Krankenversicherung
Bauchdeckenstraffung und Narbenkorrektur mit Fettunterspritzung
Begriff der Krankheit
Kosmetische Beeinträchtigungen
Keine Behandlung psychischer Erkrankungen durch körperliche Eingriffe
1. Nach der ständiger Rechtsprechung des BSG ist unter Krankheit ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand zu verstehen, der entweder Behandlungsbedürftigkeit
oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat; es handelt sich um einen rechtlichen Zweckbegriff.
2. Der Krankheitsbegriff ist von dem medizinischen Krankheitsbegriff zu unterscheiden, wonach Krankheit eine Erkrankung mit
bestimmten Symptomen und Ursachen ist; auch auf die Krankheitsursache kommt es grundsätzlich nicht an.
3. Eine Krankheit im Rechtssinne verlangt eine erhebliche Abweichung vom idealen Zustand; geringfügige Störungen, die keine
wesentlichen funktionellen Beeinträchtigungen zur Folge haben, reichen nicht aus; Abweichungen von einer morphologisch idealen
Norm, die noch befriedigende körperliche oder psychische Funktionen zulassen, sind keine Krankheit.
4. Kosmetische Beeinträchtigungen sind nicht vollständig ungeeignet zur Begründung einer Krankheit im Sinne der gesetzlichen
Krankenversicherung, sie müssen aber ein extremes und unzumutbares Ausmaß erreicht haben. Um eine Entstellung annehmen zu
können, genügt nicht jede körperliche Anomalität; vielmehr muss es sich objektiv um eine so erhebliche Auffälligkeit handeln,
die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auslöst und die damit zugleich erwarten lässt,
dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus
dem Leben in der Gemeinschaft zurückzieht und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet
ist.
5. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt eine Behandlung psychischer Erkrankungen durch körperliche Eingriffe grundsätzlich nicht in Betracht; Operationen am
gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lassen eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Operation zur Bauchdeckenstraffung und eine Narbenkorrektur mit Fettunterspritzung.
Der im Jahre 1964 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Bei einer Körpergröße von 174 cm besteht
gegenwärtig ein Gewicht von ca. 85 kg. Bei einem Zustand nach Aortenklappenersatz im Jahre 2007 und Adipositas mit einem damaligen
Spitzengewicht von 165 kg wurde im Jahre 2013 eine Schlauchmagenoperation durchgeführt. Infolgedessen kam es zu einem massiven
Gewichtsverlust. Seit dem Jahre 2014 ist das Gewicht stabil.
Am 24. Juni 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Operation zur Bauchdeckenstraffung und
die Fettunterspritzung der Operationsnarbe auf dem Brustbein. Zur Begründung führte er aus, dass er insgesamt 82 kg an Gewicht
verloren habe. Er würde psychisch sehr stark unter seinem derzeitigen Aussehen leiden, so dass er sich nirgends mit freien
Oberkörper zeige möge. Außerdem würden ihn die "Krater in der Narbe" täglich an die Herzoperation erinnern, mit der er einfach
keinen Frieden schließen könne. Beigefügt war ein Attest der Allgemeinmedizinerin D., die aufgrund der psychischen Probleme
eine Bauchdeckenstraffung für medizinisch notwendig erachtete. Beigefügt war ferner eine Fotodokumentation mit der erläuternden
Aufschrift "Namensänderung Dezember 2015 durch Adoption". In einem weiteren Bericht des E. Klinikums F. vom 18. Juni 2015
wurde ebenfalls eine Therapieempfehlung für eine Abdominoplastik mit gleichzeitiger Narbenkorrektur des Brustbeins mit Eigenfetttransplantation
ausgesprochen.
Die Beklagte beauftrage den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der sozialmedizinischen Begutachtung. Hierüber
informierte sie den Kläger mit Schreiben vom 2. Juli 2015 und bat um Vorlage einer weiteren Fotodokumentation vom Brustbein
vorne und Abdomen seitlich. Nach Eingang der Unterlagen leitete sie diese an den MDK weiter und informierte den Kläger mit
Zwischennachricht vom 17. Juli 2015. Den vorgesehenen Untersuchungstermin beim MDK konnte der Kläger aufgrund einer Geschäftsreise
nicht wahrnehmen. Die Beklagte teilte ihm durch Schreiben vom 4. August 2015 mit, dass eine Entscheidung über den gestellten
Antrag innerhalb der gesetzlichen 5-Wochenfrist nicht möglich sei, weil der Termin des MDK zur persönlichen Begutachtung aufgrund
der Geschäftsreise nicht wahrgenommen werden konnte. Es werde ein neuer Termin vereinbart.
Mit Gutachten vom 23. September 2015 (Untersuchungstag: 21. September 2015) wurde ausgeführt, dass aus chirurgischer Sicht
eine Kostenübernahme bei den vorliegenden Befunden nicht empfohlen werden könne. Es habe sich eine reizlose Narbenbildung
im Bereich des Sternums nach Sternotomie mit zwei verbreiterten Narbenbereichen ohne wesentliche Fixierung auf der Unterlage
und ohne entstellende Wirkung in normaler Alltagskleidung gefunden. Weiterhin habe sich eine deutliche Bauchfettschürze mit
Überhang über beide Leisten ohne darunter gelegene Hautveränderungen gezeigt, insbesondere Zeichen einer chronischen Dermatitis
seien nicht erkennbar. In normaler Alltagskleidung sei eine Entstellung nicht erkennbar. Bei den alltagsrelevanten Belastungen
wie gehen, stehen oder sitzen sei keine mechanische Irritation erkennbar. Eine psychotherapeutische Behandlung fände derzeit
nicht statt.
Mit Bescheid vom 29. September 2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Hierzu stützte sie sich auf die Ausführungen des MDK
und führte aus, dass keine Erkrankung im Sinne des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) vorliege.
Der Kläger erhob Widerspruch und trug vor, dass die Hautüberschüsse laufend entzündet seien. Durch die überschüssige Haut
würden an mehreren Stellen wundgeriebene Ekzeme entstehen, die durch das Scheuern von Haut an Haut und an Kleidung verursacht
würden. Durch den massiven Gewichtsverlust sei ein entstellender Weichteilüberschuss entstanden, der einer operativen Korrektur
bedürfe. Nur so sei wieder ein ästhetisches Körperbild herzustellen. Im Übrigen greife nach seiner Ansicht die Genehmigungsfiktion
aus §
13 Abs
3a SGB V. Die Beklagte beauftragte sodann erneut dem MDK mit der Begutachtung und teilte dies dem Kläger mit Schreiben vom 6. Oktober
2015 mit. Mit Stellungnahme vom 29. Oktober 2015 führte der MDK aus, dass Atteste über die Behandlung von Hauterkrankungen
nicht vorhanden seien. Bei der Untersuchung seien sie von dem Kläger auch nicht genannt worden. Auch auf der Fotodokumentation
seien Veränderungen der Haut nicht erkennbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie stützte sich darin
auf die Ausführungen des MDK. Eine Krankheit im Sinne der Gesetzlichen Krankenversicherung sei ein über kosmetische Defizite
hinausgehender regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedürfe. Eine behandlungsbedürftige Hauterkrankung
liege nicht vor. Psychische Erkrankungen würden nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ausschließlich mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie behandelt werden können. Außerdem würden die Voraussetzungen
der Genehmigungsfiktion nach §
13 Abs
3 a SGB V nicht vorliegen.
Bereits am 19. November 2015 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben und diese nach Erlass des Widerspruchsbescheides fortgeführt. Nach seiner Ansicht sei die Fettschürze eine
behandlungsbedürftige Krankheit. Aus dem Bildmaterial sei nach seiner Ansicht ersichtlich, dass die Fettschürze eine entstellende
Wirkung entfalte. Hautüberschüssen komme dann ein Krankheitswert zu, wenn dauerhaft therapieresistente Hautreizungserscheinungen
wie Pilzbefall, Sekretionen, entzündliche Veränderungen oä vorliegen würden. Eine Reduktion der Hautüberschüsse sei ohne Operation
nicht möglich. Er hat weiter ein Attest der Fachärztin für plastische und ästhetische Chirurgie Dr G. - H. - beigefügt, wonach
es regelmäßig zu Entzündungen in der Unterbauchfalte komme.
Das SG hat den medizinischen Sachverhalt näher aufgeklärt. Es hat das Gutachten des Chirurgen Dr I. vom 17. November 2016 eingeholt.
Dieser hat das Vorliegen einer Operationsindikation verneint. Eine mögliche Hautsymptomatik sei grundsätzlich behandelbar,
wobei eine dermatologische Behandlung bisher nicht stattfinde. Auch eine im Untersuchungstermin erstmals geklagte Penisverklemmung,
nachts bei Spontanerektionen könne keine Operationsindikation für eine Fettschürzenreduktion darstellen.
Mit Urteil vom 17. November 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr I. gestützt. Es liege keine behandlungsbedürftige
Krankheit vor, da der Kläger weder in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt sei, noch die vorhandene anatomische Abweichung
entstellend wirke. Psychische Belastungen seien mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln. Auch die
Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion aus §
13 Abs
3a SGB V würden nicht vorliegen.
Gegen das am 2. Januar 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Januar 2017 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG)
Niedersachsen-Bremen eingelegt. Das SG habe verkannt, dass er psychisch und physisch unter der Fettschürze am Bauch und der Narbenbildung im Bereich des Brustkorbes
leide. Zwar könne er diese mit Kleidung bedecken. Dennoch sei es ihm unangenehm in die Öffentlichkeit zu gehen und alltägliche
Dinge zu erledigen. Er fühle sich den Blicken anderer Menschen ausgesetzt. Insbesondere die Penisverklemmung sei von dem SG nicht ausreichend in die Entscheidung einbezogen worden. Es werde nicht berücksichtigt, dass nachts Probleme bei Spontanerektionen
auftreten würden. Da die Fettschürze des Klägers jedoch so weit herunterhänge bestehe keine Entfaltungsmöglichkeit für den
Penis und so stellten sich die Erektionen als äußerst schmerzhaft dar. Durch den behandelnden Urologen werde eine Operation
empfohlen, die im Februar 2017 im Klinikum J. auch erfolgt sei. Die durchgeführte Entfernung von suprapubischem Fettgewebe
habe jedoch nicht vollständig dafür gesorgt, dass die überschüssige Haut, durch die er sich stark beeinträchtigt fühle, entfernt
wurde. Er leide weiterhin psychisch und physisch stark darunter. Gerade unterhalb der Fettschürze würden regelmäßig schmerzende
und entzündete Stellen auftreten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 17. November 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. September 2015 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2016 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die begehrte Operation einer Bauchdeckstraffung und Narbenkorrektur mit Fettunterspritzung
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend und schließt sich den dort genannten Gründen an.
Mit Verfügung vom 6. April 2017 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß §
153 Abs
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den
Inhalt der Prozessakte und den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagte Bezug genommen, die der gerichtlichen Entscheidung
zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgemäß erhoben worden und auch im Übrigen zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des SG Lüneburg vom 17. November 2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 29.
September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2016 sind rechtmäßig und halten der rechtlichen Überprüfung
stand. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Operation zur Baudeckenstraffung und Narbenkorrektur im Wege der
Sachleistung.
Gemäß §
27 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. ärztliche Behandlung
einschließlich Psychotherapie und Krankenhausbehandlung (§
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 und 5
SGB V). Nach §
12 Abs.
1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer
nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
Voraussetzung für einen Sachleistungsanspruch nach §
27 SGB V ist das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Krankheit. Nach der ständiger Rechtsprechung des BSG ist unter Krankheit ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand zu verstehen, der entweder Behandlungsbedürftigkeit
oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat (BSG, SozR 4-2500 § 27 Nr. 20 Rdnr. 10). Es handelt sich um einen rechtlichen Zweckbegriff (vgl. Nolte, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
Band 1, Stand: September 2013, § 27 Rdnr. 9 ff.). Der Krankheitsbegriff ist von dem medizinischen Krankheitsbegriff zu unterscheiden,
wonach Krankheit eine Erkrankung mit bestimmten Symptomen und Ursachen ist. Auch auf die Krankheitsursache kommt es grundsätzlich
nicht an (Nolte, aaO., Rdnr. 10, 11 m.w.N.). Eine Krankheit im Rechtssinne verlangt eine erhebliche Abweichung vom idealen
Zustand. Geringfügige Störungen, die keine wesentlichen funktionellen Beeinträchtigungen zur Folge haben, reichen nicht aus.
Abweichungen von einer morphologisch idealen Norm, die noch befriedigende körperliche oder psychische Funktionen zulassen,
sind keine Krankheit. Für die Feststellung der Regelwidrigkeit ist vom Leitbild des gesunden Menschen auszugehen, der zur
Ausübung der normalen körperlichen und psychischen Funktionen in der Lage ist. Eine Abweichung von dieser Norm führt zur Regelwidrigkeit.
Erforderlich ist dabei, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird und diese Funktionsbeeinträchtigung
durch die notwendige Krankenbehandlung erkannt, geheilt, gelindert oder ihre Verschlimmerung verhütet wird (BSG, Urteil vom 4. März 2014 - B 1 KR 69/12 R Rdnr. 9 mwN) oder dass er an einer Abweichung leidet, die entstellend wirkt (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 20 Rdnr. 10). Ein Anspruch auf Krankenbehandlung in Form von Eingriffen in intakte, nicht in ihrer Funktion beeinträchtige
Organsysteme kommt als Ausnahmefall nur dann in Betracht, wenn die Abweichung entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 4. März 2014, aaO., Rdnr. 12). Demnach kann eine Regelabweichung unabhängig von Funktionsdefiziten dann als Krankheit
angesehen werden, wenn eine entstellenden Wirkung vorliegt (BSGE 93, 94 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 4 Rdnr. 16; BSG, SozR 4-2500 § 27 Nr. 2 Rdnr. 7). Diese kann nicht durch einen Sachverständigen festgestellt werden, maßgeblich ist vielmehr der unmittelbare
Eindruck des Gerichts, den es sich durch Augenschein zu verschaffen hat (BSG SozR 3-1750 §
372 ZPO Nr. 1). Abzustellen ist auf das Erscheinungsbild in üblicher Alltagskleidung, nicht jedoch auf den unbekleideten Zustand.
Kosmetische Beeinträchtigungen sind nicht vollständig ungeeignet zur Begründung einer Krankheit im Sinne der gesetzlichen
Krankenversicherung, sie müssen aber ein extremes und unzumutbares Ausmaß erreicht haben. Um eine Entstellung annehmen zu
können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine so erhebliche Auffälligkeit handeln,
die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auslöst und die damit zugleich erwarten lässt,
dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus
dem Leben in der Gemeinschaft zurückzieht und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet
ist (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 45 Seite 253 ff.). Um eine Auffälligkeit im Sinne einer Entstellung anzunehmen, muss objektiv eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle
überschritten sein, es genügt nicht allein die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit
in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen "quasi
im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 45 Seite 253 ff.; BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 -1 KR 19/07 R- Rdnr. 13). Die von dem Kläger vorgetragene Entstellung liegt zur Überzeugung
des Senates nicht vor. Aus der Inaugenscheinnahme der Fotodokumentation ergibt sich schon im unbekleideten Zustand keine Entstellung,
so dass diese in üblicher Alltagskleidung erst recht nicht vorliegen kann. Bei wertendender Betrachtung ist das Erscheinungsbild
des Klägers vielmehr nicht besonders ungewöhnlich und bewegt sich innerhalb der Normvarianz. Die Fotodokumentation zeigt ein
schlaffes Hautbild im Bereich des Abdomens und ein Herüberhängen der Fettschürze über den Bund der Unterhose von etwa einer
Handbreite, jedoch nicht sichtlich mehr als dies. Zwar verkennt der Senat nicht, dass die Fettschürze das Ergebnis einer massiven
Gewichtsreduktion ist, gleichwohl ist ein solches Körperbild in der vergleichbaren männlichen Alterskohorte keineswegs extrem
außergewöhnlich. Darüber hinaus zieht der Kläger bei dem bestehenden Körperbild in üblicher Alltagskleidung auch keine Blicke
Dritter auf sich, die ihn zu einer Fixierung des Interesses machen würden, da sich die Körpersilhouette in unauffälliger und
angemessener Weise bedecken läßt. Soweit der Kläger einen subjektiv anderen Eindruck haben mag, kommt es hierauf nicht an.
Es kann auch dahinstehen, ob wegen der Fettschürze ein psychischer Leidensdruck bei dem Kläger besteht, denn dieser wäre nach
der ständigen Rechtsprechung des BSG vorrangig durch Psychiater/Psychologen zu behandeln und rechtfertigt keinen operativen Eingriff. Nach der Rechtsprechung
des BSG kommt grundsätzlich eine Behandlung psychischer Erkrankungen durch körperliche Eingriffe nicht in Betracht. Operationen am
gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lassen eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (BSGE 100,
119 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 14 Rdnr. 18 m.w.N., BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 20 Rdnr. 13 ff.). Eine Operationsindikation wird auch nicht durch das Hautbild des Klägers begründet. Die erstmals im
Untersuchungstermin bei dem Sachverständigen Dr I. darstellbaren Hautveränderungen in Form einer Rötung mit kleinen oberflächlichen
Ulzerationen im Rahmen des Unterhosengummisitzes stellen zwar eine Erkrankung dar, erfordern jedoch keine Operation. Denn
sie sind auch nach den eigenen Angaben des Klägers im Rahmen der Untersuchung durch den MDK mit Creme- und Puderbehandlung
gut beherrschbar. Zudem wird eine dermatologische Behandlung bisher nicht durchgeführt, was ebenfalls die Geringfügigkeit
der Beschwerden belegt. Auch die vorgetragene Penisverklemmung vermag den geltend gemachten Anspruch nicht zu tragen. Soweit
bei dem Kläger ein spezifisch urologisches Leiden im Bereich des Penis besteht, so kann dieses - wie bereits geschehen - zu
Lasten der Beklagten fachärztlich behandelt werden. Eine Operationsindikation im Bereich der abdominellen Fettschürze besteht
demgegenüber nicht. Für eine solche, mittelbare Krankenbehandlung hat das BSG besondere Anforderungen aufgestellt. Es hat dargelegt, dass für einen chirurgischen Eingriff an einem funktionell intakten
Organ eine spezielle Rechtfertigung im Sinne einer ultima ratio erforderlich ist. Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit
der Intervention, das Risiko und der evt Nutzen der Therapie sind gegeneinander abzuwägen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2003, B 1 KR 1/02 R). In diesem Sinne kann der Kläger bereits mit einfachen Selbsthilfemöglichkeiten Vorsorge gegen drohende Verklemmungen betreiben.
Soweit nach seinem Vorbringen durch ein Herunterhängen der Fettschürze keine Entfaltungsmöglichkeit für den Penis bei nächtlichen
Spontanerektionen besteht, so kann er durch das Tragen geeigneter Nachtwäsche ohne weiteres Abhilfe schaffen. Auch aus §
13 Abs
3a SGB V ergibt sich keine Anspruchsgrundlage für den Kläger gegen die Beklagte. Nach §
13 Abs
3a S 1
SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang
oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach
Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese
unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§
13 Abs
3a S 2
SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§
13 Abs
3a S 2
SGB V). Kann die Krankenkasse die Fristen nach S 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der
Gründe rechtzeitig schriftlich (§
13 Abs
3a S 5
SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§
13 Abs
3a S 6
SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur
Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§
13 Abs
3 a S 7
SGB V). Vorliegend hat die Beklagte die maßgeblichen Fristen eingehalten und den Kläger jeweils über den Stand des Verfahrens informiert,
so dass eine Genehmigungsfiktion nicht eingetreten ist. Nachdem die angeforderte Fotodokumentation vorlag, musste der vorgesehene
Untersuchungstermin verschoben werden. Die gutachterliche Untersuchung des Klägers durch den MDK konnte aufgrund seiner beruflichen
Abwesenheit erst am 21. September 2015 erfolgen. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten erging unmittelbar etwa eine Woche
nachdem das Gutachten vorlag.
Mithin kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben (§
160 Abs
2 SGG).