Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende
Rechtmäßigkeit der Anwendung des Leistungsausschlusses für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche auch bei abgeleitetem
Aufenthaltsrecht der Eltern durch Wahrnehmung der elterlichen Sorge für ein freizügigkeitsberechtigtes Schulkind
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Erbringung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige, die im September 2014 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind.
Die Antragstellerin zu 1. und der Antragsteller zu 2. sind seit dem 19.8.2015 verheiratet. Die Antragstellerinnen zu 3 (geboren
2001) und 4 (geboren 2005) sind die leiblichen Kinder der Antragstellerin zu 1. und besuchen die Schule, die Antragstellerin
zu 3. die Klasse 9b der L Grund- und Realschule plus B (Schulbescheinigung vom 2.6.2016) und die Antragstellerin zu 4. die
Klasse 4a der Grundschule am L (Schulbescheinigung vom 2.6.2016). Die Antragsteller wohnen zusammen in M zu einer monatlichen
Gesamtmiete von € 385,--. Der Antragsteller zu 2. war vom 18.5.2015 bis zum 30.12.2015 als Möbel- und Küchenmonteur / Umzugshelfer
zu einer monatlichen Bruttovergütung von € 1.360,-- beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis hat er am 30.12.2015 gekündigt
(Bestätigung der Kündigung durch den früheren Arbeitgeber D T vom 21.4.2016). Als Grund für die Kündigung hat der Antragsteller
zu 2. dem Antragsgegner mitgeteilt, dass sich sein Arbeitgeber nicht an die abgemachten Vereinbarungen gehalten habe; insbesondere
habe er statt der vereinbarten acht Stunden täglich fast 13 Stunden und mehr ohne zusätzliche Bezahlung arbeiten müssen.
Bereits am 28.5.2015 hatten die Antragsteller Leistungen nach dem SGB II beim Antragsgegner beantragt, der aber lediglich dem Antragsteller zu 2. für den Monat Mai 2015 Leistungen bewilligt und
den Antrag im Übrigen abgelehnt hat.
Einen erneuten Antrag vom 19.2.2016 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 11.5.2016 ab: Die Antragsteller hätten lediglich
ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitssuche und als Familienangehörige von Arbeitsuchenden und seien daher nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Die Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU wirke bei einer Beschäftigung von weniger als einem Jahr Beschäftigung nach § 2 Abs. 3 Satz
2 dieses Gesetzes nur bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit für sechs Monate fort. Der Antragsteller zu 2. habe sein Beschäftigungsverhältnis
durch Eigenkündigung aber freiwillig beendet. Über den hiergegen am 17.5.2016 erhobenen Widerspruch hat der Antragsgegner
noch nicht entschieden.
Auf den am 19.5.2016 eingegangenen Antrag hat das Sozialgericht Mainz den Antragsgegner durch Beschluss vom 7.6.2016 (dem
Antragsgegner zugestellt am 14.6.2016) im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, "den Antragstellern ab dem 19.5.2016
bis zum 31.7.2016 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren und auszuzahlen, längstens bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache":
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund seien vorliegend ausreichend glaubhaft gemacht. Die Antragsteller erfüllten grundsätzlich
die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 und § 19 SGB II. Insbesondere seien sie hilfebedürftig iSd § 9 SGB II und erwerbsfähig iSd § 8 SGB II. Sie seien auch nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen ausgeschlossen, denn ihr Aufenthaltsrecht folge nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. Zwar sei dem
Antragsgegner zuzugeben, dass der Arbeitnehmerstatus des Antragstellers zu 2. nicht aufgrund der bis zum 30.12.2015 ausgeübten
Beschäftigung weiter fortwirke, da er die Kündigung selbst ausgesprochen habe und die Arbeitslosigkeit daher nicht unfreiwillig
im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU sei. Wie aber der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II - und dem folgend die Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R, [...] RdNr. 27 mwN) - bereits besage, müsse das Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche das einzige einschlägige Aufenthaltsrecht
sein, damit der Ausschluss greife. Bereits das Vorliegen der Voraussetzungen für ein anderes materiell bestehendes Aufenthaltsrecht
als ein solches zum Zweck der Arbeitsuche hindere sozialrechtlich die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein
aus dem Zweck der Arbeitsuche" (BSG aaO).
Die Antragsteller könnten sich auf ein solches anderes Aufenthaltsrecht berufen, nämlich - direkt im Falle der Antragstellerinnen
zu 3. und 4. und abgeleitet im Fall der Antragsteller zu 1. und 2. - aus der unionsrechtlichen Regelung des Art. 10 der VO
(EU) Nr. 492/2011. Nach dieser Vorschrift könnten die Kinder von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet
eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt sei oder beschäftigt gewesen sei, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats
wohnten, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an
der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen. Wie der EuGH zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung in Art. 12 der VO (EWG)
Nr. 1612/68 entschieden habe, gebe dieses Recht nicht nur dem Kind ein Aufenthaltsrecht, sondern daraus abgeleitet auch dem
Elternteil, der die elterliche Sorge für das Kind tatsächlich wahrnehme, ohne dass er die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38/EG erfüllen müsse (EuGH, Urt. v. 23.2.2010, C-480/08, [...] RdNr. 36, 49 und 52). Dass der Status des Arbeitnehmers mittlerweile entfallen sei, sei dabei ohne Belang (EuGH aaO,
RdNr. 37, 49). Ein solches Aufenthaltsrecht schließe die Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aus (BSG aaO, RdNr. 31 ff.). Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt.
Der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen (Beschl. v. 15.1.2016 - L 15 AS 226/15 B ER, [...]), auf die sich der Antragsgegner berufe, könne nicht gefolgt werden (Hinweis zur Kritik auf: Leopold in: Schlegel/Voelzke,
jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 7, RdNr. 99.2). Ausnahmevorschriften wie § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II seien grundsätzlich eng auszulegen.
Hiergegen richtet sich die am 11.7.2016 bei Gericht eingegangene Beschwerde des Antragsgegners: Der Schulbesuch eines bulgarischen
Kindes löse keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen aus. Es bestehe durch den Schulbesuch kein Aufenthaltsrecht der Eltern, das dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entgegenstehe. Die Voraussetzungen für ein anderes, zu einer Gewährung von Leistungen nach dem SGB II führendes Aufenthaltsrecht nach dem Feizügigkeitsgesetz/EU oder dem Aufenthaltsgesetz liege durch den Wegfall des Arbeitnehmerstatus nicht vor. Zwar hätten Kinder von EU-Bürgern Anspruch auf den Schulbesuch
und daher auch ein Aufenthaltsrecht. In der Folge dürften auch die Eltern für die Zeit des Schulbesuchs der Kinder bleiben.
Dies führe aber nicht dazu, dass die Familie dann einen Anspruch auf SGB II-Leistungen habe. Ein aus dem Schulbesuch resultierendes Aufenthaltsrecht stehe der Annahme, dass die Eltern sich lediglich
zur Arbeitssuche im Inland aufhielten, nicht entgegen. Der Schulbesuch des Kindes sei Folge und nicht Ursache der Einreise
und Arbeitsaufnahme des Elternteils. Es würde dem Sinn und Zweck der Vorschriften des Freizügigkeitsgesetzes/EU und des §
7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zuwider laufen, wenn nach Wegfall des anspruchsbegründenden Lebenssachverhalts (hier: Arbeitnehmerstatus der Kindesmutter)
ein Lebenssachverhalt (hier: Schulbesuch des Kindes) anspruchsbegründend wäre, der für sich allein genommen bei Einreise keinen
anderweitigen Aufenthaltsstatus begründetet hätte.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 7.6.2016 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht zur vorläufigen Erbringung von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II verpflichtet. Denn ein Anordnungsanspruch ist im vorliegenden Fall nicht glaubhaft gemacht.
1. Die Antragsteller sind seit dem 1.1.2016 nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Danach sind ausgeschlossen "Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck
der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen". Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt: Das Aufenthaltsrecht
jedenfalls des Antragstellers zu 2. kann sich seit dem 1.1.2016 allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergeben (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a FreizügG/EU). Die Antragsteller zu 1., 3. und 4. haben ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 3 FreizügG/EU).
a) Auf ein weiteres Aufenthaltsrecht iSd § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II können sich die Antragsteller nicht berufen. Ein solches folgt - entgegen der Ansicht des Sozialgerichts - insbesondere nicht
aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 (früher Art. 12 VO [EWG] Nr. 1612/68). Unabhängig davon, ob das aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011
(der nur von "Kindern eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt
ist oder beschäftigt gewesen ist" spricht) folgende Aufenthaltsrecht auch für Stiefkinder gilt (so LSG Berlin-Brandenburg,
Beschl. v. 1.7.2016 - L 26 AS 1421/16 B ER, [...] RdNr. 9), handelt es sich hierbei jedenfalls um ein abgeleitetes Recht als Familienangehöriger, das kein weiteres
Aufenthaltsrecht iSd § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vermittelt:
aa) Die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfordert eine Prüfung des Grundes bzw. der Gründe für eine im streitigen Leistungszeitraum bestehende Freizügigkeitsberechtigung
nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU oder - nach dem Günstigkeitsvergleich nach § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU - eines Aufenthaltsrechts nach dem Aufenthaltsgesetz (so im Ansatz auch BSG, Urt. v. 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R, SozR 4-4200 § 7 Nr. 46, [...] RdNr. 27 mwN). Vom Ausschlusstatbestand in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfasst werden demgegenüber nur (originäre) Aufenthaltsrechte von Freizügigkeitsberechtigten iSd § 24 Abs. 2 und § 14 Abs. 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG und keine abgeleiteten Aufenthaltsrechte als Familienangehöriger.
bb) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift: Dieser normiert einen Leistungsausschluss für "Ausländerinnen und
Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen". Aus der
gesonderten Nennung der "Familienangehörigen" folgt zum einen, dass deren abgeleitetes Aufenthaltsrecht nicht bereits von
dem im Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zuvor genannten "Aufenthaltsrecht" erfasst sein soll. Zum anderen folgt daraus aber auch, dass Familienangehörige mit einem
abgeleiteten Aufenthaltsrecht ebenfalls von dem Leistungsausschluss erfasst sein sollen.
cc) Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, wie er aus der Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses
für Arbeit und Soziales (BT-Drs. 16/688, S. 13) klar zum Ausdruck kommt: Danach soll mit der Neufassung des (damaligen) §
7 Abs. 1 Satz 2 SGB II (heute § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II) Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG umgesetzt werden, wonach im nationalen Recht Personen und ihre Familienangehörigen vom Bezug sozialer Leistungen ausgeschlossen
werden können, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein auf den Zweck der Arbeitssuche gründet. Nach Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen
dieser Status erhalten bleibt, Unionsbürgern, die in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit
zu suchen und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren
Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b (d. h, solange sie nicht nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und
dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden) einen Anspruch u. a. auf Sozialhilfe zu gewähren. Auch hieraus
ist zu entnehmen, dass abgeleitete Aufenthaltsrechte als Familienangehörige nicht als weitere - zum Bezug von Leistungen nach
dem SGB II berechtigende - Aufenthaltsrechte gelten sollen.
dd) Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 15.9.2015 - C 67/14 - Alimanovic, [...] RdNr. 49; Urt. v. 11.11.2014 - C-333/13 - Dano, [...] RdNr. 69). Der EuGH hat in der Entscheidung vom 15.9.2015 (aaO) unter Verweis auf die Entscheidung vom 11.11.2014
(aaO) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Unionsbürger hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen eine Gleichbehandlung
mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats nur verlangen kann, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Staates
die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt. Eine Gleichsetzung der auf der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 basierenden - abgeleiteten - Aufenthaltsrechte mit den
bei Versagung des Zugangs zu Sozialleistungen zu einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG führenden Aufenthaltsrechten nach Art. 7 Abs. 3 Buchstabe c oder Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG hat der EuGH in dieser Entscheidung nicht einmal erwogen und ist damit dem darauf gestützten Schlussantrag des Generalanwalts
beim EuGH vom 26.3.2015 in der Rechtssache C-67/14 ([...], RdNr. 119 ff.) nicht gefolgt (vgl. hierzu auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 15.1.2015 - L 15 As 226/15 B
ER, [...] RdNr. 13). Entgegen der Auffassung des Generalanwalts ist das vom EuGH aus Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011
(früher Art. 12 der Verordnung [EWG] Nr. 1612/68) abgeleitete Aufenthaltsrecht der Kinder (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 23.2.2010
- C-480/08 - Teixeira, [...] RdNr. 39, 46; Urt. v. 17.9.2002 - C-413/99 - Baumbast und R, [...] RdNr. 63, 75, 94; Urt. v. 23.2.2010 - C 310/08 - Ibrahim, [...] RdNr. 29, 31, 42 f., 52, 56, 59) nicht "allein an das Recht auf Zugang zur Ausbildung gebunden" (so aber
der Schlussantrag vom 26.3.2015 in der Rechtssache C-67/14, [...] RdNr. 120), sondern jedenfalls auch an den Arbeitnehmerstatus eines Elternteils des Kindes, der zumindest zu Beginn
des Schulbesuchs bestanden haben muss. Es handelt sich daher um ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger.
ee) Bestätigt wird dies - worauf das BSG im Urt. v. 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R ([...] RdNr. 32 mwN) auch hinweist - durch Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG - im deutschen Recht umgesetzt durch § 3 Abs. 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU: Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bestimmt, dass "der Wegzug des Unionsbürgers aus dem Aufnahmemitgliedstaat oder sein Tod weder für seine Kinder noch für
den Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, zum Verlust des Aufenthaltsrechts führt. §
3 Abs. 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (überschrieben mit "Familienangehörige") spricht ausdrücklich vom "Unionsbürger, von
dem (die Kinder) ihr Aufenthaltsrecht ableiten". Jedenfalls bis zum Wegzug oder dem Tod des "Unionsbürgers" handelt es sich
bei dem Aufenthaltsrecht zum Schulbesuch folglich um ein abgeleitetes Recht als Familienangehöriger.
b) Begründet das nach Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 aus dem früheren Arbeitnehmerstatus des Antragstellers zu 2.
abgeleitete Aufenthaltsrecht der Antragstellerinnen zu 3. und 4. als Familienangehörige damit kein weiteres Aufenthaltsrecht
iSd § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, unterfallen damit sowohl der Antragsteller zu 2., dessen jetziges Aufenthaltsrecht nunmehr allein aus der Arbeitsuche folgt
(oder folgen kann), als auch seine Familienangehörigen, die Antragstellerinnen zu 1., 3. und 4. dem Ausschlusstatbestand des
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
2. Das Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 2. als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU wirkte auch nicht über den 30.12.2015 hinaus fort, da die Arbeitslosigkeit nicht unfreiwillig eintrat (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 FreizügG/EU), sondern der Antragsteller zu 2. sein Beschäftigungsverhältnis selbst gekündigt hat.
3. Der Leistungsausschluss verstößt - wie der Senat bereits entschieden hat (Beschlüsse v. 11.2.2016 - L 3 AS 668/15 B ER, [...] RdNr. 18 ff. und v. 5.11.2015 - L 3 AS 479/15 B ER, [...] RdNr. 20 ff.) - weder gegen europäisches Unionsrecht (EuGH, Urteil vom 15.9.2015 - C-67/14), noch gegen das
Grundgesetz.
a) Das
Grundgesetz gebietet nicht die Gewährung bedarfsunabhängiger, voraussetzungsloser Sozialleistungen (BVerfG, Beschl. v. 7.7.2010 - 1 BvR 2556/09, [...] Rz. 13). Vielmehr liegt es in der politischen Verantwortung des parlamentarischen Gesetzgebers im Rahmen des ihm zustehenden
Gestaltungsspielraums zu bestimmen, welche Leistungen in welcher Höhe zur Existenzsicherung gewährt werden und die hierbei
erforderlichen Wertungen vorzunehmen. Die bestehenden Regelungen zur Gewährung von Leistungen zur Existenzsicherung sind mit
dem Grundrecht des Antragstellers auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art.
1 Abs.
1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip aus Art.
20 Abs.
1 GG vereinbar. Er kann darauf verwiesen werden, Leistungen seines Heimatlandes zur Sicherung seines Lebensunterhaltes in Anspruch
zu nehmen oder von seinem Freizügigkeitsrecht innerhalb des Hoheitsgebiets der EU Gebrauch zu machen. Mit dem Leistungsausschluss
für EU-Ausländer, die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, hat der Gesetzgeber den Nachrang
des Deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden
(so auch LSG Bayern, Beschluss vom 13.10.2015 - L 16 AS 612/15 ER und LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.06.2015 - L 1 AS 2338/15 ER-B). Auch der aus dem gesetzlichen Leistungsausschluss resultierende faktische Zwang ins Herkunftsland zurückkehren oder
in einen anderen Mitgliedstaat reisen zu müssen, weil es ihm nicht möglich ist, seinen Lebensunterhalt in der Bundesrepublik
Deutschland sicherzustellen, stellt keine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
dar. Die Situation ist vergleichbar mit der von Auszubildenden und Studenten, die ihre Arbeitskraft für ihren Lebensunterhalt
einsetzen müssen (so zu Recht und überzeugend LSG Bayern, a.a.O., unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des BVerfG zu den
Leistungsausschlüssen für Studenten und Auszubildende gemäß § 7 Abs. 5 SGB II vom 3.9.2014 - 1 BvR 1768/11 und vom 8.10.2014 - 1 BvR 886/11). Aus diesen Gründen verstößt auch der Ausschluss von Kindern eines vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II betroffenen EU-Bürgers von bedarfsabhängigen Sozialleistungen nicht gegen das
Grundgesetz. Denn das
Grundgesetz gebiete nicht, den Kindern von nicht Leistungsberechtigten EU-Bürgern den Schuldbesuch in Deutschland durch Gewährung von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu ermöglichen.
b) Der dem
Grundgesetz verpflichtete Gesetzgeber hat auch keine aus Art.
1 Abs.
1 GG i.V.m. Art.
20 Abs.
1 GG resultierende verfassungsrechtliche Pflicht über die bereits getroffenen Regelungen hinaus jedem Menschen, der sich - aus
welchen Gründen auch immer, also legal oder illegal - in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, voraussetzungslose Sozialleistungen
(vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.7.2010 - 1 BvR 2556/09, [...] Rz. 13) zu gewähren und die drei heutigen Existenzsicherungssysteme, deren verfassungsrechtlicher Kern das Grundrecht
auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art.
1 Abs.
1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art.
20 Abs.
1 GG ist, um eine weitere Regelung zu ergänzen (vgl. zur Handlungspflicht des Gesetzgebers BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.10.1995
- 1 BvR 1348/95). Wie bereits ausgeführt, liegt es in der politischen Verantwortung des parlamentarischen Gesetzgebers im Rahmen seiner insoweit
grundsätzlich freien Entscheidung zu bestimmen, welche Sozialleistungen in welcher Höhe gewährt werden und die hierbei erforderlichen
Wertungen vorzunehmen.
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen, die das BVerfG in seiner Entscheidung vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 für die nach dem
AsylbLG zu gewährenden Leistungen aufgestellt hat. Insbesondere ist hieraus nicht der Schluss zu ziehen, das BVerfG habe hier grundlegend
entschieden, dass jeder Mensch, der - aus welchen Gründen auch immer - in die Bundesrepublik Deutschland einreist und sich
hier aufhält, generell und voraussetzungslos über die bereits bestehenden Existenzsicherungssysteme Anspruch auf (dauerhafte)
staatliche Leistungen zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums unmittelbar aus der Verfassung hat. Abgesehen
davon, dass ausdrücklich nur über § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und §
3 Abs.
2 Satz 3 i.V.m. Abs.
1 Satz 4
AsylbLG sowie §
3 Abs.
2 Satz 2 Nr.
2 und Nr.
3 und §
3 Abs.
2 Satz 3 i.V.m. Abs.
1 Satz 4 Nr.
1 des
AsylbLG (jeweils in der Fassung der Bekanntmachung vom 5.8.1997 (BGBl. I S. 2022) entschieden wurde, ergibt sich insbesondere aus der Begründung, dass diese Erwägungen nicht allgemein zu verstehen sind,
sondern mit Blick auf die konkrete Fragestellung, nämlich, ob die nach dem AsylblG für diesen Personenkreis zu gewährenden
Leistungen unter Berücksichtigung von Art.
1 Abs.
1 GG i.V.m. Art
20 Abs.
1 GG ausreichen, die entsprechenden Regeln also verfassungsgemäß sind (vgl. hierzu aaO, [...] RdNr. 68, 95).
3. Ein Anordnungsanspruch ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Da folglich eine Leistungspflicht des Trägers der Sozialhilfe nicht ernsthaft in Betracht kommt, war dieser im vorliegenden
Verfahren auch nicht nach §
75 Abs.
2 SGG beizuladen.
a) Es kann hierbei letztendlich offen bleiben, ob die Antragsteller bereits deswegen nach § 21 Satz 1 SGB XII von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen sind, weil die Antragsteller zu 1. und 2. als erwerbsfähige Hilfebedürftige vom Grundsatz her alle Voraussetzungen
des Leistungsanspruchs nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen und daher "nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige (...) dem Grunde nach leistungsberechtigt" sind (vgl. zum Meinungsstand
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.5.2014 - L 8 SO 129/14 B, [...] RdNr. 13 ff.). Hierfür sprechen neben dem Wortlaut
der Vorschrift vor allem Sinn und Zweck sowie der Wille des Gesetzgebers, wie er in der Begründung des Entwurfs der Fraktionen
SPD und Bündnis 90/Die Grünen eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 5.9.2003 klar
zum Ausdruck kommt (BT-Drucks. 15/1514, S. 57):
"Die Regelung setzt nicht voraus, dass jemand tatsächlich Leistungen des anderen Sozialleistungsträgers erhält oder voll erhält,
sondern knüpft an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichnete Angehörige an".
Denn jedenfalls bestünde auch bei einer Anwendung der Vorschriften des SGB XII für den Antragsteller kein Leistungsanspruch. Hierfür käme allenfalls die Auffangvorschrift nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII in Betracht, deren Voraussetzungen im vorliegenden Fall aber nicht erfüllt sind.
aa) Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII kann "im Übrigen" (d. h. wenn ein Leistungsanspruch nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht besteht) Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Es handelt sich hierbei folglich
um eine Ermessensleistung die voraussetzt, dass eine Leistungserbringung im konkreten Einzelfall auch in Ansehung von Sinn
und Zweck eines bestimmten, grundsätzlich eingreifenden Leistungsausschlusses gerechtfertigt ist (vgl. hierzu bereits BVerwG,
Urteil vom 10.12.1987 - 5 C 32/85, BVerwGE 78, 314, [...] RdNr. 18 f. zu § 120 BSHG). Im vorliegenden Fall sind indes keine Anhaltspunkte glaubhaft gemacht oder sonst ersichtlich, nach denen im vorliegenden
konkreten Einzelfall eine Gewährung von Sozialhilfe trotz des gesetzlich ausdrücklich geregelten Leistungsausschlusses nach
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bzw. gleichlautend für das SGB XII in § 23 Abs. 3 Satz 1 ausnahmsweise gerechtfertigt sein könnte.
bb) Angesichts des gesetzlich ausdrücklich geregelten Leistungsausschlusses für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein
aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und deren Familienangehörige, Sinn und Zweck dieser Regelung, einer "Einwanderung in
die Sozialsysteme" unter Ausnutzung der Möglichkeiten, die die Freizügigkeit für EU-Bürger innerhalb des EU-Binnenmarktes
bietet, entgegenzuwirken (vgl. hierzu bereits den Beschluss des Senats vom 5.11.2015 - L 3 AS 479/15 B ER, [...] RdNr. 18, sowie LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4.2.2015 - L 2 AS 14/15 B ER und LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.6.2015 - L 1 AS 2338/15 ER-B) und der sich aus den Gesetzesmaterialien klar ergebenden Intention des Gesetzgebers, einen solchen Leistungsausschluss
sicherzustellen (vgl. hierzu zu § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II BR-Drucks. 617/06, S. 15:
"Die Einfügung normiert einen der Regelung im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch entsprechenden Leistungsausschluss für Ausländer und stellt damit zugleich sicher, dass Ausländer, die nach § 7 Absatz 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch haben, auch aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch keine Ansprüche herleiten können."),
kann den Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII in diesem Zusammenhang allenfalls ein Ausnahmecharakter beigemessen werden, so dass es hierfür besonderer Umstände bedarf,
um von dem grundsätzlich geltenden Leistungsausschluss abzuweichen. Solche Umstände sind im vorliegenden Verfahren aber weder
glaubhaft gemacht, noch sonst ersichtlich.
b) Der entgegenstehenden Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, [...] RdNr. 36 ff.) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Eine vom BSG als Begründung für eine Ermessensreduktion auf Null herangezogene - nach der Entscheidung des BSG nach sechs Monaten regelmäßig eintretende - Verfestigung des Aufenthalts (aaO RdNr. 53) kann nach Auffassung des Senats in
Bezug auf einen Anspruch auf Sozialhilfe nicht Grundlage einer Ausnahmeentscheidung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII sein. Denn abgesehen davon, dass sich für eine regelmäßige Verfestigung des Aufenthalts nach sechs Monaten aus den einschlägigen
gesetzlichen Regelungen keinerlei Anhaltspunkte ableiten lassen (im Gegenteil dürfte sich das Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a und Satz 2 FreizügG/EU für arbeitslose und arbeitsuchende Unionsbürger nach sechs Monaten eher lockern) und aus einem solchen Aufenthaltsrecht im
Hinblick auf die gerade für diese Fälle geltenden Leistungsausschlüssen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII jedenfalls für einen Anspruch auf Sozialhilfe keine Rückschlüsse ziehen lassen, handelt es sich hierbei um eine abstrakt-generelle
Erwägung, die eine Ausnahme in einem konkreten Einzelfall angesichts des auch für diesen Fall gesetzlich grundsätzlich angeordneten
Leistungsausschlusses nicht rechtfertigen kann. Denn dadurch würde die gesetzliche Regelung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII mit abstrakt-generellen Erwägungen - jedenfalls was Unionsbürger betrifft, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet
aufhalten - in ihr Gegenteil verkehrt und damit eine (abstrakt-generelle) Regelung zur Anwendung gebracht, für die es so in
den gesetzgebenden Körperschaften keine politische Mehrheit gegeben hat.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
5. Den Antragstellern war nach §
114 Abs.
1 Satz 1 und §
119 Abs.
1 Satz 2
ZPO i.V.m. §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG Prozesskostenhilfe ohne Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung zu bewilligen, da nur der Antragsgegner das Rechtsmittel
eingelegt hat.
6. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).