Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten für die Behandlung einer Craniomandibulären
Dysfunktion (CMD) zu erstatten hat.
Die 1987 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2010 beantragte
sie die Übernahme der Kosten für eine durch den Fachzahnarzt für Kieferorthopädie Dr. R. in M. seit dem 21. Oktober 2010 durchgeführte
CMD-Therapie. Ausweislich des beigefügten Heil- und Kostenplanes vom 1. Dezember 2010 beliefen sich die Kosten auf insgesamt
4.091,09 EUR. Die Klägerin legte neben dem Behandlungsplan auch Unterlagen mit Informationen zur CMD, zur Anamnese, zur bisherigen
sowie der geplanten Therapie und eine zwischen ihr und Dr. R. geschlossene Vereinbarung einer Privatbehandlung durch CMD-Kieferorthopädie
vor. Diese Vereinbarung enthielt auch einen Hinweis auf den Leistungsausschluss der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
für kieferorthopädische Behandlungen nach dem 18. Lebensjahr und Ausführungen dazu, dass die dem zugrunde liegende kieferorthopädische
Diagnostik nicht mehr wissenschaftlichen Standards entsprechen würde. Als Diagnose gab Dr. R. im Heil- und Kostenplan an:
"Kopfschmerzen, Migräne, Kiefergelenkschmerzen, Nackenschmerzen, Muskelverspannungen, Muskelkrämpfe, traumatische Parodontalentzündungen,
Ausgerenkte Kiefergelenke, okklusaler Zwangsbiss, fehlende Okklusion, Bandscheibenvorfälle im Nackenbereich, Sensomotorische
Amnesie". Die voraussichtliche Behandlungsdauer schätzte er auf sechs Quartale.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Eine Kostenübernahme für kieferorthopädische Behandlungen
nach dem 18. Lebensjahr könne nur in Verbindung mit kombiniert kieferchirurgischen Behandlungsmaßnahmen erfolgen. Das vorliegende
Krankheitsbild erfülle diese Voraussetzungen nicht.
Mit einem von Dr. R. unter seinem Briefbogen erstellten und von ihm und der Klägerin unterzeichneten Schreiben, eingegangen
am 14. Februar 2011, erhob die Klägerin Widerspruch und trug vor, dass alle im Behandlungsplan dargestellten Krankheitsbilder
der Leistungspflicht der GKV unterlägen. Die vorliegende Behandlung sei keine kieferorthopädische Leistung, sondern eine orthopädische
Leistung zur Therapie diverser Erkrankungen im Kopf- und Schulterbereich. Diese Krankheitsbilder könne die GKV weder mit ihren
medizinischen noch ihren kieferorthopädischen Leistungen ursächlich und erfolgreich therapieren. Die Abrechnungspositionen
im Behandlungsplan seien vielfach Analogpositionen zu den von der Beklagten angebotenen Leistungen. Daraus sei aber nicht
abzuleiten, dass es sich um eine rein kieferorthopädische Behandlung handele. Die zugrunde liegenden Beschlüsse des Gemeinsamen
Bundesausschusses (GBA) seien überholt. Eine Kostenübernahme durch die GKV entspreche ferner auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot,
da durch eine erfolgreiche CMD-Behandlung eine Fülle von Krankheitsbildern behoben würden, für die sonst jahrelang Kosten
für erfolglose Therapien anfielen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2012 zurück und führte aus, bei Personen über 18 Jahren
könne eine kieferorthopädische Behandlung gemäß §
28 Abs.
2 Satz 6 und 7 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) nur unter den dort genannten Voraussetzungen übernommen werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehörten funktionsanalytische
und funktionstherapeutische Maßnahmen. Die begehrte Kostenübernahme betreffe eine Behandlungskonzeption, die sowohl eine funktionsdiagnostische
Untersuchung als auch eine funktionstherapeutische Behandlung umfasse. Aus diesem Grund habe auch der behandelnde Arzt einen
privaten Behandlungsplan erstellt.
Hiergegen hat die Klägerin am 18. Juni 2012 Klage zum Sozialgericht Altenburg (SG) erhoben. Unter Verweis auf diverse Schreiben des Dr. R. hat sie ihre Argumente aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt
und vertieft und auf aktuelle Literatur verwiesen. Die von den gesetzlichen Krankenkassen angebotene Kieferorthopädie entspreche
nicht mehr dem aktuellen Stand medizinischer Erkenntnisse. Sie widerspreche auch den sozialmedizinischen, sozial-rechtlichen
und rechtlichen Regeln. Die herrschende Kieferorthopädie sei grob gefährdend. Daher sei eine wissenschaftliche Aufarbeitung
geboten. Die CMD-kieferorthopädische Behandlung sei die einzige Behandlung, welche die bei ihr vorliegenden Krankheitsbilder
therapieren könne und die Heilung der komplexen Dysfunktionen anstrebe. Die Kosten für die Behandlung lägen weit unter den
Kosten, die entstehen würden, wenn die Erkrankung unbehandelt bliebe oder anderweitig therapiert würde. Im Übrigen liege eine
Behinderung im Sinne des §
2 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IX) vor. Die Beklagte ist dem unter Hinweis auf die gesetzlichen und vergütungsrechtlichen Regelungen entgegengetreten. Eine
Ausnahmeindikation liege nicht vor. Auch habe die Klägerin den Beschaffungsweg nicht eingehalten, denn sie habe erst ca. zwei
Monate nach Behandlungsbeginn am 21. Oktober 2010 am 16. Dezember 2010 den Kostenübernahmeantrag gestellt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 3. Juni 2013 abgewiesen. Die Voraussetzungen des §
13 Abs.
3 SGB V lägen nicht vor, da die begehrte Leistung weder unaufschiebbar war noch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Leistungsablehnung
und Selbstbeschaffung bestand. Schließlich sei die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt worden, da der Leistungsausschluss
des §
28 Abs.
2 Satz 6
SGB V greife.
Gegen das ihr am 28. Juni 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. Juli 2013 Berufung eingelegt und zur Begründung
auf weitere Stellungnahmen des Dr. R. verwiesen. Danach widerspreche die GKV-Kieferorthopädie dem Inhalt des
SGB V, den Patientenrechten und den allgemein anerkannten Regeln der Wissenschaft. Der Leistungsausschluss in §
28 Abs.
2 Satz 6
SGB V beziehe sich nur auf kieferorthopädische Leistungen und nicht auf die CMD-Kieferorthopädie.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 3. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.
Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2012 zu verurteilen, die Kosten für die CMD-kieferorthopädische
Behandlung im Zeitraum von Oktober 2010 bis Juni 2014 in Höhe von 5.526,93 Euro zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerin hat diverse Privatrechnungen des Dr. R. über einen Gesamtbetrag in Höhe von 5.475,36 EUR sowie eine Rechnung
der Zahnlabor für F., F., F. GmbH vom 20. Juni 2014 in Höhe von 51,57 EUR zu den Gerichtsakten gereicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte und die Sitzungsniederschrift
über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 3. Juni 2013 hat das SG zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 18. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2012
ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung
der Kosten, die ihr durch die kieferorthopädische Behandlung der CMD entstanden sind. Zur Begründung verweist der Senat auf
die ausführliche und zutreffende Begründung des SG und weist die Berufung aus den Gründen dieser Entscheidung zurück (§
153 Abs.
4 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG)).
Ergänzend ist auszuführen: Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend allein §
13 Abs.
3 SGB V in Betracht. Soweit die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung
zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, sieht §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V vor, dass diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten sind, soweit die Leistung notwendig war.
Die Voraussetzungen einer Kostenerstattung nach Maßgabe dieser Vorschrift sind nicht erfüllt. Bei der streitigen Behandlung
handelte es sich bereits nicht um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des §
13 Abs.
3 Satz 1 1. Alt.
SGB V. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich war, dass aus medizinischer
Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand (vgl. BSG Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R). Daran fehlt es. Die Beschwerden der Klägerin waren nicht Folge eines plötzlich aufgetretenen Ereignisses, sondern bestehen
nach ihrem eigenen Vorbringen langjährig. Die Beklagte habe es binnen sieben Jahren nicht vermocht, diese Beschwerden mit
ihrem Leistungsangebot zu therapieren. Eine unaufschiebbare Leistung war damit ersichtlich nicht gegeben.
Auch die weiteren Voraussetzungen des §
13 Abs.
3 Satz 1 2. Alt.
SGB V liegen nicht vor. Danach ist Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs nach rechtswidriger Ablehnung der Leistung durch
die Krankenkasse der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung (vgl.
BSG, Beschluss vom 1.4.2010 - B 1 KR 114/09 B -; BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 5/09 R, beide nach juris). An dem erforderlichen Kausalzusammenhang fehlt es regelmäßig, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der
Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl. BSG, Beschluss vom 15.04.1997 - 1 BK 31/96 -; Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R, beide nach juris). Dies ist vorliegend der Fall. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten war nicht kausal für den Anfall
der Kosten. Die Klägerin hatte mit der Behandlung bereits begonnen, bevor die Beklagte die Leistungserbringung mittels Bescheid
abgelehnt hatte. Die Übernahme der streitigen Behandlung hatte die Klägerin erst mit Schreiben vom 16. Dezember 2010 beantragt,
die Maßnahme aber ausweislich der Rechnung des Dr. R. vom 20. Januar 2011 bereits am 21. Oktober 2010 begonnen.
Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Behandlung bei Ablehnung durch die Beklagte am 18. Januar 2011
noch nicht abgeschlossen war. Grundsätzlich wird zwar bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen
die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse im allgemeinen als Zäsur gesehen und die Kostenerstattung nur für diejenigen
Leistungen ausgeschlossen, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft wurden; für spätere Leistungen
wird der erforderliche Kausalzusammenhang dagegen bejaht (vgl. BSG Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R, nach juris). Das kann indes nur gelten, wenn die nachträglich getroffene Entscheidung der Krankenkasse noch geeignet war,
das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. War mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung das weitere Vorgehen bereits
endgültig festgelegt, fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung
des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt (vgl. BSG Urteil vom 19.06.2001 - B 1 KR 23/00 R, nach juris). Die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin ist als zusammenhängender Komplex zu sehen, so dass der Kausalzusammenhang
auch für die nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten erbrachten Leistungen zu verneinen ist.
Unabhängig davon sind die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach §
13 Abs.
3 Satz 1 2. Alternative
SGB V vorliegend auch deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
2 SGB V die (ambulante) zahnärztliche Behandlung. Gemäß §
28 Abs.
2 Satz 1
SGB V beinhaltet die (ambulante) zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung
von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst
auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen
und Suprakonstruktionen erbracht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von
Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben (§
28 Abs.
2 Satz 6
SGB V). Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische
und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert (§
28 Abs.
2 Satz 7
SGB V).
Nach §
29 Abs.
4 Satz 1
SGB V hat der GBA in den Richtlinien nach §
92 Abs.
1 SGB V befundbezogen die objektiv überprüfbaren Indikationsgruppen, bei denen die in §
29 Abs.
1 SGB V genannten Voraussetzungen vorliegen, zu bestimmen. Das sind Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung
vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Dabei hat der
GBA auch einzuhaltende Standards zur kieferorthopädischen Befunderhebung und Diagnostik vorzugeben (§
29 Abs.
4 Satz 2
SGB V). Diesen gesetzlichen Auftrag zum Erlass normkonkretisierender und damit anspruchsbegründender Richtlinien hat der GBA mit
den am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen "Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kieferorthopädische
Behandlung" (BAnz Nr. 226, S. 24966 (KFO-Richtlinien)) erfüllt. Schwere Kieferanomalien im Sinne von §
28 Abs.
2 Satz 7
SGB V liegen nach Maßgabe der Anlage 3 zu diesen Richtlinien vor bei angeborenen Missbildungen des Gesichts und der Kiefer, skelettalen
Dysgnathien und verletzungsbedingten Kieferfehlstellungen, sofern eine Einstufung mindestens in die Behandlungsbedarfsgrade
A5, D4, M4, O5, B4 oder K4 der Indikationsgruppen festgestellt wird. In diesen Fällen ist ein aufeinander abgestimmtes kieferchirurgisches
und kieferorthopädisches Behandlungskonzept zu erstellen (vgl. B.4 der KFO-Richtlinien).
In Anwendung dieser Regelungen ist ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Behandlungskosten, die ihr durch die Therapie
der CMD entstanden sind, ausgeschlossen. Sie hatte zu Beginn der Behandlung bereits das 18. Lebensjahr vollendet. Auch liegen
bei ihr nach ihrem eigenen Vortrag und der Diagnose des behandelnden Arztes keine Kieferanomalien vor, die eine kombinierte
kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderlich machten. Die CMD unterfällt nicht den in den Richtlinien
des GBA aufgeführten Kieferanomalien. Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht in Streit.
Entgegen der Ansicht der Klägerin können der Leistungsausschluss und die Richtlinien weder nach ihrem Sinn und Zweck noch
aus sonstigen Gründen erweiternd ausgelegt werden. Die Aufzählung in §
28 Abs.
2 Satz 7
SGB V i.V.m. B 4. der KFO-Richtlinien ist abschließend. Eine erweiternde Auslegung entspricht nicht der Zielsetzung des Gesetzgebers
(vgl. BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11/97; BSG, Beschlüsse vom 20.6.2005 - B 1 KR 20/04 B - und vom 19.7.2004 - B 1 KR 2/04 BH; alle nach juris). Der umfassend geregelte Leistungsausschluss des §
28 Abs.
2 Satz 6
SGB V gilt grundsätzlich unabhängig von den Gründen, die im konkreten Fall zu einer Behandlungsnotwendigkeit erst nach Vollendung
des 18. Lebensjahres geführt haben. Aus diesem Grund bestehen Ansprüche des Versicherten weder bei Folgeerkrankungen noch
im Hinblick auf Art oder Ursache der zu behandelnden Kieferanomalie.
Bei der von Dr. R. bei der Klägerin angewendeten Methode handelt es sich um eine kieferorthopädische Behandlung. Insofern
ist unerheblich, dass er die CMD-Kieferorthopädie von der "üblichen Kieferorthopädie" unterschieden wissen will. Denn auch
wenn man hierbei vorrangig auf orthopädische Beschwerden im Kopf- und Schulterbereich abstellte, erfolgt die Therapie gleichwohl
durch eine Umformung der Kiefer und bleibt damit eine kieferorthopädische Behandlung. Im Übrigen vermag die gegenteilige Ansicht
des behandelnden Arztes das Begehren der Klägerin nicht zu stützen. Denn es würde sich dann bei der CMD-Behandlung um ein
eigenständiges (zahnärztliches) Therapieverfahren handeln, das im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche bzw. zahnärztliche
Leistungen nicht enthalten ist. Für diese neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode - Dr. R. beantragte ausweislich des im
Berufungsverfahrens vorgelegten Schreibens an die Zahnärztekammer W.-L. vom 31.7.2003 hinsichtlich der hier streitgegenständlichen
Behandlung die Anerkennung einer neuen Fachdisziplin - hat der GBA noch keine Empfehlung abgegeben. Ein Sachleistungsanspruch
scheiterte damit an §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. März 2014 - L 16 KR 597/13 m.w.N., nach juris). Die Auffassung der Klägerin, die Ausschlussregelung des §
28 Abs.
2 Satz 6
SGB V greife nicht ein, wenn die kieferorthopädischen Maßnahmen zur Behandlung einer anderen Erkrankung erforderlich sind, ist
mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren. Nach der Rechtsprechung des BSG ist nicht entscheidend, welche Erkrankung Auslöser für die kieferorthopädische Behandlung ist. Zwar war gesetzgeberischer
Ausgangspunkt der Ausschluss von Maßnahmen, die aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge
erfolgen (vgl. BT-Drucksache 12/3608 S. 79). Der Gesetzgeber hat sich jedoch nicht darauf beschränkt, allein diese Maßnahmen
aus dem Leistungskatalog der GKV herauszunehmen. Vielmehr schließt §
28 Abs.
2 Satz 6
SGB V jegliche kieferorthopädische Behandlung im Erwachsenenalter außerhalb der aufgeführten Ausnahmeregelungen aus (vgl. BSG, Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11/97, nach juris; Höfler in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 74. Ergänzungslieferung 2012, § 28 Rz. 20a). Demnach
ist nicht entscheidend, welche Erkrankung behandelt wird. Zu hinterfragen ist allein, ob die Therapie zum Leistungskatalog
der GKV gehört. Da es sich bei der CMD-kieferorthopädischen Behandlung um eine kieferorthopädische Behandlung handelt, wird
sie von §
28 Abs.
2 Satz 6
SGB V erfasst (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Dezember 2012 - L 1 KR 276/11, nach juris).
Die gegenteilige Ansicht der Klägerin lässt sich nicht mit dem umfassenden Rahmenrecht auf Behandlung nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V begründen. Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V schuldet die Krankenkasse eine Behandlung aus Anlass der Krankheit mit dem Ziel, diese zu beheben oder zu lindern; nach Satz
2 dürfen dabei nur die dort genannten, in den nachfolgenden Vorschriften näher umschriebenen Maßnahmen der ärztlichen und
zahnärztlichen Behandlung, der Versorgung mit Arzneimitteln usw. eingesetzt werden. Im Übrigen werden gesundheitliche Maßnahmen
der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet. Insofern wirkt §
27 SGB V nicht nur leistungsbegründend; mindestens ebenso bedeutsam ist, dass darin die Leistungspflicht der Krankenkasse unter zwei
unterschiedlichen Gesichtspunkten begrenzt wird, die sich gegenseitig durchdringen. Zum einen muss die Krankenkasse nicht
für alles aufkommen, was in irgendeiner Weise die Gesundheit fördert; soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt, ist ihre
Leistungspflicht auf solche Maßnahmen beschränkt, die der in §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V näher umschriebenen gezielten Krankheitsbekämpfung ("Behandlung") dienen. Aber auch wenn unmittelbar ein Behandlungszweck
verfolgt wird, ist die Krankenkasse nicht für Maßnahmen leistungspflichtig, die nicht im Katalog des §
27 Abs.
1 Satz 2
SGB V enthalten sind. Die Grenzen des Rahmenrechts auf Leistungen der Krankenversicherung ergeben sich regelmäßig erst aus der
Zusammenschau beider Gesichtspunkte (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 1997- 1 RK 23/95 m.w.N., nach juris).
Bei der Vielzahl von Mitteln und Verhaltensweisen, denen eine gezielte Beeinflussung der Gesundheit zugeschrieben wird, wäre
das Krankenversicherungsrisiko nicht sachgerecht begrenzbar, wenn der Versicherungsschutz ausschließlich davon abhinge, dass
eine Maßnahme zur Krankheitsbekämpfung eingesetzt wird. Das notwendige Korrektiv wird mit dem abschließenden Leistungskatalog
des §
27 Abs.
1 Satz 2
SGB V erreicht. Maßnahmen, die darin nicht aufgeführt werden, sind dem Verantwortungsbereich des Versicherten zugewiesen, auch
wenn sie eine sonst von der Krankenkasse zu gewährende Leistung ersparen können oder den Erfolg einer gewährten Leistung erst
ermöglichen. Folgerichtig setzen Leistungsbeschränkungen in der Regel bei der Art der Behandlungsmaßnahme an (vgl. etwa: §
28 Abs.
2 Satz 2
SGB V- Beschränkung auf preiswerte Versorgungsformen bei Zahnfüllungen; § 30
SGB V- Begrenzung der Leistungspflicht bei Zahnersatz; §
34 SGB V - Ausschluss bestimmter Arznei-, Heil- und Hilfsmittel). Demgegenüber ist der Einwand unbeachtlich, die nicht zum Leistungsumfang
gehörende Maßnahme diene zugleich der Beseitigung einer anderweitig aufgetretenen Erkrankung oder solle deren Behandlung erst
ermöglichen. Wird die Versorgung mit Zahnersatz nur deshalb notwendig, weil der Versicherte das bisherige Füllmaterial nicht
verträgt und daraus allgemeinmedizinisch zu behandelnde Krankheiten entstanden sind, ändert die Verpflichtung der Krankenkasse
im Rahmen von §
27 SGB V nichts daran, dass zu den Kosten des Zahnersatzes nur ein Zuschuss zu leisten ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 30 Nr. 3 und Nr. 5). Genauso systemfremd wäre umgekehrt der Einwand der Krankenkasse, sie müsse für einen bestimmten ärztlichen
Eingriff nicht leisten, weil damit dasselbe Behandlungsziel verfolgt werde wie mit einer nach §
34 Abs.
1 SGB V ausgeschlossenen Arzneitherapie (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 1 RK 11/97, nach juris).
Der umfassende Leistungsausschluss ist nach der Rechtsprechung des BSG auch verfassungsgemäß. Das BSG hat hierzu ausgeführt (BSG, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 1 RK 11/97 -): "Die durch das Gesundheitsstrukturgesetz eingeführte Beschränkung des Versicherungsschutzes dahingehend, dass kieferorthopädische Behandlungen bei Erwachsenen nur
noch in Ausnahmefällen von den Krankenkassen zu bezahlen sind, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie ist sowohl
mit dem Rechtsstaatsprinzip als auch mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar. Der unterschiedliche Versicherungsschutz für Erwachsene
und Jugendliche bei kieferorthopädischen Maßnahmen verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz. Diese Vorschrift verbietet es, Gruppen von Normadressaten unterschiedlich zu behandeln, obwohl zwischen ihnen keine Unterschiede
von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen ... Der Gesetzgeber hat den
Leistungsausschluss bei Erwachsenen mit medizinischen Erwägungen begründet, welche die Differenzierung tragen. Zwischen kieferorthopädischen
Maßnahmen vor Abschluss des Skelettwachstums und danach bestehen grundsätzliche Unterschiede, die bisher dazu geführt haben,
dass die Erwachsenenbehandlung mit Skepsis betrachtet wird (...). Zu den dabei zu beachtenden Schwierigkeiten gehören insbesondere
die wesentlich längere Behandlungsdauer, weil aus mehreren Gründen nur geringe Kräfte eingesetzt werden dürfen, die höhere
Empfindlichkeit gegenüber sekundären Schädigungen und die lange Nachbehandlung (Retention), um eine Rückbildung zu verhindern,
so dass kieferorthopädische Maßnahmen nach Abschluss des Wachstums nur mit erheblichen Vorbehalten empfohlen werden (Meyerhöfer,
Prärestaurative Kieferorthopädie, Berlin 1987, S. 17 ff.; Witt in: Wissenschaftliches Institut der Ortskrankenkassen, Colloquium
Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, Bonn 1984, S. 78 ff.). Daran anknüpfend konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass mit
einer kieferorthopädischen Behandlung aus medizinischen Gründen regelmäßig vor Abschluss des Körperwachstums begonnen werden
sollte (...). Mit dem Hinweis auf die Risiken und den im allgemeinen geringeren Wirkungsgrad einer Erwachsenenbehandlung sowie
die Schwierigkeit, bei solchen Behandlungen medizinische von anderen Behandlungszielen abzugrenzen, sind sachliche Unterschiede
aufgezeigt, die es rechtfertigten, die Leistungspflicht der Krankenkassen auf kieferorthopädische Maßnahmen im Jugendalter
zu begrenzen. Dass in der Literatur Fälle diskutiert werden, in denen kieferorthopädische Maßnahmen auch noch im Erwachsenenalter
sinnvoll sein mögen, steht der Zulässigkeit der notwendigerweise typisierenden Regelung nicht entgegen.
Die in §
28 Abs.
2 Satz 7
SGB V geregelte Ausnahme ist ebenfalls sachlich gerechtfertigt. Wie bereits aufgezeigt, steht sie mit der im Krankenversicherungsrecht
notwendigen Risikoabgrenzung nach der Art der Behandlungsmaßnahme im Einklang und vermeidet unbefriedigende Unterscheidungen
nach der Art, der Schwere oder der Ursache einer Erkrankung. Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht gehalten, den
Anspruch von anderen Merkmalen als dem der kombinierten kieferchirurgischen und kieferorthopädischen Behandlung abhängig zu
machen. Soweit er unterstellt hat, dass bei kieferorthopädischen Maßnahmen im Erwachsenenalter häufig medizinische von ästhetischen
Gesichtspunkten überlagert werden, kann das mit Rücksicht auf die oben schon angedeuteten praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten
nicht als sachwidrig angesehen werden. Gegen eine Ausdehnung des Anspruchs auf alle medizinisch begründbaren Behandlungsfälle,
in denen dem Versicherten weder mangelnde Zahnpflege noch Untätigkeit trotz einer frühzeitig erkennbaren Behandlungsnotwendigkeit
entgegengehalten werden kann, sprechen ähnliche Gründe. Denn nach Jahren oder Jahrzehnten sind die im Jugendalter gesetzten
Bedingungen für eine im Erwachsenenalter diagnostizierte Fehlstellung in aller Regel nicht mehr verlässlich festzustellen.
Sonstige Grundrechte der Klägerin sind ebenfalls nicht verletzt. Wie das Bundesverfassungsgericht zuletzt mit Beschlüssen
vom 5. März 1997 (u.a. 1 BvR 1071/95) erneut bekräftigt hat, ergibt sich aus der Verfassung kein Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung oder Finanzierung
bestimmter Gesundheitsleistungen. Bei der Festlegung des Umfangs des Krankenbehandlungsanspruchs durch die Leistungsgesetze
hat der Gesetzgeber infolgedessen einen weiten Gestaltungsspielraum".
Dem schließt sich der Senat an. Auch wenn die für den Leistungsausschluss maßgeblichen Erwägungen im Falle der Klägerin ersichtlich
nicht einschlägig sind, verletzt die gesetzgeberische Risikoabgrenzung keine Grundrechte oder sonstigen Rechte der Klägerin.
Schließlich ist auch der Verweis auf eine vorliegende Behinderung und damit auf Anspruchsnormen des
SGB IX nicht geeignet, dem Begehren der Klägerin auf Kostenerstattung zum Erfolg zu verhelfen. Es kann dahinstehen, ob dieses Gesetz
in der vorliegenden Konstellation überhaupt anwendbar ist. Ein Anspruch scheidet bereits deshalb aus, weil sich die Klägerin
die Leistung selbst beschafft hat und somit die Voraussetzungen des §
15 SGB IX (vgl. §
13 Abs.
3 Satz 2
SGB V) hätte erfüllen müssen. §
15 Abs.
1 SGB IX setzt ebenso wie §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V eine Kausalität zwischen Leistungsbeschaffung und nicht rechtzeitiger Leistungserbringung bzw. zu Unrecht abgelehnter Leistung
voraus. Insofern gelten im Rahmen des §
15 SGB IX die obigen Ausführungen zur Unaufschiebbarkeit der Leistung, zur Kausalität sowie der - nicht - zu Unrecht erfolgten Ablehnung
entsprechend (vgl. auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Dezember 2012 - L 1 KR 276/11, nach juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.