Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung; Auftraggeber für eine Unfalltätigkeit bei Weiterleitung eines
Auftrags; objektive Beweiswürdigung durch das Gericht
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalls vom 13.02.2006 als versicherter Arbeitsunfall.
Der 1947 geborene Kläger stürzte am 13.02.2006 von einem Hausdach aus ca. 3,5 Meter Höhe zu Boden. Er zog sich verschiedene
Frakturen, u. a. eine Oberschenkelhalsfraktur rechts, vordere Beckenfraktur, Fraktur Os ilium rechts, distale Radiusfraktur
rechts zu. Er sollte im Anwesen G. auf Wunsch des Hausbesitzers die Schneelast kontrollieren. Der Unfall wurde der Beklagten
durch die Ehefrau des Klägers am 16.02.2006 gemeldet.
Der Kläger ist im Unternehmen F. X. S. GmbH & Co. KG (nachfolgend Firma S.) als Betriebsleiter beschäftigt. Die KG hatte die
Ehefrau des Klägers von ihren Eltern übernommen. Seit 1980 ist sie als Gesellschaftergeschäftsführerin der GmbH persönlich
Haftende und Kommanditistin. Im Jahr 1986 nahm dieses Unternehmen den Blockhausbau auf. 1995 wurde der Blockhausbau ausgegliedert
und in die C. Holzhaus A. + Z. Holzbau GmbH überführt. Bei der Firma S. verblieben Vermietung und Verpachtung des Betriebsgeländes
sowie der Betrieb eines wasserbetriebenen E-Werks. Die C. Holzhaus A. + Z. Holzbau GmbH ging im Jahr 2000 in Insolvenz. Seit
dem 19.09.2000 existiert die C. Holzhaus L. Holzbau GmbH & Co. KG (nachfolgend C. Holzhaus). Der Kläger war dort bis zu seinem
Ausscheiden im Jahre 2001 einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Gesellschafter. Seither ist Geschäftsführer der
GmbH der Zeuge P. P., der Kläger nur noch Kommanditist mit einer Einlage von 185.000,- DM neben einer weiteren Kommanditistin,
die mit einer Einlage von 125.000,- DM beteiligt ist.
Die Firma S. teilte am 21.03.2006 der Beklagten mit, die Firma habe seit 1985 mit dem Hauseigentümer G. geschäftlich zu tun,
dieser habe aufgrund des langjährigen Vertrauensverhältnisses um die Leistung gebeten.
Mit Bescheid vom 23.05.2006 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Der Kläger sei nicht
als Betriebsleiter der Firma S. tätig geworden, sondern für die Firma C. Holzhaus, in der er als Kommanditist eine beherrschende
Stellung inne habe. Für diese Tätigkeit sei er mit Bescheid vom 07.03.2001 als versicherungsfrei ab 19.09.2000 eingestuft
worden. Eine freiwillige Unternehmerversicherung habe er nicht abgeschlossen. Deshalb könnten Leistungen nicht erbracht werden.
Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs führt der Kläger aus, der Hausbesitzer G. habe sich direkt an ihn gewandt
wegen der Arbeiten auf dem Dach. Der Kläger habe diesen Anruf dann - wie üblich - an die Firma C. Holzhaus weitergegeben.
Die Arbeiten sollten durch deren Mitarbeiter H. P. durchgeführt werden, allerdings erst am folgenden Tag. Da Herr G. auf sofortige
Erledigung bestand, sei der Auftrag an die Firma S. erteilt worden, und diese habe die Arbeiten durchgeführt. Als Zeuge hierfür
wurde Herr P. benannt.
Die Beklagte befragte daraufhin Herrn G. schriftlich. Dieser gab telefonisch an, er baue bereits seit 1985 mit dem Kläger
Holzhäuser und wende sich diesbezüglich ausschließlich an den Kläger.
Der Kläger übersandte diverse Rechnungen der Firma C. Holzhaus an die Firma S. und umgekehrt. Mitarbeiter der Firma S. seien
der Kläger als Betriebsleiter sowie die Hausmeister W. P. und C ...
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt für die Firma
C. Holzhaus tätig geworden und nicht für die Firma S ... Über die Firma C. Holzhaus bestehe für ihn jedoch kein Versicherungsschutz.
Hiergegen legte der Kläger beim Sozialgericht (SG) München Klage ein. Als Zeugen wurden Herr G. und Herr P. benannt. Diese wurden in der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2007
vernommen. Der Zeuge G. sagte aus, er habe in der Woche vor dem 13.02.2006 den Kläger angerufen, weil sich auf seinem Hausdach
hohe Schneemengen angesammelt hatten. Dieser habe nicht gleich einen Termin zusagen können. Er sei dann am 13.02.2006 gegen
14:30 Uhr gekommen. Er habe den Kläger telefonisch um Unterstützung gebeten, weil er mit ihm das Haus gebaut hatte und der
Kläger seiner Meinung nach auch für die Prüfung der Hauslast zuständig war. Er habe immer die Rechnungen von der Firma C.
Holzhaus erhalten, nicht von der Firma S ...
Des Weiteren wurde der Zeuge P. vernommen. Der Kläger entfalte keine konkrete Tätigkeit für das Unternehmen; er sei in erster
Linie Gesellschafter der Firma C. Holzhaus. Vertretungsbefugnis nach außen habe er - der Zeuge - allein. Der Kläger sei zu
vergleichen mit einem ausgeschiedenen Seniorchef. Zum damaligen Zeitpunkt habe es große Schneemengen gegeben und die Firma
C. Holzhaus habe Probleme gehabt, rechtzeitig die Dächer der Kunden vom Schnee zu befreien. Da die Situation sehr bedrängt
war, hätten sie bei der Firma S. angefragt, ob diese aushelfen könne. Zwischen den beiden Firmen würden des Öfteren Dienstleistungen
ausgetauscht.
Die Beklagte blieb bei ihrer Ansicht, es sei nicht plausibel sei, warum der Kläger den Auftrag am Unfalltag nicht in seiner
Eigenschaft als Vertreter der Firma C. Holzhaus ausgeführt haben sollte. Es gebe keinen sachlichen Grund dafür, dass hier
der Umweg über die Auftragsweitergabe an den Kläger als Betriebsleiter der Firma S. gewählt werden müsse.
Am 14.10.2008 erging - im Einverständnis der Beteiligten - Urteil ohne mündliche Verhandlung. Das Sozialgericht gab der Klage
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 23.05.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2006 statt. Der
Kläger sei unstreitig zum Unfallzeitpunkt in seiner Eigenschaft als Betriebsleiter der Firma S. versichert gewesen. In dieser
Eigenschaft habe er sich zum Unfallzeitpunkt zum Kunden der Firma C. Holzhaus begeben, um dort die Schneelast des Daches zu
überprüfen. Er habe insoweit für die Firma S. gehandelt. Bei der Firma C. Holzhaus hingegen sei er weder weisungsunterworfen
gewesen noch in anderer Hinsicht abhängig Beschäftigter.
Hiergegen legte die Beklagte am 28.01.2009 Berufung ein. Der Kläger sei für alle Tätigkeiten, die er für die Firma C. Holzhaus
erbringe, nicht gesetzlich unfallversichert. Zwischenzeitlich sei er zwar als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH des Mitglieds
ausgeschieden. Er sei aber nach wie vor als Kommanditist Mehrheitsgesellschafter der GmbH & Co. KG und auch noch am Vermögen
der Komplementär-GmbH beteiligt, übe also auch weiterhin einen beherrschenden Einfluss in diesem Unternehmen aus. Es habe
also auch keine Formalversicherung bestanden.
In seiner Eigenschaft als Betriebsleiter der Firma S. sei der Kläger zwar gesetzlich unfallversichert. Er habe jedoch nicht
belegen können, dass er als Mitarbeiter und für Rechnung der Firma S. den Überprüfungsauftrag des Herrn G. erledigen sollte.
Folge man den Angaben des Zeugen P., wonach der Auftrag des Herrn G. ursprünglich der Firma C. Holzhaus erteilt, von dieser
aber an die Firma S. weitergegeben worden sei im Sinne einer Aushilfe, werde der deutlich personenbezogene Charakter der Auftragserteilung
an den Kläger völlig ignoriert. Der Geschehensablauf erscheine konstruiert. Schneeräumarbeiten seien nicht vergleichbar mit
der höher qualifizierten Tätigkeit des Beurteilens von Schneelasten auf Holzhausdächern. Hierfür sei aufgrund seiner Kenntnis
und Erfahrungen offenbar nur der Kläger selbst befähigt gewesen.
Der Kläger führte aus, er habe zum Unfallzeitpunkt für die Firma C. Holzhaus von sich aus nicht tätig werden können, da er
weder Geschäftsführer gewesen sei noch sonst irgendeine Funktion inne gehabt habe. Aus der Zeugenaussage P. ergebe sich eindeutig,
dass eben dieser als Geschäftsführer die Firma S. beauftragt habe.
Der Senat hörte in der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2009 den Kläger an. Dieser erklärte, der Zeuge P. sei am Unfalltag
an ihn herangetreten und habe gefragt, ob nicht ein Mitarbeiter der Firma S. die Arbeiten bei G. ausführen könne. Des Weiteren
wurde die Zeugin M. A. vernommen, die den Ablauf im Wesentlichen vom Hörensagen bestätigte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.10.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird gemäß §
136 Abs.
2 SGG auf die Gerichtsakten, die Auszüge des Handelsregisters sowie die Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt, jedoch nicht begründet. Der Kläger war bei seinem Unfall
vom 13.02.2006 gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII versichert und zwar als Beschäftigter der Firma S ...
Der Senat legt seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war bei der Firma S. als Angestellter versicherungspflichtig
beschäftigt und auch tatsächlich versichert. Aus der Firma C. Holzhaus dagegen war er bereits im Jahre 2001 aus der Geschäftsführung
ausgeschieden. Er ist allerdings an dieser Gesellschaft noch als Gesellschafter beteiligt.
Die Firma S., bei der der Kläger als Betriebsleiter beschäftigt war, und die seiner Ehefrau, der Zeugin A., gehört, ist selbst
nicht mehr mit Holzbauarbeiten, sondern mit der Verwaltung und Erhaltung der Grundstücke sowie dem Betrieb eines Elektrowerks
beschäftigt. Im Jahr 2006 war die Schneesituation in der Region ungewöhnlich katastrophal. Der Zeuge G. rief den Kläger deshalb
am Sonntag zu Hause an und bat ihn, spätestens am Montag jemanden zu schicken, um die Schneelast auf seinem Dach zu prüfen
und evtl. Schnee zu räumen. Der Kläger gab die Anfrage am Montag in der Frühe an den Zeugen P., den Geschäftsführer der Firma
C. Holzhaus, weiter. Dieser bat ihn, jemanden von der Firma S. hinzuschicken, da er keinen Mitarbeiter frei habe. Da die Angestellten
der Firma S. P. und C. anderweitig beschäftigt waren, fuhr der Kläger zum Haus des Zeugen G., wo er verunglückte.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der Aussage des Zeugen P. vor dem SG. Ein Grund dafür, dass der Zeuge nicht die Wahrheit gesagt haben sollte, ist nicht erkennbar. Der Zeuge P. ist ein Geschäftspartner
des Klägers, hat aber kein persönliches Interesse am Ausgang des Verfahrens. Seine Aussage wurde vom Kläger vollumfänglich
bestätigt.
Der Kläger handelte somit als Beschäftigter der Firma S., da der Zeuge P. den Auftrag an diese Firma weitergeleitet und der
Kläger diesen als Betriebsleiter ausgeführt hat.
Die hiergegen von der Beklagten gemachten Einwendungen führen zu keinem anderem Ergebnis. Nach der Einlassung des Klägers
in der mündlichen Verhandlung rief der Zeuge G. ihn am Sonntag an, weil er mit ihm befreundet ist. Die Firma C. Holzhaus wäre
am Sonntag auch nicht erreichbar gewesen. Der Kläger hatte trotz dieser persönlichen Beziehung nicht die Absicht, sich selbst
um die Dachlast des Zeugen G. zu kümmern. Deshalb rief er am Montag Morgen bei der Firma C. Holzhaus an. Erst als diese den
Auftrag an die Firma S. weitergab und dort niemand frei war, sah er sich gezwungen, den Auftrag selbst durchzuführen.
Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung der Beklagten, der Kläger habe nicht zum Arbeitnehmerkreis
der Firma C. Holzhaus gehört zutrifft. Denn der Senat kann keine Anhaltspunkte dafür finden, dass der Kläger die zum Unfall
führende Tätigkeit zumindest in einer unternehmerähnlichen Art in Bezug auf die Firma C. Holzhaus ausgeführt hätte. Der einzige
Bezugspunkt findet sich insoweit darin, dass das Holzhaus des Zeugen G. von der Firma C. Holzhaus erbaut worden war und diese
wohl auf für Mängelbeseitigung zuständig gewesen wäre.
Dass der Kläger nicht für das Unternehmen C. Holzhaus tätig werden wollte, sondern für die Firma S., wird - wie bereits ausgeführt
- daraus ersichtlich, dass sich der Kläger zunächst überhaupt nicht zuständig gefühlt und den Auftrag sogleich dem Zeugen
P. weiter gemeldet hatte. Erst danach fragte der Zeuge P. bei der Firma S. an, ob diese aushelfen könne. Insoweit zeichnet
sich ein Subunternehmerverhältnis zwischen beiden Unternehmen ab. Als Betriebsleiter der Firma S. sprang schließlich der Kläger
selbst ein, nachdem ein anderer Mitarbeiter, der - so der Kläger vor dem Senat - durchaus fähig gewesen wäre, die Schneelast
zu prüfen, nicht zur Verfügung stand. Unternehmer ist derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder
Nachteil gereicht (§
136 Abs.3 Nr.1
SGB VII). Nach der Vorstellung der beiden an der Vertragsabwicklung beteiligten Unternehmen sollte die Firma S. die Kosten der Firma
C. Holzhaus in Rechnung stellen.
Wegen dieser besonderen Umstände und weil stets nur der Einzelfall zu beurteilen ist, kommt es nicht darauf an, ob es Rechnungen
als Beleg dafür gibt, dass die Firma S. häufiger für die Firma C. Holzhaus bei Kunden tätig war. Es ist jedenfalls glaubhaft,
dass für den Auftrag vom 13.02.2006, bei dem der Kläger verunglückte, keine Rechnung gestellt wurde, weil er letztlich nicht
durchgeführt wurde.
Es liegt somit ein versicherter Arbeitsunfall gemäß §
8 Abs.1
SGB VII vor. Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da es nicht um ungeklärte Rechtsfragen grundsätzlicher Art geht. Diese
sind vielmehr höchstrichterlich bereits geklärt.