Anfechtbarkeit eines Vormerkungsbescheides in der gesetzlichen Rentenversicherung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Vormerkung einer Ausbildungszeit.
Der 1970 geborene Kläger, von Beruf Rechtsanwalt, ist seit dem 1. Oktober 2012 gemäß §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI) von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom
21. November 2012). Das letzte Kontenklärungsverfahren, an dem der Kläger mitgewirkt hatte, war durch Bescheid vom 17. Dezember
1999 abgeschlossen worden. Unter dem 12. April 2013 übersandte die Beklagte dem Kläger zur Klärung des Versicherungskontos
einen Versicherungsverlauf mit der Aufforderung, Angaben zu den ungeklärten Zeiten zu machen; ungeklärt seien die Zeiten vom
1. August bis 30. September 2000, 8. Juni 2002 bis 19. Mai 2003, 30. Januar 2005 bis 19. November 2006, 1. Januar bis 4. Februar
2007, 24. Juli 2007 bis 31. Mai 2009 und 1. März 2010 bis 31. November 2011. Eine Rückantwort des Klägers ging hierauf nicht
ein. Mit Schreiben vom 21. November 2013 erteilte die Beklagte ihm eine Wartezeitauskunft.
Zugleich stellte die Beklagte mit Bescheid vom 21. November 2013 die im beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen, länger
als sechs Kalenderjahre zurückliegenden Daten, also die Zeiten bis 31. Dezember 2006, verbindlich fest, soweit diese Zeiten
nicht bereits früher festgestellt worden waren. Der Bescheid enthielt nach der Rechtsbehelfsbelehrung den Hinweis, dass ein
Widerspruch unzulässig sei, sofern gegen den Bescheid nur Einwände erhoben werden sollten, weil weitere bisher nicht bekanntgegebene
rechtserhebliche Zeiten im Versicherungsverlauf fehlten. Insoweit werde empfohlen, die Einwände nicht als Widerspruch vorzubringen,
sondern eine entsprechende Ergänzung des Versicherungskontos zu beantragen.
In dem Bescheid vom 21. November 2013 als Anlage beigefügten Versicherungsverlauf vom selben Tage waren als gespeichert aufgeführt
folgende Zeiten: die Zeiten vom 25. Mai 1992 bis 31. August 1994 als Pflichtbeitragszeiten (gemeldet mit Belegen des Sozialversicherungs-Nachweisheftes
oder der Datenerfassungsverordnung <SVN>), die Zeiten vom 14. September 1994 bis 11. September 1995 als Pflichtbeitragszeiten
(gemeldet von der Bundesagentur für Arbeit <AFG>), die Zeiten vom 12. September 1995 bis 31. August 1996 als Zeiten der Fachschulausbildung,
die Zeiten vom 1. September 1996 bis 31. Dezember 1997 als Pflichtbeitragszeiten der beruflichen Ausbildung (SVN), die Zeiten
vom 1. Januar bis 31. Dezember 1998 als Pflichtbeitragszeiten der beruflichen Ausbildung (vom Arbeitgeber gemeldet nach der
Datenübermittlungsverordnung), die Zeiten vom 1. Januar bis 28. Februar 1999 als Pflichtbeitragszeiten der beruflichen Ausbildung
(vom Arbeitgeber gemeldet nach der Datenerfassungs- und -über- mittlungsverordnung <DEÜV>), die Zeiten vom 8. bis 29. März
1999, vom 19. April bis 13. Juli 1999, vom 19. Juli bis 21. August 1999, vom 3. September 1999 bis 31. Juli 2000, vom 1. Oktober
2000 bis 7. Juni 2002 und vom 20. Mai 2003 bis 31. Oktober 2004 als Pflichtbeitragszeiten (DEÜV), die Zeiten vom 13. November bis 31. Dezember 2004 und vom 10. bis 29. Januar 2005 als Zeiten einer geringfügigen nicht
versicherungspflichtigen Beschäftigung (DEÜV), die Zeiten vom 20. November bis 31. Dezember 2006 als Pflichtbeitragszeiten (DEÜV), die Zeiten vom 5. Februar bis 5. März 2007, vom 10. März bis 30. April 2007, vom 12. Mai bis 23. Juli 2007 und vom 1. Juni
2009 bis 28. Februar 2010 als Zeiten einer geringfügigen nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung (DEÜV), die Zeiten vom 4. April bis 17. Juni 2012 als Pflichtbeitragszeiten (AFG), die Zeiten vom 18. Juni bis 7. September 2012 als Pflichtbeitragszeiten der beruflichen Ausbildung (AFG) sowie die Zeit vom 8. bis 30. September 2012 als Pflichtbeitragszeit (AFG).
Gegen den Bescheid vom 21. November 2013 erhob der Kläger am 22. Dezember 2013 mit der Begründung Widerspruch, aus dem Bescheid
sei nicht erkennbar, ob seine Studienzeiten und in welcher Höhe anerkannt worden seien. Auf den Hinweis der Beklagten (Schreiben
vom 23. Dezember 2013), dass der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen werden müsse, soweit er sich gegen bisher nicht
bekanntgegebene rechtserhebliche Zeiten richte, teilte der Kläger im Schreiben vom 11. Februar 2014 mit, die Studienzeiten
beträfen den Zeitraum von 1999 bis 2007. Diesbezüglich sei ihm von der Universität M. eine Bescheinigung für den Rentenversicherungsträger
ausgestellt worden, die er in seinen Unterlagen indes noch nicht habe finden können. Auf das Erinnerungsschreiben der Beklagten
vom 13. Februar 2014, in welchem sie - wie schon im Schreiben vom 23. Dezember 2013 - ankündigte, den Widerspruch des Klägers
als "Überprüfungsantrag" nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zu behandeln, reichte der Kläger schließlich mit Schreiben vom 18. März 2014 eine Bescheinigung der Universität M. über
dortige Studienzeiten im Fach Rechtswissenschaft vom Wintersemester 1999/2000 bis Sommersemester 2005 ein; zugleich bat er
um Weiterleitung seines Neufeststellungantrags gemäß § 44 SGB X an die zuständige Stelle. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2014 verwarf die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch
als unzulässig, weil über die Berücksichtigung von Studienzeiten noch kein Verwaltungsakt ergangen sei. Der Aufforderung im
Versicherungsverlauf vom 12. April 2013, Angaben zu ungeklärten Zeiten zu machen, sei der Kläger bis zur Erteilung des Bescheids
vom 21. November 2013 nicht nachgekommen; infolgedessen habe hierüber in diesem Bescheid nicht entschieden werden können.
Deswegen hat der Kläger am 2. Juni 2014 (Montag) zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit dem Begehren Klage erhoben, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. November 2013 und des Widerspruchsbescheids
vom 29. April 2014 zu "verurteilen", die Zeiten seiner Hochschulausbildung "in gesetzlicher Höhe zu berücksichtigen", hilfsweise,
festzustellen, dass der Widerspruch vom 22. Dezember 2013 zulässig sei. Mit Gerichtsbescheid vom 15. September 2014 hat das
SG die Klage abgewiesen; in den Gründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, weder der Hauptantrag noch der Hilfsantrag des Klägers
hätten Erfolg. Die erhobene "Anfechtungs- und Leistungsklage" sei bereits unzulässig; denn die Beklagte habe im Vormerkungsbescheid
vom 21. November 2013 zu der streitigen Ausbildungszeit keine Regelung im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X getroffen, und zwar weder positiv noch negativ. Hierzu habe die Beklagte auch keinen Anlass gehabt, nachdem der Kläger auf
das Schreiben vom 12. April 2013 nicht reagiert gehabt habe. Hinsichtlich des Hilfsantrags könne dahinstehen, ob überhaupt
ein Feststellungsinteresse im Sinne des §
55 Abs.
1 SGG bestehe; die Feststellungklage sei jedenfalls unbegründet, weil ein Widerspruch nur gegen einen Verwaltungsakt statthaft
sei.
Gegen diesen dem Kläger am 17. September 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 1. Oktober 2014 Berufung zum Landessozialgericht
eingelegt.
Schon zuvor hatte der Kläger beim SG am 10. September 2014 eine Untätigkeitsklage (S 5 R 3021/14) erhoben mit dem Antrag, seinen "Neufeststellungsantrag vom 22. Dezember 2013" zu bescheiden. Daraufhin hat die Beklagte
den Bescheid vom 20. November 2014 erlassen, mit welchem sie die im beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen länger als
sechs Kalenderjahre zurückliegenden Zeiten bis 31. Dezember 2007 - soweit sie nicht bereits früher festgestellt - verbindlich
festgestellt hat. Unter der Überschrift "Aufhebungsentscheidungen und Abänderungsentscheidungen" enthält der Bescheid folgende
Formulierung: "Der Bescheid vom 21.11.2013 wird im Hinblick auf die für die Zeit vom 01.10.1999 bis 31.07.2005 getroffenen
Feststellungen nach § 44 SGB X zurückgenommen." In dem als Anlage beigefügten Versicherungsverlauf vom 20. November 2014 sind die Zeiten von Mai 1992 bis
30. September 2012 als gespeicherte Daten identisch wie im Bescheid vom 21. November 2013 aufgeführt; zusätzlich gespeichert
worden sind darüber hinaus die Zeiten vom 1. Oktober 1999 bis 31. Juli 2005 als Zeiten der Hochschulausbildung. Der Kläger
hat sodann mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2014 an das SG mitgeteilt, durch den Bescheid vom 20. November 2014 dürfte "in der Tat" eine Erledigung eingetreten sein. Er erkläre die
Untätigkeitsklage indes nicht für erledigt, da der Bescheid, zumindest in Teilen, rechtswidrig sei und er deswegen beabsichtige,
das Verfahren als eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage fortzuführen. Das hiesige Berufungsverfahren sei vorgreiflich,
denn wenn sein Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. November 2013 zulässig gewesen sei, würde die anderweitige Rechtshängigkeit
der Fortführung der Untätigkeitsklage entgegenstehen. Gegen den darauf ergangenen Gerichtsbescheid des SG vom 13. Februar 2014 hat der Kläger am 13. März 2015 wiederum Berufung eingelegt (L 7 R 957/15) eingelegt.
Zur Begründung seiner Berufung im vorliegenden Verfahren hat der Kläger vorgebracht, die Auffassung des SG, dass hinsichtlich der streitigen Ausbildungszeiten ein Verwaltungsakt nicht vorliege, sei unzutreffend. Die vom SG herangezogene Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Mai 2006 (B 4 RA 40/05 R) sei nicht einschlägig. Darüber hinaus halte er es mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht für vereinbar, wenn die Auslegung,
ob dem "Schweigen" der Behörde eine Bedeutung im Sinne des § 31 SGB X beizumessen sei oder nicht, auf den Bürger abgewälzt werde. Dies sei aber nicht dessen Aufgabe. Die Frage, welche Wirkung
dem Schweigen einer Behörde zukomme, sei für einen potentiellen Widerspruchsführer bedeutsam, nachdem das BSG im Urteil vom 30. März 2004 (B 4 RA 46/02 R) bereits entschieden habe, dass dem Vormerkungsbescheid Wirkung für die Zukunft zukomme. Im Übrigen sei es verfahrensökonomisch
sinnvoller, eine Sachentscheidung bereits im anhängigen Widerspruchsverfahren und nicht erst in einem Verfahren nach § 44 SGB X zu treffen. Der Bescheid vom 20. November 2014 sei nach seiner Auffassung gemäß §
96 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden. Der Bescheid sei inhaltlich falsch, weil dort die Zeiten der Hochschulausbildung lediglich
bis 31. Juli 2005 berücksichtigt worden seien, während er von 1999 bis 2007 studiert habe. Das Feststellungsinteresse zum
Hilfsantrag ergebe sich aus der Wiederholungsgefahr. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 26. März 2015 hat der
Kläger ferner noch angegeben, er habe von August 2005 bis September 2007 an der Universität F. studiert.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. September 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids
vom 21. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2014 sowie unter Abänderung des Bescheids vom
20. November 2014 zu verpflichten, die Zeiten vom 1. August 2005 bis zum 30. September 2007 als Anrechnungszeit der Hochschulausbildung
vorzumerken, hilfsweise, festzustellen, dass der Widerspruch vom 22. Dezember 2013 zulässig war, weiter hilfsweise, die Revision
zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Der Bescheid vom 20. November 2014 sei ihrer Auffassung nach nicht
gemäß §
96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Dort sei erstmals über die Vormerkung von Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung
eine Verwaltungsentscheidung getroffen worden. Unter diesem Aspekt sei auch keine Bescheidsrücknahme nach § 44 SGB X erforderlich. Aufgrund der missverständlichen Formulierung im Bescheid vom 20. November 2014 werde zudem klargestellt, dass
im Hinblick auf die bisher in der Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 31. Juli 2005 verbindlich festgestellten Zeiten keine Bescheidsrücknahme
unter Aberkennung von Zeiten, sondern lediglich eine zusätzliche Vormerkung von Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung
für diesen Zeitraum erfolgt sei; dies lasse sich dem Versicherungsverlauf vom 20. November 2014 eindeutig entnehmen.
Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 15. Dezember 2014 darauf hingewiesen worden, dass der Bescheid vom 20.
November 2014 nicht über §
96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sein dürfte.
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 5 R 1864/14), die weitere Akte des SG (S 5 R 3021/14), die Berufungsakte des Senats (L 7 R 4143/14) und die weitere Senatsakte (L 7 R 957/15) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§
143 SGG), weil Berufungsausschlussgründe im Sinne des §
144 Abs.
1 und
2 SGG nicht entgegenstehen. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die im Berufungsverfahren erhobene Klage wegen des Bescheids vom
20. November 2014 ist dagegen bereits unzulässig.
1. Zulässiger Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein der Bescheid der Beklagten vom 21. November 2013 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2014, nicht dagegen der Bescheid vom 20. November 2014. Dieser letztgenannte
Bescheid hat die vorgenannten Bescheide entgegen der Auffassung des Klägers nicht im Sinne des §
96 SGG abgeändert oder ersetzt.
Die Anwendung der Bestimmung des §
96 SGG setzt eine zumindest teilweise Identität der Regelungsgegenstände beider Verwaltungsakte voraus, die ähnlich wie der Streitgegenstand
durch einen Vergleich beider Verfügungssätze sowie des zugrunde liegenden Sachverhalts zu ermitteln ist (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 31 <Rdnr. 11>; ferner BSG, Beschluss vom 30. September 2009 - B 9 SB 19/09 B - <[...]>; BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 22/10 R - <[...]; Rdnr. 14>; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a.,
SGG, 11. Auflage, §
96 Rdnr. 4a; Becher in Roos/Wahrendorf,
SGG, 1. Auflage, §
96 Rdnr. 29). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben; hinsichtlich der Zeiten der Hochschulausbildung des Klägers liegt
mit dem Bescheid vom 20. November 2014 - wie nachstehend unter 2. noch näher ausgeführt wird - erstmals eine Verwaltungsentscheidung
vor. Eine - auch nur teilweise - Identität mit dem Bescheid vom 21. November 2013, der sich zu den Hochschulzeiten des Klägers
überhaupt nicht verhalten hat, ist mithin nicht gegeben. Mangels Feststellung dieser Zeiten im Bescheid vom 21. November 2013
ist §
96 SGG nicht anwendbar; denn bei fehlender Verwaltungsentscheidung (§ 31 Satz 1 SGB X) sind die Tatbestandsmerkmale der "Abänderung" oder "Ersetzung" eines Verwaltungsakts, wie sie die vorgenannte Vorschrift
voraussetzt, von vornherein nicht erfüllt. Der Senat ist deshalb an einer Sachentscheidung über die im Berufungsverfahren
wegen des Bescheids vom 20. November 2014 erhobene und - trotz Belehrung - aufrechterhaltene Klage gehindert.
Der Kläger könnte eine Einbeziehung des Bescheids vom 20. November 2014 in das Verfahren ferner nicht im Wege der Klageänderung
(§
99 Abs.
1 und
2 SGG) verlangen. Denn die Beklagte hat in eine Klageänderung schon nicht eingewilligt. Dessen ungeachtet ist die Klageänderung
auch nicht sachdienlich. An einer Sachdienlichkeit fehlt es, wenn die geänderte Klage mangels Prozessvoraussetzungen gleich
wieder als unzulässig abgewiesen werden müsste (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1993 - B 4 RA 39/91 - <[...]; Rdnr. 19>). Dies ist hier der Fall. Denn dem vom Kläger mit seinem gegen den Bescheid vom 20. November 2014 verfolgten
Anspruch mangelt es nicht nur an einem abgeschlossenen Verwaltungsverfahren als einer in § 78 SG normierten Klagevoraussetzung (vgl. dazu BSGE 59, 228, 229 = SozR 4100 §
134 Nr. 29). Dieser Bescheid ist auch bindend (§
77 SGG) geworden. Der rechtskundige Kläger hat einen Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. November 2014 - trotz zutreffender Rechtsbehelfsbelehrung
- bei der Beklagten nicht eingelegt. Ein solcher kann weder in seinem an den Senat gerichteten Schriftsatz vom 27. November
2014, in welchem er von der Streitgegenständlichkeit des Bescheids vom 20. November 2014 im vorliegenden Berufungsverfahren
nach §
96 SGG ausgegangen ist, gesehen werden noch in seinem Schriftsatz vom 15. Dezember 2014 an das SG im Verfahren S 5 R 3021/14, in dem er eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage - wie die dortige Formulierung, diese Klage sei "beabsichtigt",
zeigt - erst angekündigt hat. Selbst auf den richterlichen Hinweis in der Verfügung vom 15. Dezember 2014, dass der Bescheid
vom 20. November 2014 nicht über §
96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sein dürfte, hat der Kläger nicht mit einer (vorsorglichen) Widerspruchseinlegung, welche
seinerzeit noch rechtzeitig gewesen wäre, reagiert. Schon wegen Eintritts der Bestandskraft des Bescheids vom 20. November
2014, dessen missverständlichen und überflüssigen Verfügungssatz unter der Überschrift "Aufhebungsentscheidungen und Abänderungsentscheidungen"
über die Rücknahme der "für die Zeit vom 01.10.1999 bis 31.07.2005 getroffenen Feststellungen nach § 44 SGB X" die Beklagte im Übrigen im Schriftsatz vom 11. März 2015 sinngemäß aufgehoben hat, ist die geänderte Klage, sofern das Begehren
des Klägers als solche überhaupt aufgefasst werden könnte, mithin unzulässig.
2. Ferner vermag der Senat über das klägerische Begehren auf Vormerkung (§
149 Abs.
5 Satz 1
SGB VI) von weiteren Zeiten der Hochschulausbildung als Anrechnungszeit (§
58 Abs. 1Satz 1 Nr. 4
SGB VI), welches er gemäß §
54 Abs. Satz 1 Alt. 2
SGG im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgt, nicht sachlich zu entscheiden. Denn die insoweit
vom Kläger gegen den Bescheid vom 21. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2014 gerichteten
Angriffe gehen ins Leere. Dem Begehren des Klägers fehlt es - wie vom SG im Ergebnis zutreffend erkannt - bereits an der Klagebefugnis (§
54 Abs.
1 Satz 2
SGG).
Zwar trifft die Auffassung des Klägers zu, dass den Feststellungen in einem Vormerkungsbescheid - ebenso wie dortigen Negativentscheidungen
- wegen ihrer beweissichernden Funktion für den späteren Leistungsfall Verbindlichkeit für die Zukunft zukommt; es handelt
sich wegen dieser Zukunftsorientiertheit um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (vgl. BSGE 56, 165, 171 f. = SozR 1300 § 45 Nr. 6; BSGE 58, 49, 51 =SozR 1300 § 45 Nr. 15; BSG SozR 4-2600 § 149 Nr. 1 <Rdnrn. 16 f.>; ferner das vom Kläger zitierte Urteil des BSG vom 30. März 2004 - B 4 RA 46/02 R - <[...]; Rdnr. 28>). Voraussetzung für die Verbindlichkeit der Feststellungen ist jedoch, dass über die zurückliegenden
Daten im Bescheid überhaupt eine Entscheidung im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X getroffen worden ist, wobei jede positive Feststellung von Tatbeständen mit rentenrechtlicher Relevanz ebenso wie jede Negativentscheidung
eine eigenständige Regelung im Sinne dieser Bestimmung darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2006 - B 4 RA 40/05 R - <[...]; Rdnr. 17>).
Eine derartige Regelung mit Verwaltungsaktcharakter ist in dem Bescheid vom 21. November 2013 hinsichtlich der Zeiten der
Hochschulausbildung aber - wie vom SG richtig erkannt - gerade nicht erfolgt. Eine solche Entscheidung konnte die Beklagte seinerzeit auch gar nicht treffen, nachdem
ihr die Hochschulausbildung des Klägers unbekannt geblieben war. Letztmals unter Mitwirkung des Klägers konnte eine Kontenklärung
im Jahr 1999 durchgeführt und durch den Bescheid vom 17. Dezember 1999 abgeschlossen werden. Seinerzeit lag dem Rentenversicherungsträger
eine Mitteilung über das vom Kläger damals eben erst begonnene Hochschulstudium offenkundig nicht vor; die von diesem erst
mit Schreiben vom 18. März 2014 bei der Beklagten eingereichte Bescheinigung der Universität M. datiert vom 2. August 2005.
Trotz dieser Bescheinigung, die dem Kläger von der Universität für Zwecke der Rentenversicherung ausgestellt worden war und
die sich in seinen Unterlagen befunden hat, hatte dieser auch auf das Schreiben der Beklagten vom 12. April 2013, dem zusätzlich
ein Versicherungsverlauf beigefügt und in dem er aufgefordert worden war, zur Klärung seines Versicherungskontos Angaben zu
bislang ungeklärten Zeiten zu machen, nicht reagiert. Bei fehlender Nachricht seitens des Klägers war aber für die Beklagte
kein Anhalt für weitere rentenrechtlich erhebliche Zeiten gegeben; aus eben diesem Grunde war für diese auch nichts ersichtlich,
was Anlass zu Ermittlungen in Richtung auf solche Zeiten gegeben hätte. Ohne die im Einzelfall gebotene Mitwirkung der Beteiligten
an der Sachaufklärung (§ 21 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X) stößt die - vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 26. März 2015 angesprochene - Amtsermittlung an ihre
Grenzen; zu Ermittlungen "ins Blaue hinein" ist eine Behörde auch in Ansehung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 20 SGB X) jedenfalls nicht verpflichtet (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BSG, Urteil vom 7. Mai 1998 - B 11 AL 81/97 R - <[...]; Rdnr. 20>; BSG, Beschluss vom 27. November 2011 - B 3 KR 22/14 B - <[...]; Rdnr. 13>). Der Kläger hat erstmals in seinem Widerspruchsschreiben vom 22. Dezember 2013, wenngleich seinerzeit
noch ganz unbestimmt, "Studienzeiten" erwähnt und sodann mit Blick auf das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität
M. in seinen Schreiben vom 11. Februar und 18. März 2014 eine Konkretisierung vorgenommen, während er erstmals in der mündlichen
Verhandlung vom 26. März 2015 auch über ein Studium an der Universität F. berichtet hat.
Mangels Kenntnis von der Hochschulausbildung des Klägers konnte die Beklagte über eine entsprechende Anrechnungszeit in dem
bereits zuvor ergangenen Bescheid vom 21. November 2013 mithin nicht entscheiden. Eine Verwaltungsentscheidung über ihr nicht
mitgeteilte, jedoch für das Versicherungskonto relevante Tatbestände wollte die Beklagte im Bescheid vom 21. November 2013
auch gar nicht erlassen. Dies zeigt unmissverständlich der Hinweis in dem Bescheid, dass ein Widerspruch unzulässig sei, sofern
gegen den Bescheid nur Einwände erhoben werden sollten, weil weitere bisher nicht bekanntgegebene rechtserhebliche Zeiten
im Versicherungsverlauf fehlten, und insoweit empfohlen wurde, die Einwände nicht als Widerspruch vorzubringen, sondern eine
entsprechende Ergänzung des Versicherungskontos zu beantragen.
Eine mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs (§§
78 Abs.
1 Satz 1,
83 SGG) anfechtbare Verwaltungsentscheidung seitens der Beklagten hat im Bescheid vom 21. November 2013 mithin hinsichtlich der
Hochschulzeiten des Klägers aus der Sicht eines objektiven Betrachters nicht vorgelegen. Die Nichterwähnung solcher Zeiten
in diesem Bescheid stellt eine negative Feststellung nach den hier gegebenen Umständen nicht dar. Deshalb hat die Widerspruchsstelle
der Beklagten über den Widerspruch des Klägers im Widerspruchsbescheid vom 29. April 2014 zu Recht nicht sachlich entschieden,
sondern ihn als unzulässig verworfen.
Die Widerspruchsstelle wäre - entgegen der Auffassung des Klägers - zur Entscheidung über die von diesem erstmals im Widerspruchsschreiben
vom 22. Dezember 2013 angedeutete Zurücklegung von Studienzeiten auch nicht befugt gewesen. Denn die Widerspruchsstelle eines
Rentenversicherungsträger ist funktional und sachlich schlechthin nicht zuständig, über ein erstmals im Widerspruchsverfahren
geltend gemachtes Recht zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2004 - B 4 RA 48/01 R - <[...]>; BSGE 96, 218 = SozR 4-2600 § 70 Nr. 1 <jeweils Rdnr. 35>; BSG, Urteil vom 18. Mai 2006 - B 4 RA 40/05 R - <[...]; Rdnr. 14>; ferner BSG, Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 19/09 R - <[...]; Rdnr. 15>; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 85 Rdnr. 4a).
Nach allem vermag der Kläger vorliegend mit seinem Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren auf Vormerkung weiterer Zeiten
der Hochschulausbildung schon mangels Zulässigkeit der Klage gegen den Bescheid vom 21. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 29. April 2014 nicht durchzudringen. Dem vom Kläger angesprochenen "Rechtsstaatsprinzip" (Art.
20 Abs.
3 des
Grundgesetzes) ist dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass er hinsichtlich der dem Rentenversicherungsträger bislang nicht bekanntgegebenen,
jedoch für das Versicherungskonto erheblichen Daten von diesem jederzeit eine Verwaltungsentscheidung (§
149 Abs.
5 Satz 1
SGB VI; hierzu BSG SozR 4-2600 § 58 Nr. 13 <Rdnrn. 14 f., 19>) verlangen kann, die - sofern er sie für rechtswidrig hält - nach Abschluss des Vorverfahrens im Rechtsschutzwege
einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden kann. Dieser Verfahrensweg ist allerdings einzuhalten.
3. Auch der Hilfsantrag des Klägers hat keinen Erfolg. Dieses Begehren ist bereits unzulässig, wobei dahingestellt sein kann,
ob der Kläger den Hilfsantrag als allgemeine Feststellungsklage (§
55 SGG) verstanden wissen wollte (so das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid), oder ob in Wahrheit eine Fortsetzungsfeststellungklage (§
131 Abs.
1 Satz 3
SGG) gemeint war, worauf die Argumentation in den Schriftsätzen des Klägers vom 19. August und 27. November 2014 hinweist. Denn
diesem hilfsweise gestellten Antrag mangelt es bereits am Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzinteresse ist Zulässigkeitsvoraussetzung
für jeden Rechtsbehelf; es ist vom Rechtsmittelgericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 8 SO 24/10 R - <[...]> <m.w.N.>; BSGE 113, 177 = SozR 4-1200 § 60 Nr. 3 <jeweils Rdnr. 23>; ferner Keller in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., Vor § 51 Rdnrn. 16 ff., 20). Es
besteht der Grundsatz, dass niemand die Gerichte unnütz in Anspruch nehmen oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur
Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele ausnutzen darf (vgl. Bundesgerichtshof BGHZ 54, 181). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn ein Beteiligter die Möglichkeit hat, seinen Rechtsanspruch auf einfachere, schnellere
und schlüssigere Art durchzusetzen (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BSGE 3, 135, 140; BSG SozR 3-4100 § 133 Nr. 1). Diesen Weg hat der Senat dem Kläger in den obigen Ausführungen unter 2. aufgezeigt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
5. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.