Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen (voller) Erwerbsminderung.
Der 1956 in der T. geborene Kläger lebt seit 1971 in Deutschland und war zuletzt als Schweißer beschäftigt. Wegen einer depressiven
Erkrankung bezog der Kläger bis 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Aufgrund eines vor dem Sozialgericht Hamburg am
7.Juli 2009 geschlossenen Vergleichs erhielt er ab 2001 eine unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Am 11. Mai 2011 erlitt der Kläger in der T. als Insasse eines Reisebusses einen Unfall, bei dem er eine Kopfverletzung in
Form eines Subduralhämatoms (Blutansammlung zwischen den Hirnhäuten) davontrug, die in der T. operativ behandelt wurde.
Am 7. Oktober 2011 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, den die Beklagte mit Bescheid
vom 30. Januar 2012 ablehnte.
Auch der Widerspruch des Klägers vom 9. Februar 2012, den er im Wesentlichen mit der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes
aufgrund des erlittenen Unfalls begründete, blieb erfolglos. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2012 wies die Beklagte
den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei imstande, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein.
Der Kläger hat am 7. Mai 2012 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und zur Begründung vorgetragen, er leide seit dem
Unfall im Mai 2011 an den Folgen der erlittenen Hirnverletzung, insbesondere an einer Hirnleistungsschwäche. Er habe nach
einer Schulterfraktur Schmerzen im rechten Schultergelenk und außerdem Probleme, Gegenstände zu ergreifen. Den rechten Arm
könne er auch nicht über Schulterhöhe anheben.
Das Sozialgericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts die Renten- und Gutachtenakten der Beklagten, die Prozessakte aus dem
vorhergehenden Renten-Klagverfahren der Beteiligten vor dem SG Hamburg (S 26 R 2713/05) und die Krankenakte des Diakonieklinikums (Schlaflabor) beigezogen. Eingeholt worden sind Befundberichte der den Kläger
behandelnden Ärzte, ein Bericht der Universitätsklinik I., wo der Kläger aufgrund des Unfalls vom 17. bis 20. Juni 2011 behandelt
wurde, und ein Attest des Gesundheitsausschusses des Krankenhauses der Universität B. vom 18. April 2013.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1 nach Untersuchung des Klägers am 28.
März 2014 ein Sachverständigengutachten erstellt und dabei ein Leistungsvermögen in einem Umfang von mehr als sechs Stunden
täglich für leichte Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen bei einem nur diskreten neurologischen Befund und
einer rezidivierenden depressiven Störung in leichtem bis mäßigem Ausmaß festgestellt.
Auf Antrag des Klägers (nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) hat der Facharzt für Neurologie Dr. G., Chefarzt des Neurotraumatologischen Zentrums des BG Unfallkrankenhauses B1, den
Kläger am 26. Januar 2015 gutachterlich untersucht, wobei bei Exploration und Untersuchung die Ehefrau des Klägers anwesend
war. Ein Dolmetscher war nicht hinzugezogen worden. In seinem Gutachten vom 11. Februar 2015 hat der Sachverständige u.a.
eine mittelgradige bis schwere depressive Störung, ein organisches Psychosyndrom mit Hirnleistungsminderung und Wesensänderung
sowie eine leichte Halbseitensymptomatik festgestellt. Es sei von einem aufgehobenem Leistungsvermögen auszugehen, Verdeutlichungstendenzen
habe er nicht feststellen können. Zur weiteren Begründung seiner Einschätzung hat Dr. G. ausgeführt, ein Subduralhämatom sei
in der Regel auch mit einer Verletzung des Gehirns selbst verbunden. Aus neurotraumatologischer Erfahrung gehe eine belegbare
traumatische Hirnschädigung in der Regel mit begleitenden kognitiv-mnestischen Beeinträchtigungen einher, also u.a. mit Einschränkungen
der Auffassung, des Kurz- und Langzeitgedächtnisses, der Merk- und Konzentrationsfähigkeit. Bei dem Kläger sei eine bleibende
Hirnfunktionsstörung infolge dieser Verletzung nachgewiesen. Es wird inhaltlich Bezug genommen auf das Sachverständigengutachten
vom 11. Februar 2015.
Das Sozialgericht hat daraufhin aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers beigezogen und schließlich die
Neuropsychiaterin Frau Dr. L. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragt. Frau Dr. L. hat den Kläger unter Zuhilfenahme
eines vereidigten Dolmetschers am 8. Februar 2017 untersucht und eine Fremdanamnese der Ehefrau durchgeführt. Die Sachverständige
hat in ihrem Sachverständigengutachten vom 13. März 2017 keine Hinweise auf Einschränkungen der Ein- und Umstellfähigkeit
und auf Einschränkungen der Hirnleistungsfähigkeit gesehen, keine Auffassungsstörungen und keine Zeichen vorzeitiger Ermüdung
oder nachlassender Konzentration oder Aufmerksamkeit. Das Gangbild habe der Kläger stark verändert dargeboten, nämlich die
linke Schulter nach unten gezogen, das linke Bein nachgezogen. Auf dem Weg vom Wartebereich in das Gesprächszimmer sei dagegen
ein im Wesentlichen unauffälliges Gangbild zu beobachten gewesen. Der EEG-Befund habe dem von Dr. G. erhobenen Befund entsprochen. Zur Frage der Ausprägung einer Hirnschädigung hat die Sachverständige
ausgeführt, dass die nur kurze Verweildauer in der Klinik in I. und dass der Kläger dort als geheilt entlassen worden ist,
gegen eine primäre schwere Hirnschädigung spreche. Auch der behandelnde Nervenarzt Dr. N. habe keine Veränderung im psychopathologischen
Befund bzw. der Hirnleistungsfähigkeit dokumentiert. Der Hintergrund des von Dr. G. erhobenen psychopathologischen Befundes
bleibe unklar. Bei dem Kläger bestünden folgende Gesundheitsstörungen, die seine Leistungsfähigkeit beeinträchtigten:
- Leichte depressive Episode einer anamnestisch rezidivierenden depressiven Störung mit Somatisierung.
- latente Hemiparese links mit geringer Einschränkung der Koordination/Feinmotorik des linken Armes und der linken Hand als
Folge eines rechtsseitigen traumatischen Subduralhämatoms 2011.
- Schlaf-Apnoe-Syndrom ohne Nachweis einer schwerergradigen Tagesschläfrigkeit.
- Bluthochdruck.
- Impingementsyndrom im rechten Schultergelenk.
- sekundäre Omarthrose (Schulterarthrose) 2. - 3. Grades rechts.
- leichte Altersschwerhörigkeit.
- anamnestisch: Ohrgeräuschleiden.
In Anbetracht dieser Gesundheitsstörungen sei der Kläger noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten
mit geringer Verantwortung, in wechselnder Körperhaltung, nicht mit ausschließlichem oder überwiegendem Heben und Tragen,
nicht über Kopf, ohne andauernde Armvorhalte, nicht unter vermehrtem Zeitdruck, nicht mit Akkord- oder Nachtarbeit verbunden,
zu ebener Erde, nicht auf Leitern, Gerüsten oder an sonstigen gefährdenden Arbeitsplätzen, nicht an Arbeitsplätzen mit mehr
als durchschnittlichen Anforderungen an die Feinmotorik der linken Hand, auszuüben. Ergänzend zum Gutachten von Frau Dr. L.
ist eine psychologische Zusatzbegutachtung durch die Diplompsychologin A. und den Neurologen und Psychiater Dr. F. am 15.2.2017
durchgeführt worden. Dabei ist eine Minderung der Hirnleistungsfähigkeit nicht festgestellt worden. Der Kläger habe versucht,
die Testergebnisse zu beeinflussen. Im Test zur Beschwerdevalidierung habe er Angaben gemacht, die nur bei schwersten Einschränkungen,
wie z.B. bei fortgeschrittener demenzieller Erkrankung, plausibel wären und mit einer schweren Einschränkung der Lebensführung
einhergingen. Alle Tests zur Beschwerdevalidierung hätten auffällige Werte ergeben. Wegen des weiteren Inhalts wird Bezug
genommen auf die Sachverständigengutachten vom 13. März 2017 (Dr. L.) und vom 15. Februar 2017 (Dr. F. und Fr. A.).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 20. April, 2017 sind die Sachverständigen Dr. G. und Dr. L. zu
ihren Gutachten gehört worden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. April 2017 abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller
Erwerbsminderung gemäß §
43 Abs.
2 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch (
SGB VI) seien nicht gegeben. Der Kläger sei trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage, täglich mindestens
6 Stunden körperlich und geistig leichte Tätigkeiten geringerer Verantwortung und mit weiteren Einschränkungen auszuüben.
Das ergebe sich aus den Sachverständigengutachten der Sachverständigen Dr. L1 und Dr. L., die nachvollziehbar und plausibel
zu dem Ergebnis gelangt seien, dass ein positives Leistungsvermögen vorhanden sei. Nicht gefolgt werden könne hingegen der
Einschätzung des vom Kläger benannten Sachverständigen Dr. G., der aufgrund der unfallbedingten Kopfverletzung 2011 von einem
aufgehobenen Leistungsvermögen ausgegangen sei. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bei der psychologischem Zusatzbegutachtung
versucht habe, Testergebnisse negativ zu beeinflussen. Auch bei der Sachverständigen Dr. L. sei es zu Unstimmigkeiten und
einer bewusstseinsnahen Befundaggravation bei den Gang- und Standprüfungen gekommen. Hinzu komme, dass der Sachverständige
Dr. G. bei seiner Untersuchung keinen Dolmetscher hinzugezogen habe. Dem von ihm erhobenen psychischen Befund, wonach der
Kläger kein taktisches Verhaltensmuster gezeigt habe und zunehmend unkonzentriert und erschöpft gewesen sei, komme vor diesem
Hintergrund nur eine eingeschränkte Aussagekraft zu.
Gegen das am 19. Juni 2017 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. April 2017 hat der Kläger am 5. Juli 2017
Berufung eingelegt. Die Diktion des Urteils, wonach eine volle Überzeugung von der Erwerbsunfähigkeit des Klägers nicht habe
gewonnen werden können, gebe Grund zu der Annahme, dass das Sozialgericht auch die vollständige Erwerbsunfähigkeit des Klägers
in Betracht gezogen habe. Die psychischen und physischen Beeinträchtigungen des Klägers hätten sich zwischenzeitlich noch
intensiviert. Das gelte für das durch den Unfall vom 11. Mai 2011 erlittene organische Psychosyndrom mit Hirnleistungsminderung
und für die Depressionen. Auch verwahre sich der Kläger dagegen, Testergebnisse verfälscht zu haben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. April 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2012 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25. April 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
aufgrund eines Leistungsfalles vom 7. Oktober 2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Veranlassung des Senats sind aktuelle Befundberichte eingeholt worden. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.
N. hat eine Depression diagnostiziert und ausgeführt, dass der Kläger weiterhin depressiv gedrückt und ängstlich sei (Befundbericht
vom 28. September 2017). Der Orthopäde Dr. N1 hat mit Befundbericht vom 2. Oktober 2017 unter anderem einen Fersensporn beidseits,
X-Beine und eine Außenmeniskusläsion diagnostiziert. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. hat am 6. Oktober 2017 bei unauffälliger
Gedächtnisfunktion und normalen Denkablauf eine gedrückter Stimmung und einen geminderten Antrieb beschrieben. In dem Befundbericht
des Internisten Dr. Humbert vom 20. Oktober 2017 ist ein gut eingestellter Bluthochdruck diagnostiziert worden.
Auf Veranlassung des erkennenden Gerichts ist ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt worden. Der Facharzt
für Neurologie und Psychiatrie Dr. N2 hat in seinem Sachverständigengutachten vom 7. April 2018 folgende Erkrankungen festgestellt:
- Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte depressive Episode.
- Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen.
- Diskrete Halbseitenlähmung links nach subakutem Subduralhämatom im Mai 2011.
- Zustand nach Gesichtsschädelfraktur mit Sensibilitätsstörungen der linken Gesichtshälfte im Oberkieferast.
- Wirbelsäulendegeneration ohne Nachweis nervenwurzelbezogener radikulärer Defizite.
- Arterieller Bluthochdruck.
- Hyperurikämie.
Der Kläger sei damit in der Lage, leichte körperliche Arbeiten einfacher geistiger Art mit geringer Verantwortung in einem
Umfang von täglich sechs Stunden und mehr pro Arbeitstag auszuüben. Arbeiten unter besonderem Zeitdruck und unter Nachtarbeitsbedingungen
könne der Kläger hingegen nicht ausüben. Die Tätigkeiten sollten in wechselnder Körperhaltung aus dem Sitzen heraus mit der
Möglichkeit eines Wechsels der Körperposition ausgeübt werden. Körperliche Zwangshaltungen oder auch Überkopfarbeiten seien
zu vermeiden. Nicht mehr möglich seien Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten oder an gefährdenden Arbeitsplätzen.
Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die psychischen Gesundheitsstörungen des Klägers keineswegs so ausgeprägt
seien, dass dieser unfähig wäre, Willenskräfte zu mobilisieren, um etwaige Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden.
Es bestünden nicht unerhebliche Hinweise auf eine bewusstseinsnahe Ausgestaltung der Symptomatik mit Aggravations-/Verdeutlichungstendenzen.
Die vom Kläger angegebenen kognitiv-mnestischen Einbußen würden sich auf der Befundebene nicht widerspiegeln. Es bestünden
erhebliche Inkonsistenzen und Diskrepanzen. Ein hirnorganisches Psychosyndrom von sozialmedizinisch relevantem Ausprägungsgrad
könne ebenso wenig diagnostiziert werden wie eine mittelschwere oder gar schwere depressive Episode. Die vom Kläger demonstrierte
Halbseitenstörung links sei in ihrem Ausprägungsgrad nicht durch neurologische Befunde objektivierbar und müsse als Ausdruck
einer Entwicklung körperlicher Symptome vor dem Hintergrund innerseelischer Faktoren interpretiert werden. Dem Gutachten von
Dr. L1 und Dr. L. sei zuzustimmen, der Einschätzung von Dr. G. könne hingegen nicht gefolgt werden. Es wird inhaltlich Bezug
genommen auf das Sachverständigengutachten von Dr. N2 vom 7. April 2018.
Der Kläger hat ein weiteres Attest seines behandelnden Arztes Dr. N. vom 30. April 2018 vorgelegt, der unter Bezugnahme auf
die vorherigen Befundberichte nochmals dargelegt hat, dass der Kläger unter chronischen Depressionen mit Somatisierungsstörungen
leide, die aus seiner Sicht zu einer Arbeitsunfähigkeit führen würden. Gleichzeitig ist beantragt worden, Dr. N. als Sachverständigen
gemäß §
109 SGG zu bestellen.
Nach einem Hinweis des Senats, dass das Antragsrecht nach §
109 SGG grundsätzlich nur einmal in beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung stehe, hat der Prozessbevollmächtigte den Antrag mit
Schriftsatz vom 8. Mai 2018 zurückgenommen und stattdessen beantragt, Dr. N. als Zeugen zum Beweis dafür zu vernehmen, dass
der Kläger nicht mehr erwerbsfähig sei.
Der Kläger bezieht seit dem 1. April 2017 von der Beklagten eine vorgezogene Altersrente. Der Sachverständige Dr. N2 hat sein
Sachverständigengutachten in der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2018 erläutert und weitergehende Fragen beantwortet. Wegen
des Inhalts der gutachterlichen Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Der Kläger hat in der mündlichen
Verhandlung mit Hilfe einer vorher gefertigten handschriftlichen Aufzeichnung umfassende Angaben zu seiner Situation gemacht
und das schriftliche Sachverständigengutachten von Dr. N2 kritisiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten und die beigezogenen Akten der Beklagten
Bezug genommen. Sie haben dem Gericht vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, insbesondere form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat
die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert,
wenn man von der Berufsunfähigkeit absieht, für die er bereits bis zum 1. April 2017 eine Rente bezogen hat.
Gemäß §
43 Abs.
2 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch (
SGB VI) sind Versicherte voll erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine teilweise
Erwerbsminderung i. S. v. §
43 Abs.
1 SGB VI liegt vor, wenn der Versicherte krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu
sein.
Der Kläger ist in der Lage, in einem Umfang von sechs Stunden täglich körperlich leichte Tätigkeiten mit den von dem Sachverständigen
Dr. N2 beschriebenen qualitativen Einschränkungen auszuführen.
Auch die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat bestätigt, dass keine relevante Erwerbsminderung vorliegt. Der Sachverständige
Dr. N2 hat seine Auffassung plausibel und nachvollziehbar begründet. Er hat herausgearbeitet, dass weder von einer mittelgradigen
bis schweren depressiven Erkrankung ausgegangen werden kann, noch ein hirnorganisches Psychosyndrom mit sozialmedizinisch
relevantem Ausprägungsgrad vorliegt. Vielmehr leidet der Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet lediglich an einer
rezidivierenden depressiven Störung mit einer gegenwärtig leichten depressiven Episode, einer Entwicklung körperlicher Symptome
aus psychischen Gründen, einer diskreten Halbseitenlähmung links nach subakutem Subduralhämatom und einem Zustand nach Gesichtsschädelfraktur
mit Sensibilitätsstörungen der linken Gesichtshälfte im Oberkieferast. Mit diesen Erkrankungen kann der Kläger einer geregelten
Tätigkeit mit leichter körperlicher Arbeit und weiteren Einschränkungen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich
nachgehen. Die Feststellungen stehen - wie bereits das Sozialgericht zutreffend herausgearbeitet hat - im Einklang mit den
erstinstanzlichen Sachverständigengutachten von Dr. L1 und Dr. L ... Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen
Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts im Urteil vom 20. April 2017 (§
153 Abs.
2 SGG). Nicht gefolgt werden kann hingegen dem nach §
109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. G ...
1. Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. N2, dass lediglich eine rezidivierende depressive Störung - gegenwärtig mit einer
leichten depressiven Episode - vorliegt, die keinesfalls zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen führt, ist nachvollziehbar.
Der Sachverständige hat den Kläger in der Untersuchungssituation als wach, orientiert und bewusstseinsklar wahrgenommen. Zwar
sei er nur mäßig auf das äußere Erscheinungsbild bedacht, im Kontakt verhalten, jedoch freundlich zugewandt und es habe eine
höfliche, freundliche Gesprächsatmosphäre bestanden. Ein tragfähiger Kontakt sei durchgehend aufrechtzuerhalten gewesen. Der
Kläger habe die gestellten Fragen offen ohne erkennbare Vorbehalte und durchaus lebhaft beantwortet. Er könne sich mit ausreichender
Flexibilität verschiedenen Gesprächsinhalten zuwenden und auch das Gedächtnis weise sowohl im Bereich von Merkfähigkeit und
Kurzzeitgedächtnis wie auch im Bereich des Langzeitgedächtnisses nicht die vom Kläger geschilderten Defizite auf. Die Willenskräfte
seien durchaus strukturiert und zielgerichtet, der Kläger sei in der Lage, Entscheidungen zu treffen und diese auch argumentativ
zu vertreten. Die Antriebslage sei ausreichend erhalten. Gestik und Mimik seien ausdrucksreich und würden Stimmung und Affekt
unterstreichen.
Auch wenn die Grundstimmung teilweise ernst, teilweise besorgt oder auch verbittert vom Sachverständigen beschrieben worden
ist, ist die Annahme einer gravierenden depressiven Erkrankung in Anbetracht des beobachteten Verhaltens während der Untersuchungssituation
nicht objektivierbar. Das gilt insbesondere, wenn man den vom Kläger geschilderten Tagesablauf mitberücksichtigt. Hieraus
ergibt sich, dass der Kläger es durchaus versteht, seine täglichen Verrichtungen zu strukturieren und sich neben dem Fernsehen
für Bücher und Literatur mit politischem Inhalt sowie für Biografien interessiert. Er unternimmt Spaziergänge und hilft seiner
Ehefrau bei der Haushaltsführung, soweit ihm dies möglich ist. All das spricht gegen eine mittelschwere oder schwere Depression.
Ebenso wenig hat der Sachverständige eine rasche Ermüdung bzw. Erschöpfung des Klägers feststellen können oder irgendwelche
gravierenden kognitiven Defizite, wie sie sich beispielsweise aus den Sachverständigengutachten von Dr. G. ergeben. Der Kläger
ist in der Lage gewesen, für die gesamte Dauer des Explorationsgesprächs aufmerksam und konzentriert mitzuwirken. Der Sachverständige
hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass der Kläger durchaus aufmerksam das gesamte Gespräch verfolgt habe. Auch das Gedächtnis
hat nach den Feststellungen des Sachverständigen sowohl im Bereich von Merkfähigkeit als auch Kurzzeitgedächtnis wie auch
im Bereich des Langzeitgedächtnis keine gravierenden Defizite aufgewiesen. Der Sachverständige hat im Hinblick auf das infolge
des Unfalls erlittene Subduralhämatom eine Arbeitsunfähigkeit von etwa sechs Monaten angenommen, weshalb die Leistungsvoraussetzungen
für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in der Zeit von 2011 bis 2017 nicht - auch nicht vorübergehend - vorgelegen haben.
Eine Angsterkrankung hat der Sachverständige ebenfalls nicht feststellen können, der Kläger neige - so der Sachverständige
Dr. N2 - lediglich an einer vermehrten nach innen gerichteten Selbstwahrnehmung mit verstärkter Wahrnehmung und dysfunktionaler
Verarbeitung körperbezogener Beschwerden. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige auf eine deutlich ausgeprägte Symptomverdeutlichung
bei willensnaher Ausgestaltung hingewiesen. Es hätten sich sogar Hinweise auf eine Aggravation ergeben. Vor diesem Hintergrund
ist auch die demonstrierte Halbseitenlähmung zu bewerten, auf die in der Berufungsbegründung abgestellt worden ist. Denn der
Sachverständige Dr. N2 hat dargelegt, dass die vermeintliche Lähmung in dem demonstrierten Ausprägungsgrad nicht durch neurologische
Befunde objektiviert werden kann. Im Rahmen der neurologischen Befunderhebung haben sich insofern auch Auffälligkeiten gezeigt.
So war die gezeigte Kraftminderung in den Armen der Größenordnung M2 bis M3 mit dem neurologischen Befund nicht in Einklang
zu bringen, was ebenso für den bei der klinisch-neurologischen Untersuchung demonstrierten Paresegrad M2 bis M3 der Beine
gilt. Nach den Beobachtungen des Sachverständigen hat keine Übereinstimmung der angeblichen Lähmungserscheinungen mit den
Bewegungsabläufen bestanden. Hiermit deckt sich die Beschreibung des Gangbildes als ausreichend raumgreifend und flüssig.
Auch aus dem Befundbericht des behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. vom 2. Mai 2012 ist eine nur anfänglich
auch linksseitige körperliche Schwäche beschrieben worden.
Die Einschätzung des Sachverständigen, dass weder eine relevante Hirnleistungsstörung noch eine gravierende psychiatrische
Erkrankung vorliegt, ist von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2018 eindrucksvoll bestätigt worden, in
welcher er sehr aufmerksam und achtsam dem Verhandlungsverlauf gefolgt ist und schnell auf Fehler in der Sachverhaltsdarstellung
(Datum des erstinstanzlichen Urteils) hingewiesen hat. Er hat seine Unzufriedenheit über den Verfahrensverlauf und das Sachverständigengutachten
von Dr. N2 in einem längeren Monolog druck- und vorwurfsvoll anhand eines zuvor gefertigten Stichwortzettels vortragen können
und ist in der Lage gewesen, dem Sachverständigen Vorhaltungen zu machen. Konzentrationsschwächen oder irgendwelche kognitiven
Defizite sind nicht einmal im Ansatz erkennbar gewesen. Die vom Sachverständigen Dr. N2 in der mündlichen Verhandlung hervorgehobene
Verbitterung sowie Entlastungs- und Entschädigungswünsche erscheinen dem Senat auch aus eigener Anschauung überaus plausibel
zu sein.
2. Die Feststellungen des Sachverständigen Dr. N2 stehen im Einklang mit den erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten
von Dr. L1 und Dr. L., die ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt sind, dass das Leistungsvermögen des Klägers nicht aufgehoben
ist. Der Sachverständige Dr. L1 hat in seinem Sachverständigengutachten vom 28. März 2014 auf der Befundebene lediglich eine
rezidivierende depressive Störung mit Chronifizierung in leichtem bis mäßigem Ausmaß festgestellt mit einer möglicherweise
diskreten hirnorganischen Einschränkung. Gravierendere Einschränkungen durch eine Hirnschädigung bzw. den erlittenen Unfall
hat er nicht feststellen können. Auch die Sachverständige Dr. L. hat in ihrem Sachverständigengutachten vom 13. März 2017
das Vorliegen einer unfallbedingten Hirnleistungsstörung bei einer latenten Hemiparese links verneint und lediglich eine leichte
depressive Episode sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Darüber hinaus ist sie ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt,
dass der Kläger bewusstseinsnah aggraviert habe. So hat er in der Untersuchungssituation ein Gangbild demonstriert, in welchem
er die linke Schulter nach unten gezogen und das linke Bein steif nachgezogen hat. Auf dem Weg vom Wartebereich in das Untersuchungszimmer
und auf dem Rückweg ist das Gangbild jedoch unauffällig gewesen. Bei der psychologischen Hirnleistungstestung, die von der
Sachverständigen zur Abklärung etwaiger kognitiver Defizite im Hinblick auf den erlittenen Unfall für erforderlich gehalten
worden ist, hat der Kläger versucht, die Testergebnisse zu beeinflussen. Die Sachverständigen Dr. F. und A. sind zu dem Ergebnis
gelangt, dass aufgrund der Vielzahl simulierter Symptome in kognitiven und emotionalen Bereichen der Tests ein inkonsistentes
Ergebnis aufgetreten ist, weshalb eine sichere Aussage über die kognitive Leistungsfähigkeit nicht möglich gewesen ist.
3. Nicht gefolgt werden kann hingegen der Einschätzung des Sachverständigen Dr. G. im Sachverständigengutachten vom 11. Februar
2015, der bei einer mittleren bis schweren depressiven Störung, einem organischen Psychosyndrom mit Hirnleistungsstörung und
Wesensänderung sowie Kopfschmerzen und spezifische Phobien zu der Einschätzung gelangt ist, dass ein aufgehobenes Leistungsvermögen
angenommen werden müsse. Das Sachverständigengutachten ist zwar in sich schlüssig und weist keine Widersprüche auf und es
mag sein, dass sich für den Sachverständigen zum Untersuchungszeitpunkt ein konsistentes Beschwerdebild gezeigt hat. Denn
auffällig ist eine gegenüber den anderen Sachverständigengutachten erheblich abweichende Beschwerdedarstellung des Klägers,
der sehr intensiv über Ängste berichtet hat, auch der Tagesablauf ist wesentlich unstrukturierter geschildert worden. Dabei
hat der Kläger nach den Darstellungen des Sachverständigen Dr. G. durchgehend gleichgültig resigniert und ratlos gewirkt.
In Anbetracht der drei anderen Sachverständigengutachten desselben Fachgebiets, die vor und nach dem Sachverständigengutachten
von Dr. G. erstellt worden sind, kann jedoch im Längsschnitt nicht von einem dauerhaft aufgehobenen Leistungsvermögen ausgegangen
werden. Nach den Feststellungen der Sachverständigen Dr. L1, Dr. L. und Dr. N2 hat sich ein völlig anderes Beschwerdebild
und Verhalten des Klägers gezeigt. Die Sachverständigen haben dargelegt, dass eine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung
in Form einer mittelschweren oder schweren Depression deshalb nicht angenommen werden könne, was auch für eine sich auf das
Leistungsvermögen auswirkende Hirnleistungsstörung gelte. Die Sachverständigen Dr. L. und Dr. N2 haben erhebliche Anzeichen
für eine bewusstseinsnahe Aggravation festgestellt und dies plausibel und nachvollziehbar hergeleitet. Es ist deshalb - so
wie es die Sachverständige Dr. L. eingeschätzt hat - nicht unwahrscheinlich, dass der Kläger aufgrund einer schlechten Nacht
oder einer vorhergehenden Enttäuschung/Kränkung eine durchgehende bewusstseinsnahe verstärkte Darstellung von Traurigkeit
und Erschöpfung zeigen konnte, weshalb der Sachverständige Dr. G. keine Inkonsistenzen festgestellt hat. Denkbar ist auch,
dass es im Sinne eines Behandlungsleidens kurzzeitig und vorübergehend aufgrund äußerer Umstände zu einer etwas schwereren
depressiven Verstimmung des Klägers zum Zeitpunkt der Untersuchung gekommen ist, ohne dauerhafte Auswirkungen auf das Leistungsvermögen.
Möglicherweis ist es dem Kläger - eventuell vor dem Hintergrund einer depressiven Verstimmung - nur einfach besser gelungen,
für die gesamte Dauer der Untersuchung zu aggravieren, was ihm an anderer Stelle nicht mehr möglich war. Auch kann es sein,
dass der Sachverständigen sich wegen des 2011 erlittenen Unfalls hat täuschen lassen, weil die geschilderten Symptome gut
zum subjektiven Beschwerdebild gepasst haben und sich insofern - für den Moment der Untersuchungs- und Beurteilungssituation
- ein stimmiges Bild ergeben hat.
Aus den vom Senat aktuell eingeholten Befundberichten ergibt sich nichts Neues. Auf anderen Fachgebieten liegen Behandlungsleiden
wie z.B. Bluthochdruck, ein Fersensporn und eine Meniskusläsion vor, die nicht zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen führen.
Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, den vom Kläger benannten behandelnden Arzt als Zeugen zu vernehmen. Es kann dahingestellt
bleiben, ob der schriftlich gestellte Antrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten worden ist. Denn das
Beweisbegehren, ob der Kläger nicht mehr erwerbsfähig ist, unterliegt nicht der unmittelbaren persönlichen Wahrnehmung des
benannten Zeugen und ist als Beweisthema von vorneherein ungeeignet (s. BSG v. 06.01.2016 - B 13 R 303/15 B in juris, Rn 7). Ungeachtet dessen liegen dem Gericht diverse Befundberichte des behandelnden Arztes vor, aus denen die
gestellten Diagnosen und Einschätzungen von Dr. N. hervorgehen. Im Befundbericht vom 28. September 2017 ist der Kläger als
weiterhin depressiv bedrückt und ängstlich wegen realer sozialer, familiärer und körperlicher Belastungen beschrieben worden.
Im vom Kläger vorgelegten Attest vom 30. April 2018 hat Dr. N. auf die vorhergehenden Befundberichte verwiesen und chronische
Depressionen mit Somatisierungen beschrieben, die aus seiner Sicht zur Arbeitsunfähigkeit führen würden. Bei den Befundberichten
handelt es sich bereits um eine schriftliche Befragung des Gerichts zum Gesundheitszustand des Klägers im Sinne von §
377 Abs.
3 Zivilprozessordnung (s. BSG v. 06.01.2016 - B 13 R 303/15 B in juris, Rn 9). Diese schriftlichen Befunde haben dem Sachverständigen vorgelegen und sind von ihm - zuletzt in der mündlichen
Verhandlung vom 15. Mai 2018 - einer Bewertung unterzogen worden. Er ist der Einschätzung nicht gefolgt und hat auch die Gründe
für seine Einschätzung ausführlich erläutert. Welche zusätzlichen Erkenntnisse sich durch eine Zeugenvernehmung ergeben sollen,
ist weder ersichtlich noch vom Kläger näher dargelegt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 SGG nicht vorliegen.