Zulässigkeit der Abzweigung von Geldleistungen eines Arbeitslosenhilfebeziehers bei Verletzung der Unterhaltspflicht
Gründe:
I
Die klagende Stadt begehrt Abzweigung von der dem Beigeladenen in der Zeit von Dezember 2002 bis Mai 2004 bewilligten Arbeitslosenhilfe
(Alhi) in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem erhöhten und dem allgemeinen Leistungssatz.
Der 1967 geborene Beigeladene bezog seit Februar 2002 von der Beklagten Alhi in Höhe von 112,56 Euro wöchentlich. Der Auszahlungsbetrag
ergab sich aus einem Bemessungsentgelt von 265 Euro unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe A und des erhöhten Leistungssatzes
nach § 195 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) iVm §
129 Nr 1
SGB III. Die später dynamisierte Leistung wurde bis einschließlich 31. Mai 2004 an den Beigeladenen ausgezahlt.
Seit August 1999 zahlte die Klägerin für das Land Niedersachsen an die leibliche und eheliche Tochter des Beigeladenen - C
(C.), geboren 21. Februar 1993 - Leistungen in Höhe von 151 Euro monatlich nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG), da der Beigeladene keinen Unterhalt leistete. Ein auf Zahlung von Unterhalt gegen den Beigeladenen gerichteter vollstreckbarer
Titel existierte nicht.
Mit Schreiben vom 5. Dezember 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, für C. einen angemessenen Teil der dem Beigeladenen
gewährten Leistungen gemäß §
48 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) abzuzweigen und auszuzahlen. Sie führte aus, sie beanspruche für den Fall der Bewilligung des erhöhten Leistungssatzes den
Erhöhungsbetrag unabhängig von der Höhe der wöchentlichen Leistungen, da der Beigeladene seiner Unterhaltspflicht nicht nachkomme.
Die Beklagte lehnte eine Abzweigung mit der Begründung ab, der Beigeladene sei nicht leistungsfähig (Bescheid vom 12. Dezember
2002, Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2003).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. November 2006). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen
(Urteil vom 26. August 2008). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die Beklagte sei zur Auszahlung eines
Teils der dem Kläger zustehenden Leistungen nicht verpflichtet; dies gelte insbesondere für den kindbezogenen Differenzbetrag
zwischen dem allgemeinen und dem erhöhten Leistungssatz. Der Beigeladene sei nicht leistungsfähig. Da kein Unterhaltstitel
bestehe, sei es Aufgabe der Beklagten, den Selbstbehalt des Beigeladenen festzustellen. Dabei könne sie nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) auf die Düsseldorfer Tabelle zurückgreifen. Die dem Beigeladenen gewährte Alhi zuzüglich Nebeneinkommen
(insgesamt 652,76 Euro) erreiche nicht den maßgeblichen Selbstbehalt von 730 Euro. Eine Ausweitung der Ausnahmeregelung für
das Kindergeld auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem allgemeinen und dem erhöhten Leistungssatz nach §
129 SGB III sei nicht möglich. Eine unbewusste Regelungslücke sei nicht erkennbar. Eine Zweckbestimmung wie beim Kindergeld, das in der
Regel auch dem Kind zugute kommen solle, sei §
129 SGB III fremd. Der erhöhte Leistungssatz mildere zwar auch Aufwendungen im Zusammenhang mit der Kindererziehung ab, ohne jedoch -
wie das Kindergeld - ein Steuerungsinstrument im Rahmen des Familienlastenausgleichs zur Sicherstellung des Existenzminimums
zu sein. Der Gesetzesentwicklung und der dabei dokumentierten Absicht des Gesetzgebers sei zu entnehmen, dass für die Einführung
eines niedrigeren allgemeinen Leistungssatzes nicht vordergründig familienpolitische Überlegungen ausschlaggebend gewesen
seien, sondern die angespannten Finanzlagen der Bundesanstalt für Arbeit und des Bundes. Gegen die Auffassung der Klägerin
spreche auch, dass der erhöhte Leistungssatz nach §
129 Nr 1
SGB III in gleicher Höhe unabhängig von der Zahl der Kinder und von Unterhaltsverpflichtungen des Leistungsbezieher gezahlt werde,
was nach der Rechtsprechung des BSG verfassungsrechtlich hinzunehmen sei. Es stehe im Übrigen nicht fest, ob der dem Beigeladenen
gewährte kindbezogene Leistungsteil (Mehrbetrag ca acht Euro wöchentlich) nicht der Tochter C. zugute komme; dies könne zB
in Form von Naturalunterhalt erfolgt sein oder es sei denkbar, dass der Beigeladene den Unterschiedsbetrag zur Verwirklichung
seines Umgangsrechts verbrauche.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des §
48 SGB I. Die gestaffelten Zahlungen der Lohnersatzleistungen seien in ihrer Funktion dem Kindergeld vergleichbar. Der erhöhte Satz
der Alhi dürfe nicht der Verbesserung der Lebenssituation des Unterhaltspflichtigen dienen. Eine Analogie zum Kindergeld sei
auch deshalb möglich, weil die Regelung des §
48 SGB I bereits seit 1975 bestehe, die Staffelung der Lohnersatzleistungen mit/ohne Kindermerkmal aber erst seit 1984 existiere.
Die Aufzählung des §
48 SGB I könne daher nicht als abschließend gewertet werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 26. August 2008 und das Urteil des SG vom 24. November 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
14. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag auf Abzweigung vom 5. Dezember 2002 für den Zeitraum
Dezember 2002 bis Mai 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet (§
170 Abs
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Entgegen der Auffassung des LSG ist eine Abzweigung hinsichtlich des Unterschiedsbetrages zwischen dem erhöhten und
dem allgemeinen Leistungssatz der Alhi des Beigeladenen nicht von vornherein wegen dessen fehlender Leistungsfähigkeit ausgeschlossen.
Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Januar 2003 ist
deshalb und wegen Fehlens einer Ermessensentscheidung rechtswidrig.
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG ist zulässig. Der Klageanspruch betrifft Geldleistungen für mehr als ein Jahr (§
144 Abs
1 Satz 2
SGG).
2. Mit der Klage macht die Klägerin ausschließlich Abzweigung gemäß §
48 SGB I wegen nach § 7 UVG auf das Land Niedersachsen übergegangener Unterhaltsansprüche geltend, nicht etwa einen Erstattungsanspruch als nachrangig
verpflichteter Leistungsträger (vgl zu § 104 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch: BSGE 67, 6 = SozR 3-1200 § 48 Nr 1). Insoweit ist das LSG unter Hinweis auf einschlägiges Landesrecht zu Recht davon ausgegangen, dass
die Klägerin berechtigt ist, die rechtlichen Interessen des Landes Niedersachsen im vorliegenden Rechtsstreit wahrzunehmen.
Die vom LSG herangezogene Vorschrift des § 5 Abs 6 Satz 2 der Allgemeinen Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise
zur Ausführung von Bundesrecht (AllgZustVO-Kom) ermächtigt die für die Durchführung des UVG nach § 5 Abs 6 Satz 1 AllgZustVO-Kom jeweils zuständige kommunale Gebietskörperschaft, die auf das Land nach § 7 UVG übergegangenen Ansprüche gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen. Hieraus ergibt sich, dass die Klage nicht vom
Land Niedersachsen, sondern von der Klägerin selbst im Wege einer Prozessstandschaft kraft Gesetzes erhoben worden ist. Dies
ist im Einvernehmen mit Klägerin und Beklagter im Wege der Berichtigung des Klagerubrums klargestellt worden.
3. Das LSG hat zwar zutreffend angenommen, dass bei ausschließlicher Anwendung des §
48 Abs
1 Satz 1
SGB I die Voraussetzungen für eine Abzweigung deshalb nicht vorliegen, weil der Beigeladene mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig
ist; auch können die Regelungen in §
48 Abs
1 Satz 2 und
3 SGB I nicht analog zu Gunsten der Klägerin herangezogen werden. Das LSG hat aber nicht beachtet, dass sich in Bezug auf den Unterschiedsbetrag
zwischen dem erhöhten und dem allgemeinen Leistungssatz die Voraussetzungen für eine Abzweigung aus §
48 Abs
2 SGB I iVm der entsprechenden Anwendung des §
48 Abs
1 Satz 1 und 4
SGB I ergeben.
a) Eine Abzweigung in unmittelbarer Anwendung des §
48 Abs
1 Satz 1
SGB I ist nur möglich, wenn der Leistungsberechtigte dem Ehegatten oder Kindern gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht
nicht nachkommt. Das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht setzt Unterhaltsfähigkeit nach den Vorschriften des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (
BGB) voraus; unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, ohne
Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren (§
1603 Abs
1 BGB; vgl BSGE 57, 59, 61 f = SozR 1200 §
48 Nr 8; BSGE 93, 203, 205 = SozR 4-1200 § 48 Nr 1). Bei der Prüfung der Unterhaltsfähigkeit hat das BSG in Fällen, in denen kein Unterhaltstitel
vorliegt, jedenfalls in den sog alten Bundesländern die Praxis der Beklagten gebilligt, die Düsseldorfer Tabelle als allgemein
geeigneten Maßstab für die Berechnung des Selbstbehalts des Leistungsberechtigten zu Grunde zu legen (BSG SozR 1200 § 48 Nr
11; SozR 3-1200 § 48 Nr 4; zur gebotenen abweichenden Handhabung bei Vorliegen eines Unterhaltstitels: Urteil des 14. Senats
vom 17. März 2009, B 14 AS 34/07 R, RdNr 15 ff).
Nach den getroffenen Feststellungen (§
163 SGG) ist davon auszugehen, dass der Beigeladene mit der ihm bewilligten Alhi sowie einem zusätzlich erzielten geringen Nebeneinkommen
(monatliche Einnahmen insgesamt etwa 650 Euro) den im streitigen Zeitraum nach der Düsseldorfer Tabelle maßgeblichen Selbstbehalt
von 730 Euro (vgl zu diesem Betrag auch Urteil des 14. Senats vom 17. März 2009, B 14 AS 34/07 R, RdNr 17 mit Hinweis auf FamRZ 2003, 910, 912) nicht erreicht. Da ein Unterhaltstitel nicht vorliegt, ist die Folgerung der Beklagten, der Beigeladene sei nicht leistungsfähig
und nicht gesetzlich unterhaltspflichtig iS des §
48 Abs
1 Satz 1
SGB I, zunächst nicht zu beanstanden.
b) Ein möglicher Anspruch auf Abzweigung lässt sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung der Regelungen in §
48 Abs
1 Satz 2 oder Satz 3
SGB I herleiten. Satz 2 des §
48 Abs
1 SGB I - eingefügt durch Gesetz vom 20. Juli 1988 (BGBl I 1046) - besagt lediglich, dass bei bestimmten kinderbezogenen Leistungen
entgegen früherer Rechtsprechung des BSG (SozR 1200 § 48 Nr 4) eine Auszahlung auch zu Gunsten sog Zählkinder möglich ist
(vgl BT-Drucks 11/1004 S 11; Moll in Hauck/Noftz,
SGB I, Stand 2008, §
48 RdNr 4). Die Regelung enthält keine Aussage zur Frage, ob im Einzelfall auf das Merkmal der Unterhaltsfähigkeit iS des §
48 Abs
1 Satz 1
SGB I verzichtet werden kann; insoweit kann dahinstehen, ob der im erhöhten Leistungssatz enthaltene kindbezogene Anteil überhaupt
mit den in §
48 Abs
1 Satz 2
SGB I genannten Leistungen (ua "Kinderzuschläge") vergleichbar ist. Satz 3 des §
48 Abs
1 SGB I - eingefügt durch Gesetz vom 30. Juni 1989 (BGBl I 1294) - erlaubt zwar eine Auszahlung von Kindergeld auch in Fällen, in
denen der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Regelung bezieht sich jedoch,
wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, nur auf das Kindergeld. Eine Übertragung auf den wegen eines Kindes gezahlten erhöhten
Leistungssatz des Arbeitslosengeldes (Alg) bzw der Alhi ist wegen der grundlegenden Unterschiede zwischen der Funktion des
Kindergeldes einerseits und den Alg- bzw Alhi-Bemessungsgrundsätzen andererseits nicht möglich (vgl dazu BSGE 79, 14, 15 ff = SozR 3-4100 §
111 Nr 14 S 50 ff; Behrend in Eicher/Schlegel,
SGB III, Stand 2007, §
129 RdNr 21 ff; Valgolio in Hauck/Noftz,
SGB III, Stand 2006, §
129 RdNr 9, 15 ff).
c) Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Abzweigung zu Gunsten der Klägerin in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem erhöhten
und dem allgemeinen Leistungssatz ergeben sich jedoch aus §
48 Abs
2 SGB I iVm der entsprechenden Anwendung des §
48 Abs
1 Satz 1 und 4
SGB I.
Nach §
48 Abs
2 SGB I gelten ua Abs
1 Satz 1 und 4 der Vorschrift entsprechend, wenn unter Berücksichtigung von Kindern, denen gegenüber der Leistungsberechtigte
nicht kraft Gesetzes unterhaltspflichtig ist, Geldleistungen erbracht werden und der Leistungsberechtigte diese Kinder nicht
unterhält. Die Regelung ermöglicht - im Unterschied zur unmittelbaren Anwendung des Abs
1 Satz 1 des §
48 SGB I - eine Abzweigung auch dann, wenn der Leistungsberechtigte dem die Auszahlung verlangenden Kind gegenüber nicht kraft Gesetzes
unterhaltspflichtig ist. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn eine gesetzliche Unterhaltspflicht zB gegenüber Pflegekindern
oder Kindern des Ehepartners nicht in Betracht kommt (vgl Mrozynski,
SGB I, 3. Aufl, §
48 RdNr 26). Die Formulierung "kraft Gesetzes unterhaltspflichtig" erfasst vielmehr auch die Konstellation, dass eine konkrete
Unterhaltspflicht wegen fehlender Leistungsfähigkeit iS des §
1603 BGB nicht besteht (vgl BSG SozR 1200 §
48 Nr 3 S 3; BSGE 53, 218, 219 = SozR 1200 § 48 Nr 5 S 10; BSGE 57, 127, 129 = SozR 1200 §
48 Nr 9 S 36; Schellhorn in Kretschmer/von Maydell/Schellhorn, GK-
SGB I, 3. Aufl, §
48 RdNr
31). Unter den Voraussetzungen des Abs
2 des §
48 SGB I kann einem Abzweigungsbegehren also nicht von vornherein der Einwand fehlender Leistungsfähigkeit des Leistungsberechtigten
entgegengehalten werden.
Die weiteren Voraussetzungen des §
48 Abs
2 SGB I liegen vor. Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass der wegen mangelnder Leistungsfähigkeit nicht
unterhaltspflichtige Beigeladene das eigentlich die Abzweigung begehrende Kind, dessen gemäß § 7 UVG auf das Land übergegangenen Anspruch die Klägerin geltend macht, im streitigen Zeitraum nicht unterhalten hat. Der Beigeladene
hat im fraglichen Zeitraum zugunsten seiner Tochter weder Unterhaltszahlungen erbracht noch sie in anderer Weise tatsächlich
unterhalten (vgl BSGE 53, 218, 220 = SozR 1200 § 48 Nr 5; BSGE 57, 127, 130 = SozR 1200 § 48 Nr 9). Es kann deshalb offen bleiben, ob das Merkmal "nicht unterhält" auch dann gegeben ist, wenn
der Leistungsberechtigte an das Kind zwar Leistungen erbringt, diese aber wertmäßig unter dem in Rede stehenden Abzweigungsbetrag
liegen.
Bei der erhaltenen Geldleistung handelt es sich auch hinsichtlich des von der Klägerin beanspruchten Anteils in Höhe des Unterschiedsbetrages
zwischen erhöhtem und allgemeinem Leistungssatz um eine Leistung, die "unter Berücksichtigung von Kindern" erbracht worden
ist. Hierbei ist auf die Bemessungsgrundsätze gemäß § 195 Satz 1 Nr 1
SGB III iVm §
129 Nr 1
SGB III abzustellen. Der erhöhte Leistungssatz (bei der Alhi 57 %) wird ua dann bewilligt, wenn der Arbeitslose mindestens ein Kind
iS des §
32 Abs
1 Einkommensteuergesetz (
EStG) hat (also ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind, vgl §
32 Abs
1 EStG, vgl Valgolio in Hauck/Noftz,
SGB III, Stand 2006, §
129 RdNr
15). Der Beigeladene hat den erhöhten Leistungssatz also deshalb erhalten, weil er mit seiner leiblichen Tochter C. im ersten
Grad verwandt ist; insofern bestehen keine Zweifel, dass zu seinen Gunsten eine Geldleistung "unter Berücksichtigung von Kindern"
erbracht worden ist.
Im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut ("unter Berücksichtigung von Kindern") kommt es nicht auf die vom LSG im Rahmen der Prüfung
einer analogen Anwendung des §
48 Abs
1 Satz 3
SGB I erörterte Frage an, inwieweit die den Bemessungsregeln des
SGB III bzw des Arbeitsförderungsgesetzes zu entnehmenden Ziele mit denen des Kindergeldes im Einzelnen vergleichbar sind; unerheblich
ist insbesondere, ob der kindbezogene Leistungsanteil wie das Kindergeld in erster Linie der Unterhaltssicherung des minderjährigen
Kindes dient oder ob er Steuerungsinstrument im Rahmen des Familienlastenausgleichs ist (vgl dazu BSGE 79, 14, 22 = SozR 3-4100 § 111 Nr 14 S 58). Denn §
48 Abs
2 SGB I stellt nur darauf ab, ob bei der Leistungserbringung ein Kind berücksichtigt ist, was bei der dem Beigeladenen bewilligten
Leistung der Fall ist. Unter den gegebenen Umständen besteht kein Anlass zur Erörterung der Frage, wie bei Vorhandensein mehrerer
unterhaltsberechtigter Kinder die Aufteilung eines Abzweigungsbetrages im Einzelnen zu handhaben ist (zB so genannte Kopfteilung).
Im Übrigen ist nicht zweifelhaft, dass der erhöhte Leistungssatz des Alg oder der Alhi jedenfalls auch erhöhte Aufwendungen
im Zusammenhang mit der Kindererziehung abmildern will (vgl zu diesem Zweck Behrend in Eicher/Schlegel,
SGB III, Stand 2007, §
129 RdNr 53 mwN).
Gegen ein Vorliegen der Voraussetzung der Leistungsgewährung "unter Berücksichtigung von Kindern" spricht auch nicht die Entstehungsgeschichte
des §
48 Abs
2 SGB I, der zunächst idF des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl I 3015, dahin gefasst war, dass Leistungen "für Kinder" erbracht
werden mussten. Die Formulierung "unter Berücksichtigung" geht zurück auf die Einfügung des Abs 1 Satz 2 durch das Gesetz
vom 20. Juli 1988 (BGBl I 1046) und wurde in den Gesetzesmaterialien als "sprachliche Anpassung des Gesetzestextes zu der
Änderung in Absatz 1" bezeichnet (BT-Drucks 11/1004 S 11). Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, der Anwendungsbereich
des Abs 2 beschränke sich nur auf die Fälle des Abs 1 Satz 2; denn der bereits vor Einführung des Abs 1 Satz 2 vorhandene
Abs 2 ist in seinem wesentlichen Regelungsgehalt erhalten geblieben und verweist in seiner geltenden Fassung nicht nur auf
Abs 1 Satz 2, sondern vor allem auch auf Abs 1 Satz 1. Eine Absicht des Gesetzgebers, der Leistungserbringung "unter Berücksichtigung
von Kindern" nur einen eingeschränkten Anwendungsbereich zu eröffnen, lässt sich somit aus der Entstehungsgeschichte unter
Einschluss der vorliegenden Materialien nicht ableiten. Gegenteiliges ergibt sich im Übrigen nicht aus der von der Beklagten
in ihrer Revisionserwiderung zitierten Entscheidung des BSG vom 20. Juni 1984 (BSGE 57, 59 = SozR 1200 § 48 Nr 8), die allein die Auszahlung von Teilen der Alhi an den Ehegatten des Arbeitslosen gemäß §
48 Abs
1 Satz 1
SGB I betraf.
Die Möglichkeit eine Abzweigung in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen erhöhtem und allgemeinem Leistungssatz nach §
48 Abs
2 SGB I iVm §
48 Abs
1 Satz 1
SGB I scheitert schließlich nicht daran, dass die Entscheidung über die Höhe des Alg bzw der Alhi einheitlich erfolgt und Berechnungselemente
nicht Gegenstand eines Verfügungssatzes sein können (vgl ua BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 12; Pawlak in Spellbrink/Eicher, Kasseler
Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 11 RdNr 15). Insoweit greift der Einwand nicht durch, der Vorteil eines erhöhten
Leistungssatzes sei als nicht abtrennbarer Bestandteil des Alg oder der Alhi anzusehen (in diesem Sinne LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 15. August 1996, L 12 Ar 487/96). Denn von der Frage der sich grundsätzlich auf den Verfügungssatz beschränkenden
Bindungswirkung (vgl BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 12 S 67) ist die Frage zu unterscheiden, in welcher Höhe Geldleistungen nach
den Vorgaben des §
48 SGB I abgezweigt werden können (vgl ua BSGE 55, 245, 247 = SozR 1200 § 48 Nr 7 zum Beurteilungsspielraum). Eine Abzweigung "in angemessener Höhe" schließt immer die Möglichkeit
ein, nur Teile einer Leistung zu erfassen. Auch lässt sich der Unterschied zwischen dem erhöhten Leistungssatz von 57 % im
Vergleich zum Leistungssatz von 53 % (§ 195
SGB III) eindeutig ermitteln.
4. Da die Tatbestandsvoraussetzungen des §
48 Abs
2 SGB I vorliegen, liegt die Entscheidung über die Abzweigung in entsprechender Anwendung des §
48 Abs
1 Satz 1
SGB I im Ermessen der Beklagten. Der Leistungsträger kann uU auch dann, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, von einer Abzweigung
absehen, wenn sie ihm nach den Umständen des Einzelfalls nicht angezeigt erscheint (vgl dazu Urteil des 14. Senats vom 17.
März 2009, B 14 AS 34/07 R, RdNr 16 mwN). Da die Beklagte eine Ermessensentscheidung bislang nicht getroffen hat, ist sie hierzu antragsgemäß zu verurteilen.
Dass im vorliegenden Fall keine andere Entscheidung als eine vollständige Abzweigung oder eine Ablehnung hätte getroffen werden
können (Ermessensreduzierung auf Null) ist nicht ersichtlich. Zwar scheidet nach den vorstehenden Ausführungen eine Ablehnung
unter Hinweis auf den Selbstbehalt nach der Düsseldorfer Tabelle aus; als ein im Rahmen der Ermessensausübung möglicherweise
erheblicher Umstand kommt aber der vom LSG erwähnte Gesichtspunkt in Betracht, dass der Beigeladene den erhöhten Leistungssatz
zur Erbringung von Naturalunterhalt oder zur Ausübung des Umgangsrechts verwendet haben könnte. Weitere Gesichtspunkte sind
denkbar. So könnte etwa von Bedeutung sein, ob der Beigeladene sonstigen Unterhaltsverpflichtungen ausgesetzt ist (vgl insoweit
BSGE 93, 203, 208 = SozR 4-1200 § 48 Nr 1) oder ob ihm in Konsequenz einer Abzweigung Sozialhilfebedürftigkeit droht. Sollte sich ein
derartiger Sachverhalt feststellen lassen, wäre er bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG iVm §
154 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in §
183 SGG genannten Personen gehören (vgl Urteil des 14. Senats vom 17. März 2009, B 14 AS 34/07 R, RdNr 22). Eine Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen, der sich am Verfahren
nicht beteiligt hat, erscheint unbillig (§
162 Abs
3 VwGO).
6. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §§ 52 Abs 3, 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz.