Aufhebung und Erstattung eines Eingliederungszuschusses
Leistungsbegründendes Ereignis
Begründung eines nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen bestehenden Arbeitsverhältnisses
Sinn und Zweck der Förderung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung und Erstattung eines dem Kläger gewährten Eingliederungszuschusses.
Der Kläger betreibt ein Fuhrunternehmen. Er teilte der Beklagten unter dem 14.11.2003 mit, dass er Herrn I ab 17.11.2003 als
Kraftfahrer beschäftigen werde und beantragte die Gewährung eines Eingliederungszuschusses. Herr I bezog Arbeitslosenhilfe.
Der Kläger legte einen Arbeitsvertrag vom 17.11.2003 vor, aus dem das Einstellungsdatum 17.11.2003, eine regelmäßige Arbeitszeit
von 50 Wochenstunden und ein Gehalt von 1.585 EUR hervorgeht. Die Probe- bzw. Anlernzeit sollte vier Wochen betragen.
Mit Bescheid vom 04.12.2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger einen Eingliederungszuschuss für die Zeit vom 17.11.2003 bis
16.05.2004 in Höhe von 30 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts, einschließlich des pauschalen Arbeitgeberanteils
am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Für den Bewilligungszeitraum wurde dem Kläger ein monatlicher Betrag von 570,60 EUR ausgezahlt.
Das Arbeitsverhältnis mit Herrn I wurde durch fristlose arbeitgeberseitige Kündigung am 10.11.2004 beendet, die später in
eine ordentliche Kündigung zum 31.12.2004 umgewandelt wurde.
Mit Schreiben vom 14.12.2005 unterrichtete das Hauptzollamt E die Beklagte darüber, dass Herr I seine Tätigkeit für den Kläger
bereits am 10.10.2003 und nicht erst am 17.11.2003 aufgenommen habe. Dies gehe aus ausgewerteten Tachoscheiben für den Zeitraum
vom 10.10.2003 bis 14.11.2003 hervor. Die Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 10.01.2006 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe
an Herrn I für die Zeit vom 10.10.2003 bis 16.11.2003 auf. Diese Aufhebungsentscheidung war Streitgegenstand in einem mit
dem Aktenzeichen S 30 AL 62/06 bei dem Sozialgericht Dortmund geführten Verfahren, das durch Klagerücknahme beendet wurde.
Mit Schreiben vom 12.01.2006 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung des Eingliederungszuschusses
für Herrn I nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) an. Der Kläger machte hierzu geltend, der Arbeitnehmer sei nicht vor dem 17.11.2003 beschäftigt gewesen. Er habe lediglich
an verschiedenen Tagestouren unentgeltlich teilgenommen. Dies sei Voraussetzung für die Einstellung des Arbeitnehmers gewesen.
Die auf diesen lautenden Eintragungen auf den Tachoscheiben seien dadurch zu erklären, dass der Bewerber das Fahrzeug auch
sicher steuern können müsse. Dies sei bei den unentgeltlichen Tagestouren überprüft worden. Die Beklagte erließ unter dem
07.02.2006 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, der auf Widerspruch des Klägers mit einem Abhilfebescheid vom 20.02.2006
aufgehoben wurde.
Mit einem weiteren Schreiben vom 20.02.2006 hörte die Beklagte den Kläger nun zu einer beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung
des Eingliederungszuschusses für Herrn I nach § 45 SGB X an. Mit Bescheid vom 21.03.2006 hob die Beklagte die Bewilligung des Eingliederungszuschuss für Herrn I vollständig auf und
verlangte die Erstattung eines Betrages von 3.423,60 EUR. Zur Begründung führte die Beklagte aus, Herr I habe bereits seit
dem 10.10.2003 beim Kläger in einem mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
gestanden. Aus diesem Grunde sei die Bewilligungsentscheidung vom 04.12.2003 rechtswidrig gewesen. Es fehle an der rechtzeitigen
Antragstellung nach §
324 Abs.
1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III), da nach dieser Vorschrift Leistungen der Arbeitsförderung nur erbracht werden könnten, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden
Ereignisses beantragt worden seien. Leistungsbegründendes Ereignis sei der Tag des Abschlusses des Arbeitsvertrages, spätestens
jedoch die Arbeitsaufnahme. Zwar sei der Arbeitsvertrag am 17.11.2003 geschlossen worden, die Arbeitsaufnahme sei jedoch bereits
vorher, nämlich zum 10.10.2003, erfolgt.
Den gegen diesen Bescheid am 18.04.2006 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2006
als unbegründet zurück. Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien weder genannt, noch aus den Unterlagen ersichtlich.
Der angefochtene Bescheid entspreche den gesetzlichen Bestimmungen.
Am 14.06.2006 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Dortmund erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen,
schon Anfang Oktober 2003 im Hinblick auf geplante Maßnahmen zur Eignungsfeststellung und Trainingsmaßnahmen nach §
48 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) für Herrn I Kontakt zur Beklagten aufgenommen zu haben. Die Förderung einer solchen Maßnahme habe die Beklagte abgelehnt
und auf die Möglichkeit des Eingliederungszuschusses nach § 217
SGB III verwiesen. Seinerzeit hätten jedoch erhebliche Bedenken gegen eine sofortige Einstellung des Herrn I bestanden. Insbesondere
im Hinblick auf seine körperlichen Dispositionen sei fraglich gewesen, ob er als Kraftfahrer geeignet sei. Denn Herr I habe
im Oktober 2003 bei einer Körpergröße von 1,70m ein Körpergewicht von mindestens 150kg gehabt. Es sei dann eine Eignungsfeststellung
auf privater Basis durchgeführt worden. Diese habe ursprünglich lediglich zwei Wochen dauern sollen. Wegen erheblicher Defizite
bei dem Arbeitnehmer im Bereich der Ladungssicherung und der Handhabung der Tachoscheiben sei die Maßnahme verlängert worden.
Bei den Trainingsfahrten sei stets ein erfahrener Mitarbeiter des Klägers zugegen gewesen. Der Arbeitnehmer habe die Unentgeltlichkeit
der Trainingsmaßnahmen gekannt und sei damit einverstanden gewesen. Er sei zu keinem Zeitpunkt alleine gefahren, sondern immer
in Begleitung eines erfahrenen Mitarbeiters, insbesondere des Fahrdienstleiters Höfer. Für ihn habe jederzeit die Möglichkeit
bestanden, das Training abzubrechen. Aus diesem Grunde habe auch keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Herrn
I vor dem 17.11.2003 bestanden. Weder habe ein Arbeitsvertrag vorgelegen, noch eine persönliche Abhängigkeit bezüglich Zeit,
Dauer und Ort der Arbeit. Das Arbeitsverhältnis sei fristlos gekündigt worden, da Herr I zum wiederholten Male vorsätzlich
gegen zwingende Vorschriften und Bestimmungen verstoßen habe.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2006 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht einen Arbeitsvertrag oder die
Zahlung von Entgelt voraussetze. Eine Nachfrist nach Maßgabe des §
324 Abs.
1 S. 2
SGB III sei dem Kläger auch nicht einzuräumen, da er die verspätete Antragstellung allein zu vertreten habe. Die Beklagte hat Beratungsvermerke
vorgelegt, aus denen zu ersehen ist, dass der Kläger erstmals am 31.10.2003 telefonisch mit der Beklagten in Verbindung getreten
ist und seine Absicht bekundet hat, den Arbeitnehmer einzustellen. Die Beklagte hat ferner ein Merkblatt zum Eingliederungszuschuss
vorgelegt, das dem Kläger anlässlich der Antragstellung ausgehändigt worden sei.
Mit Beschluss vom 09.10.2006 hat das Sozialgericht wegen des noch nicht abgeschlossenen Strafverfahrens gegen den Kläger das
Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 09.07.2010 ist das Verfahren nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß §
153a der
Strafprozessordnung wieder aufgenommen worden.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 11.03.2015 und dem Verzicht der Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung hat das Sozialgericht mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 26.06.2015 den Bescheid der Beklagten vom 21.03.2006
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2006 aufgehoben. Die Bewilligungsentscheidung vom 04.12.2003 sei nicht rechtswidrig,
insbesondere die Antragstellung des Klägers nach Maßgabe des §
324 Abs.
1 SGB III nicht verspätet. Das leistungsbegründende Ereignis sei erst am 17.11.2003, also nach der am 14.11.2003 erfolgten Antragstellung
des Klägers eingetreten. Denn Voraussetzungen für die Förderung nach § 217 S. 1
SGB III (a.F.) seien das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und die aufgrund des Arbeitsverhältnisses erfolgte Beschäftigung des
Arbeitnehmers (Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 06.04.2006 - B 7a AL 20/05 R -). Dabei sei nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteil vom 13.07.2006 - B 7a AL 16/05 R -) der Begriff des Arbeitsverhältnisses nicht mit dem Beschäftigungsverhältnis
im leistungsrechtlichen Sinne gleichzusetzen. Nach dieser Maßgabe könne man für den Zeitraum vom 10.10.2003 bis 14.11.2003
zwar von einem Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne ausgehen, da Herr I auch in diesem Zeitraum eine verwertbare
Arbeitsleistung für den Kläger erbracht habe. Allerdings handle es sich nicht um eine Beschäftigung aufgrund eines Arbeitsverhältnisses.
Jedenfalls seitens des Klägers sei die Begründung eines Arbeitsverhältnisses vor dem Abschluss der Trainingsfahrten ausdrücklich
nicht gewünscht gewesen. Vielmehr habe durch eine Trainingsphase überhaupt erst die Voraussetzung für ein späteres - störungsfreies
- Arbeitsverhältnis geschaffen werden sollen. Hiervon habe mangels anderweitiger Anhaltspunkte für die Zeit des Trainings
auch der (spätere) Arbeitnehmer I ausgehen dürfen, der immerhin in Kenntnis der Unentgeltlichkeit und fehlender vertraglicher
Regelungen seinerseits für ca. fünf Wochen versucht habe, die für das Arbeitsverhältnis notwendigen Kenntnisse zu erwerben.
Der Bewilligungsbescheid vom 04.12.2003 sei auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig. Insbesondere hätten die Fördervoraussetzungen
des § 217
SGB III a.F. trotz der dem Arbeitsverhältnis vorangegangenen Beschäftigung des Herrn I vorgelegen. Förderungsfähig sei danach der
Arbeitnehmer, der aber nicht arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht sein müsse (Hinweis auf Brandts in Niesel/Brand,
SGB III, 5. Aufl. 2010, § 217 Rn. 8 m.w.N.), da sich eine solche Einschränkung dem Förderungszweck, eine dauerhafte Eingliederung des Arbeitnehmers sicherzustellen,
nicht entnehmen lasse. Die Beklagte könne daher auch nicht auf der Grundlage des § 50 Abs. 1 SGB X die Erstattung des gezahlten Zuschusses verlangen.
Das Urteil ist der Beklagten am 23.07.2015 zugestellt worden.
Am 17.08.2015 hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, bereits ab dem 10.10.2003 habe ein Arbeitsverhältnis
zwischen dem Kläger und Herrn I bestanden. Als Alternative komme lediglich ein so genanntes "Einfühlungsverhältnis" in Betracht.
Dabei handle es sich um eine unverbindliche Kennenlernphase, in der der Arbeitnehmer in den Betrieb aufgenommen werde, ohne
seinerseits Pflichten zu übernehmen oder dem Direktionsrecht des Arbeitgebers zu unterliegen (Hinweis auf Landesarbeitsgericht
[LAG] Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.03.2005 - 4 Sa 11/05 -). Aufgrund des Umfangs und der Regelmäßigkeit der von dem Arbeitnehmer durchgeführten Fahrten an 18 Werktagen mit Fahrtzeiten
zwischen 6:55 Uhr und 16:25 Uhr könne davon jedoch nicht ausgegangen werden. Die Beklagte legt eine Kopie des Widerspruchsschreibens
des Arbeitnehmers gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe vor, in dem dieser ausführt, er habe zwei Wochen
für den Kläger ohne Entlohnung gearbeitet und eine Einarbeitung bekommen. Er sei eingestellt worden, weil er seine Arbeitskraft
unter Beweis gestellt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.06.2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ein Arbeitsverhältnis sei vor dem Abschluss der Trainingsfahrten ausdrücklich nicht gewünscht gewesen. Der Sachverhalt sei
mit dem durch das LAG Schleswig-Holstein entschiedenen Fall nicht vergleichbar, da Herr I im Gegensatz zu dem dortigen Arbeitnehmer
unentgeltlich und in Begleitung gefahren sei. Herr I habe die Maßnahme jederzeit abbrechen können. Es habe sich um eine Eignungsfeststellung
auf privater Basis gehandelt, die aufgrund der besonderen Situation des Arbeitnehmers länger als üblich gedauert habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte,
die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die ebenfalls beigezogenen Akten aus dem vor dem Sozialgericht Dortmund
geführten Verfahren des Herrn I (S 30 AL 62/06). Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Dortmund vom 26.06.2015 ist begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
Die Klage ist zulässig. Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist der von dem Kläger angegriffene Aufhebungs- und
Erstattungsbescheid 21.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2006, mit dem die Beklagte die Bewilligung
von Eingliederungszuschuss für Herrn I vollumfänglich aufgehoben und den Kläger zur Erstattung von 3.423,60 EUR verpflichtet
hat. Statthafte Klageart ist die (isolierte) Anfechtungsklage, §
54 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Die von dem Kläger erhobene Klage ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid der Beklagten vom 21.03.2006
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2006 zu Unrecht aufgehoben, weil er rechtmäßig ist und den Kläger nicht im
Sinne des §
54 Abs.
2 SGG beschwert.
Als Eingriffsgrundlage kommt allein § 45 Abs. 1 SGB X in Betracht. Danach darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet
oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen
der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger
begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts
vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 S. 1 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte unter anderem dann nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die
der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB X).
Die oben genannten Voraussetzungen liegen vor. Bei dem Bewilligungsbescheid vom 04.12.2003, mit dem Kläger Eingliederungszuschuss
gewährt wurde, handelt es sich um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts
steht der Rechtmäßigkeit der Bewilligungsentscheidung §
324 Abs.
1 SGB III entgegen, wonach Leistungen der Arbeitsförderung nur erbracht werden, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses
beantragt worden sind.
Zu Recht stellt die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden hinsichtlich des leistungsbegründenden Ereignisses auf den 10.10.2003,
also den Tag der Arbeitsaufnahme des Herrn I ab. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt waren die Voraussetzungen für die Förderung
nach dem hier einschlägigen § 217 S. 1
SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung (a. F.) des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24.03.1997 (BGBl. I,
S. 594) erfüllt. Nach der genannten Vorschrift können Arbeitgeber zur Eingliederung von förderungsbedürftigen Arbeitnehmern Zuschüsse
zu den Arbeitsentgelten zum Ausgleich von Minderleistungen erhalten. Förderungsbedürftig sind Arbeitnehmer, die ohne die Leistung
nicht oder nicht dauerhaft in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können.
Bereits aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich, dass auf die Begründung eines nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen bestehenden
Arbeitsverhältnisses abzustellen ist. Dafür sprechen neben der Verwendung der Begriffe "Arbeitgeber" und "Arbeitnehmer" die
Bestimmungen über die Rückzahlung des Eingliederungszuschusses in den § 223 Abs. 2 S. 2 Nrn. 1 u. 2
SGB III a. F., die ausdrücklich an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen. Die so verstandene Regelung steht überdies
im Einklang mit Sinn und Zweck der Förderung, die auf die Eingliederung in das Arbeitsleben abzielt. Diese wird in der Regel
mit der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses erreicht (vgl. Heinz in: Mutschler/Schmidt-de Caluwe/Coseriu (Hg.),
SGB III, 6. Auflage 2017, §
88 Rn. 37ff. m. w. N.).
Die durch das Sozialgericht vorgenommene Differenzierung zwischen einem Arbeitsverhältnis und einem Beschäftigungsverhältnis
im leistungsrechtlichen Sinne geht es am Fall vorbei. Denn entgegen der Ansicht des Sozialgerichts wurde bereits mit der Arbeitsaufnahme
des Herrn I am 10.10.2003 ein Arbeitsverhältnis zu dem Kläger begründet.
Entscheidend für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist die Erbringung einer Leistung gegen Entgelt. §
611 Abs.
1 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) bestimmt als gegenseitige Hauptpflichten eines Dienstvertrages einerseits die Leistung der versprochenen Dienste, andererseits
die Gewährung der vereinbarten Vergütung. §
611a Abs.
1 BGB konkretisiert dies für den Arbeitsvertrag dahingehend, dass der Arbeitnehmer zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter
Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit
betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen
kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung,
ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen (§
611 Abs.
1 S. 5
BGB).
Der Kläger und Herr I haben zwar keine Vereinbarung über die Zahlung eines Entgelts für die Zeit vom 10.10.2003 bis 14.11.2003
getroffen, sodass grundsätzlich zunächst die Unentgeltlichkeit gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses spricht. Zu
beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass gemäß §
612 Abs.
1 BGB eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen Vergütung erwartet
werden kann und bei fehlender Vereinbarung über die Höhe die übliche Vergütung als vereinbart gilt (§
612 Abs.
2 BGB). Die fehlende Vereinbarung über die Zahlung eines Arbeitslohns für die Zeit der - von dem Kläger so bezeichneten - Eignungsfeststellung
auf privater Basis steht einem Vergütungsanspruch des Herrn I damit nicht entgegen. Dem Umstand, dass Herr I selbst in dem
ihn betreffenden Verfahren vor dem Sozialgericht angegeben hat, nur zwei Wochen unentgeltlich für den Kläger gearbeitet zu
haben, muss der Senat deshalb nicht weiter nachgehen. Nämlich selbst dann, wenn der Kläger und der seinerzeit noch Arbeitslosenhilfe
beziehende Arbeitnehmer I eine entsprechende Abrede zur Eignungsfeststellung mit einer Dauer von 14 Tagen auf privater Basis
ohne Anspruch auf Arbeitslohn, Zahlung von Sozialversicherungsabgaben und Steuern getroffen haben sollten, war diese Vereinbarung
angesichts ihres erheblichen Umfangs (dazu gleich) gem. §§ 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG), 134
BGB unwirksam und ein Entgeltanspruch des Arbeitnehmers gleichwohl begründet.
Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ist zur Beurteilung des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses in erster Linie
auf die Eingliederung des Herrn I in den Betrieb des Klägers in dem hier entscheidenden Zeitraum vom 10.10.2003 bis 14.11.2006
abzustellen. An der Eingliederung in den Betrieb und damit an einem Arbeitsverhältnis fehlt es ausnahmsweise bei einem sog.
"Einfühlungsverhältnis". Ein Einfühlungsverhältnis ist ein loses Rechtsverhältnis eigener Art. Es besteht darin keine Verpflichtung
zur Arbeitsleistung. Eine bestimmte Arbeitszeit muss nicht eingehalten werden. Im Gegensatz zum Arbeitsvertrag unterliegt
derjenige, der in den Betrieb aufgenommen wird, um sich "einzufühlen", nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Das Einfühlungsverhältnis
ist als Kennenlernphase anzusehen, die von beiden Seiten jederzeit abgebrochen werden kann. Charakterisierend sind damit die
fehlende Eingliederung in den Betrieb und die fehlende Arbeitspflicht (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.07.2007 - 9 Sa 598/07 - [...] Rn. 31; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.04.2007 - 13 Sa 129/05 - [...] Rn. 25; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.03.2005 - 4 Sa 11/05 - [...] Rn. 24). Weitere Kriterien können Nutzung der Betriebsmittel des Arbeitgebers und die Rücksichtnahme auf die zeitlichen
Vorgaben sowie die Verfügbarkeit einweisender Mitarbeiter sein (LAG Düsseldorf a. a. O.)
Auf eine Eingliederung in den Betrieb des Klägers deutet bereits der Umstand hin, dass Herr I in dem hier entscheidenden Zeitraum
Fahrzeuge des Klägers genutzt hat und sich nach zeitlichen Vorgaben und der Verfügbarkeit des Fahrdienstleiters richten musste.
Allerdings hat das LAG Schleswig-Holstein in der oben zitierten Entscheidung, der ebenfalls eine "Kennenlernphase" vor Abschluss
eines Arbeitsvertrages als Kraftfahrer zugrunde lag, das Ende des Einfühlungsverhältnisses und die Eingliederung in den Betrieb
zu dem Zeitpunkt angenommen, zu dem der dortige Kläger nicht mehr mit einem Kollegen fuhr, sondern ihm eigene Touren zugewiesen
wurden (a. a. O., Rn. 26). Dies war zwar nach dem Vortrag des Klägers in der Zeit vom 10.10.2003 bis 14.11.2003 nicht der
Fall. Der Senat braucht an dieser Stelle nicht zu entscheiden, ob den Angaben des Klägers, denen zufolge hauptsächlich sein
Fahrdienstleiter, aber auch andere erfahrene Mitarbeiter während des gesamten Zeitraums den Kläger begleitet hätten, Glauben
zu schenken ist. Es bestehen diesbezüglich zumindest gewisse Zweifel, da der Senat es für schwer nachvollziehbar hält, dass
gerade ein so wichtiger Mitarbeiter des Klägers wie sein Fahrdienstleiter über einen derart langen Zeitraum zur Einweisung
eines potentiellen Arbeitnehmers abgestellt gewesen sein soll und für seine originären Aufgaben nicht zur Verfügung stand.
Letztlich kommt es darauf indes nicht an. Denn entscheidende Bedeutung kommt bei der Abgrenzung des Einfühlungsverhältnisses
zum Arbeitsverhältnis der zeitlichen Komponente zu. Zur Vermeidung von Missbrauchsmöglichkeiten darf eine - ohne den Schutz
des Arbeitrechts absolvierte - Kennenlernphase in der Regel nicht länger als eine Woche dauern (vgl. Preis in: Müller-
Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Auflage 2017, §
611 BGB Rn. 159 m. w. N.).
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass bei Herrn I zunächst wegen seiner körperlichen Konstitution erhebliche
Zweifel am Bestehen der für den konkreten Arbeitsplatz erforderlichen Leistungsfähigkeit bestanden haben sollen und sich später
dann nach den Angaben des Klägers noch Trainingsbedarf im Umgang mit Tachoscheiben und beim Sichern von Ladung zeigte. Diese
Defizite rechtfertigen zur Überzeugung des Senats jedoch keineswegs eine Ausdehnung des Einfühlungsverhältnisses auf fünf
Wochen. Primäres Ziel des Einfühlungsverhältnisses ist nämlich nicht etwa die Einarbeitung oder gar Ausbildung eines künftigen
Arbeitnehmers, das Einfühlungsverhältnis soll vielmehr - wie oben ausgeführt - dem beiderseitigen Kennenlernen dienen und
sowohl dem Arbeitgeber einen Eindruck von der Person des Bewerbers als auch dem Bewerber einen Eindruck von Betrieb und konkretem
Arbeitsplatz vermitteln und so als Entscheidungsgrundlage für das Eingehen eines Arbeitsverhältnisses dienen. Dazu musste
eine Woche auch im Fall des Herrn I genügen. Einarbeitung, Aus- oder Weiterbildung finden indes regelmäßig in der Zeit nach
Begründung eines Arbeitsverhältnisses statt, so sah der letztlich von dem Kläger mit Herrn I abgeschlossene Arbeitsvertrag
auch konsequenterweise noch eine weitere vierwöchige Probe- und Anlernzeit vor. Ein Bedürfnis, Herrn I davor noch fünf Wochen
unbezahlt eine "private Eignungsfeststellung" durchlaufen zu lassen, hat nicht bestanden. Auch betriebliche Interessen des
Klägers vermögen eine derartige Umgehung des arbeitsrechtlichen Schutzes für Herrn I nicht zu rechtfertigen. Denn die Förderung
durch den Eingliederungszuschuss dient schließlich gerade dem Ausgleich von Minderleistungen und trägt damit auch einem ggfs.
höheren Einarbeitungs- oder Überwachungsaufwand des Arbeitgebers Rechnung.
Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauen berufen, da er jedenfalls grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht hat, indem er
die Arbeitsaufnahme des Herrn I auf den 17.11.2003 datiert hat. Die zu Unrecht erbrachten Leistungen in Höhe von 3.423,60
EUR sind gemäß § 50 SGB X zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1,
2 SGG) bestehen nicht.