Mitgliedschaft in einer Familienversicherung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Substantiierte Darlegung eines entscheidungserheblichen Mangels des Berufungsverfahrens
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob die Beigeladenen
zu 1. und 2. vom 1.8.2010 bis 31.7.2011 familienversichert waren.
Die Beigeladenen zu 1. und 2. sind die gemeinsamen Kinder der gesetzlich krankenversicherten Klägerin und ihres privat krankenversicherten
Ehemanns. Sie waren zunächst über die Klägerin beitragsfrei familienversichert. Nach Vorlage von Einkommensnachweisen stellte
die beklagte Krankenkasse das Ende der Familienversicherung der Beigeladenen zu 1. und 2. zum 31.7.2010 fest. Im Klageverfahren
stellte die Beklagte nach Vorlage aktueller Einkommensnachweise das Vorliegen einer Familienversicherung ab 1.8.2011 fest.
Das SG Chemnitz hat die Beklagte verurteilt, festzustellen, dass auch in der Zwischenzeit eine Familienversicherung bestanden
habe, und die entgegenstehenden Bescheide aufgehoben (SG-Urteil vom 3.1.2013). Das Sächsische LSG hat das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (LSG-Urteil vom 23.10.2018). Zu Recht habe sich die Beklagte bei der Feststellung
des Gesamteinkommens auf die Einkommensteuerbescheide stützen dürfen. Selbst bei Außerachtlassen der Maßgeblichkeit der Einkommensteuerbescheide
hätten die Klägerin und ihr Ehemann keine objektiv belegbaren und für eine neue Prognoseentscheidung im Ansatz tragfähigen
Umstände betreffend eines dauerhaften Umsatzrückgangs im Jahr 2010 vorgelegt. Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin
gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen LSG vom 23.10.2018 ist gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).
Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 28.12.2018 auf alle drei Zulassungsgründe.
1. In grundlegender Hinsicht erfüllt die Beschwerdebegründung nicht die an die Zulässigkeit zu stellenden Anforderungen, weil
darin immer wieder eine vermeintlich inhaltlich/materiell-rechtliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung insbesondere
im Hinblick auf eine aus Sicht der Klägerin fehlerhafte Prognoseentscheidung geltend gemacht wird. Hierauf kann aber eine
Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision - wie dargelegt - nicht gestützt werden.
2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach
dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin wirft auf Seite 4 der Beschwerdebegründung die Frage auf,
"ob die im Beitragsrecht entwickelten Rechtsgrundsätze zur Maßgeblichkeit des Einkommensteuerbescheids auf Statusentscheidungen
wie die hier streitgegenständliche Frage der Fortdauer der Familienversicherungen und damit auf die Anwendung des §
10 Abs.
3 SGB V übertragen werden können und dürfen."
a) Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch
BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht erfüllt, weil die Klägerin keine abstraktgenerelle Rechtsfrage zur Auslegung,
zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch
unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).
b) Jedenfalls legt die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der von ihr in Raum gestellten Frage nicht hinreichend dar. Sie
befasst sich nicht hinreichend mit der Rechtslage und legt demzufolge auch nicht dar, inwieweit sich aus der in §
16 SGB IV enthaltenen Legaldefinition des in §
10 Abs
3 SGB V verwandten Begriffs des Gesamteinkommens Anhaltspunkte für eine "bereichsübergreifende" Betrachtung ergeben können. Auch
differenziert die Klägerin nicht hinreichend zwischen den Prüfungsschritten "Prognose" und Grundlagen der Prognose. Schließlich
legt sie nicht dar, dass sich die gestellte Frage im vorliegenden Fall entscheidungserheblich stellt. Hierzu hätte Anlass
bestanden, weil das LSG auf Seite 12 des Urteils Ausführungen dazu gemacht hat, dass auch im Fall eines "Außerachtlassens
der Maßgeblichkeit des Einkommensteuerbescheides" keine andere Entscheidung ergangen wäre.
3. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Die Klägerin rügt eine ihrer Meinung nach bestehende Divergenz zu drei Urteilen des BSG, ohne eine entscheidungserhebliche Abweichung in einer den Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprechenden Weise darzulegen.
Sie fasst lediglich die genannten Urteile des BSG zusammen und bemüht sich sodann um den Nachweis, dass das LSG eine "abweichende" Entscheidung getroffen habe.
Hierdurch wird aber eine die Zulassung der Revision rechtfertigende entscheidungserhebliche Divergenz nicht dargelegt. Erforderlich
wären insoweit der Nachweis, dass die abstrakten, die Entscheidung tragenden Rechtssätze zum selben Gegenstand ergangen sind
und einander im Grundsätzlichen widersprechen. Der vermeintliche Nachweis, dass ein LSG "konkret anders als das BSG" entschieden habe, genügt dem nicht. Hinsichtlich des zuerst genannten Urteils legt die Klägerin bereits keine Abweichung
hinreichend dar, weil auch das LSG auf eine vorausschauende Betrachtungsweise abgestellt hat (Seite 9 des LSG-Urteils). Hinsichtlich
des zweiten von der Klägerin in Bezug genommenen Urteils gilt dies entsprechend. Hinzu kommt, dass sich die Klägerin nicht
damit befasst, dass auch in dem in Bezug genommenen Urteil des BSG auf den "maßgebenden Einkommensteuerbescheid" abgestellt wird (BSG Urteil vom 7.12.2000 - B 10 KR 3/99 R - SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 76 = Juris RdNr 14). Hinsichtlich der dritten in Bezug genommenen Entscheidung des BSG legt die Klägerin lediglich dar, dass ihrer Meinung nach die Rechtsauffassung des LSG dazu führe, dass kein Raum für eine
Prognoseentscheidung bliebe. Damit behauptet die Klägerin aber lediglich eine Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils, legt
aber eine entscheidungserhebliche Divergenz nicht dar. Schließlich legt die Klägerin auch die Entscheidungserheblichkeit der
aus ihrer Sicht bestehenden Divergenz nicht hinreichend dar. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, weil das LSG auf Seite 12
des Urteils auch Ausführungen dazu gemacht hat, dass "selbst bei einem Außerachtlassen der Maßgeblichkeit des Einkommensteuerbescheides"
keine andere Entscheidung ergangen wäre.
4. Die Klägerin bezeichnet auch keine entscheidungserheblichen Verfahrensfehler in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden
Weise (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels s exemplarisch BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7.
Aufl 2016, Kap IX, RdNr 202 ff). Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet,
wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht
allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend
gemachten Verfahrensmangel beruht. Entsprechende Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung aber nicht.
a) Das LSG habe seiner Entscheidung verfahrensfehlerhaft zugrunde gelegt, dass ein bestandskräftiger Verwaltungsakt über den
Status im Versicherungsverhältnis betreffend die Beigeladenen zuvor nicht ergangen sei, sodass es auf die Regelungen der §§
44 ff SGB X nicht ankomme.
b) Das LSG sei verfahrensfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Änderungen in den Einkommensverhältnissen ihres Ehemannes
gegenüber denjenigen aus dem Jahr 2008 angeblich normale Schwankungen innerhalb derselben Einkunftsart darstellen würden.
Es sei hierbei von der Einschätzung des SG abgewichen, ohne allerdings eigene Feststellungen zu treffen, welche dies rechtfertigen könnten.
c) Hinsichtlich beider Rügen fehlt es bereits an der Bezeichnung einer (verfahrens-)rechtlichen Norm, gegen die das LSG aus
Sicht der Klägerin verstoßen haben soll. Vielmehr kleidet die Klägerin ihren Vorwurf einer aus ihrer Sicht gegebenen materiell-rechtlichen
Unrichtigkeit - hinsichtlich a) Verstoß gegen §§ 44 ff SGB X - in eine Verfahrensrüge. Dies erfüllt aber nicht die Zulässigkeitsanforderungen. Soweit man zu b) zugunsten der Klägerin
annimmt, sie wolle einen Verstoß gegen §
128 Abs
1 S 1
SGG rügen, erfüllt dies nicht die Zulässigkeitsanforderungen, da hierauf eine Nichtzulassungsbeschwerde nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG nicht gestützt werden kann. Darüber hinaus kann ein Verfahrensmangel auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Mit der Beschwerdebegründung wurde schon nicht aufgezeigt, im Verfahren vor dem LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag
gestellt zu haben (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - Juris RdNr 10 mwN). Schließlich befasst sich die Klägerin nicht damit, dass das LSG auf Seite 12 des Urteils Ausführungen
zur Begründung seiner Annahme einer fehlenden abweichenden Prognose gemacht hat.
5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.