Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Arbeitsunfalls.
Die Behörde für G. der Stadt H. zeigte am 7. Juni 2017 einen Unfall ihres Beschäftigten bei der Beklagten an. Sie verwies
auf die Unfallschilderung des Klägers vom 20. Februar 2017: Am Donnerstag, dem 16. Februar 2017, sei er auf dem Fußweg zur
Arbeit in der Straße "A." von Polizisten festgesetzt worden. In der Folge dieser Festsetzung sei er - durch einen Polizisten
angestoßen - eine Treppe hinuntergefallen. Nach der Festsetzung sei es zurück zu seinem Haus in der M. gegangen. Er habe sich
im ersten Stock seines Hauses geweigert, die Treppe hinunterzugehen, und sei dann grob die Treppe hinuntergeschoben worden.
Plötzlich sei der rechts neben ihm gehende Polizist an ihm vorbei, ohne dass er eine Ursache dafür habe erkennen können. Der
Polizist habe dabei seiner rechten Schulter einen Impuls gegeben. Er habe sich nicht mehr am Geländer festhalten können, habe
sich nach links gedreht und sei die Treppe hinuntergefallen.
Laut Befundbericht der R. Kliniken vom 19. Februar 2017 wurden bei dem Kläger ein Lendenwirbelsäulen-Kontusionstrauma, ein
paravertebraler Hartspann rechts und ein Orbitahämatom links festgestellt.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11. September 2017 die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab. Es müsse ein innerer Zusammenhang
zwischen der versicherten Tätigkeit und der Zurücklegung des Weges bestehen. Maßgebend sei hierfür die Handlungstendenz der
versicherten Person zum Unfallzeitpunkt. Bei der Festnahme durch die Polizei habe es sich nicht um eine versicherte Tätigkeit
gehandelt. Diese stehe nicht im ursächlichen Zusammenhang mit dem Zurücklegen des Weges. Außerdem habe der Sturz im eigenen
Haus des Klägers stattgefunden. Unfälle im häuslichen Bereich stünden nicht unter dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz.
Der Kläger legte hiergegen am 5. Oktober 2017 Widerspruch ein. Die polizeilichen Gewaltmaßnahmen bei der Festsetzung müssten
als Beginn eines traumatischen Erlebens gewertet werden, das dann im Treppensturz seinen Zwischenhöhepunkt gefunden habe.
Die Beklagte zog die Akte der Staatsanwaltschaft bei. Im Durchsuchungsbericht wird geschildert, dass das Haus des Klägers
ab 4:30 Uhr observiert und der Kläger beim Verlassen des Hauses abgefangen worden sei. Im weiteren Bericht heißt es u.a.:
"Letztlich positionierte sich der Herr S. in körperlich renitenter Weise auf dem Flur des Obergeschosses, versperrte den Weg
und hielt sich gewaltsam an einer Türklinke fest. ( ) Ein Lösen seines Handgriffes von der Türklinke durch PK H1 gelang mit
einfacher körperlicher Gewalt zunächst nicht. Erst durch Unterstützung des Unterzeichners konnte gemeinsam der Griff des Beschuldigten
von der Türklinke gelöst werden. Dazu wurde erhebliche, einfache körperliche Gewalt aufgewendet. Der Beschuldigte widersetzte
sich mit erheblicher Kraft dem Anlegen der Handschellen. Daher gelang dies zunächst nicht. ( ). Er wurde mit einfacher körperlicher
Gewalt gegen seinen Willen die erste (der beiden) Treppen hinuntergeführt". Der Unfall auf der Treppe wird dahingehend geschildert,
dass der Kläger sich und die beiden begleitenden Polizisten zu Fall gebracht habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2018 zurück. Der Kläger habe sich zwar am 16. Februar
2017 ursprünglich auf dem Weg zu seiner Tätigkeit befunden. Zum konkreten Unfallzeitpunkt habe ein innerer Zusammenhang mit
der eigentlichen Arbeitstätigkeit als Beschäftigter der Freien und Hansestadt H. jedoch nicht mehr vorgelegen. Es werde auf
die jeweilige Handlungstendenz abgestellt. Zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger aber keinerlei Belange mehr für sein Beschäftigungsunternehmen
verfolgt. Die Zurücklegung des Weges, um zur Arbeit zu gelangen, sei bereits seit geraumer Zeit durch eine dem privaten Bereich
zuzuordnende, nicht mehr betriebsdienliche Tätigkeit unterbrochen bzw. beendet gewesen, so dass ein innerer Zusammenhang mit
der eigentlichen Arbeitstätigkeit nicht mehr bestanden habe.
Der Kläger hat hiergegen am 30. April 2018 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus,
dass der Polizeiüberfall am 16. Februar 2017 recht-mäßig gewesen sei. Er sei nach Erreichen seines Hauses innerhalb von 10
Minuten die Treppe hinuntergestoßen worden. Der innere und äußere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ergebe sich
aus dem Beginn der Gewaltmaßnahmen auf dem Weg zur Arbeit, mit der dann folgenden ununterbrochenen Kette von Gewaltmaßnahmen
bis zum Unfallzeit-punkt.
Das Gericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. Dezember 2018 abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte im Rahmen der
Erörterung, ob eine versicherte Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt vorgelegen habe, auf die Handlungstendenz abgestellt, welche
sich durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigen müsse. Im Rahmen der zum Unfallzeitpunkt vorliegenden Situation,
nämlich der Festsetzung des Klägers sowie der Durchsuchung seines Wohnhauses wegen des Verdachts auf unerlaubten Waffenbesitz,
seien keinerlei Anhaltspunkte mehr für seine eigentliche Tätigkeit als Angestellter der Stadt H. erkennbar. Durch den, wenn
auch zwangsweisen, Aufenthalt in seiner Wohnung habe sich der Kläger auch nicht mehr auf dem Weg zur Arbeit befunden. Auf
die vom Kläger angeführte Rechtswidrigkeit der Maßnahme komme es vorliegend nicht an. Ein durch einen gegebenenfalls nicht
rechtmäßigen Polizeieinsatz hervorgerufener Körperschaden könne nicht über die gesetzliche Unfallversicherung des Arbeitgebers
des Betroffenen kompensiert werden.
Gegen den ihm am 3. Januar 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte am 16. Januar
2019 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht hätte sich mit dem Urteil des BSG vom 4. September 2007 (B 2 U 24/06 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 24) auseinandersetzen müssen, da nach diesem Urteil Versicherungsschutz bestehe, wenn die Maßnahme,
die der Arbeitnehmer ergreife, der Behebung einer während eines versicherten Weges auftretenden Störung diene. Der Sturz des
Klägers sei während einer Störung seines Weges zur Arbeit geschehen und habe allein der Beseitigung dieser Störung gedient.
Denn dieser Sturz sei eine Folge davon gewesen, dass sich der Kläger gegen die Gewaltanwendung der Polizei gewehrt habe, um
seinen Arbeitsweg fortzusetzen. Der Kläger habe lange vergeblich versucht, die Polizeibeamten von der Rechtswidrigkeit ihres
Handelns zu überzeugen. Als dies nichts gefruchtet habe, sei ihm nur die Flucht geblieben, wobei ihn die Polizisten festgehalten
hätten und der Kläger dann die Treppe hinuntergefallen sei. Die Flucht sei auch ein angemessenes Mittel gewesen, da ein Gericht
um diese Uhrzeit nicht erreichbar gewesen wäre. Er habe den Polizisten auch immer wieder gesagt, dass er zur Arbeit müsse.
Der Aufenthalt des Klägers während der Hausdurchsuchung mache sein Haus im vorliegenden Sonderfall zu einem "anderen Aufenthaltsort"
oder "dritten Ort" wie beispielsweise eine Arztpraxis.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Dezember 2018 sowie den Bescheid vom 11. September
2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. März 2018 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 16. Februar
2017 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die am Unfalltag stattgefundene polizeiliche Maßnahme nicht mit einer zu behebenden
Störung an einem Fahrzeug gleichzusetzen sei. Die Darstellung der Bevollmächtigten des Klägers, dieser habe während der gesamten
Zeit der polizeilichen Maßnahme allein die Absicht gehabt, seinen Weg zur Arbeit fortzusetzen, sei nicht glaubhaft und decke
sich nicht mit den Ermittlungsunterlagen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte sowie
die Sitzungsniederschrift vom 19. Juni 2019 ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger war zum Zeitpunkt seines Unfalls nicht Versicherter im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Zu den in der
gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeiten zählt gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Zum Unfallzeitpunkt legte
der Kläger keinen solchen durch die Wegeunfallversicherung des §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII geschützten Weg zurück. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger, als ihm die bevorstehende Durchsuchung eröffnet
wurde, auf dem direkten Weg zur Arbeit befunden hat. Allerdings hat er diesen Weg aufgegeben, als er sich mit der Polizei
zu seiner Wohnung zurückbegab. Weder objektiv bewegte sich der Kläger ab diesem Zeitpunkt in Richtung seiner Arbeitsstätte
noch hatte er eine entsprechende Handlungstendenz. Die nunmehr von dem Kläger vorgetragene Variante, dass er versucht habe,
vor der Polizei zu flüchten, um zur Arbeit zu gelangen und dabei die Treppe hinuntergestürzt sei, wird als Schutzbehauptung
gewertet. Sie steht im Widerspruch zu den ersten Angaben des Klägers, die sich auch im Durchsuchungsbericht der Polizei bestätigen,
dass er sich vielmehr geweigert habe, die Treppe hinunterzugehen und die Treppe hinuntergeschoben worden sei.