Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Krankengeld über den 1. Oktober 2017 hinaus hat.
Der 1958 geborene, mit einer sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ehefrau verheiratete Kläger war bei der Beklagten
mit Anspruch auf Krankengeld krankenversichert. Seit dem 4. April 2017 war er arbeitsunfähig erkrankt. Die behandelnde Ärztin
R diagnostizierte eine Panikstörung (ICD-10-Code F41.0) und eine Somatisierungsstörung (ICD-10-Code F45.0). Sein letztes Arbeitsverhältnis
endete zum 1. Mai 2017.
Seit 1. Mai 2017 gewährt die Beklagte dem Kläger Krankengeld in Höhe von kalendertägig brutto 83,04 EUR. Im Bewilligungsbescheid
vom 30. Mai 2017 wies die Beklagte darauf hin, dass sie das Krankengeld grundsätzlich rückwirkend und jeweils bis zu dem Tag
zahle, an dem die Ärztin bzw. der Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt habe. Sofern der Kläger Krankengeld für einen kompletten
Kalendermonat erhalte, werde dieser mit 30 Tagen berücksichtigt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bewilligungsbescheid
(Bl. 20 [unfoliiert] der Leistungsakte) Bezug genommen.
Der Kläger brachte in der Folge Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seiner behandelnden Ärztin R bei, und zwar vom 2. Mai 2017
für den Zeitraum bis 16. Mai 2017, vom 16. Mai 2017 für den Zeitraum bis 6. Juni 2017, vom 6. Juni 2017 für den Zeitraum bis
27. Juni 2017, vom 27. Juni 2017 für den Zeitraum bis 11. Juli 2017, vom 11. Juli 2017 für den Zeitraum bis 1. August 2017,
vom 2. August 2017 für den Zeitraum bis 13. September 2017 und vom 6. September 2017 für den Zeitraum bis zum 1. Oktober 2017.
Am Vormittag des 2. Oktober 2017, einem Montag, suchte der Kläger die Praxis seiner behandelnden Ärztin R auf. Dabei stellte
er fest, dass die Praxis geschlossen war. Hintergrund der Schließung war, dass es sich um einen Brückentag zwischen dem Wochenende
und dem am Dienstag folgenden Feiertag handelte. Die Hausärztin, deren übliche Vorgehensweise es war, schriftliche Urlaubsinformationen
für ihre Patienten farblich gekennzeichnet am Tresen ausliegen zu lassen, hatte ihren Anrufbeantworter mit folgendem Text
besprochen: "Das ist der Anrufbeantworter der hausärztlichen internistischen Praxis von Frau R. Bitte hören Sie die Ansage
bis zum Ende an. Unsere Praxis ist bis einschließlich Dienstag den 3.10.2017 geschlossen. Der ärztliche Bereitschaftsdienst
steht Ihnen von Freitag den 29.9.2017 ab 13:00 Uhr bis einschließlich Mittwoch, den 4.10.2017 8:00 Uhr unter der Telefonnummer
116117 zur Verfügung. In dringenden ärztlichen Notfällen wählen Sie bitte die Nummer des Rettungsdienstes 112. Mittwoch den
4.10.2017 sind wir ab 8:00 Uhr wieder in unserer Praxis für Sie da." Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 62 der Gerichtsakte
im Verfahren S 33 KR 44/17 ER Bezug genommen.
Am 4. Oktober 2017 suchte er die Arztpraxis von Frau R erneut auf. Diese bescheinigte ihm mit Folgebescheinigung vom selben
Tag Arbeitsunfähigkeit seit dem 4. Oktober 2017 bis zum 25. Oktober 2017.
Mit Bescheid vom 5. Oktober 2017 stellte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld mit dem 1. Oktober 2017 ein. Zur Begründung
führte sie aus, dass die Arbeitsunfähigkeit spätestens am 2. Oktober 2017 hätte neu festgestellt werden müssen, um den Anspruch
auf Krankengeld aufrechtzuerhalten. Bei erneuter Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 4. Oktober 2017 sei der Kläger nicht
mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Es habe nur noch eine Familienversicherung nach seiner Ehefrau bestanden.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 10. Oktober 2017 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass ihm nicht bewusst
gewesen sei, dass durch den verspäteten Arztbesuch am 4. Oktober 2017 eine Lücke entstanden sei. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens
brachte er eine Bescheinigung seiner Ärztin vom selben Tag bei, dass er auch am 2. und 3. Oktober 2017 arbeitsunfähig gewesen
sei. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 23 der Leistungsakte Bezug genommen.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2017 zurück. Zur Begründung wiederholte und vertiefte
sie ihre Ausführungen im angegriffenen Bescheid. Dass die Praxis der behandelnden Ärztin am 2. Oktober 2017 geschlossen gewesen
sei, ändere auch nach den Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung nichts am Wegfall des Krankengeldanspruchs. Den
Versicherten treffe grundsätzlich die Obliegenheit, sich rechtzeitig um eine Folgebescheinigung zu bemühen.
Gegen den Bescheid vom 5. Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2017 hat der Klägern am 8. Dezember
2017 Klage beim Sozialgericht Itzehoe erhoben.
Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass er weder von der Beklagten noch von der behandelnden Ärztin darüber informiert
worden sei, dass eine Lücke bei den ärztlichen Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit derartige Rechtsfolgen auslösen könne.
Die Beklagte berufe sich bei ihrer Ablehnungsentscheidung auch auf überholte höchstrichterliche Rechtsprechung. Zu seinen
Gunsten müsse ein Härtefall berücksichtigt werden.
Er hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 5. Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2017
zu verurteilen, ihm Krankengeld über den 1. Oktober 2017 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre bisherigen Ausführungen wiederholt und vertieft. Es liege kein Fall vor, der nach den höchstrichterlichen Vorgaben
ausnahmsweise die Weitergewährung von Krankengeld trotz Unterbrechung bei der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
rechtfertige.
Mit Urteil vom 7. November 2018, das mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, hat das Sozialgericht
Itzehoe die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 5. Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November
2017 dazu verurteilt, dem Kläger Krankengeld über den 1. Oktober 2017 hinaus dem Grunde nach zu gewähren. Zur Begründung hat
es ausgeführt, dass der Anspruch des Klägers auf Krankengeld nicht an der fehlenden Nahtlosigkeit ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit
scheitere. Wie sich Versicherte verhalten sollten, wenn an einem Brückentag die Arztpraxis geschlossen sei, sei auch unter
Berücksichtigung der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärt und bedürfe der Rechtsfortbildung. Unter Berücksichtigung
insbesondere der Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 6, juris Rn. 34 sei die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger alles ihm Zumutbare anspruchserhaltend
unternommen habe und insbesondere nicht auf die Inanspruchnahme des ärztlichen Bereitschaftsdienstes verwiesen werden könne.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger sich tatsächlich um eine rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bemüht
habe, es lediglich um zwei rückwirkende Tage gehe, er nachweislich ununterbrochen wegen derselben Diagnosen arbeitsunfähig
erkrankt gewesen sei und ihm vonseiten seiner Hausärztin keine konkrete Vertretungspraxis für den 2. Oktober 2017 benannt
worden sei. Demgegenüber bestünden erhebliche Bedenken gegen die Anerkennung einer Verpflichtung des Klägers zur Inanspruchnahme
des von der Kassenärztlichen Vereinigung organisierten ärztlichen Bereitschaftsdienstes. Denn diese dienten dem Zweck, Patienten
in medizinisch dringenden Fällen auch außerhalb regulärer Sprechzeiten ambulant zu behandeln. Dabei gehe es um dringende Behandlungsbedürftigkeit
und nicht um versicherungsrechtliche Dringlichkeit. Dies müsse umso mehr gelten, als die missbräuchliche Inanspruchnahme der
Notdienste zu einem erheblichen Schaden für die Versichertengemeinschaft führe und auch medial immer wieder beklagt werde.
Es mute wie eine Aussteuerung durch die Hintertür an, wenn sich die Beklagte in einer derartigen Ausnahmekonstellation aus
Formgründen auf das Fehlen der rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit berufe.
Gegen das ihr am 27. November 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. Dezember 2018 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung vertieft die Beklagte ihre Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden. Auch die höchstrichterlich anerkannten
Voraussetzungen für eine ausnahmsweise nachträgliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit seien nicht erfüllt. Es fehle für
ein ihr zurechenbares Verschulden der Vertragsärztin an einem Arzt-Patienten-Kontakt. Dem Kläger wäre es zumutbar möglich
gewesen, am 2. Oktober 2017 einen anderen Arzt aufzusuchen. Auch von der neuesten BSG-Rechtsprechung werde der Fall nicht erfasst.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 7. November 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil.
Im korrespondierenden Eilverfahren zum Az. S 33 KR 44/17 ER hat das Sozialgericht die Beklagte mit Beschluss vom 12. Januar 2018 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
dem Kläger vorläufig Krankengeld zu zahlen. Die Beklagte hat daraufhin bis zum 1. Oktober 2018 unter Vorbehalt der Rückforderung
Krankengeld gezahlt. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hat der Kläger ohne weitere Unterbrechung bis 1. April 2020 eingereicht.
Mit Bescheid vom 9. März 2020 ist ihm rückwirkend zum 1. Juli 2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden.
Das für Zeiträume nach dem 1. Juli 2018 gezahlte Krankengeld ist der Beklagten daraufhin von der Deutschen Rentenversicherung
Bund teilweise erstattet worden. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 65 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 19. bzw. 20. Februar 2019 haben der Kläger und die Beklagte einer Entscheidung über die Berufung durch den
Einzelrichter zugestimmt. Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung am 31. August 2020 ergänzend befragt worden. Wegen
der Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 77 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Dem Senat haben die Leistungsakten der Beklagten und die Gerichtsakte im Verfahren zum Az. S 33 KR 44/17 ER vorgelegen. Auf diese Akten und auf die Gerichtsakte wird wegen des der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts ergänzend
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Berichterstatter entscheidet über die Berufung, weil die Beteiligten sich mit Schriftsätzen vom 19. bzw. 20. Februar 2019
einverstanden damit erklärt haben (§
155 Abs.
3 und
4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und eine Entscheidung durch den gesamten Senat nicht angezeigt ist.
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die Berufung zu ist zulässig. Sie ist form- und fristgemäß erhoben worden (§
153 Abs.
1 SGG). Sie ist zulassungsfrei statthaft, weil angesichts eines Krankengeldanspruchs von kalendertägig 83,04 EUR brutto die maßgebliche
Wertgrenze von 750,00 EUR (§
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG) offensichtlich überschritten ist.
Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung - bzw. eher: Aufhebung - des
angefochtenen Bescheids vom 5. Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2017 dazu verurteilt, dem
Kläger über den 1. Oktober 2017 hinaus dem Grunde nach Krankengeld zu gewähren. Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und
Leistungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1, Abs.
4 SGG) ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und vermögen den Kläger nicht zu beschweren. Er hat gegen
die Beklagte keinen Anspruch auf Krankengeld über den 1. Oktober 2017 hinaus.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist angesichts des zeitlich unbegrenzten Grundurteils des Sozialgerichts (vgl. §
130 Abs.
1 Satz 1
SGG) der Anspruch auf Krankengeld bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht.
Der Kläger kann zunächst die Zahlung von Krankengeld vorliegend nicht für Teilzeiträume - bis zur Bekanntgabe des Bescheids
vom 5. Oktober 2017 - deshalb verlangen, weil ein Dauerverwaltungsakt erst zu diesem Zeitpunkt mit Wirkung für die Zukunft
aufgehoben worden wäre (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]). Erfolgt eine abschnittsweise Arbeitsunfähigkeitsfeststellung
und Krankengeldzahlung, ist darin regelmäßig die Entscheidung der Krankenkasse zu sehen, dass dem Versicherten ein Krankengeldanspruch
für die Zeit der vom Vertragsarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit zusteht, d.h. dass ein Verwaltungsakt über die zeitlich befristete
Bewilligung von Krankengeld ergangen ist, soweit die Krankenkasse dem Versicherten gegenüber nichts Gegenteiliges zum Ausdruck
bringt (zuletzt BSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 - B 3 KR 23/17 R - BSGE 127, 53 = SozR 4-2500 § 49 Nr 8, juris Rn. 15 m.w.N.). Daran gemessen ist auch die vorliegende Krankengeldbewilligung nicht als Dauerverwaltungsakt
anzusehen, der über den 1. Oktober 2017 hinausgehende Wirkung entfalten sollte. Denn die Beklagte hat mit dem Bescheid vom
30. Mai 2017 erklärt, dass das Krankengeld grundsätzlich rückwirkend und jeweils bis zu dem Tag gezahlt werde, an dem die
Ärztin bzw. der Arzt des Klägers die Arbeitsunfähigkeit festgestellt habe. Auch wenn diese Erläuterung gewisse Auslegungsspielräume
bietet, hat weder der Bescheid vom 30. Mai 2017 noch eine Krankengeldzahlung im September 2017 für den Kläger den Erklärungswert
haben können, dass das Krankengeld ohne Prüfung der materiellen Voraussetzungen dauerhaft bis zu einer Aufhebungs- oder Änderungsentscheidung
weitergezahlt werden würde.
Der insoweit als Ablehnungsentscheidung wegen den Anspruchs auf Krankengeld ab 2. Oktober 2017 zu verstehende Bescheid vom
5. Oktober 2017 ist zu Recht ergangen.
Nach §
44 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) haben Versicherte u.a. Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Keinen Anspruch auf Krankengeld
haben allerdings versicherte, die u.a. nach §
10 SGB V familienversichert sind (§
44 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 SGB V). Der Anspruch auf Krankengeld entsteht dabei von dem Tag der ärztlichen Feststellung an (§
46 Satz 1 Nr. 2
SGB V). Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben
Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten
Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage (§
46 Satz 2
SGB V). Daran gemessen hat der Kläger die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld nach dem 1. Oktober 2017 nicht mehr
erfüllt.
Die für den Beginn des Krankengeldanspruchs maßgebliche ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit hat die behandelnde
Hausärztin die Klägers Frau R erst am 4. Oktober 2017 getroffen. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger aber nicht mehr mit Anspruch
auf Krankengeld krankenversichert, weil er nur noch über seine Ehefrau nach Maßgabe des §
10 Abs.
1 Satz 1
SGB V familienversichert war. Zwar bleibt gemäß §
192 Abs.
1 Nr.
2 SGB V die Mitgliedschaft Versicherter - insbesondere auch die Mitgliedschaft als Beschäftigter (§
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V) und damit mit Anspruch auf Krankengeld versicherter Personen - so lange erhalten, wie Anspruch auf Krankengeld besteht.
Angesichts der zuletzt mit Bescheinigung vom 6. September 2017 bis zum 1. Oktober 2017 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit war
dies aber im Falle des Klägers nur bis zum 1. Oktober 2017 der Fall. Ein Fortwirken der Mitgliedschaft als Beschäftigter hätte
grundsätzlich eine neue nahtlose ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit spätestens am 2. Oktober 2017 erfordert, an
der es hier fehlt.
Eine solche Bescheinigung ist nicht deshalb verzichtbar, weil der Kläger - unstreitig - auch am 2. und 3. Oktober 2017 tatsächlich
arbeitsunfähig krank war und die behandelnde Ärztin ihm dies auch rückwirkend am 10. Oktober 2017 bescheinigt hat. Der Anspruch
auf Krankengeld setzt kumulativ sowohl das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit (medizinische Voraussetzung) als auch deren ärztliche
Feststellung (versicherungsrechtliche Voraussetzung) voraus. Dabei folgt nicht nur aus dem eindeutigen gesetzlichen Wortlaut
von §
46 Satz 1 Nr. 2, Satz 2
SGB V, sondern auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, dass die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit mit krankengelderhaltender
Wirkung grundsätzlich nicht rückwirkend getroffen werden kann. Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender
Arbeitsunfähigkeit sollen beim Krankengeld Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen die nachträgliche
Behauptung der Arbeitsunfähigkeit und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten (vgl. nur BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 37/14 R - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, juris Rn. 17). Dieser generalpräventive Ansatz kann grundsätzlich nicht durch das Vorbringen unterlaufen
werden, dass im Einzelfall ein solcher Missbrauch wegen erwiesener Arbeitsunfähigkeit ausgeschlossen sei.
Entgegen der Auffassung des Klägers und des Sozialgerichts liegen auch die Voraussetzungen nicht vor, unter denen die gesetzliche
Wertentscheidung, die den Anspruch auf Krankengeld von der medizinischen Voraussetzung der Arbeitsunfähigkeit und der versicherungsrechtlichen
Voraussetzung der nur zukunftsbezogen wirkenden ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abhängig macht, ausnahmsweise
unter den Gesichtspunkten von Treu und Glauben korrigiert werden könnte.
Bereits das Sozialgericht hatte auf die höchstrichterliche Rechtsprechung hingewiesen, wonach dem Krankengeldanspruch Versicherter
eine nachträglich erfolgte ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht entgegensteht, wenn 1. der Versicherte alles
in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung
befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um (a) die ärztliche Feststellung der AU als
Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und (b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw.
-erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeldanspruch erfolgt ist, 2. er an der Wahrung der Krankengeldansprüche durch
eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (z.B. eine irrtümlich nicht erstellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung),
und 3. er - zusätzlich - seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des §
49 Abs.
1 Nr.
5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, juris Rn. 34).
Daran gemessen jedoch liegen die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs trotz Fehlen
der Voraussetzungen des §
46 Satz 2
SGB V nicht vor. Zwar hat der Kläger den Versuch unternommen, eine zur Diagnostik und Behandlung befugte Ärztin tatsächlich aufzusuchen.
Zu dem - nach dieser Rechtsprechung noch erforderlichen - Arzt-Patienten-Kontakt ist es aber nicht gekommen, weil die Praxis
am 2. Oktober 2017 geschlossen war. Dementsprechend war es dem Kläger nicht möglich, seiner behandelnden Ärztin Frau R seine
Beschwerden zu schildern, so dass es folglich auch nicht zu einer diesem Kommunikationsakt nachfolgenden Fehleinschätzung
der Ärztin kommen konnte. Der vorliegende Fall ist, worauf auch schon die Beklagte hingewiesen hatte, anders gelagert als
der der höchstrichterlichen Entscheidung zugrundeliegende.
Die Anerkennung eines Ausnahmefalls kommt auch nach Maßgabe der jüngsten BSG-Rechtsprechung nicht in Betracht. So hat der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 26. März 2020 - B 3 KR 9/19 R - juris Rn. 22 die eben skizzierte Rechtsprechung dahingehend weiterentwickelt, dass es einem "rechtzeitig" erfolgten persönlichen
Arzt-Patienten-Kontakt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat und rechtzeitig
innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten, und es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus dem Vertragsarzt
und der Krankenkasse zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist.
Diese Weiterentwicklung ist zunächst wiederum vor dem Hintergrund des vom BSG konkret entschiedenen Falles zu sehen, in dem der Versicherte zu einem im Voraus vereinbarten Termin nicht erschienen war,
weil er von der Praxis telefonisch aufgefordert worden war, aus organisatorischen Gründen erst am nächsten Tag zu erscheinen,
an dem es für die krankengelderhaltende ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an sich bereits zu spät war. Eine solche
Situation liegt hier nicht vor, weil der Kläger im Vorfeld keinen Folgetermin (insbesondere für den 2. Oktober 2017) vereinbart
und am 2. Oktober 2017 auch zu Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern der Praxis keinen mündlichen, fernmündlichen oder sonstigen
Kontakt hatte, bei dem es zu dem Vertragsarzt und damit mittelbar auch der Krankenkasse zurechenbaren Fehlern oder Fehleinschätzungen
gekommen sein könnte.
Auch in einem weitergehenden Sinne liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der jüngsten Weiterentwicklung der BSG-Rechtsprechung nicht vor, wobei offenbleiben kann, ob das BSG selbst seine Rechtsprechung überhaupt als so weitgehend verstanden wissen will. Sofern und soweit der Kläger geltend macht,
dass die behandelnde Ärztin R beim vorherigen Termin am 6. September 2017 bereits habe erkennen können und müssen, dass das
Enddatum ihrer dort ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf den Sonntag vor einem Brückentag falle, für den sie
eine Schließung der Praxis bestimmt habe, dass sie verpflichtet gewesen sei, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von vornherein
so zu begrenzen, dass am Folgetag die Öffnung der Praxis sichergestellt sei (z.B. auf den 3. Oktober 2017) und dass diese
Fehler der Beklagten mit anspruchserhaltender Wirkung zuzurechnen seien, vermag das Gericht dem nicht zu folgen.
Allein die ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bis zu einem Tag, der vor einem auf einen Werktag fallenden Schließtag
der Praxis liegt, begründet bereits keinen Fehler des Vertragsarztes, der nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung
durch eine an Treu und Glauben orientierte korrigierende Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen berichtigt werden müsste.
Die ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit gibt lediglich einen Rahmen vor, innerhalb dessen grundsätzlich den Versicherten
die Obliegenheit trifft, sich im Falle fortbestehender Arbeitsunfähigkeit um eine Folgebescheinigung zu bemühen. Dabei ist
wesentlich zu berücksichtigen, dass der Versicherte nicht gezwungen ist, den Zeitraum der bisherigen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit
voll auszuschöpfen. Er kann sich vielmehr auch (deutlich) vor Ablauf der bisherigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei einer
Vertragsärztin bzw. einem Vertragsarzt vorstellen und um Ausstellung einer Folgebescheinigung bitten. Dem Kläger ist dieser
Umstand durchaus bekannt gewesen, was sich gerade daran zeigt, dass er die hier maßgebliche Folgebescheinigung am 6. September
2017 erhalten hat, obwohl die vorangehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch bis zum 13. September 2017 datiert war.
Selbst wenn man gleichwohl von einem mitwirkenden Verschulden der Vertragsärztin ausgehen wollte, so hätte der Kläger im vorliegenden
Falle aber auch nicht alles im Zumutbare getan, um die Erteilung einer rechtzeitigen Folgebescheinigung am 2. Oktober 2017
noch zu erhalten. Denn die Inanspruchnahme des ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung wäre für
den Kläger zur Überzeugung des Gerichts in der konkreten Situation möglich und zumutbar gewesen. Der Kläger hat selbst in
der mündlichen Verhandlung geschildert, dass er am Vormittag des 2. Oktober 2017 mit dem Fahrrad mehrere andere Arztpraxen
angefahren habe, die allerdings ebenfalls geschlossen gewesen seien. Er will außerdem telefonisch beim Krankenhaus in P die
Möglichkeit einer dortigen ärztlichen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit abgeklärt haben. Dies zeigt, dass dem Kläger die
Bedeutung der ärztlichen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit noch am 2. Oktober 2017 jedenfalls in ihren Grundzügen bewusst
gewesen ist. Vor diesem Hintergrund wäre es ihm ohne weiteres möglich und zuzumuten gewesen, den ärztlichen Bereitschaftsdienst
der Kassenärztlichen Vereinigung zu kontaktieren, auf dessen Rufnummer die Bandansage der Praxis seiner Hausärztin hingewiesen
hatte. Dies hat der Kläger nicht getan. Dem Sozialgericht ist grundsätzlich zuzustimmen, dass der Bereitschaftsdienst der
Behandlung vornehmlich medizinisch dringlicher Fälle dient. Vor diesem Hintergrund hätte der Kläger wegen vordringlicher medizinischer
Eilfälle u.U. Wartezeiten in Kauf nehmen müssen, bis seinem Begehren entsprochen worden wäre. Nicht von vornherein ausgeschlossen
werden kann auch, dass sich der Kläger dort u.U. Unmutsäußerungen der diensthabenden Ärztinnen und Ärzte bzw. des nichtärztlichen
Personals hätte gefallen lassen müssen. Dies führt aber nicht dazu, die Inanspruchnahme des Bereitschaftsdienstes, der das
gesamte Spektrum der vertragsärztlichen Versorgung abzudecken hat, als nicht zumutbar anzusehen. Dies muss schon deshalb gelten,
weil es dem Kläger möglich gewesen wäre, durch eigene sorgfältigere Planung und ggf. die frühzeitige Vereinbarung eines Folgetermins
derartige Unannehmlichkeiten von vornherein zu vermeiden.
Für eine noch weitere Ausweitung der bisherigen BSG-Rechtsprechung bietet der Fall aus den genannten Gründen keine Grundlage.
Bis zum 30. Juni 2018 ist bei ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit ein anderes Versicherungsverhältnis, aus dem
der Kläger einen neuen Krankengeldanspruch herleiten könnte, nicht entstanden. Für den Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2018
und dem 31. August 2020 liegen die Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Krankengeld schon deshalb nicht vor, weil
dem Kläger mit Wirkung vom 1. Juli 2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund
bewilligt worden ist. Eine derartige Rente führt einerseits zur Beendigung eines laufenden Anspruchs auf Krankengeld und außerdem
dazu, dass ein neuer Krankengeldanspruch nach Beginn dieser Leistung nicht entsteht (§
50 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB V).
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §
193 Abs.
1 Satz 1, Abs.
4 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Gründe, die gemäß §
160 Abs.
2 SGG die Zulassung der Revision rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.