Grundsicherung für Arbeitsuchende; Leistungsberechtigung; Unionsbürger; Selbständigkeit; Niederlassungsfreiheit; Besonderheiten
des mitgliedsstaatlichen Gewerberechts; Ordnungswidrigkeit; untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit; Betriebserlaubnis;
Gewerbeanmeldung; Gewinnerzielungsabsicht; Nachhaltigkeit; Wartefrist; Ermessensleistungen; Führerschein; Fahrerlaubnis; Kfz;
organisatorische Struktur; Niederlassung; feste Einrichtung; Anzeigepflicht; Folgenabwägung; Notwendigkeit der rückwirkenden
Bedarfsdeckung; Konzept; rumänische Staatsangehörige; Nachholbedürfnis; Beschwerdeverfahren; einstweiliger Rechtsschutz; Anordnungsanspruch;
Anordnungsgrund; einstweilige Anordnung; Sammeln von Altmetall; Schrottsammler; Erwerbstätigkeit; selbständige Tätigkeit;
Reisegewerbe; Betriebseinnahmen; Betriebsausgaben; wirtschaftliche Relevanz; strafbare Tätigkeit; Kindergeldnachzahlung
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung darüber, ob die Antragsteller auf einen Leistungsantrag
vom 10. Dezember 2015 hin Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben und, falls dies bejaht wird, der
Antragsgegner als die in Halle zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende gebildete gemeinsame Einrichtung
oder der beigeladene örtliche Träger der Sozialhilfe den Antragstellern vorläufig existenzsichernde Leistungen zu erbringen
hat.
Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige. Nach ihrem Vortrag sind sie im September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland
eingereist.
Der 1986 geborene Antragsteller zu 1) ist seit September 2015 mit der 1989 geborenen Antragstellerin zu 2) verheiratet. Die
Eheleute haben vier gemeinsame Kinder, den 2006 geborenen Antragsteller zu 3), die 2007 geborene Antragstellerin zu 4), die
2011 geborene Antragstellerin zu 5) und den Antragsteller zu 6). Letzterer ist ausweislich der am 8. Dezember 2015 ausgestellten
Geburtsurkunde der Stadt H. am ... 2015 in H. geboren. Nach der Anmeldebestätigung vom 19. September 2015 sind die Antragsteller
am 17. September 2015 in die ...-Straße ... (bei S.) eingezogen. Vor der Heirat lautete der Nachname der Antragstellerin zu
2) S. Der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) haben in Rumänien keinen Beruf erlernt. Der Antragsteller zu 3)
und die Antragstellerin zu 4) besuchen seit dem 27. Januar 2016 die Grundschule.
Aufgrund der Bewilligungsentscheidung der Familienkasse vom 9. Februar 2016 erhielt der Antragsteller zu 6) Kindergeld zunächst
in Höhe von monatlich 188,00 EUR. Wegen aus Rumänien gezahlten Kindergelds hat die Familienkasse mit weiterem Bescheid vom
9. Februar 2016 ab Januar 2016 Kindergeld in Höhe von insgesamt 520,21 EUR für die Antragsteller zu 3) bis 5) vorläufig festgesetzt.
Am 10. Dezember 2015 beantragten die Antragsteller über ihren nunmehrigen Prozessbevollmächtigten die Gewährung von Leistungen
nach dem SGB II durch den Antragsgegner. Dabei erklärten sie, der Antragsteller zu 1) gehe einer Erwerbstätigkeit als Selbständiger nach.
Sein monatliches Einkommen belaufe sich auf 450,00 EUR. Nach den Angaben im am 9. Dezember 2015 unterzeichneten Formantrag
auf Leistungen nach dem SGB II war der Antragsteller zu 1) in Rumänien von 2010 bis 2013 mit dem Sammeln von Altmetall und anschließend bis 2014 im Reinigungsgewerbe
beschäftigt. Die Antragstellerin zu 2) soll von 2012 bis 2013 ebenfalls im Reinigungsgewerbe tätig gewesen sein. Der Antragsteller
zu 1) erklärte, er habe zum 17. September 2015 eine selbständige Tätigkeit (Sammeln von Altmetall) aufgenommen. Entgegen der
anwaltlichen Angaben schätzte er seine Betriebseinnahmen auf 250,00 EUR im Oktober 2015, 200,00 EUR im November 2010, jeweils
100,00 EUR im Dezember 2015 und Januar 2016 sowie 200,00 EUR im Februar 2016. Ausgaben habe er durch monatliche Telefonkosten
in Höhe von 5,00 EUR. Die Antragsteller gaben an, ihnen entstünden keine Kosten für Unterkunft und Heizung.
Der Antragsgegner forderte mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 von den Antragstellern diverse Unterlagen an. In einem Termin
bei dem Antragsgegner am 7. Januar 2016 erklärten die Antragsteller, aktuell fielen keine Mietkosten an, weil sie bei einem
Bekannten wohnten. Der Antragsteller zu 3) und die Antragstellerin zu 4) würden noch nicht zur Schule gehen. Der Antragsteller
zu 1) habe keinen Führerschein. Eine abschließende EKS für die Zeit vom 17. September bis zum 30. November 2015 könne nicht
vorgelegt werden. Als Nachweis über die Betriebseinnahmen in der Zeit vom 17. September bis zum 30. November 2015 legten die
Antragsteller eine Kassen-Quittung der Firma S ...-W ... vom 7. Dezember 2015 über einen Auszahlungsbetrag von 105,74 EUR
vor. An diesem Tag erfolgte die Anlieferung von Metallen mit einem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ...- ... Weiter
reichten die Antragsteller einen Wiegeschein vom 7. Dezember 2015 über 1,02 Tonnen Baustahl ein, für die an diesem Tag 69,97
EUR gezahlt wurden. Der Antragsteller zu 1) erklärte, er sammle zusammen mit dem Bekannten I ... S ... - bei dem die Familie
auch wohne - und einem weiteren Bekannten Schrott. Man fahre fast jeden Morgen auf das Land und frage bei den Leuten nach
Schrott. Das Altmetall bleibe im Auto bis zur Abgabe. Wenn das Auto voll sei, verkaufe man den Schrott bei der Firma S ...
W ... Den Erlös aus einer Sammlung erhalte jedes Mal einer der drei im Wechsel. Vermögen habe er in Rumänien nicht gehabt.
Nachweise zu den Telefonkosten gebe es nicht.
Der Antragsgegner forderte mit Schreiben vom 7. Januar 2016 unter anderem erneut die Prognose zum Einkommen aus Selbständigkeit
in der Zeit von Dezember 2015 bis Mai 2016, die abschließende EKS ab Gründung der Selbständigkeit und eine Bescheinigung über
die Betriebserlaubnis der unteren Abfallbehörde nach § 18 KRW (gemeint ist das Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft
und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen - Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG)), Bescheinigungen über
den Bezug von Kindergeld in Rumänien sowie Übersetzungen der Geburtsurkunden für die Antragsteller zu 1) bis 5).
Am 19. Januar 2016 erhielt der Antragsgegner eine Bestätigung der Anzeige des Antragstellers zu 1) zu einer landesweiten gewerblichen
Altmetallsammlung nach § 18 Abs. 2 KrWG, in der der Antragsteller zu 1) auf die Frist des § 18 Abs. 1 KrWG hingewiesen wurde.
Weiter legten die Antragsteller eine Bescheinigung der Kreisagentur für Zahlungen und Sozialinspektion G. vom 3. November
2015 über den Bezug von staatlichem rumänischen Kindergeld in Höhe von jeweils 84 Lei (dieser Betrag entspricht etwa 19 EUR/Monat)
für die Antragsteller zu 3) bis 5) vor.
Am 19. Januar 2016 reichten die Antragsteller nochmals den am 9. Dezember 2015 unterzeichneten Antrag auf Gewährung von Leistungen
nach dem SGB II bei dem Antragsgegner ein. Nach den hierbei vorgelegten Einkommensteuerbescheinigungen des Städtischen Steuerdienstes B.-V.
für das Jahr 2015 sind der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) für den steuerlichen Wohnsitz in B.-V. in den
steuerlichen Meldeunterlagen nicht mit steuerpflichtigem Einkommen registriert. Die Antragsteller legten weiter eine Gewerbe-Anmeldung
vom 13. Oktober 2015 vor, nach der der Antragsteller zu 1) zum 17. September 2015 unter der Anschrift ...-Straße ... bei S.
die Neugründung eines Betriebs mit der Tätigkeit "Sammeln von Altmetall" angemeldet hat. Nach einem Fragebogen zur steuerlichen
Erfassung will der Antragsteller zu 1) Umsätze im Jahr der Betriebseröffnung in Höhe von 1.500 EUR und im Folgejahr in Höhe
von 5.000 EUR sowie Einkünfte in Höhe von 1.000 EUR beziehungsweise 4.000 EUR erzielen.
Bereits am 14. Januar 2016 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Sozialgericht Halle
beantragt. Sie haben vorgetragen: Der Bruder der Antragstellerin zu 2) habe mit seiner Familie bereits in Deutschland gewohnt
und bestreite seinen Lebensunterhalt durch Schrottsammeln. Da der Antragsteller zu 1) auch in Rumänien als Schrottsammler
gearbeitet habe, sei er davon ausgegangen, dass hier ein höherer Gewinn erzielt werden könne. Der Antragsteller zu 1) sammle
mit dem Bruder der Antragstellerin zu 2) und einem weiteren Landsmann im Umkreis von H. Schrott. Sein Ziel sei es, diese Erwerbstätigkeit
zunächst in der Art auszuüben, dass sich der Antragsteller zu 1) ein eigenes Kraftfahrzeug leisten und dann auch ohne Unterstützung
Altmetall sammeln könne. Die Erlöse aus der Tätigkeit beliefen sich derzeit auf ca. 100 bis 200 EUR/Monat. In den Wintermonaten
werde weniger Umsatz erzielt. Zudem floriere gerade in den Anfangsmonaten eine Erwerbstätigkeit nicht derart, dass eine Finanzierung
des eigenen Lebensunterhalts unproblematisch möglich sei. Ausreichend für die selbständige Tätigkeit sei die Ausübung mit
Gewinnerzielungsabsicht. Der Antragsteller zu 6) bedürfe dringender medizinischer Hilfe. Dieser sei voraussichtlich dauerhaft
behindert.
Der Antragsgegner hat erklärt, der Antragsteller zu 1) habe in seiner vorläufigen EKS unwahre Angaben zu seinen Einnahmen
gemacht. Dabei habe er schon im Dezember 2015 wissen müssen, dass im Oktober 2015 kein Gewinn in Höhe von 245 EUR erzielt
worden sei. Insgesamt sei nach der Anmeldung des Gewerbes Schrott für lediglich 179,30 EUR verkauft worden. Daher handele
es sich um eine Tätigkeit, deren Umfang sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstelle. Der Antragsteller zu 1)
könne sich damit nicht auf eine Niederlassungsfreiheit berufen. Auf diese Niederlassungsfreiheit nehme § 2 Nr. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern - Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) eindeutig Bezug. Zudem habe der Antragsteller zu 1) noch gar keine Genehmigung durch die untere Abfallbehörde für das Sammeln
von Schrott erhalten. Nach der Anzeige vom 22. Dezember 2015 dürfe er frühestens zum 22. März 2016 mit der gewerblichen Schrottsammlung
beginnen.
Das Sozialgericht Halle hat den örtlichen Träger der Sozialhilfe mit Beschluss vom 21. Januar 2016 notwendig beigeladen. Am
1. Februar 2016 haben die Antragsteller eine weitere Kassen-Quittung der Firma S.-W. vom 26. Januar 2016 vorgelegt. Danach
hat der Antragsteller zu 1) 84,03 EUR für die Anlieferung von Schrott am selben Tag erhalten. Am 8. Februar 2016 haben die
Antragsteller eine Kassen-Quittung der Firma S.-W. vom selben Tag vorgelegt. Danach hat der Antragsteller zu 1) am 8. Februar
2016 75,90 EUR für die Anlieferung von Schrott und Batterien erhalten. Die Lieferung ist mit einem Fahrzeug mit dem amtlichen
Kennzeichen ... erfolgt.
Auf Hinweis des Sozialgerichts Halle zur Angabe der Antragsteller, sie hätten keine Wohnkosten, hat der Antragsteller zu 1)
erklärt, weil er mit seiner Familie bei dem Bruder der Antragstellerin zu 2) wohne, gehe ein Teil des gemeinsam gesammelten
Schrotts direkt auf den Bruder über, quasi als Anteil zur Miete.
Das Sozialgericht Halle hat den Antrag mit Beschluss vom 17. Februar 2016 abgelehnt: Vom Bezug der begehrten Leistungen nach
dem SGB II seien die Antragsteller nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen. Der Antragsteller zu 1) sei überwiegend wahrscheinlich nicht selbständig tätig. Die Ausübung einer selbständigen
Tätigkeit setze eine ernstzunehmende Gewinnerzielungsabsicht voraus, die sich nicht allein in verbalen Äußerungen und Wünschen
und einer Gewerbeanmeldung erschöpfe, sondern sich auch in der tatsächlichen Umsetzung des verfolgten Ziel manifestieren müsse.
Zudem müsse die Tätigkeit mit einer gewissen Nachhaltigkeit ausgeübt werden. Das sei bei dem Antragsteller zu 1) nicht der
Fall. Dieser verfüge weder über ein eigenes Kraftfahrzeug noch über eine eigene Betriebsstätte (als Zwischenlager). Er habe
nicht einmal einen eigenen Führerschein. Zudem spreche er die deutsche Sprache nicht; deren Erlernen und dem Erwerb eines
Führerscheins sei die Schulbildung von zwei Klassen hinderlich. Um Aufträge bemühe sich der Antragsteller zu 1) nicht. Vielmehr
nutze er im Wesentlichen geplante oder ungeplante Gelegenheiten einer Mithilfe bei seinem Schwager. Die Kammer sei bereits
nicht davon überzeugt, dass mit der bisherigen Tätigkeit ein wirtschaftlicher Güteraustausch verbunden gewesen sei. Das Nachfragen
nach Schrott in privaten Haushalten - so wie bisher praktiziert - unterscheide sich nicht wesentlich vom Aufsammeln von Pfandflaschen
oder Herbstfrüchten im öffentlichen Raum oder dem Betteln nach Geld. Nicht zuletzt könne der Antragsteller zu 1) wegen der
Wartefrist des § 18 Abs. 1 KrWG frühestens Ende März 2016 mit der gewerblichen Tätigkeit beginnen. Die Beigeladene sei nicht
zu verpflichten, weil für die ersten sechs Monate des Aufenthalts Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zu gewähren seien. Dieses Ermessen könne das Gericht - außer in dem hier nicht gegebenen Fall einer Ermessensreduzierung
auf Null - nicht ersetzen.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. Februar 2016 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 24. Februar
2016 Beschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt.
Die Antragsteller sind der Ansicht, der Umfang der vom Antragsteller zu 1) ausgeübten Tätigkeit reiche für die Erfüllung des
Tatbestands des § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU aus. Der Antragsteller zu 1) sei auch zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt. Die Vorschriften des
KrWG stünden dem nicht entgegen. Dass die sprachlichen Kenntnisse des Antragstellers zu 1) zum Schrottsammeln nicht ausreichten,
sei nicht belegt. Zudem könne er eine selbständige Tätigkeit auch ohne Führerschein ausüben. Der Antragsteller zu 3) und die
Antragstellerin zu 4) besuchten nunmehr die Schule. Im Übrigen wiederholen die Antragsteller ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 17. Februar 2016 aufzuheben sowie
den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB II in gesetzlichem Umfang zu gewähren,
hilfsweise
die Beigeladene im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen der Sozialhilfe in gesetzlichem
Umfang zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den Beschluss des Sozialgerichts Halle für zutreffend.
Die Beigeladene erklärt, ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII durch die Antragsteller sei bei ihr nicht gestellt worden. Die Antragsteller gehörten auch nicht zum vom SGB XII erfassten Personenkreis. Überdies spreche der Vortrag des Antragstellers zu 1), sich wegen der Erkrankung des Antragstellers
zu 6) nicht vollzeitig um seine Erwerbstätigkeit kümmern zu können, gegen eine selbständige Erwerbstätigkeit.
Bereits am 16. Februar 2016 waren auf dem Girokonto des Antragstellers zu 1) Habenbuchungen über insgesamt 3.870,05 EUR wegen
einer Kindergeldnachzahlung erfolgt. Am Folgetag wurde ein Betrag in Höhe von 3.800,00 EUR abgehoben. Das Habensaldo am 24.
Februar 2016 belief sich auf 72,88 EUR.
Auf Anfrage der Berichterstatterin zum Verbleib des Betrags von 3.870,05 EUR haben die Antragsteller erklärt: Der Bruder der
Antragstellerin zu 2) habe derzeit selbst einen finanziellen Engpass und die Miete für die Monate Februar und März 2016 nicht
zahlen können. Daher habe er die Antragsteller aufgefordert, sich nunmehr an den Kosten zu beteiligen. Das sei von vornherein
so vereinbart gewesen. Der Bruder habe insgesamt 1.000,00 EUR erhalten. Darüber hinaus hätten sich die Antragsteller in den
letzten Monaten insgesamt 1.010,00 EUR von diversen Landsleuten geliehen. Diese hätten das Geld nun in bar zurückverlangt.
Für Schulmaterial des Antragstellers zu 3) und der Antragstellerin zu 4) seien weitere 400 EUR verwendet worden. Quittungen
hierfür seien nicht mehr vorhanden. Im Übrigen sei das Geld für Nahrungsmittel und Kleidung ausgegeben worden. Halter der
Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen ... und ...seien ein weiterer Bruder der Antragstellerin zu 2) beziehungsweise dessen
Ehefrau sowie "R.-C.". Kindergeldzahlungen in Rumänien erfolgten bar. Seit September 2015 seien keine entsprechenden Zahlungen
vorgenommen worden.
Weiter haben die Antragsteller eine Kassen-Quittung der Firma S.-W. vom 16. Februar 2016 vorgelegt. Danach hat der Antragsteller
zu 1) 94,57 EUR für die Anlieferung von Schrott mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... am selben Tag erhalten.
Eine Quittung über 135,21 EUR vom 24. Februar 2016 ist für die Anlieferung mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen
... erfolgt.
Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 17. Februar 2016 ist zulässig. Sie ist nicht nach §
172 Abs.
3 Nr.
2b Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache bedürfte die Berufung keiner Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den
Betrag von 750,00 EUR übersteigt, §§
143,
144 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGG. Die Antragsteller begehren die Zahlung existenzsichernder Leistungen auf der Grundlage eines Leistungsantrags vom 10. Dezember
2015. Ausgehend von der Rückwirkung dieses Antrags auf den Ersten des Monats (§ 38 Abs. 2 Satz 2 SGB II) und einem sechsmonatigen Regelbewilligungszeitraum für Leistungen nach dem SGB II (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) ist bei geltend gemachten Bedarfen aus Regelbedarfen und Bedarfen für Unterkunft und Heizung in Anbetracht der Höhe des
erzielten Einkommens aus laufendem Kindergeld und Erwerbseinkommen des Antragstellers zu 2) der Betrag von 750,00 EUR überschritten.
Das gilt trotz des Zuflusses von Einkommen aus der Kindergeldnachzahlung. Denn die Antragsteller haben geltend gemacht, diese
Einnahme sei verbraucht und ihren Antrag in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkt.
Die Beschwerde ist zum Teil begründet. Der Antragsgegner ist aller Voraussicht nach zur Gewährung von Leistungen nach dem
SGB II an die Antragsteller verpflichtet.
Verfahrensrechtliche Grundlage für eine Verpflichtung des Antragsgegners oder der Beigeladenen ist in Verfahren des vorläufigen
Rechtschutzes, in denen es - wie hier - nicht um die Geltendmachung einer bereits gewährten, zwischenzeitlich aber aberkannten
Rechtsposition geht, der Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gemäß §
86b Abs.
2 Satz 2 und
4 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die §§ 920, 921, 923, 926,
928,
929 Absatz
1 und
3, die §§
930 bis
932,
938,
939 und
945 Zivilprozessordnung (
ZPO) gelten entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 ZPO stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs (der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache
gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und eines Anordnungsgrunds (der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile).
Das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs haben die Antragsteller in Bezug auf in Zuständigkeit des Antragsgegners - und nicht
der Beigeladenen - zu erbringende Leistungen glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsanspruch ist dann gegeben, wenn eine Vorausbeurteilung der Hauptsache nach summarischer Prüfung ergibt, dass
das Obsiegen eines Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz stellt aber besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht
mehr zu beseitigen wären. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris) dürfen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) Vornahmesachen daher
auch auf eine Folgenabwägung gestützt werden.
Vorliegend entscheidet das Gericht nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache. Als Ergebnis dieser Prüfung
besteht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ein Leistungsanspruch der Antragsteller nach dem SGB II. Die Antragsteller erfüllen grundsätzlich die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Dem steht § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht entgegen. Denn die Antragsteller verfügen aller Voraussicht nach über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung im
Sinne des FreizügG/EU, abgeleitet von der Tätigkeit des Antragstellers zu 1) als niedergelassener selbständiger Erwerbstätiger im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU (dazu 1.). Im Übrigen greift in Anbetracht der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit des Antragstellers im Dezember 2015 der
weitere Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht (dazu 2.). Allerdings scheiden Leistungsansprüche vor März 2016 wegen der fehlenden Notwendigkeit einer rückwirkenden
Bedarfsdeckung beziehungsweise der Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens aus (dazu 3.).
1. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind ausgeschlossen vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen.
Darüber hinaus sind im Wege des "Erst-Recht-Schlusses" nicht zum Bezug von Leistungen nach dem SGB II berechtigt Unionsbürger oder Ausländer, die über keine Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht
verfügen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - juris, Rn. 19 ff.).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfordert die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes beziehungsweise
der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem
anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck
der Arbeitsuche" im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R - juris, Rn. 23; Urteil vom 25. Januar 2012 - B 14 AS 138/11 R - juris, Rn. 20; vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. November 2013 - L 2 AS 841/13 B ER - juris, Rn. 29).
Als mögliches Aufenthalts- beziehungsweise Freizügigkeitsrecht kommt hier die unionsrechtliche Freizügigkeitsberechtigung
des Antragstellers zu 1) nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU in Betracht (dazu a.) Von diesem Freizügigkeitsrecht abgeleitet werden gemäß § 3 Abs. 1 FreizügG/EU die Freizügigkeitsberechtigungen der Antragsteller zu 2) bis 6) als Familienangehörige des Antragstellers zu 1), die diesen
begleitet haben (dazu b.).
a. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt
sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige).
Die Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU macht deutlich, dass es nicht allein auf die Berechtigung zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit ankommt. Vielmehr
muss - abgesehen von den Fällen des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU - die selbständige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt werden (vgl. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004, Amtsblatt der Europäischen Union L 158, 77).
Selbständig ist eine Tätigkeit, wenn sie nicht im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses in Bezug auf die Wahl dieser Tätigkeit,
die Arbeitsbedingungen und das Entgelt, in eigener Verantwortung und gegen ein Entgelt, das dem Tätigen vollständig und unmittelbar
gezahlt wird, ausgeübt wird (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), Urteil vom 20. November 2001 in der Rechtssache
Jany ua - C-268/99 - juris, Rn. 71). Niedergelassen - und nicht unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt als Erbringer von Dienstleistungen
- sind Selbständige, wenn die Möglichkeit besteht, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen
Mitgliedstaats als seines Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. März 2010 in
der Rechtssache Attanasio Group - C-384/08 - juris, Rn. 36). Erforderlich ist eine organisatorisch verfestigte Existenz, zum Beispiel durch Anmietung eines Raumes oder
anderweitige organisatorische Strukturen, mittels derer dauerhaft entgeltliche Leistungen erbracht werden können (vgl. Hailbronner,
AuslR, Kommentar, Stand Einzellieferung April 2013, § 2 FreizügG/EU, Rz. 52 m.w.N.). In diesem Zusammenhang sind die Besonderheiten des mitgliedsstaatlichen Rechts zur Regelung selbständiger
Erwerbstätigkeiten zu beachten (vgl. Art. 49 Abs. 2 des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Konsolidierte Fassung, ABL C C 83 vom 30. März 2010, S. 1
ff.).
Für die Bundesrepublik Deutschland ist dies unter anderem die Gewerbeordnung (GewO). Nach § 4 Abs. 3 GewO besteht eine Niederlassung, wenn eine selbständige gewerbsmäßige Tätigkeit auf unbestimmte Zeit und mittels einer festen
Einrichtung von dieser aus tatsächlich ausgeübt wird (vgl. auch Art. 4 Nr. 5 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABL L 376 vom 27. Dezember 2006, S. 36 sowie EuGH,
Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache Factortame - C-221/89 - juris; BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - juris, Rn. 28). Indes ist anzumerken, dass die Definition der Niederlassung in § 4 Abs. 3 GewO wegen des weitgehenden Abbaus von Hürden für die Dienstleistungsfreiheit erfolgt ist (vgl. die Ausnahmeregelungen in § 4 Abs. 1 GewO sowie die Ausführungen im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie im Gewerberecht und in weiteren Rechtsvorschriften, BT-Drucks. 16/12784, S, 12). Eine (enge) Definition des Niederlassungsbegriffs
dient also den Schutz der Dienstleistungsfreiheit und bezweckt nicht die Begrenzung der Niederlassungsfreiheit. Liegt - wie
hier - keine grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung vor, unterfällt der Sachverhalt jedenfalls nicht unmittelbar dem
Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit. In diesem Fall erscheint es eher fernliegend, dem selbständig tätigen Unionsbürger
wegen des Erfordernisses einer bestehenden festen Einrichtung gemäß § 4 Abs. 3 GewO auch den Schutz der Niederlassungsfreiheit zu verwehren. Vielmehr ist zu beachten, dass die Gewerbeordnung - ohne grenzüberschreitenden Bezug - neben dem Stehenden Gewerbe Rechtsfiguren wie das Messe-, Ausstellungs- und Marktgewerbe
(vgl. § 71b GewO) und das Reisegewerbe (vgl. §§ 55a ff. GewO) kennt.
Überdies hat der EuGH in seinem Urteil vom 11. März 2010 in der Rechtssache Attanasio Group den Begriff der Niederlassung
als sehr weit gefasst bezeichnet. Daher neigt der Senat nach seiner vorläufigen Rechtsauffassung erstens dazu, den Niederlassungsbegriff
auch für die Abgrenzung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 FreizügG/EU im Sinne dieses Urteils als Möglichkeit für einen Unionsangehörigen, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben
eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen, zu definieren. Zweitens
neigt der Senat dazu, an die organisatorische Verfestigung der Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland bei fehlender grenzübergreifender
wirtschaftlicher Betätigung des Unionsbürgers geringe Anforderungen zu stellen. Denn wie die Formulierung des § 2 Abs. 2 Nr. 3 FreizügG/EU "Unionsbürger, die, ohne sich niederzulassen, als selbständige Erwerbstätige Dienstleistungen erbringen wollen (Erbringer
von Dienstleistungen), wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung berechtigt sind," zeigt, soll die aktive wirtschaftliche
Betätigung eines Unionsbürgers als Selbständiger in einem anderen Mitgliedsstaat als dem Herkunftsmitgliedsstaat entweder
von § 2 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 FreizügG/EU erfasst sein.
Die weite Begriffsbestimmung der Niederlassung im Rahmen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG bedeutet nicht, dass Umstände wie eine fehlende feste Einrichtung oder lediglich "pro forma" angegebene Betriebsstätte unter
der Adresse der Wohnanschrift generell unbeachtlich bei der Bewertung einer Tätigkeit als selbständige Erwerbstätigkeit sind.
Die Frage der geringen wirtschaftlichen Bedeutung einer Tätigkeit ist in diesem Zusammenhang im Rahmen des Tatbestandsmerkmals
der Erwerbstätigkeit zu prüfen.
Ebenso wie bei Arbeitnehmern müssen Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich
als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Diese vom EuGH zur Arbeitnehmereigenschaft aufgestellte Anforderung
wird für das Arbeitsverhältnis ergänzt durch die Weisungsbestimmtheit der vergüteten Tätigkeit (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juli
1986 in der Rechtsache Lawrie-Blum, - C-66/85 - juris, Rn. 17; Urteil vom 4. Februar 2010 in der Rechtssache Genc - C-14/09 - Slg. 2010, I-931, Rn. 19). Ist der Selbständigkeit die fehlende Weisungsgebundenheit eigen bleibt es dabei, dass sie -
wie auch die Arbeitnehmertätigkeit - ein gewisses Ausmaß an wirtschaftlicher Bedeutung erreichen muss (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - juris, Rn. 28: "erwerbsorientiert").
Wegen der unterschiedlichen wirtschaftlichen Risiken, die Arbeitnehmer und Selbständige mit ihrer Tätigkeit eingehen, muss
es bei der Prüfung der wirtschaftlichen Relevanz der Tätigkeit eines Selbständigen nicht allein auf den Umfang der Einnahmen
ankommen. Zu berücksichtigen sein können auch die von ihm im Zusammenhang mit der Aufnahme der Tätigkeit eingegangenen Verpflichtungen
gegenüber anderen. Dabei kann es sich um Risiken handeln, denen sich der selbständig tätige Unionsbürger gegenüber Trägern
öffentlicher Verwaltung aussetzt (z.B. gegenüber den Trägern der Sozialversicherung bei Beschäftigung Dritter), aber auch
um gegenüber Privaten eingegangene Verbindlichkeiten (z.B. bei Leasing eines Firmenfahrzeugs, Anmietung von Geschäftsräumen).
Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass nicht mit jedem Gewerbe die regelhafte Eingehung auf eine gewisse Dauer angelegter
Verpflichtungen verbunden sein muss (vgl. Reisegewerbe).
Je geringer eingegangene wirtschaftliche Risiken sind, desto eher gleicht sich die Selbständigkeit in ihrer Bedeutung für
die Teilnahme des Unionsbürgers am Wirtschaftsleben der Arbeitnehmertätigkeit an. Gerade in Fällen wie den vorliegenden, in
denen aufgrund der konkreten Ausgestaltung der selbständigen Tätigkeit mangels Betriebsausgaben die Betriebseinnahmen nahezu
im Verhältnis 1:1 den Gewinn darstellen, liegt es daher nahe, einen Gewinn in Höhe des vom EuGH für eine nicht nur untergeordnete
und unwesentliche Marktteilnahme als Arbeitnehmer als hinreichend erachtete Vergütung ausreichen zu lassen (vgl. zu einem
Durchschnittslohn von etwa 175 EUR bei Arbeitnehmern: EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 in der Rechtssache Genc - C-14/09 - Slg 2010, I-931). Andererseits kann in diesen Fällen - ebenso wie bei einem Arbeitnehmer - verstärktes Gewicht auf die
Regelmäßigkeit der Ausübung der Tätigkeit zu legen sein. In diesem Sinne kann zum Beispiel die nur gelegentliche Erbringung
handwerklicher Leistungen Anhaltspunkt für eine fehlende wirtschaftliche Relevanz der Tätigkeit sein (vgl. Hailbronner, AuslR,
Kommentar, Stand Einzellieferung April 2013, § 2 FreizügG/EU, Rz. 52).
Nach alledem hält der Senat die ab Dezember 2015 belegbar aufgenommene selbständige Tätigkeit des Antragstellers zu 1) nach
dem bisherigen Sachstand für noch von § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU erfasst. Der Antragsteller zu 1) hat in den Monaten Dezember 2015 bis Februar 2016 Einnahmen in Höhe von insgesamt 565,42
EUR, also monatlich 188,47 EUR, erzielt. Ein nur begrenztes zeitliches Engagement ergibt sich weder aus dem Vortrag des Antragstellers
zu 1), er fahre "jeden Morgen" los, um seine Sammeltätigkeit auszuüben, noch aus der Frequenz und dem Umfang der Ablieferungen,
im Februar 2016 bei drei Lieferungen mit 3.240,00 kg allein an Scherenvormaterial. Jedenfalls in Anbetracht der "Startphase"
der Selbständigkeit dürften der auf diese Weise erzielte Gewinn und die Häufigkeit der Sammeltätigkeit ausreichend sein, um
die Tätigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht als nicht nur "untergeordnet und unwesentlich" zu bezeichnen.
Ungeachtet dessen bietet - wozu der Antragsgegner im Verwaltungsverfahren weiter aufklären mag - der vorliegende Sachverhalt
Anhaltspunkte für eine Einbindung des Antragstellers zu 1) in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. In diesem Rahmen kann
der Beitrag des Antragstellers zu 1) auch in der Einbringung seiner Arbeitskraft liegen (§
706 Abs.
3 BGB), während andere Gesellschafter Betriebsmittel oder ihre Kommunikationsfähigkeiten einbringen.
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners und der Beigeladenen steht der Nichtablauf der Dreimonatsfrist aus § 18 Abs. 1 KrWG
der Annahme, der Antragsteller zu 1) sei zur Ausübung eines selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG berechtigt, nicht entgegen. Ebenso wenig muss es für die Anerkennung der Erwerbstätigkeit als solche darauf ankommen, ob
mit ihr gegen eine Ordnungsvorschrift verstoßen wird. Zwar ist die Berufung auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG ausgeschlossen, wenn es sich um eine nach der Rechtsordnung eines Mitgliedstaates verbotene oder strafbare Tätigkeit handelt
(vgl. zur Arbeitnehmerfreizügigkeit: Hailbronner, AuslR, Kommentar, Stand Einzellieferung April 2013, § 2 FreizügG/EU, Rz. 36). Der Verstoß gegen die Anzeigepflicht nach § 18 Abs. 1 KrWG ist nach § 69 Abs. 2 Nr. 1 auch eine Ordnungswidrigkeit, soweit die Anzeige vorsätzlich oder grob fahrlässig
nicht rechtzeitig erstattet wird. Für den Senat ist in diesem Fall bereits fraglich, ob wegen der regelmäßigen Unmöglichkeit
einer rechtzeitigen Anzeigeerstattung nach Aufnahme der Tätigkeit im (unmittelbaren) Anschluss an die Einreise aus einem Mitgliedsstaat
in die Bundesrepublik Deutschland ein Fall der mittelbaren Diskriminierung von dem Grunde nach freizügigkeitsberechtigten
Unternehmern gewerblicher Abfallsammlungen vorliegt. Diese Frage kann aber offen bleiben. Denn angesichts des Umfangs der
durch den Antragsteller zu 1) durchgeführten Sammlungen und der Schutzrichtung der Anzeigepflicht - der Sicherstellung der
Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Versorgungsträgers (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Neuordnung
des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts, BT-Drucks. 17/6052, S. 88) - dürfte die verfrühte Aufnahme einer Sammlung nicht
mit einer strafbaren Tätigkeit gleichzusetzen sein.
Ob das von dem Antragsteller zu 1) dargestellte "Konzept" zum weiteren Verlauf der Tätigkeit (Erwerb eines Führerscheins und
Kraftfahrzeugs, Ausbau der Erwerbsmöglichkeiten bei alleiniger Aufsuche der Ankauforte) auch in Anbetracht der Vielzahl in
der Stadt H. und Umkreis tätigen Altmetallsammler- und - händler aus Rumänien zu einer Erhöhung der monatlichen Einnahmen
führen kann, hat der Senat angesichts des Gegenstands des Verfahrens nicht zu bewerten. Es geht den Antragstellern nicht um
die Erlangung von Förderleistungen für den Ausbau der selbständigen Tätigkeit des Antragstellers zu 1), sondern um den Erhalt
existenzsichernder Mittel.
b. Von dem Freizügigkeitsrecht des Antragstellers zu 1) nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU abgeleitet werden gemäß § 3 Abs. 1 FreizügG/EU die Freizügigkeitsberechtigungen der Antragsteller zu 2) bis 6) als Familienangehörige des Antragstellers zu 1), die diesen
begleitet haben. Den Fall des Nachzugs oder der Begleitung stellt der Senat die Geburt des Antragstellers zu 6) in der Bundesrepublik
Deutschland gleich. Zum Antragsteller zu 1) steht die Antragstellerin zu 2) in der in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Variante 1 FreizügG/EU benannten Rechtsbeziehung eines Ehegatten. Die Antragsteller zu 3) bis 6) sind als noch nicht 21 Jahre alte Kinder des Antragstellers
zu 1) von § 3 Abs. 2 Nr. 1 Variante 3 FreizügG/EU erfasst.
2. Der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II greift nicht.
Nach dieser Vorschrift sind Personen, obwohl sie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen, von der Leistungsberechtigung ausgenommen, wenn es sich um Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik
Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts handelt.
Bei einer Einreise unter dem 17. September 2015 endet der Drei-Monats-Zeitraum aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II am 17. Dezember 2015. Weil, der Antragsteller zu 1) aber, wie dargelegt, ab Dezember 2015 selbständig tätig war, ist der
Ausschlusstatbestand nicht (mehr) erfüllt.
3. Die Antragsteller haben dem Grunde nach Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II. Die Regelungsanordnung war - ausgehend vom Regelbewilligungszeitraum von sechs Monaten mit Beginn zum 1. Dezember 2015 -
auf die Zeit bis zum 31. Mai 2016 zu beschränken.
In Anbetracht des Zuflusses der Kindergeldnachzahlung von insgesamt 3.870,05 EUR am 16. Februar 2016 hält der Senat den Erlass
einer Regelungsanordnung für die Zeit bis Ende Februar 2016 für nicht geboten. Denn die Antragsteller haben weder mit ihrem
Antragsschriftsatz vom 14. Januar 2016 ein Nachholbedürfnis geltend gemacht, noch sind wegen der von ihnen vorgetragenen Verwendung
der Kindergeldnachzahlung zur Tilgung von durch Verwandte und Bekannte aus Rumänien ausgereichte Darlehen in der Vergangenheit
liegende Bedarfe abzudecken.
Hingegen liegt für die Zeit ab dem 1. März 2016 neben dem Anordnungsanspruch auch ein Anordnungsgrund vor, weil die Antragsteller
die Ausgabe der Kindergeldnachzahlung glaubhaft gemacht haben. Ob diese Verwendung rechtmäßig ist oder nicht, berührt weder
das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, noch dasjenige eines Anordnungsgrundes. Verschulden ist bei der Gewährung noch nicht
erbrachter existenzsichernder Leistungen kein Maßstab. Vielmehr sieht § 34 SGB II Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten vor.
Bei der Berechnung der Leistungsansprüche nicht zu berücksichtigten sind Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Entsprechende
Bedarfe sind schon nicht glaubhaft gemacht, nachdem die Antragsteller bis einschließlich Dezember 2015 erklärt haben, sie
lebten mietfrei. Die Existenz einer nunmehr vorgetragenen Vereinbarung zu einer Kostenbeteiligung ist nicht nachvollziehbar.
Zudem geht auch aus dem Vortrag der Antragsteller nur hervor, dass eine Kostenbeteiligung "bei Leistungsfähigkeit" erfolgen
soll. Diese Leistungsfähigkeit herbeizuführen ist bei fehlender - verbindlicher - vertraglicher Verpflichtung nicht Angelegenheit
des Antragsgegners.
Wegen der Kindergeldzahlungen aus Rumänien fehlt es nach dem Vortrag der Antragsteller an einem Zufluss. Diesen Vortrag hält
der Senat auch wegen der Erklärung zur Barzahlung von rumänischem Kindergeld und des Aufenthalts der Antragsteller seit September
2015 in der Bundesrepublik Deutschland für glaubhaft. Bei Zweifeln an dem Vortrag zum fehlenden Zufluss des Kindergelds ist
es Aufgabe des Antragsgegners im Verwaltungsverfahren, die Zahlungsmodalitäten bei der rumänischen Kindergeldkasse zu erfragen
und sich gegebenenfalls die Barzahlung eines Kindergeldnachzahlungsbetrags von dort anzeigen zu lassen.
Wegen der fehlenden Zuordnung von Einzelbeträgen aus dem vorläufigen Kindergeldzahlbetrag für die Antragsteller zu 3) bis
5) sowie der (überholten) Festsetzung des Kindergeld für den Antragsteller zu 6) nimmt der Senat für die Antragsteller zu
3) bis 5) eine Aufteilung nach Kopfteilen auf der Grundlage des Gesamtkindergeldzahlbetrags für März 2016 in Höhe von 741,21
EUR abzüglich des auf den Antragsteller zu 4) entfallenden Kindergeldbetrags von 221,00 EUR (741,21 EUR - 221,00 EUR = 520,21
EUR./. 3 = 2 x 173,40 EUR + 1 x 173,41 EUR) vor. Für das Einkommen des Antragstellers zu 1) setzt der Senat die Betriebseinnahmen
als Gewinn an. Tatsächlich geleistete notwendige Ausgaben im Sinne des § 3 Abs. 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V) sind nicht glaubhaft gemacht. Angesichts der Einkommensentwicklung im Februar 2016 auf 305,68 EUR erscheint ein vorläufiger
Ansatz eines Gewinns von 300,00 EUR als die Einkommenslage hinreichend abbildend.
Damit ergibt sich folgende Berechnung:
|
Regelbedarf/ Sozialgeld
|
- Einkommen
|
= Anspruch
|
Antragsteller zu 1)
|
364,00 EUR
|
58,20 EUR
|
305,80 EUR
|
Antragstellerin zu 2)
|
364,00 EUR
|
58,20 EUR
|
305,80 EUR
|
Antragsteller zu 3)
|
270,00 EUR
|
188,84 EUR
|
81,16 EUR
|
Antragsteller zu 4)
|
270,00 EUR
|
188,84 EUR
|
81,16 EUR
|
Antragstellerin zu 5)
|
237,00 EUR
|
183,57 EUR
|
53,43 EUR
|
Antragsteller zu 6)
|
237,00 EUR
|
223,56 EUR
|
13,44 EUR
|
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, §
177 SGG.