Unterhaltspflicht war das Nettoeinkommen im
genannten Zeitraum (bis 30.9.2001) erst ab einem Betrag von 1.220 DM pfändbar. Der Beigeladene war überdies in dieser Zeit
zumindest seiner minderjährigen Tochter gegenüber unterhaltspflichtig. Gegen die Berechnung hat der Kläger folgerichtig auch
keine Einwendungen erhoben. Einen Antrag nach §
850c Abs
4 ZPO hat er (beim Vollstreckungsgericht) nicht gestellt.
Die Voraussetzungen des §
53 Abs
2 SGB I sind schon deshalb nicht erfüllt, weil es an einem feststellenden Verwaltungsakt der Beklagten fehlt. Dieses Erfordernis
gilt für beide Alternativen des Abs 2. Ein Tätigwerden des Sozialleistungsträgers ist zwar nur in Abs 2 Nr 2 ausdrücklich
vorgesehen. Die andere Alternative (Nr 1) ist jedoch nur ein besonders hervorgehobener Spezialfall der Nr 2, für den das Erfordernis
gleichermaßen gilt. Die Übertragung von Leistungsansprüchen ist nämlich grundsätzlich für den Sozialleistungsträger rechtlich
bedeutsam, da er einen neuen Gläubiger erhält, wenn die Übertragung wirksam ist. Deshalb ist auch in Fällen der Nr 1 ein feststellender
Verwaltungsakt erforderlich (Häusler in: Hauck/Noftz
SGB I. 34. Lieferung Stand 2011. K §
53 Rn 28; Lilge. aaO § 53 Rn 29 mwN; Seewald in: Kassler Kommentar. § 53 Rn 19; wohl auch Elling. "Abtretung von Sozialleistungen".
NZS 2000, 281, 285). Gleichzeitig ist durch seine Einschaltung gewährleistet, dass der zugunsten des Versicherten bestehende Abtretungsschutz
auch überwacht wird, soweit eine einmalige Leistung oder der ansonsten unpfändbare Teil einer laufenden Sozialleistung betroffen
ist. Fehlt es aber an einer feststellenden Entscheidung des als Schuldner der Sozialleistung zuständigen Sozialleistungsträgers,
ist bereits eine unmittelbare Klage nicht statthaft. Der Kläger hat die von der Beklagten zu treffende Feststellung nicht
beantragt und daher kein Vorverfahren bezüglich eines die Feststellung ablehnenden Verwaltungsakts durchgeführt.
An diesem Ergebnis ändern entgegen der Auffassung des Klägers weder die später vorgelegte Freigabeerklärung des Beigeladenen
noch die Tatsache etwas, dass die Beklagte an den Kläger wegen der Abtretungen Zahlungen vorgenommen hat. Die Freigabeerklärung
hat keine eigenständige rechtsgestaltende Wirkung, verändert insbesondere nicht originär die Forderungszuständigkeit, sondern
bekräftigt allenfalls eine bereits zuvor geschaffene rechtliche Basis für die Auszahlung an einen Dritten. Da es nach dem
zuvor Gesagten an einer solchen Basis (hier: rechtswirksame Abtretung) fehlt, geht die Freigabe ins Leere. Auch die Auszahlung
der Beträge in den Jahren 2003 und 2007 durch die Beklagte stellt insbesondere keine (konkludente) Entscheidung iS von §
53 Abs
2 SGB I dar. Dies gilt schon deshalb, weil beide Forderungen nach dem klaren Wortlaut nicht von der streitigen Abtretungsvereinbarung
erfasst waren. Auch aus dem angeführten Beschluss des LG Siegen lässt sich für das klägerische Begehren nichts herleiten,
weil es dort - in einem Vollstreckungsverfahren - um die Reichweite von § 55 Abs 4
SGB I geht. Das hat mit dem hiesigen Streitgegenstand nichts tun.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz
SGG, 154 Abs
1 und
2 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Senat ist trotz §
144 Abs
4 SGG befugt, (allein) die Kostenentscheidung zu ändern, die das SG unzutreffend auf §§
183,
193 SGG gestützt hat. §
144 Abs
4 SGG erfasst nur Fälle, in denen die Berufung auf die Kostenentscheidung beschränkt wird. Eine - nicht nur pro forma eingelegte
- Berufung in der Hauptsache erfasst aber immer auch die Kostenentscheidung, die auch dann geändert werden kann, wenn die
Berufung in der Hauptsache zurückgewiesen wird (vgl dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer.
SGG. Kommentar. 10. Aufl 2012, §
144 Rdnrn 48 ff). Dies gilt auch, wenn die Änderung - wie hier - zu Ungunsten des Berufungsführers erfolgt (sog "reformatio in
peius"). Das Berufungsgericht, bei dem das Verfahren angefallen ist, hat eine solche Kostenentscheidung wegen der vorrangigen
Ordnungsfunktion objektiven Rechts in solchen Fällen jedenfalls dann zu korrigieren, wenn sie systematisch falsch auf einer
offensichtlich nicht einschlägigen Rechtsgrundlage beruht.
Der Streitwert wird endgültig auf EUR 14.249,92 festgesetzt, § 52 Abs 1 und § 63 Abs 2 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Wenn das Verfahren wegen der Hauptsache in der Rechtsmittelinstanz schwebt, kann die Wertfestsetzung von dem Rechtsmittelgericht
von Amts wegen geändert werden, § 63 Abs 3 S 1 GKG. Davon wird auch die Befugnis des Rechtsmittelgerichts umfasst, den Streitwert erstmalig festzusetzen, wenn das Ausgangsgericht
eine solche Entscheidung gar nicht getroffen hat (Hartmann. Kostengesetze. 41. Auflage 2011. § 63 GKG Rn 47).
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, §
160 Abs
2 SGG. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil für die Entscheidung die konkreten Umstände des Einzelfalls
ausschlaggebend sind.