Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Unsubstantiierte Beweisanträge
Unzulässige Beweisausforschung
Gründe:
I
Der Kläger begehrt die Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Mit Beschluss vom 2.7.2018 hat das LSG
Hamburg ebenso wie zuvor das SG einen solchen Anspruch des Klägers verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt, mit der er Verfahrensfehler geltend macht (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
II
Die Beschwerde ist unzulässig. Einen Verfahrensfehler hat der Kläger nicht hinreichend bezeichnet iS des §
160a Abs
2 S 3
SGG.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Beschlusses besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Wird eine Verletzung des §
103 SGG gerügt, muss die Beschwerdebegründung nämlich folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne
weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund
derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe
des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des
LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten
Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren
Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen zB BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger trägt zur Verletzung des §
103 SGG vor, er habe zuletzt im Erörterungstermin am 10.4.2018 vor dem LSG beantragt,
"Beweis zu erheben darüber, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist, die motivationalen und emotionalen Mindestanforderungen
zu gewähren, die üblicherweise für eine Anpassung an einen Arbeitsplatz gefordert werden, durch Einholung eines psychologischen
Sachverständigengutachtens unter Einbeziehung der Testmethoden des psychologischen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit,
die auf eine mögliche Anpassungs- und Umstellfähigkeit von Arbeitssuchenden ausgelegt sind" sowie "Beweis zu erheben darüber,
dass der Kläger aufgrund seiner Wirbelsäulenerkrankung keine Tätigkeit ausüben kann, die ein langes Sitzen oder Stehen erfordern,
insbesondere Tätigkeiten wie das Montieren, Sortieren, Verpacken oder Etikettieren im Handel im Umfang von mindestens 6 Stunden
täglich und mehr, durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens".
Ungeachtet der Frage, ob der Kläger hinreichend deutlich vorgetragen hat, diese Anträge nach dem Hinweis auf §
153 Abs
4 SGG aufrechterhalten zu haben (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 7), sind damit bereits keine prozessordnungsgemäßen Beweisanträge bezeichnet. Hinsichtlich des ersten Beweisantrags
fehlt es an einer konkreten Darlegung von dauerhaften, bisher nicht festgestellten Gesundheitsstörungen, die sich auf das
verbliebene Leistungsvermögen negativ auswirken und damit für das Rentenverfahren von Bedeutung sind. Die durch keinerlei
Tatsachenvortrag untermauerte bloße Behauptung, der Kläger erfülle motivational und emotional nicht mehr die Voraussetzungen
für eine Anpassung an einen Arbeitsplatz, reicht für einen ordnungsgemäßen Beweisantrag iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG nicht aus. Der Kläger begründet diese Einschätzung seiner Leistungsfähigkeit allein mit seiner langen Entwöhnung aus dem
arbeitsmarktüblichen Arbeitsprozess. Den vom LSG herangezogenen Feststellungen des Sachverständigen Dr. N. zu seiner Ein-
und Umstellungsfähigkeit hält er entgegen, dass dieser ihn im Dezember 2014 zuletzt gesehen habe. Dass er der Auffassung ist,
der Sachverständige habe seine kognitive Leistungsfähigkeit nicht im Hinblick auf eine neue Beschäftigung untersucht und bewertet,
betrifft die Beweiswürdigung durch das LSG, die einer Rüge nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG entzogen ist. Welche konkreten Veränderungen sich - abgesehen vom Zeitablauf - seitdem ergeben haben, legt der Kläger nicht
dar. Aufgrund welcher konkreten Hinweise etwa auf eine eingetretene Verschlechterung sich das LSG hätte gedrängt fühlen müssen,
weiteren Beweis zu erheben, trägt der Kläger nicht substantiiert vor. Unbestimmte bzw unsubstantiierte Beweisanträge brauchen
dem Gericht dagegen keine Beweisaufnahme nahezulegen (vgl BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - NZS 2012, 230; BSG Beschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 303/09 B - BeckRS 2010, 65789 = Juris RdNr 12). Beweisanträge, die so unbestimmt bzw unsubstantiiert sind, dass im Grunde erst die
Beweisaufnahme selbst die entscheidungs- und damit beweiserheblichen Tatsachen aufdecken soll bzw die allein den Zweck haben,
dem Beweisführer, der nicht genügend Anhaltspunkte für seine Behauptungen angibt, erst die Grundlage für substantiierte Tatsachenbehauptungen
zu verschaffen, sind als Beweisausforschungs- bzw -ermittlungsanträge auch im vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten sozialgerichtlichen
Verfahren unzulässig (BSG Beschluss vom 12.3.2019 - B 13 R 273/17 B - RdNr 16; BSG Beschluss vom 2.10.2015 - B 9 V 46/15 B - Juris RdNr 8; BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - NZS 2012, 230 f mwN; BVerfG vom 18.6.1993 - 2 BvR 1815/92 - DVBl 1993, 1002).
Ebenso unbestimmt ist der Antrag des Klägers hinsichtlich der Beurteilung seiner Wirbelsäulenerkrankung. Auch insofern setzt
der Kläger lediglich seine Bewertung seiner Leistungsfähigkeit an die Stelle der Bewertung durch den Sachverständigen, ohne
dass er darlegt, welche konkreten Beeinträchtigungen nicht berücksichtigt worden sind oder sich nach der Begutachtung ergeben
haben. Auch hier fehlt es an der Darlegung von Gründen, warum das LSG zu weiterer Sachaufklärung zwingenden Anlass gehabt
haben sollte. Dies gilt umso mehr, als auch das LSG davon ausgegangen ist, dass das Leistungsvermögen des Klägers durch sein
Wirbelsäulensyndrom eingeschränkt ist und er nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ausüben
kann.
Soweit der Kläger geltend macht, die Entscheidung des LSG beruhe auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung, kann die Nichtzulassungsbeschwerde
hierauf nicht gestützt werden. Die Zulassungsgründe sind in §
160 Abs
2 SGG abschließend genannt. Eine (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall zählt nicht dazu.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.