Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten zu den Bedingungen einer im Gerichtsbezirk ansässigen Kanzlei
Keine Entstehung Mehrkosten
Uneingeschränkte Beiordnung
Der Antrag des Klägers, "gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG festzustellen, dass die Reisekosten des zu bearbeitenden Rechtsanwalts zu Terminen vor dem Sozialgericht Neuruppin zur sachgerechten
Interessenwahrnehmung für den Kläger erforderlich sind" wird als unzulässig abgelehnt.
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 18. April 2019 geändert. Die Anordnung,
dass die Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten "zu den Bedingungen einer im Gerichtsbezirk ansässigen Kanzlei" erfolge,
wird aufgehoben.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens vor dem Landessozialgericht sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Der vor dem Landessozialgericht erstmals gestellte und damit erstinstanzlich angefallene Antrag des Klägers, eine Feststellung
nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zu treffen, war als unzulässig abzulehnen. Zu der beantragten Feststellung ist nur das "Gericht des Rechtszugs" befugt.
Bezeichnet wird damit das Gericht der Instanz, für die Kosten im Rahmen der Prozesskostenhilfe geltend gemacht werden (s.
Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl. 2017, § 33 Rn 6), hier also ganz offensichtlich das Sozialgericht Neuruppin.
Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 18. April 2019 hat im Ergebnis Erfolg.
Gemäß §
73a Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V. mit §
121 Abs.
3 Zivilprozessordnung (
ZPO) kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere
Kosten nicht entstehen. Weitere Kosten entstehen unter anderem dann nicht, wenn der Anwalt, dessen Beiordnung begehrt wird,
seine Kanzlei an einem Ort hat, der nicht weiter vom Gericht entfernt ist als der am weitesten vom Gericht entfernte, noch
innerhalb des Gerichtsbezirks gelegene Ort (s. statt vieler Seiler in Thomas/Putzo,
ZPO 39. Aufl. 2018, §
121 Rn 7 m.w.Nachw.). So verhält es sich hier. Jedenfalls der im Landkreis Prignitz und damit im Gerichtsbezirk des Sozialgerichts
gelegene Ort L (E) ist mit ca. 110 km weiter vom Sitz dieses Gerichts entfernt als - mit 107 km - der Ort S, an dem die Kanzlei
der Prozessbevollmächtigten ihren Sitz hat (Berechnung mittels üblicher Internet-Wegeplaner).
Daraus folgt zwar, dass dem Kläger (bzw. seinen Bevollmächtigten) materiell keine erkennbaren gebührenrechtlichen Nachteile
aus der vom Sozialgericht getroffenen Anordnung entstehen. Da jedoch die Auffassung vertreten wird, die Beiordnung eines nicht
im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts sei in dem Fall, dass hierdurch keine Mehrkosten entstünden, "uneingeschränkt"
auszusprechen (s. etwa die Kommentar-Fundstelle in dem vom Kläger zitierten Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg
vom 8. März 2019 - L 1 KR 77/19 B PKH -), wird die angefochtene Anordnung zur Beseitigung eines durch sie erweckten Rechtsscheins aufgehoben, die Beiordnung
unterliege gebührenrechtlichen Einschränkungen, die sich durch den derzeitigen Ort des Kanzleisitzes der Bevollmächtigten
des Klägers begründen.
Die Ausführungen des Klägers zu den aus seiner Sicht im Sinne des §
121 Abs.
3 ZPO Mehrkosten ersparenden Sprachkenntnissen des Rechtsanwalts M waren vor diesem Hintergrund nicht entscheidungserheblich. Nur
vorsorglich wird deshalb darauf hingewiesen, dass der Kläger fehl ginge, sofern er der Auffassung wäre, dass der von ihm bevollmächtigte
Rechtsanwalt als Dolmetscher vor Gericht in dem vorliegenden Rechtsstreit in Betracht käme. Dolmetscher sind von einer Tätigkeit
in Verfahren, in denen sie als Prozessbevollmächtigte eines Beteiligten bestellt sind, kraft Gesetzes ausgeschlossen (s. §
202 Satz 1
SGG i. V. mit §§
191 Satz 1
Gerichtsverfassungsgesetz, 406 Abs.
1 Satz 1,
41 Nr.
4 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §
127 Abs.
4 ZPO. Für Entscheidungen auf der Grundlage des § 46 RVG ist eine Kostenerstattung nicht vorgesehen (arg. e § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§
177 SGG).