Aufrechnungsverbot zugunsten von Trägern öffentlicher Sozialleistungen bei Übergang eines Unterhaltsanspruchs auf diesen
Tatbestand
Der Antragsgegner ist Vater eines am 5. Januar 2007 nicht ehelich geborenen Kindes. An die Kindesmutter, die von dem Antragsgegner
getrennt lebt und das Kind allein betreut, zahlte er während der ersten drei Lebensjahre des Kindes keinen Betreuungsunterhalt.
Im Zeitraum zwischen dem 1. September 2007 und dem 31. Januar 2010 erbrachte der Antragsteller an die Kindesmutter Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in einer Gesamthöhe von 11.678,01 €. Zwischen den Beteiligten ist außer Streit, dass der als Rechtsanwalt selbständig tätige
Antragsgegner in diesem Zeitraum unterhaltsrechtlich leistungsfähig war und die Kindesmutter gegen ihn einen Unterhaltsanspruch
mindestens in Höhe der von dem Antragsteller gewährten Leistungen hatte.
Der Antragsteller verlangt von dem Antragsgegner aus übergegangenem Recht der Kindesmutter Zahlung von Betreuungsunterhalt
im Umfang der von ihm im Zeitraum von September 2007 bis Januar 2010 erbrachten Sozialleistungen. Der Antragsgegner hat die
Aufrechnung mit einer Forderung gegen die Kindesmutter wegen der Rückzahlung eines ihr in den Jahren 2005 und 2006 gewährten
Darlehens in Höhe von 12.500,00 € erklärt. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung verpflichtet. Die
dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er sein Begehren auf vollständige
Zurückweisung des Zahlungsantrages weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
I.
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung, deren Leitsätze in FamRZ 2011, 1681 veröffentlicht sind, im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Antragsgegner könne gegenüber dem Antragsteller nicht die Aufrechnung
mit der "unstreitigen" Darlehensforderung gegenüber der Kindesmutter erklären. Dies ergebe sich aber entgegen der vom Amtsgericht
vertretenen Auffassung nicht aus §
394 BGB i.V.m. §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO. Zwar sei der Betreuungsunterhaltsanspruch einer Mutter nach §
1615 l
BGB in der Regel unpfändbar, was zum Verbot der Aufrechnung führe. Diese Pfändungsschutzvorschriften dienten allerdings nur dazu,
dem Unterhaltsberechtigten eine sichere Lebensgrundlage zu verschaffen. Dieser besondere Schutz sei nicht mehr erforderlich,
wenn der Unterhaltsanspruch auf einen Dritten übergegangen sei, der Unterhalt anstelle des eigentlichen Schuldners geleistet
habe. In der Person dieses Dritten lägen keine Gründe vor, die eine Fortdauer des Pfändungsschutzes rechtfertigen könnten.
Nichts anderes könne gelten, wenn der Unterhaltsanspruch auf einen Sozialleistungsträger übergegangen sei. Es sei nicht zu
erkennen, dass §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO und §
394 BGB in einem solchen Fall auch oder sogar vorrangig der Entlastung der Sozialsysteme dienten. Ein Schutz der Sozialsysteme sei
nicht erforderlich, weil eine Pfändung der auf einen Sozialleistungsträger übergegangenen Forderung kaum im Raum stehen dürfte.
Es sei auch kein Bedürfnis dafür erkennbar, dass der Sozialleistungsträger die auf ihn übergegangene Forderung nicht abtreten
dürfe; dies wäre jedoch nach §
400 BGB eine Konsequenz, wenn man der übergegangenen Unterhaltsforderung weiter den Schutz des §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO zubilligen wollte.
Eine Benachteiligung des Sozialleistungsträgers werde allerdings durch die Vorschriften über die Abtretung und Aufrechnung
verhindert. Nach §§
406,
412 BGB könne der Schuldner im Falle des gesetzlichen Forderungsübergangs eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung
auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen. Diese Vorschrift diene dem Schutz des Schuldners, der durch den Forderungsübergang,
auf den er keinen Einfluss habe, in seiner Position als Schuldner nicht verschlechtert werden solle. §
406 BGB regele daher eine Ausnahme vom Gegenseitigkeitsprinzip, die dem Schuldner die Möglichkeit gebe, trotz fehlender Gegenseitigkeit
der Forderungen auch gegenüber dem neuen Gläubiger aufzurechnen. Voraussetzung sei allerdings, dass der Schuldner auch gegenüber
dem ursprünglichen Gläubiger habe aufrechnen können, denn §
406 BGB diene lediglich dem Schutz des Schuldners vor einer Verschlechterung seiner Rechtslage; die Vorschrift solle demgegenüber
keine Verbesserung seiner Rechtslage durch eine Abtretung oder einen gesetzlichen Forderungsübergang bewirken. Es könne daher
mit §
406 BGB nicht begründet werden, dass eine gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger unpfändbare und damit durch Aufrechnung nicht zu
beseitigende Forderung durch den Forderungsübergang aufrechnungsfähig werde. Dann müsse es beim Erfordernis der Gegenseitigkeit
beider Forderungen bleiben, so dass der Antragsgegner im Verhältnis zum Antragsteller die Aufrechnung mit einer Forderung
gegen die Kindesmutter nicht wirksam habe erklären können.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung zwar nicht in der Begründung, wohl aber im Ergebnis stand.
1. Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des Beschwerdegerichts, dass die von dem Antragsgegner erklärte Aufrechnung von
vornherein an der fehlenden Gegenseitigkeit der Forderungen (§
387 BGB) scheitern müsste.
a) Dabei ist es im rechtlichen Ausgangspunkt richtig, dass der Antragsteller als (Neu-) Gläubiger der nach § 33 SGB II auf ihn übergegangenen Unterhaltsansprüche (Hauptforderung) nicht gleichzeitig der Schuldner der von dem Antragsgegner geltend
gemachten und gegen die Kindesmutter gerichteten Gegenforderung auf Darlehensrückzahlung ist. In solchen Fällen, in denen
die Hauptforderung durch Abtretung oder wie hier im Wege der Legalzession auf einen neuen Gläubiger übergeht, wird indessen
das Prinzip der Gegenseitigkeit der Forderungen bei der Aufrechnung durch §
406 BGB (i.V.m. §
412 BGB) insoweit durchbrochen, als die Gegenseitigkeit von Hauptforderung und Gegenforderung trotz des Gläubigerwechsels als weiterbestehend
behandelt wird (BGH Urteil vom 22. Dezember 1995 V ZR 52/95 NJW 1996, 1056, 1057; BGHZ 58, 327, 329 = NJW 1972, 1193, 1194; BGHZ 19, 153, 157 = NJW 1956, 257).
Noch zutreffend hat das Beschwerdegericht weiter erkannt, dass der Bestimmung des §
406 BGB ebenso wie im Falle des §
404 BGB der Gedanke des Schuldnerschutzes zugrunde liegt. Der Schuldner soll durch die Abtretung bzw. den Forderungsübergang nicht
benachteiligt, also gegenüber dem neuen Gläubiger nicht ungünstiger gestellt werden, als er gegenüber seinem alten Gläubiger
stand (BGH Urteil vom 26. Juni 2002 VIII ZR 327/00 NJW 2002, 2865; BGHZ 58, 327, 329 = NJW 1972, 1193, 1194; BGHZ 19, 153, 156 = NJW 1956, 257). Dem Schuldner soll die Aufrechnung gegenüber dem Zessionar mit einer Gegenforderung gegen den Zedenten grundsätzlich immer
dann gestattet werden, wenn er ohne die Abtretung der gegen ihn gerichteten Hauptforderung damit rechnen durfte, diese nicht
erfüllen zu müssen, sondern durch Aufrechnung tilgen zu können (BGHZ 19, 153, 157 = NJW 1956, 257).
b) Diese Grundsätze rechtfertigen aber nicht den vom Beschwerdegericht gezogenen Umkehrschluss, dass mit der Erstreckung der
Aufrechnungsmöglichkeit auf das Verhältnis zwischen dem Zessionar und dem Schuldner eine Besserstellung des Schuldners nicht
verbunden sein dürfe.
Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit dem Gläubigerwechsel bei der Abtretung der Hauptforderung kein generelles Verschlechterungsverbot
zugunsten des Schuldners aufstellen wollen, so dass es der Schuldner beispielsweise hinnehmen muss, dass er höchstpersönliche
Einreden, die ihm gegenüber dem Zedenten zustanden, gegenüber dem Zessionar nicht geltend machen kann (vgl. dazu Schwarz AcP
203 [2003], 241, 270 f.). Auch muss sich der Schuldner damit abfinden, dass er sich wie es auch unter den hier obwaltenden
Umständen der Fall sein dürfte durch den Gläubigerwechsel einem möglicherweise "unangenehmeren" Gläubiger gegenüber sieht.
Dann aber lässt sich umgekehrt auch ein generelles Verbesserungsverbot nicht begründen, so dass keine grundsätzlichen Erwägungen
dagegen streiten, die Aufrechnung des Schuldners gegenüber dem Zessionar mit einer Gegenforderung gegen den Zedenten unter
Umständen auch dann zuzulassen, wenn erst durch die Abtretung ein zuvor bestehendes Aufrechnungsverbot beseitigt wird (RGRK/Weber
BGB 12. Aufl. §
406 Rn. 2). Wäre die Rechtsansicht des Beschwerdegerichts richtig, müsste sich folgerichtig aus §
406 BGB ein allgemeiner Grundsatz dergestalt herleiten lassen, dass eine Aufrechnung, die dem Schuldner gegenüber dem Zedenten gesetzlich
versagt war, auch gegenüber dem Zessionar stets unstatthaft sein müsste; dies trifft freilich nicht zu (RGZ 140, 43, 46; BGHZ 35, 317, 327 = NJW 1961, 1966, 1968).
2. Die Entscheidung erweist sich allerdings im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig, weil das Aufrechnungsverbot des §
394 BGB i.V.m. §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO auch zugunsten von Trägern öffentlicher Sozialleistungen gilt, wenn und soweit diese Leistungen der Sozialhilfe oder im Rahmen
der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht haben und der Unterhaltsanspruch
des Hilfeempfängers auf sie übergegangen ist.
a) Die Frage, ob ein Aufrechnungsverbot im Rahmen des §
406 BGB zugunsten des Neugläubigers auch noch nach der Abtretung bzw. nach einem gesetzlichen Übergang der Hauptforderung gilt, ist
nach dem Zweck des Aufrechnungsverbots zu entscheiden (BGHZ 35, 317, 327 = NJW 1961, 1966, 1968; BGHZ 95, 109, 117 = NJW 1985, 2820, 2822). Durch den Forderungsübergang auf einen Sozialleistungsträger wird die Rechtsnatur eines Unterhaltsanspruches nicht
geändert (Senatsurteile vom 1. Juli 1987 IVb ZR 74/86 FamRZ 1987, 1014, 1015 und vom 9. Oktober 1991 XII ZR 171/90 FamRZ 1992, 306, 307).
b) Darüber, ob sich auch ein Sozialleistungsträger wegen der auf ihn übergegangenen Unterhaltsansprüche gegenüber dem Unterhaltsschuldner
auf das Aufrechnungsverbot nach §
394 BGB i.V.m. §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO berufen kann, besteht in Rechtsprechung und Schrifttum keine Einigkeit.
Teilweise wird hierzu mit dem Beschwerdegericht die Auffassung vertreten, dass sich ein Träger öffentlicher Sozialleistungen
wegen der auf ihn übergegangenen Unterhaltsansprüche nicht auf ein Aufrechnungsverbot berufen könne, weil auch der Pfändungsschutz
nach §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO mit dem Anspruchsübergang entfallen sei (LG Heilbronn FamRZ 1990, 795; Palandt/Grüneberg
BGB 72. Aufl. §
394 Rn. 1; Staudinger/Gursky
BGB [Bearbeitungsstand: 2011] §
394 Rn. 55; Erman/Wagner
BGB 13. Aufl. §
394 Rn. 5; Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 8 Rn. 77; Günther in: Schnitzler
Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht 3. Aufl. § 12 Rn. 185; Born in Heiß/Born Unterhaltsrecht [Bearbeitungsstand: 2012]
27. Kap. Rn. 98; Scholz in Scholz/Kleffmann/Motzer Praxishandbuch Familienrecht [Bearbeitungsstand: 2012] Teil L Rn. 91).
Eine andere Ansicht will demgegenüber auch dem Sozialleistungsträger zubilligen, sich gegenüber dem Unterhaltsschuldner wegen
einer übergegangenen Unterhaltsforderung, die bei dem Hilfeempfänger dem Pfändungsschutz nach §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO unterlag, auf das Aufrechnungsverbot zu berufen (OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 1532 f.; AG Gummersbach FamRZ 1998, 177 f. mit zust. Anm. Plascher FamRZ 1998, 178; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 6 Rn. 302; Niepmann/Schwamb Die Rechtsprechung
zur Höhe des Unterhalts 12. Aufl. Rn. 284; Friederici in: Schnitzler Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht 3. Aufl. § 5
Rn. 63; Meller-Hannich in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung 2. Aufl. §
850 b ZPO Rn. 39; wohl auch LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 23. April 2009 L 5 AS 81/07 [...] Rn. 23 aE).
c) Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung für den Fall, dass der Sozialleistungsträger an den Unterhaltsberechtigten
Leistungen der Sozialhilfe oder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
erbringt und der Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs. 1 SGB XII bzw. nach § 33 Abs. 1 SGB II im Wege der Legalzession auf ihn übergeht.
aa) Die Annahme, dass das aus §
394 BGB i.V.m. §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO folgende Aufrechnungsverbot ausnahmslos auf den bisherigen Unterhaltsgläubiger beschränkt bleiben müsse, lässt sich nicht
zwangsläufig aus dem Zweck des Gesetzes herleiten. Es ist zwar richtig, dass die von §
394 BGB in Bezug genommenen Pfändungsverbote der
Zivilprozessordnung in erster Linie dem Schutz des Unterhaltsberechtigten davor dienen, dass ihm und seiner Familie die zur Sicherung des Existenzminimums
benötigten Vermögenswerte nicht entzogen werden (vgl. BT-Drucks. 8/693, S. 45; MünchKommZPO/Smid, 3. Aufl. §
850 Rn. 1; Zöller/Stöber
ZPO 29. Aufl. §
850 Rn. 1) und dieser Gedanke gegenüber einem Dritten, der die Forderung von dem schutzbedürftigen ursprünglichen Unterhaltsgläubiger
erwirbt, nicht ohne weiteres zum Tragen kommt. In der Sicherung der Existenz des Forderungsinhabers und seiner Angehörigen
erschöpft sich der Zweck des Aufrechnungsverbotes nach §
394 BGB allerdings nicht. Angesichts des heutigen Umfangs der Sozialleistungssysteme dient das Aufrechnungsverbot (zumindest) auch
dem Schutz der öffentlichen Kassen, die für die Existenzsicherung des ursprünglichen Gläubigers einzustehen hätten (vgl. MünchKommBGB/Schlüter
6. Aufl. §
394 Rn. 1; RGRK/Weber
BGB 12. Aufl. §
394 Rn. 1; Staudinger/Gursky
BGB [Bearbeitungsstand: 2011] §
394 Rn. 4; Gernhuber Die Erfüllung und ihre Surrogate 2. Aufl. §
12 VI 4; vgl. auch BAG NJW 2001, 1443 zu §
400 BGB). Schon vor Inkrafttreten des früheren Bundessozialhilfegesetzes und im Einklang mit den Motiven zum Entwurf des
BGB (vgl. Motive II S. 113, zitiert bei Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. II S. 62) war es in
der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die sich aus §
394 BGB und aus §§
400,
1274 Abs.
2 BGB ergebenden materiellrechtlichen Einschränkungen der Verkehrsfähigkeit unpfändbarer Forderungen auch im Interesse des Allgemeinwohls
erlassen worden sind, um den ursprünglichen Gläubiger nicht der "öffentlichen Fürsorge und Armenpflege" anheimfallen zu lassen
(vgl. BGHZ 4, 153, 154 f.; RGZ 106, 205, 206 und 133, 249, 256).
bb) Das Bundesarbeitsgericht hat zu §
394 BGB i.V.m. §
850 c ZPO bezüglich der Unzulässigkeit der Aufrechnung gegen unpfändbares Arbeitseinkommen mehrfach erkannt, dass das Aufrechnungsverbot
in bestimmten Fällen auch einem Sozialversicherungsträger zugutekommen kann, auf den kraft Gesetzes die Entgeltansprüche eines
bei ihm versicherten Arbeitnehmers übergegangen sind. Diese Rechtsprechung betraf die Fälle, in denen der Arbeitgeber seiner
Verpflichtung zur Lohnzahlung bzw. zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht nachgekommen war, und die für den Arbeitnehmer
durch Leistung von Arbeitslosengeld bzw. von Krankengeld einstehenden Sozialversicherungsträger durch gesetzlichen Forderungsübergang
nach den seinerzeit geltenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften (§ 137 Abs. 4 AFG bzw. § 182 Nr. 10
RVO aF) Gläubiger der aus dem Arbeitsverhältnis herrührenden Lohn- bzw. Lohnfortzahlungsansprüche des Arbeitnehmers geworden
waren (BAG NZA 1985, 186 f. und DB 1979, 1848, 1850). Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass sich in diesen, wegen des Anspruchsüberganges nunmehr
einheitlich in § 115 SGB X geregelten Fällen bereits aus der gesetzlichen Anordnung des Forderungsüberganges erschließe, dass den Träger der gesetzlichen
Arbeitslosen- bzw. Krankenversicherung lediglich eine vorläufige Einstandspflicht treffe, um die Lebensgrundlage des Arbeitnehmers
für den Zwischenzeitraum sicherzustellen, in dem der Arbeitgeber seinen Zahlungspflichten nicht nachkommt. Wenn sich die Sozialversicherungsträger
in diesen Fällen nicht auf das Aufrechnungsprivileg des §
394 BGB berufen könnten, würde sich der Arbeitgeber durch die Nichterfüllung seiner Entgelt- bzw. Entgeltfortzahlungspflicht auf
Kosten der Allgemeinheit bzw. der Solidargemeinschaft einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen können (vgl. BAG NZA 1985,
186, 187 und DB 1979, 1848, 1850).
cc) Wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlagen sind die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch dann anwendbar, wenn ein
Sozialleistungsträger Hilfen zum Lebensunterhalt gewährt, weil ein Unterhaltsschuldner seiner Leistungspflicht nicht nachkommt.
Die sich aus dem Gesetz ergebende (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB XII bzw. § 9 Abs. 1 SGB II) Subsidiarität der Sozialhilfe und der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II soll durch den Anspruchsübergang nach § 94 Abs. 1 SGB XII bzw. § 33 Abs. 1 SGB II verwirklicht werden, indem sie den Sozialleistungsträger grundsätzlich in die Lage versetzt, durch Eintritt in die Gläubigerposition
des Leistungsempfängers den Zustand nachträglich herzustellen, der dem vom Gesetz gewollten Vorrang der Verpflichtung anderer
(hier: des Unterhaltsschuldners) entspricht, die dem Leistungsempfänger die erforderliche Hilfe hätten gewähren müssen (vgl.
bereits BVerwG NJW 2000, 601 und NJW 1990, 3288 zu § 90 BSHG). Könnte sich der Sozialleistungsträger auf das Aufrechnungsverbot nach §
394 Abs.
1 BGB i.V.m. §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO nicht berufen, wäre es dem Unterhaltsschuldner in die Hand gegeben, den Unterhaltsberechtigten durch Nichtleistung des geschuldeten
Unterhalts zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu veranlassen, um anschließend private Forderungen gegen den Unterhaltsgläubiger
zu Lasten der Allgemeinheit durchsetzen zu können. Für eine solche Besserstellung des säumigen Unterhaltsschuldners findet
sich keine Rechtfertigung.
dd) Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass nach §
400 BGB eine Forderung grundsätzlich nicht abgetreten werden kann, soweit sie wie gesetzliche Unterhaltsansprüche gemäß §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO der Pfändung nicht unterworfen ist. Es entspricht allerdings der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass eine Abtretung
der Unterhaltsforderung jedenfalls dann erfolgen kann, wenn die Forderung nicht mehr dem Unterhaltsberechtigten, sondern aufgrund
gesetzlichen Forderungsübergangs einem Dritten zusteht, der keines Pfändungsschutzes nach §
850 b Abs.
1 Satz 2
ZPO bedarf (BGH Urteil vom 24. September 1981 IX ZR 80/80 FamRZ 1982, 50, 51); dieser Dritte kann auch ein Sozialleistungsträger sein (Senatsurteil vom 3. Juli 1996 XII ZR 99/95 FamRZ 1996, 1203, 1204). Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts würde eine Privilegierung des Sozialleistungsträgers in Bezug auf das
Aufrechnungsverbot nach §
394 BGB nicht zwangsläufig zu der nicht im Einklang mit dieser Rechtsprechung stehenden Schlussfolgerung nötigen, dass der Sozialleistungsträger
die auf ihn im Wege der Legalzession übergegangene Unterhaltsforderung auch nicht abtreten darf. Obwohl die durch §§
394,
400 BGB bewirkte Einschränkung der Verkehrsfähigkeit einer unpfändbaren Forderung letztlich auf den gleichen gesetzgeberischen Erwägungen
beruht, gibt es keinen unbedingten Gleichlauf bei der Anwendung beider Vorschriften. So ist es anerkannt, dass sich der Schutzzweck
des Abtretungsverbots in den Fällen erledigt hat, in denen der Zessionar seinerseits dem Zedenten die (wirtschaftlich gleichwertige)
Leistung erbringt, die ihm §
400 BGB sichern will (BGHZ 59, 109, 115 = NJW 1972, 1703, 1705; BGHZ 127, 354, 356 = NJW 1995, 323 mwN; BAG NJW 2001, 1443). Dies gilt auch für die Abtretung von Unterhaltsansprüchen (vgl. OLG Bremen FamRZ 2002, 1189), so dass eine Unterhaltsforderung durch den Unterhaltsgläubiger durchaus abgetreten werden kann, obwohl sie bei ihm (weiterhin)
dem Aufrechnungsverbot nach §
394 BGB i.V.m. §
850 b Abs.
1 Nr.
2 ZPO unterliegt.
d) Für die Aufrechnung mit einer Gegenforderung des Antragsgegners wegen Rückzahlung eines der Kindesmutter gewährten Darlehens
ist daher kein Raum, so dass es bei der Zurückweisung der Beschwerde gegen die zutreffende Entscheidung des Amtsgerichts bleibt.