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LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.04.2016 - 2 AS 102/16
Grundsicherung für Arbeitsuchende; Leistungsberechtigung; Unionsbürger; Selbständigkeit; Niederlassungsfreiheit; Besonderheiten des mitgliedsstaatlichen Gewerberechts; Ordnungswidrigkeit; untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit; Betriebserlaubnis; Gewerbeanmeldung; Gewinnerzielungsabsicht; Nachhaltigkeit; Wartefrist; Ermessensleistungen; Führerschein; Fahrerlaubnis; Kfz; organisatorische Struktur; Niederlassung; feste Einrichtung; Anzeigepflicht; Folgenabwägung; Notwendigkeit der rückwirkenden Bedarfsdeckung; Konzept; rumänische Staatsangehörige; Nachholbedürfnis; Beschwerdeverfahren; einstweiliger Rechtsschutz; Anordnungsanspruch; Anordnungsgrund; einstweilige Anordnung; Sammeln von Altmetall; Schrottsammler; Erwerbstätigkeit; selbständige Tätigkeit; Reisegewerbe; Betriebseinnahmen; Betriebsausgaben; wirtschaftliche Relevanz; strafbare Tätigkeit; Kindergeldnachzahlung
1. Der Begriff der Niederlassung ist weit zu fassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die selbständige Erwerbstätigkeit eines Unionsbürgers nach der Systematik des § 2 Abs 2 FreizügG/EU entweder unter § 2 Abs 2 Nr 2 oder unter § 2 Abs 2 Nr 3 FreizügG/EU fällt.
2. Besonderheiten des mitgliedsstaatlichen Gewerberechts sind bei der Beurteilung der Möglichkeit des Unionsbürgers, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen, zu berücksichtigen. Sofern dem Merkmal der "festen Einrichtung", von der aus die Tätigkeit ausgeübt werden muss, nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH noch Bedeutung zugemessen werden kann, haben diese Besonderheiten Einfluss auf die an das Merkmal der "festen Einrichtung" zu stellenden Anforderungen.
3. Die geringe wirtschaftliche Bedeutung einer selbständigen Tätigkeit ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Gleicht sich die Selbständigkeit in ihrer Bedeutung für die Teilnahme des Unionsbürgers am Wirtschaftsleben wegen geringer wirtschaftlicher Risiken derjenigen einer Arbeitnehmertätigkeit an, kann ein Gewinn in Höhe der Vergütung ausreichen, die der EuGH für die nicht nur untergeordnete und unwesentliche Marktteilnahme von Arbeitnehmern für ausreichend erachtet. Andererseits kann dann auch verstärktes Gewicht auf die Regelmäßigkeit der Tätigkeit zu legen sein.
4. Eine strafbare Tätigkeit unterfällt nicht dem Schutz der unionsbürgerrechtlichen Freizügigkeitsberechtigung. Das gilt nicht in gleichem Maß für ordnungswidrige Tätigkeiten. Handelt der Unionsbürger in Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit ordnungswidrig, kann die Schutzrichtung des Ordnungswidrigkeitentatbestands Einfluss auf die Anerkennung der Erwerbstätigkeit als von § 2 Abs 2 Nr 2 FreizügG/EU erfasst haben.
Fundstellen: NZS 2016, 518
Normenkette:
SGG § 86b Abs. 2 S. 2
,
SGG § 172 Abs. 3 Nr. 2b
,
SGB II § 7 Abs. 1 S. 2
,
FreizügG/EU § 2 Abs. 2 Nr. 2
,
GewO § 4 Abs. 3
,
KrWG § 18 Abs. 1
Vorinstanzen: SG Halle 17.02.2016 S 15 AS 121/16 ER
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 17. Februar 2016 wird abgeändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern ab dem 1. März 2016 vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis zum 31. Mai 2016 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich jeweils 305,80 EUR für den Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2), jeweils 81,16 EUR für den Antragsteller zu 3) und die Antragstellerin zu 4), 53,43 EUR für die Antragstellerin zu 5) und 13,44 EUR für den Antragsteller u 6) zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu erstatten.

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