Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in der gesetzlichen
Rentenversicherung für einen Abteilungsleiter Plandurchführung und -kontrolle
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1
Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) die Beschäftigungszeiten vom 1. August 1966 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem
und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Der 1940 geborene Kläger erwarb 1966 nach einem Fernstudium an der Fachhochschule für technische Keramik das Recht, die Berufsbezeichnung
Ingenieur zu führen (Urkunde vom 23. Juli 1966). Laut Sozialversicherungsausweis war er seit dem 4. September 1961 in verschiedenen
Funktionen bei dem VEB Keramische Werke H. bzw. später dem VEB Kombinat Keramische Werke H. beschäftigt. Ab dem 1. Januar
1977 war er als Direktor für Produktion und Direktor für Konsumgüter im Kombinat VEB Elektronik G. tätig. Diese Funktion übte
er bis 30. November 1979 aus. Vom 1. bis 31. Dezember 1979 arbeitete er bei dem Kombinat VEB Keramische Werke H.als wissenschaftlicher
Mitarbeiter des Betriebsdirektors, danach von Januar 1980 bis September 1986 als Betriebsleiter Ferrite, von Oktober 1986
bis Januar 1988 als Stellvertreter des Direktors für Plandurchführung und Abteilungsleiter Plandurchführung und -kontrolle,
seit Februar 1988 bis zum 30. Juni 1990 und darüber hinaus als Abteilungsleiter Plandurchführung und -kontrolle. Nach eigenen
Angaben gehörte die Koordinierung der Fertigungs- und Produktionsprozesse im Stammbetrieb, die Analyse, Organisation und Abrechnung
zu seinen Aufgaben in dieser Funktion.
Das Kombinat VEB Keramische Werke H. wurde am 6. Februar 1969 mit Wirkung vom 1. Januar 1969 in das Register der volkseigenen
Wirtschaft eingetragen. Grundlage der Entstehung des Kombinates war die Verfügung Nr. 16/68 des Ministeriums für Elektrotechnik
und Elektronik über die Gründung des Kombinates VEB Keramische Werke H. vom 30. Dezember 1968. Nach Ziffer 2 der Verfügung
verlieren die dort genannten volkseigenen Betriebe zum 31. Dezember 1968 ihre Rechtsfähigkeit und werden mit dem VEB Keramische
Werke H. als juristisch unselbstständige Betriebe zum Kombinat VEB Keramische Werke H. vereinigt.
Laut § 5 des Statuts des Kombinates VEB Keramische Werke H. hat das Kombinat auf der Grundlage der staatlichen Pläne bei der
Erforschung, Entwicklung, Produktion und dem Absatz von Erzeugnissen der Technischen Keramik, elektronischen Bauelementen
und sonstigen Erzeugnissen den volkswirtschaftlichen Bedarf mit dem geringsten Aufwand zu decken. Das Kombinat VEB Keramische
Werke H. wurde am 11. September 1990 von Amts wegen nach § 7 der Umwandlungsverordnung vom 1. März 1990 (GBl. I Nr. 14) gelöscht.
Rechtsnachfolger ist die Keramische Werke H.- T. Aktiengesellschaft.
Der VEB Elektronik G. wurde am 11. Februar 1977 in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen. Die Gründung erfolgte
auf Anweisung des Generaldirektors der VVB - RFT- Bauelemente und Vakuumtechnik auf der Grundlage der Verfügung Nr. 44/76 des Ministers für Elektrotechnik und Elektronik
vom 24. Dezember 1976 zur Bildung des Kombinates VEB Elektronik G ... Dieses entstand mit Wirkung vom 1. Januar 1977 aus dem
Kombinat VEB Kondensatorenwerk G. und dem Betriebsteil Elektronik des Stammbetriebes des Kombinats VEB Keramische Werke H.
Die wirtschaftliche Tätigkeit des Kombinates besteht nach § 5 der Anweisung in der Herstellung passiver elektronischer Bauelemente,
Speicher und Baugruppen für die EDVA und Kassettenrecorder.
Eine Versorgungszusage erhielt der Kläger vor Schließung der Versorgungssysteme nicht. Vom 1. September 1978 bis 30. Juni
1990 entrichtete er Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).
Im Februar 2005 beantragte er bei der Beklagten die Feststellung seiner Beschäftigungszeiten von August 1966 bis Juni 1990
als Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Mit Bescheid vom 31. Mai 2005 lehnte die Beklagte
dies mit der Begründung ab, er sei als Abteilungsleiter Plandurchführung nicht im unmittelbaren Produktionsprozess eingegliedert
gewesen bzw. habe trotz seiner "technischen" Qualifikation den Produktionsprozess nicht aktiv beeinflussen können. Mit Widerspruchsbescheid
vom 22. August 2005 wies sie den Widerspruch zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, seine Tätigkeit im Direktorat Plandurchführung sei ausschließlich eine ingenieurtechnische
Tätigkeit gewesen. Aufbauend auf Erfahrungen seien Ingenieure in diese Tätigkeit eingesetzt worden, die nicht nur die einzelnen
Produktionsbetriebe kennen sollten, sondern auch in der Lage waren, über Analysen der Maschinenparks, der Produktionsbedingungen
und der aktuell wissenschaftlich technischen Voraussetzungen für gewollte Produktionsziele und - produkte, mögliche Leistungen
und das Leistungsvermögen zu bewerten. Die Tätigkeit habe Wissen in den Bereichen der Mikroelektronik, magnetkeramischer Bauelemente,
Piezokeramik, technischer Keramik für Hochspannung sowie Pulvermetallurgie, Werkzeugbau und Rationalisierungsmittelbau sowie
deren Einflüsse auf überregionale Wirkung vorausgesetzt. Es sei also nicht um eine ökonomische Planungsarbeit, sondern um
ingenieurtechnisch bewertete Arbeitskonzepte gegangen. Der Kläger hat sich seine Tätigkeitsbeschreibung vom 19. September
2005 von den ehemaligen Generaldirektoren Günter W. und Manfred Sch. sowie dem ehemaligen Verantwortlichen für Arbeitsklassifizierung
Hans B. unterschriftlich bestätigen lassen. Dem Abteilungsleiter Plandurchführung habe die Funktion des Produktionsleiters
des Stammbetriebes mit der entsprechenden Weisungsbefugnis gegenüber den produzierenden Einheiten oblegen. Somit habe er Verantwortung
für die Realisierung der vorgegebenen Pläne (Bilanzen) getragen und sei für deren Sicherung in aller Konsequenz auch verantwortlich
gewesen. Im Laufe der geplanten Periode seien dann die geplanten Aktivitäten realisiert worden. In einem Konzept sei konkret
festgeschrieben worden, welche Person, welche Aktivität an welchem Ort zu welcher Zeit und in welcher Qualität auszuüben habe.
Jegliche Abweichung sei durch aktive Einflussnahme vor Ort korrigiert und mit Ergänzungs- bzw. Ausweichlösungen untersetzt
worden.
Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, die Zuordnung der Beschäftigten zu Tätigkeitshauptgruppen sei gemäß Rahmenrichtlinie vom
10. Dezember 1974 nach der "ausgeübten Tätigkeit" unabhängig von der Qualifikation, der Struktureinheit in der diese Tätigkeit
ausgeübt wurde und auch unabhängig von Formen der Entlohnung erfolgt. Es sei danach u.a. zwischen Produktionspersonal (Tätigkeitshauptgruppe
10), wozu die Produktionsarbeiter und das ingenieurtechnische Personal zählten und Leitungs- und Verwaltungspersonal (Tätigkeitshauptgruppe
30) unterschieden worden. Ingenieurtechnisches Personal seien danach Beschäftigte, die in den produzierenden Einheiten des
Betriebes für die Durchführung des technologischen Prozesses eingesetzt wurden und deren Funktion laut Stellenplan eine abgeschlossene
Ausbildung als Techniker, Fach- oder Hochschulkader voraussetzte. Zum Leitungs- und Verwaltungspersonal (Tätigkeitshauptgruppe
30) habe u.a. das Verwaltungspersonal gehört. Dies seien Arbeitskräfte, die in allen Arbeitsbereichen mit den dort auftretenden
Verwaltungsaufgaben (Planung, Koordinierung, Organisation, Kontrolle und Abrechnung) oder mit Hilfsarbeiten beschäftigt gewesen
seien. Der Abteilungsleiter Plandurchführung und - kontrolle sei mit den dort anfallenden Verwaltungsaufgaben wie Planung,
Koordinierung, Organisation, Kontrolle und Abrechnung beschäftigt gewesen. Der Kläger habe eine Verwaltungs- und Leitungsfunktion
ausgeübt, die trotz ihrer Wichtigkeit für die Betriebsabläufe G. de nicht "ingenieurtechnisch" gewesen sei.
Mit Urteil vom 4. März 2008 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht mehr in einem volkseigenen Produktionsbetrieb
im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Spätestens seit dem
22. Juni 1990 habe es sich nicht mehr um einen Produktionsbetrieb gehandelt, weil in der Umwandlungserklärung die Übertragung
des gesamten Vermögens des Kombinats VEB Keramische Werke H. auf die Keramische Werke H. - T. Aktiengesellschaft bestimmt
wurde, die mit der notariellen Umwandlungserklärung an diesem Tag als Vorgesellschaft entstanden und bis zu ihrer Eintragung
im Handelsregister als solche teilrechtsfähig und nach außen unbeschränkt handlungsfähig gewesen sei.
Mit seiner Berufung hält der Kläger an seiner Ansicht fest, dass es sich bei der Tätigkeit im Direktorat Plandurchführung
um eine ingenieurtechnische Tätigkeit gehandelt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 4. März 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. August 1966 bis
30. Juni 1990 als Zugehörigkeitszeit zu dem Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie die während dessen erzielten Arbeitsentgelte im Sinne des AAÜG festzustellen und dem Rentenversicherungsträger mitzuteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte nach den Urteilen des BSG vom 15. Juni 2010 (vgl. z.B. Az.: B 5 RS 16/09 R, nach juris) das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung am 30. Juni 1990 zugestanden. Es fehle jedoch weiterhin am Vorliegen
der sachlichen Voraussetzung. Als Abteilungsleiter Plandurchführung und -kontrolle habe der Kläger nicht eine im Wesentlichen
von seinem Berufsbild als Ingenieur für Pulvermetallurgie geprägte Tätigkeit verrichtet. Er sei nicht ingenieurtypisch und
somit berufsfremd eingesetzt gewesen. Die Tätigkeit stelle sich inhaltlich als eine dem Abteilungsleiter Plankoordinierung
ähnliche Tätigkeit dar. Diese sei überwiegend von ökonomischen - nicht technischen - Arbeitsinhalten geprägt gewesen. In der
mündlichen Verhandlung am 27. März 2012 hat sie darüber hinaus, das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung seit dem 1.
August 1966 sowie der sachlichen Voraussetzung vom 1. August 1966 bis 30. September 1986 anerkannt.
Die Berichterstatterin hat am 10. Mai 2011 mit den Beteiligten einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt und
Manfred Sch. sowie Hans B. als Zeugen vernommen. Bezüglich deren Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Der Senat hat die Registerakten (Altregister) bezüglich des Kombinates VEB Keramische Werke H. (Register-Nr. 110-10-326) und
des VEB Elektronik G. (Register-Nr. 110-10-961) beigezogen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen,
der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Beschäftigungszeit vom 1. August 1966 bis 30. Juni 1990 als Zeit
der Zugehörigkeit des Versicherten zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz
einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte nach § 8 Abs. 2 und 3 AAÜG feststellt. Das AAÜG ist auf ihn anwendbar.
Vom persönlichen Anwendungsbereich nach der maßgeblichen Norm des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG werden die Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften) erfasst, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen
im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein
Verlust der Versorgungsanwartschaften deshalb eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden
vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten.
Der Kläger erfüllt beide Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Er war bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm eine Versorgungsanwartschaft
zuerkannt worden war, liegt nicht vor. Er hatte keine positive Statusentscheidung der Beklagten und/oder eine frühere Versorgungszusage
in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrags (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts erhalten. Er war auch nicht auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung
in das Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden.
Er war am 1. August 1991 jedoch Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft, wie sie sich aus der vom 4. Senat des Bundessozialgerichts
(BSG) vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG herleitet. Danach ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht in einem Versorgungssystem einbezogen waren und die nachfolgend
auch nicht aufgrund originären Bundesrechts (z. B. Art. 17 EV) einbezogen wurden, zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1.
August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage
gehabt hätten (vgl. BSG, Urteile vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 31/01 R, Az.: B 4 RA 41/01, Az.: B 4 RA 3/02 R, BSG, Urteil vom 10. April 2002 - Az.: B 4 RA 34/01 R - Az.: B 4 RA 10/02 R, nach juris). Dieser Rechtsprechung hat sich der 5. Senat des BSG angeschlossen (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 15. Juni 2010 - Az.: B 5 RS 16/09 R, B 5 RS 2/09 R).
Der Kläger hat am 1. August 1991 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen
Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (nachfolgend ZAVO-techInt, GBl. der
DDR Nr. 93 (S. 844)) erfüllt. Dies ist dann der Fall, wenn nach § 1 ZAVO-techInt i.V.m. § 1 Abs. 1 der 2. DB z. ZAVO-techInt
drei Voraussetzungen erfüllt sind: Der "Versorgungsberechtigte" muss am 30. Juni 1990 eine bestimmte Berufsbezeichnung (persönliche
Voraussetzung) und eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und die Tätigkeit
oder Beschäftigung muss am 30. Juni 1990 bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens
verrichtet worden sein (betriebliche Voraussetzung - BSG, Urteile vom 29. Juli 2004 - Az.: B 4 RA 4/04 R, 18. Juni 2003 - Az.: B 4 RA 1/03 R; ebenso z.B.: BSG, Urteil vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 32/01 R und vom 10. April 2002 - Az.: B 4 RA 10/02 R, alle nach juris).
Mit Erwerb des Ingenieurtitels am 23. Juli 1966 erfüllte der Kläger die persönliche Voraussetzung. Arbeitgeber im Rechtssinne
war am 30. Juni 1990 auch (noch) ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie im Sinne des § 1 ZAVO-techInt i.V.m. §
1 Abs. 1 der 2. DB z. ZAVO-techInt (betriebliche Voraussetzung). Dies ist zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich unstreitig.
Der Versicherte erfüllte am 30. Juni 1990 auch die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in die ZAVO-techInt. Hierzu
führt das BSG in dem Urteil vom 18. Oktober 2007 - Az.: B 4 RS 17/07 R aus: "Mit der sachlichen Voraussetzung soll eine weitere Einschränkung der Einbeziehung in die AVItech nur in den Fällen
erreicht werden, in denen Versicherte mit förmlichem Berufsabschluss iS des § 1 Abs. 1 der 2. DB in einem Produktionsbetrieb
der Industrie oder des Bauwesens fachfremd eingesetzt waren. Dagegen soll die fiktive Einbeziehung in die AVItech nicht auf
solche Versicherte beschränkt werden, die Tätigkeiten in ganz bestimmten Bereichen des Produktionsprozesses wahrgenommen haben.
Zwar waren in den Betrieben der DDR die Arbeitsbereiche durch die Anordnung (
AO) über die Einführung der Rahmenrichtlinie für die neue Gliederung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens vom 10.12.1974
(GBl DDR) I 1975 S 1) fest definiert. Aus der
AO kann aber nicht geschlossen werden, eine zB dem Beruf des Ingenieurs entsprechende Tätigkeit sei nur ausgeübt worden, wenn
der Betreffende in den Arbeitsbereichen "Produktionsdurchführung", "Produktionshilfe" und "Produktionsvorbereitung" eingesetzt
war. Auch Tätigkeiten in leitungs- und produktionssichernden Bereichen, bei Beschaffung und Absatz sowie bei der Betriebssicherheit
können der Qualifikation eines der in § 1 Abs 1 der 2. DB genannten Berufe entsprechen. Ob auch ein Einsatz in den Arbeitsbereichen
"Kultur-, Sozialwesen und Betreuungseinrichtung" oder "Kader und Bildung" ausreicht, um eine der beruflichen Qualifikation
entsprechende Tätigkeit annehmen zu können, lässt der Senat dahingestellt. Eine andere Betrachtung hätte zur Folge, dass bei
Arbeitsplatzwechseln innerhalb des volkseigenen Produktionsbetriebs für jeden Zeitabschnitt zu prüfen wäre, in welchem genauen
Arbeitsbereich des Betriebs der Ingenieur, Konstrukteur, Architekt oder Techniker eingesetzt war. Der damit verbundene Ermittlungsaufwand
erschiene für die Verwaltung und die Instanzgerichte schwerlich praktikabel und könnte zu zufälligen Ergebnissen führen. Für
die Prüfung der sachlichen Voraussetzung ist demnach von der erworbenen Berufsbezeichnung iS der 2. DB auszugehen und zu fragen,
ob der Versicherte im Schwerpunkt eine diesem durch die Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen
geprägten Berufsbild entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat. Setzt die Wahrnehmung der konkreten Arbeitsaufgabe solche beruflichen
Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, wie sie bei dem Studium bzw der Ausbildung zu einem Beruf iS des § 1 Abs 1 der 2. DB erworben werden, ist die sachliche Voraussetzung regelmäßig erfüllt (vgl BSG SozR 3-8570 § 5 Nr 6 S 41; BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 12 RdNr 19); während sie bei einem im Wesentlichen berufsfremdem Einsatz regelmäßig nicht erfüllt ist (BSG aaO.)."
Der Kläger war am 30. Juni 1990 als Abteilungsleiter Plandurchführung und -kontrolle im Kombinat VEB Keramische Werke H. tätig.
Diese Tätigkeit umfasste nach seinem Vortrag die Koordinierung der Fertigungs- und Produktionsprozesse im Stammbetrieb, das
Controlling, die Analyse sowie die Organisation und Abrechnung. Der Zeuge Sch. hat im Erörterungstermin zunächst auf die von
ihm unterzeichnete Beschreibung der Tätigkeit vom 19. September 2005 verwiesen. Aufgabe der Plandurchführung ist seiner Aussage
nach gewesen, mit den vorhandenen Mitteln den vorgegebenen Plan technologisch mit den Abteilungen Rationalisierungsmittelbau,
Betriebsmittelbau, Forschung und Entwicklung und dem Neuererwesen umzusetzen. Dass der Kläger in der Tätigkeit als Abteilungsleiter
Plandurchführung und -kontrolle berufsfremd eingesetzt war, ist zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen; vielmehr ist
unter Berücksichtigung der vorgetragenen und von dem Zeugen Sch. bestätigten Aufgabenstellung nachvollziehbar, dass die Ausübung
dieser Tätigkeit die bis dahin erworbenen beruflichen Kenntnisse ebenso voraussetzte und der Qualifikation des Klägers entsprach.
Ein berufsfremder Einsatz ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten eingereichten Funktionsplan für einen Abteilungsleiter
Plankoordinierung der chemischen Industrie, abgesehen davon, dass der Kläger nicht als solcher, sondern als Abteilungsleiter
Plandurchführung im Bereich Elektrotechnik/Elektronik tätig war. Auch wenn diese Tätigkeit von der Aufgabenstellung her vergleichbar
sein sollte, setzte die Tätigkeit als Abteilungsleiter Plankoordinierung, einen Hochschulabschluss und langjährige Berufserfahrung
voraus. Neben speziellen ökonomischen Kenntnissen über die Entwicklung der Wirtschaftseinheit wurden auch allgemeine naturwissenschaftliche
und technische Kenntnisse über die Produktionsprozesse im Rahmen der Wirtschaftseinheit vorausgesetzt. Danach waren auch bei
dieser Tätigkeit rein ökonomische Kenntnisse nicht ausreichend. Der Senat hat nachdem er das Vorliegen der Voraussetzungen
des § 1 Abs. 1 AAÜG bejaht hat, auf der Grundlage des § 8 Absatz 1 bis 4 des AAÜG sowie des § 5 Absatz 1 AAÜG zu prüfen, ob für den streitigen Zeitraum "Zugehörigkeitszeiten" und Arbeitsentgelte festzustellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - Az.: B 4 RS 28/07 R, nach juris). Dies ist der Fall.
Nach § 5 Absatz 1 Satz 1 AAÜG gelten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden
ist, als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung. Im streitigen Zeitraum hat der Kläger in der DDR eine Beschäftigung
ausgeübt, die ihrer Art nach vom abstrakt-generell geregelten fachlichen Geltungsbereich der 2. DB z. ZAVO-techInt, erfasst
worden ist. Voraussetzung hierfür ist (vgl. BSG, aaO.), dass: - der Werktätige (= Arbeitnehmer im Sinne des Bundesrechts) u.a. berechtigt war, die Berufsbezeichnung "Ingenieur",
"Konstrukteur", "Architekt", "Techniker" oder "Werkdirektor" zu führen (persönliche Voraussetzung), - die Beschäftigung ihrem
qualitativen Anforderungsprofil nach den Kriterien des entsprechenden Berufsbildes entsprach (sachliche Voraussetzung) und
- sie für einen Arbeitgeber ausgeführt wurde, der ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens war.
Bei der im Rahmen des § 5 Absatz 1 AAÜG vorzunehmenden "Subsumtion" ergibt sich nach der Rechtsprechung des BSG (aaO.) die Besonderheit, dass die abstrakt-generellen Regelungen der anzuwendenden Versorgungsordnung nicht mehr - wie bei
der Rechtsprüfung im Rahmen des § 1 Abs. 1 AAÜG - i. S. v. (sekundären) bundesrechtlichen Normen anzuwenden sind, sondern als "generelle Anknüpfungstatsachen" zur Tatsachenfeststellung
beitragen.
Der Kläger war aufgrund des erfolgreichen Besuchs der Ingenieurschule für Keramik H. seit dem 23. Juli 1966 - und damit während
des gesamten hier streitigen Zeitraums - berechtigt, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen.
Hinsichtlich der von ihm vom 1. August 1966 bis Juni 1990 bei dem VEB Keramische Werke H., Kombinat VEB Keramische Werke H.,
VEB Elektronik G. und erneut im Kombinat VEB Keramische Werke H. ausgeübten Tätigkeiten als Ingenieur für Pulvermetallurgie,
Abteilungsleiter Kontaktfertigung, Hauptabteilungsleiter Ferritkernspeicher, Direktor für Produktion und Direktor für Konsumgüter,
wissenschaftlicher Mitarbeiter des Betriebsdirektors und Betriebsleiter Ferrite, bestehen unter Bezugnahme auf die Ausführungen
des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007, aaO.) zu der Erfüllung der sachlichen Voraussetzung keine Zweifel an deren Vorliegen. Die Beklagte
hat das Vorliegen der sachlichen Voraussetzung für die einzelnen Tätigkeiten des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch
anerkannt. Bezüglich der Tätigkeit als stellvertretender Direktor für Produktion und Plandurchführung von 1. Oktober 1986
bis 31. Januar 1988 sowie der Tätigkeit als Abteilungsleiter Plandurchführung und -kontrolle vom 1. Januar 1988 bis 30. Juni
1990 wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
Bei dem VEB Keramische Werke H., dem Kombinat VEB Keramische Werke H. und dem VEB Elektronik G. handelt es sich um volkseigene
Produktionsbetriebe im Sinne der Rechtsprechung des BSG. Die Zuordnung eines VEB zur industriellen Produktion bzw. zum Bauwesen hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe ihm das
Gepräge gegeben hat. Der verfolgte Hauptzweck (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - Az.: B 4 RA 18/03 R, nach juris) des VEB muss auf die industrielle, massenhafte und standardisierte Fertigung, Fabrikation, Herstellung beziehungsweise
Produktion (sog. fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein. Die Auslegung der Versorgungsordnung
durch die Staatsorgane und deren Verwaltungspraxis in der DDR spielt dagegen bei der heutigen Auslegung keine Rolle (vgl.
BSG, Urteil vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 41/01 R, nach juris). Aus diesem Grund ist allein die Tätigkeit in einem solchen Massenproduktionsbetrieb von besonderer volkswirtschaftlicher
Bedeutung gewesen und hat die durch die ZAVO-techInt bezweckte Privilegierung der technischen Intelligenz in solchen Betrieben
gerechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juni 2004 - Az.: B 4 RA 57/03 R, nach juris). Der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft
ermöglichen.
Die Erfüllung der betrieblichen Voraussetzung ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Senat hat unter Berücksichtigung
der im Statut des Kombinates VEB Technische Keramik H. und im Statut des VEB Elektronik G. genannten Aufgaben der jeweiligen
Betriebe auch keine Anhaltspunkte dafür, die Erfüllung der betrieblichen Voraussetzung in Zweifel zu ziehen.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.