Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Unterbliebene Widersprucheinlegung
Kein streitiges Rechtsverhältnis
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Höhe der vorläufig zu gewährenden Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Zeitraum ab dem 25.10.2017, insbesondere jedoch über die Zulässigkeit des Antrags auf
einstweiligen Rechtsschutz.
Die 1963 geborene, alleinstehende Antragstellerin, die vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht, bewohnt seit Januar 2012 eine 58,91 m² große Wohnung in der Z-Straße ... in A ... Seit November 2015 beträgt die
monatliche Grundmiete 271,70 EUR zuzüglich 118,00 EUR Betriebskostenvorauszahlung und 25,00 EUR Heizkostenvorauszahlung.
Der Antragsgegner berücksichtigte bei der Leistungsbewilligung bis zum April 2016 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft
und Heizung. Er hörte die Antragstellerin mit Schreiben vom 29.09.2015 wegen zu hoher Kosten der Unterkunft zur beabsichtigen
Absenkung auf angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung ab Mai 2016 in Höhe von 294,57 EUR an. Mit Bewilligungsbescheid
vom 11.04.2016 berücksichtigte der Antragsgegner für den Bewilligungszeitraum vom 01.05.2016 bis 31.10.2016 lediglich 294,57
EUR als Kosten der Unterkunft und Heizung. Mit bestandskräftigem Bewilligungsbescheid vom 19.09.2016 berücksichtigte der Antragsgegner
für den Bewilligungszeitraum vom 01.11.2016 bis 31.10.2017 erneut lediglich 294,57 EUR als Kosten der Unterkunft und Heizung.
Mit Bewilligungsbescheid vom 25.09.2017 nahm der Antragsgegner für den Bewilligungszeitraum vom 01.11.2017 bis 31.10.2018
ebenfalls lediglich die Berücksichtigung von 294,57 EUR als Kosten der Unterkunft und Heizung vor. Dagegen erhob die Antragstellerin
ebenfalls keinen Widerspruch.
Mit Schreiben vom 23.10.2017, das am 25.10.2017 beim Sozialgericht Leipzig (SG) eingegangen ist, hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Sie könne nunmehr die monatliche Mietdifferenz,
die sie selbst trage, nicht mehr stemmen. Ein Umzug sei ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar. Die Miete sei angemessen,
da der Antragsgegner aufgrund des veränderten Wohnungsmarktes in A ... verpflichtet sei, sein Konzept zu den angemessenen
Kosten der Unterkunft aus 2014 anzupassen.
Mit Schreiben vom 11.11.2017 hat die Antragstellerin beim Antragsgegner die Überprüfung des bestandskräftigen Leistungsbescheides
vom 25.09.2017 für den Zeitraum vom 01.11.2017 bis zum 31.10.2018 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) begehrt. Den Antrag hat der Beklagte mit Bescheid vom 24.11.2017 abgelehnt.
Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 30.11.2017 verworfen. Er sei bereits unzulässig. Ein Antrag
auf Erlass einer Regelungsanordnung sei nämlich nur statthaft, wenn gegenüber dem Antragsteller noch kein bestandskräftiger
Verwaltungsakt vorliege. Die streitgegenständlichen Bewilligungsbescheide vom 19.09.2016 und vom 25.09.2017 seien jedoch nach
Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist bestandskräftig und somit für die Beteiligten bindend geworden. Damit scheide der
Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86 Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bereits mangels Vorliegens eines streitigen Rechtsverhältnisses aus (Sächsisches LSG (SächsLSG), Beschluss vom 26.05.2011
- L 3 AS 378/11 B ER, juris, Rn. 17). Etwas anderes folge auch nicht daraus, das die Antragstellerin beim Antragsgegner nunmehr nach Anhängigkeit
des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Überprüfung der Bescheide gemäß § 44 SGB X beantragt habe. Zum einen hebe der Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vom 11.11.2017 die Bestandskraft des Bewilligungsbescheides vom 25.09.2017 so lange nicht auf, bis ihm ganz oder teilweise
entsprochen worden sei (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.07.2011 - L 5 AS 226/11 B ER, juris, Rn. 20). Zum anderen könne der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 25.10.2017 nicht
dahingehend ausgelegt oder umgedeutet werden, dass er nunmehr den Erlass einer vorläufigen Regelung während des Überprüfungsverfahrens
nach § 44 SGB X zum Gegenstand haben solle. Denn eine einstweilige Anordnung diene dazu, das jeweilige Hauptsacheverfahren zu flankieren,
so dass ein anderer Anspruch mit einer einmal beantragten einstweiligen Anordnung nicht gesichert werden könne (SächsLSG,
Beschluss vom 26.05.2011 - L 3 AS 378/11 B ER, juris Rn. 19). Die am 25.10.2017 beantragte Regelungsanordnung mit vorläufiger Bewilligung von höheren Kosten der Unterkunft
und Heizung werde vom Prozessbevollmächtigten auf die Vorschrift des § 41 a Abs. 7 Ziff. 2 SGB II gestützt, wonach über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig entschieden werden könne, wenn eine entscheidungserhebliche
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim Bundessozialgericht sei. Der Anspruch auf Überprüfung
nach § 44 SGB X sei dagegen ein vom Gesetzgeber geschaffener eigenständiger Anspruch mit weiteren, eigenständigen formellen und materiellen
Tatbestandsvoraussetzungen. Ergänzend weise die Kammer darauf hin, dass nach Auffassung der 14. Kammer des Sozialgerichts
Leipzig (so auch SächsLSG, Beschluss vom 28.09.2017- L 7 AS 551/17 B ER, juris, Rn. 38) das der zuletzt mit Wirkung zum 01.07.2017 fortgeschriebenen Richtlinie der Stadt Leipzig vom 18.12.2014
zugrunde liegende Konzept nach der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung den vom BSG aufgestellten Anforderungen an ein schlüssiges Konzept genüge und damit kein Anordnungsanspruch auf höhere Leistungen für
Unterkunft und Heizung bestehe.
Gegen den der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 11.12.2017 zugestellten Beschluss hat sie am 22.12.2017 beim
SächsLSG Beschwerde eingelegt. Der Antrag auf einstweilige Anordnung sei als Überprüfungsantrag hinsichtlich der Bescheide
19.09.2016 und 25.09.2017 auszulegen. Ungeachtet dessen habe die Antragstellerin einen Überprüfungsantrag bereits beim Beklagten
gestellt, den dieser mit Bescheid vom 24.11.2017 abgelehnt habe. Gegen diesen Bescheid werde die Antragstellerin Widerspruch
einlegen. Sie verweist auf den Beschluss des SächsLSG vom 29.08.2016 - L 8 AS 675/16 B ER. Die Ablehnung der Gewährung der vollständigen Kosten der Unterkunft über den 30.04.2016 hinaus sei zudem offensichtlich
rechtswidrig, denn das Konzept der Stadt Leipzig zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft sei nicht schlüssig. Zudem sei
das Konzept des Antragsgegners nicht fortgeschrieben worden.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts vom 30.11.2017 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin
ab dem 25.10.2017 Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 394,42 EUR zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er erachtet den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend.
Dem Senat liegen die Verfahrensakten des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens und die Verwaltungsakte des Antragsgegners
vor.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Beschluss vom 30.11.2017 den Antrag der Antragstellerin auf einstweiligen Rechtsschutz verworfen.
Nach §
86 b Abs.
2 Satz 2
SGG können die Gerichte auf Antrag, der gemäß §
86 b Abs.
3 SGG bereits vor Klageerhebung zulässig ist, zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß
§
86 b Abs.
2 Satz 4
SGG i. V. m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung (
ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch
der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden
soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Gem. §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG ist §
929 ZPO entsprechend anzuwenden.
1. Der Antrag der Antragstellerin war - wie vom SG zutreffend erkannt - bereits unzulässig, weil gegen die belastenden Bewilligungsbescheide vom 19.09.2016 und vom 25.09.2017
kein Widerspruch eingelegt worden ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Auflage, §
86b, Rn. 7) und sie damit bestandskräftig geworden sind (Keller, a.a.O.). Es ist auch nach Ablauf der Widerspruchsfirst kein
Widerspruch eingelegt worden. Ebenso wenig ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist gestellt worden (Keller,
a.a.O.).
Ein Antrag nach § 44 SGB X ändert die Bestandskraft der Ursprungsbescheide so lange nicht, wie ihm nicht ganz oder teilweise entsprochen worden ist
(vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.07.2011 - L 5 AS 226/11 B ER, Rn. 16, 20 f.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.03.2011 - L 13 AS 82/11 B ER, Rn. 8; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.01.2011 - L 14 AL 373/10 B ER, Rn. 3; Bayerisches LSG, Beschluss vom 23.09.2010 - L 7 AS 651/10 B ER, Rn. 19; SG Dortmund, Beschluss vom 02.10.2014 - S 32 AS 1991/14 ER, Rn 31; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.04.2011 - L 5 AS 342/10 B ER, Rn. 19 ff., alle juris). In dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss des SächsLSG vom 29.08.2016 - L 8 AS 675/16 B ER ist zudem ausgeführt, dass dem Antragsteller, der bezüglich eines bindenden Bescheids einen Überprüfungsantrag gestellt
hat, regelmäßig zuzumuten ist, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.
2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach vorläufiger Auffassung (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 28.09.2017 - L 7 AS 551/17 B ER, juris, Rn. 38; Beschluss vom 19.12.2016 - L 7 AS 1001/16 B ER; Beschluss vom 29.08.2016 - L 8 AS 675/16 B ER) das der mit Wirkung zum 01.07.2017 fortgeschriebenen Richtlinie der Stadt Leipzig vom 18.12.2014 zugrunde liegende
Konzept nach der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gebotenen summarischen Prüfung schlüssig ist.
Nach alledem ist die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §
193 SGG.
Der Beschluss ist gem. §
177 SGG unanfechtbar.