Anfechtbarkeit von Unterhaltsvereinbarungen bzgl. Bedarfsermittlung durch Dreiteilung des zur Verfügung stehenden Gesamteinkommens
eines Unterhaltspflichtigen sowie des früheren und jetzigen unterhaltsberechtigten Ehegatten
Tatbestand
Die im Rentenalter stehenden Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab dem 30. Juli 2008.
Der 1940 geborene Kläger und die 1939 geborene Beklagte heirateten am 1. Juni 1962. Ihre Ehe, aus der zwei mittlerweile volljährige
Kinder hervorgegangen sind, wurde auf einen am 29. Januar 1996 zugestellten Scheidungsantrag durch Urteil vom 18. Juni 1998
geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt. Zuvor hatten die Parteien im Scheidungsverbund zur Folgesache Unterhalt
am 28. April 1998 einen gerichtlich protokollierten Vergleich geschlossen, wonach der Kläger an die Beklagte einen monatlichen
Nachscheidungsunterhalt in einer Gesamthöhe von 2.004,07 DM zu zahlen hatte. Im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung hatte
die Beklagte für einen Kaufpreis von 200.000 DM den hälftigen Miteigentumsanteil des Klägers an dem vormaligen Familienheim
der Parteien übernommen. Den Kaufpreis brachte der Kläger in die Finanzierung eines Einfamilienhauses ein, welches im gemeinschaftlichen
Eigentum des seit dem Jahre 2000 wiederverheirateten Klägers und seiner zweiten Ehefrau steht.
Der Kläger verfügt über eine gesetzliche Rente sowie über eine Betriebsrente, und er lebt mit seiner zweiten Ehefrau mietfrei
in dem gemeinsamen Einfamilienhaus. Die Beklagte bezieht eine gesetzliche Rente. Auch sie wohnt mietfrei in dem allerdings
noch nicht schuldenfreien eigenen Haus und erzielt zudem Miet- und Kapitaleinkünfte.
Mit seiner am 16. Januar 2008 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst beantragt, die Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten
in Abänderung des Vergleiches vom 28. April 1998 mit Rechtshängigkeit der Abänderungsklage entfallen zu lassen. Das Amtsgericht
hat der Klage nur teilweise stattgegeben und den Prozessvergleich vom 28. April 1998 für den Zeitraum seit dem 16. Januar
2008 dahin abgeändert, dass der Kläger nur noch zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts in Höhe von 451 € verpflichtet
ist. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt und in der Berufungsinstanz klageerweiternd auf einen vollständigen
Wegfall seiner Unterhaltspflicht bereits seit dem 1. März 2007 angetragen. Im Laufe des Berufungsverfahrens haben die Parteien
am 2. Februar 2010 vor dem Berufungsgericht einen Teilvergleich geschlossen, wonach zwischen den Parteien Einigkeit darüber
besteht, dass seit dem 30. Juli 2008 keine Ansprüche auf Ehegattenunterhalt mehr begründet seien und der ursprüngliche Unterhaltstitel
insoweit abgeändert wird. Diesem Vergleichsschluss hat ein Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts vom 15. Juni 2009 zugrunde
gelegen, wonach sich jedenfalls für den Zeitraum seit der Verkündung der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs
vom 30. Juli 2008 (BGHZ 177, 356 = FamRZ 2008, 1911) zur "Bedarfsbemessung durch Dreiteilung" angesichts der Einkommensverhältnisse der zweiten Ehefrau des Klägers voraussichtlich
kein offener Unterhaltsbedarf der Beklagten mehr ergeben werde.
Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2011 hat die Beklagte den am 2. Februar 2010 geschlossenen Teilvergleich mit der Begründung
angefochten, dass das Bundesverfassungsgericht durch seine Entscheidung vom 25. Januar 2011 (BVerfG FamRZ 2011, 437) die Dreiteilungsmethode für verfassungswidrig erklärt habe. Daneben hat sie hilfsweise Anschlussberufung und Widerklage
erhoben und beantragt, den Teilvergleich vom 2. Februar 2010 dahin abzuändern, dass ihr auch für die Zeit nach dem 30. Juli
2008 der durch das Amtsgericht noch zugesprochene Unterhaltsanspruch in Höhe von 451 € zustehe. Das Oberlandesgericht hat
die hilfsweise erhobene Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen und der Berufung des Klägers insoweit stattgegeben,
als es den Prozessvergleich vom 28. April 1998 dahingehend abgeändert hat, dass der Kläger für die Zeit vom 1. März 2007 bis
zum 29. Juli 2008 nur noch einen monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 138 € zu zahlen habe und seit dem 30.
Juli 2008 keinen Unterhalt mehr schulde.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer zugelassenen Revision. Sie nimmt das Berufungsurteil für den Zeitraum bis zum 29.
Juli 2008 hin und verfolgt mit ihrer Revision einen unbefristeten Unterhaltsanspruch in eingeschränkter monatlicher Höhe von
138 € seit dem 30. Juli 2008 weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat teilweise Erfolg.
Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis zum 31. August 2009 geltende Prozessrecht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden
ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 XII ZB 197/10 FamRZ 2011, 100 Rn. 10).
I.
Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen der Parteien
mit der Additionsmethode für die Jahre 2007 und 2008 einen "eheangemessenen offenen Unterhaltsbedarf" der Beklagten in Höhe
von monatlich 138 € errechnet und die Ansicht vertreten, dass dieser Anspruch jedenfalls bis zum 29. Juli 2008 nicht befristet
werden könne. Insoweit hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs
nach §
1578 b Abs.
2 BGB zwar vorlägen, weil fortwirkende ehebedingte Nachteile der Beklagten nicht gegeben seien. Soweit die Beklagte durch die Aufgabe
ihrer früheren Erwerbstätigkeit und Auszahlung von Rentenanwartschaften in der Ehezeit versorgungsrechtliche Nachteile erlitten
habe, seien diese durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen worden. Weitergehende unterhaltsrechtlich ins Gewicht fallende
Nachteile seien nicht substantiiert dargetan oder erkennbar. Allein der langen Ehedauer von über 30 Jahren komme nach der
Unterhaltsrechtsreform von 2008 und der dazu ergangenen Rechtsprechung keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zu. Allerdings
stünden der nachträglichen Befristung der mit Vergleich vom 28. April 1998 unbefristet vereinbarten Unterhaltspflicht Aspekte
des Vertrauensschutzes nach § 36 Nr. 1 EGZPO entgegen. Der 1939 geborenen Beklagten sei es jedenfalls für vergangene Unterhaltszeiträume bis zum 29. Juli 2008 nicht zuzumuten
gewesen, sich im Rentenalter auf einen niedrigeren Lebensstandard "entsprechend den eigenen Lebensverhältnissen vor der Eheschließung
im Jahre 1962" einzustellen. Die Beklagte könne durch eigene Erwerbsbemühungen eine Reduzierung des Unterhaltsanspruches nicht
mehr abmildern, und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien seien durch die langen Jahre des Zusammenlebens und die
bis zur Anhängigkeit der vorliegenden Abänderungsklage im Jahre 2007 festgeschriebenen Unterhaltsansprüche so miteinander
verwoben, dass sich eine Begrenzung des Anspruches verbiete. Auch seien die finanziellen Verhältnisse der Beklagten keineswegs
so günstig gestaltet, dass der Wegfall eines wenn auch relativ geringen Unterhaltsanspruches ohne spürbare Auswirkungen auf
ihren Lebensstandard bliebe.
Ein Unterhaltsanspruch für die Zeit seit dem 30. Juli 2008 besteht nach Ansicht des Berufungsgerichts dagegen nicht mehr.
Der Teilvergleich vom 2. Februar 2010 sei nicht wegen eines Irrtums über die Vergleichsgrundlage nach §
779 Abs.
1 BGB unwirksam. Zwar seien sowohl Gericht als auch Parteien bei Abschluss des Vergleiches von der Verfassungsmäßigkeit der Bedarfsbestimmung
nach der sog. Dreiteilungsmethode beim Zusammentreffen mehrerer berechtigter früherer und jetziger Ehegatten ausgegangen.
Die bei Vergleichsschluss unzutreffende Beurteilung der Rechtslage beinhalte aber lediglich einen für die Wirksamkeit des
Vergleiches unmaßgeblichen Rechtsirrtum, nicht aber einen erheblichen Sachverhaltsirrtum. Zudem habe auch kein streitausschließender
Irrtum vorgelegen, der allein zur Unwirksamkeit des Vergleiches habe führen können. Eine Irrtumsanfechtung komme nicht in
Betracht, weil beide Parteien dem gleichen Rechtsirrtum unterlegen seien.
Auch die im Wege der Hilfsanschlussberufung eingelegte Widerklage der Beklagten führe wegen der Unterhaltsansprüche seit dem
30. Juli 2008 nicht zum Erfolg. Unterhaltstitel, die nach der verfassungswidrigen Dreiteilungsmethode berechnet worden seien,
unterlägen zwar grundsätzlich der Abänderung nach §
323 ZPO i.V.m. §
313 BGB bzw. nach §§ 238, 239 FamFG. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Januar 2011 beinhalte auch eine wesentliche Veränderung der für Grund
und Höhe der Unterhaltspflicht bedeutsamen Verhältnisse. Allerdings sei für die Beklagte wegen der Unterhaltsansprüche seit
dem 30. Juli 2008 keine Abänderungsklage gegen den Teilvergleich vom 2. Februar 2011 eröffnet, weil ihr durch diesen Vergleich
Unterhaltsansprüche aberkannt worden seien. Eine Leistungsklage sei für den Zeitraum vom 30. Juli 2008 bis zum 31. Januar
2011 aber schon deshalb unbegründet, weil es insoweit an einem Verzug des Klägers (§§
1585 b Abs.
2,
1613 Abs.
1 BGB) fehle. Auch für den Zeitraum seit dem 1. Februar 2011 seien Ansprüche der Beklagten auf Zahlung nachehelichen Unterhalts
nicht mehr begründet. Da die Tatbestandsvoraussetzungen eines Anspruches auf Altersbzw. Aufstockungsunterhalt durchgehend
gegeben seien, stünde einem Anspruch zwar nicht ein fehlender Einsatzzeitpunkt entgegen, wobei es für diese Beurteilung unerheblich
sei, dass für die Zeit vom 30. Juli 2008 bis zum 31. Januar 2011 mangels Verzuges kein Unterhaltsanspruch habe geltend gemacht
werden können. Dieser Umstand erlange allerdings hinsichtlich der zeitlichen Befristung des Unterhaltsanspruches maßgebliche
Bedeutung. Der Beklagten sei es jedenfalls für die Zeit seit dem 1. Februar 2011 zuzumuten, ihren Lebensunterhalt entsprechend
den eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen unter Verzicht auf Unterhaltsansprüche zu bestreiten. Der ursprünglich titulierte
Unterhaltsanspruch habe sich wegen der veränderten Verhältnisse der Parteien bis zum 29. Juli 2008 ohnehin auf einen relativ
geringen, die Lebensverhältnisse nicht grundlegend bestimmenden Betrag reduziert; es lasse sich auch für die Folgezeit (nur)
ein Unterhaltsanspruch in vergleichbarer Höhe errechnen. Hinzu komme, dass sich die Beklagte für die Zeit nach dem 30. Juli
2008 auf einen Wegfall der Unterhaltsansprüche bereits eingerichtet und sich damit abgefunden habe. Es sei ihr daher zuzumuten,
dies auch künftig hinzunehmen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Allerdings ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der am 2. Februar 2010 geschlossene Prozessvergleich
der Parteien einen Teil des mit dem Rechtsmittel des Klägers bei dem Berufungsgericht angefallenen Rechtsstreits nämlich in
Bezug auf die Unterhaltszeiträume seit dem 30. Juli 2008 beendet hatte.
Wegen der Doppelnatur des Prozessvergleiches würde einem vor Gericht geschlossenen Vergleich nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes zwar auch seine verfahrensrechtliche Wirkung der Prozessbeendigung entzogen, wenn er aus materiellrechtlichen
Gründen nichtig oder anfechtbar wäre (vgl. Senatsurteil vom 6. April 2011 XII ZR 79/09 FamRZ 2011, 1140 Rn. 10; BGHZ 79, 71, 74 = NJW 1981, 823). Dies hat das Berufungsgericht indessen mit Recht verneint.
a) Entgegen der Auffassung der Revision liegt kein rechtserheblicher Irrtum über die Vergleichsgrundlage (§
779 Abs.
1 BGB) vor.
aa) Richtig ist, dass dem Vergleichsschluss vom 2. Februar 2010 erkennbar die frühere Rechtsprechung des Senats zugrunde lag,
wonach der Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten grundsätzlich unter Berücksichtigung aller nachehelich eingetretenen
tatsächlichen Umstände, dabei insbesondere der Wiederverheiratung des Unterhaltsschuldners und der damit verbundenen Unterhaltspflichten
gegenüber dem neuen Ehegatten, zu bestimmen sei (Senatsurteil BGHZ 177, 356 = FamRZ 2008, 1911 Rn. 30 ff.). Diese auf dem Wegfall des Stichtagsprinzips basierende Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht für nicht
mit dem geltenden Recht vereinbar erklärt (BVerfG FamRZ 2011, 437, 441 ff.). Im Anschluss an diese Entscheidung hat der Senat diese Rechtsprechung zur Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach
den ehelichen Lebensverhältnissen aufgegeben und ist zu dem seiner früheren Rechtsprechung zugrunde liegenden Stichtagsprinzip
zurückgekehrt (Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 16 ff.).
bb) Damit lässt sich jedoch ein Irrtum über die Vergleichsgrundlage nach §
779 Abs.
1 BGB nicht begründen. Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Vergleichs nach §
779 Abs.
1 BGB ist es, dass der von beiden Parteien nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt nicht der
Wirklichkeit entspricht und der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden
sein würde. Ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, dass ein Rechtsirrtum, wenn er nicht gleichzeitig einen Irrtum
über relevante Tatsachen umschließt, von vornherein nicht in den Anwendungsbereich von §
779 Abs.
1 BGB fallen kann (so zuletzt BGH Urteil vom 18. Dezember 2007 XI ZR 76/06 NJW-RR 2008, 643 Rn. 14; offen gelassen in BGH Urteil vom 21. Dezember 2006 VII ZR 275/05 NJW 2007, 838 Rn. 10 m.N. zum Streitstand), braucht unter den hier obwaltenden Umständen nicht entschieden zu werden. Selbst wenn der Begriff
des Sachverhalts weit auszulegen sein sollte und nicht nur Tatsachen, sondern auch (reine) Rechtsfragen umfasst, muss der
Irrtum der Parteien nach allgemeiner Ansicht das gegenwärtige Bestehen des Sachverhalts betreffen, nicht dagegen das Eintreten
oder Ausbleiben künftiger Ereignisse (Senatsurteile vom 19. Februar 1986 IVb ZR 7/85 NJW-RR 1986, 945, 946 und vom 24. April 1985 IVb ZR 17/84 NJW 1985, 1835, 1836; BGH Urteile vom 13. Juni 1961 VI ZR 215/60 JZ 1963, 129 und vom 8. Februar 1984 VIII ZR 254/82 NJW 1984, 1746; BAG NZA 2000, 1097, 1101). Aus diesem Grunde kann schon ein Irrtum über die Entwicklung der künftigen Gesetzgebung nicht in den Anwendungsbereich
des §
779 Abs.
1 BGB fallen (vgl. bereits RGZ 117, 306, 310); in gleicher Weise betrifft auch die unrichtige Vorstellung über den Fortbestand einer bestimmten Rechtsprechung einen
Umstand, der dem Abschluss des Vergleiches erst nachfolgt und ihm schon daher nicht als feststehend zugrunde gelegt werden
kann (vgl. BGHZ 58, 355, 361 f. = NJW 1972, 1577; OLG Schleswig OLGR 2000, 285, 286; vgl. auch Erman/H.-F. Müller
BGB 13. Aufl. §
779 Rn. 30). An dieser Beurteilung ändert sich auch in dem Fall nichts, in dem der Fortgeltung der dem Vergleich zugrunde gelegten
Rechtsprechung (erst) durch eine dem Vergleichsschluss nachfolgende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Boden entzogen
worden ist.
b) Richtig ist ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, dass auch die von der Beklagten erklärte Anfechtung wegen Irrtums
(§
119 BGB) nicht durchgreifen kann, weil beide Parteien der gleichen unrichtigen Vorstellung über die Fortgeltung der Senatsrechtsprechung
unterlegen sind. Solche Fehlvorstellungen sind nach den zum Wegfall der Geschäftsgrundlage (§
313 BGB) entwickelten Grundsätzen zu behandeln (vgl. BGH Urteil vom 5. Februar 1986 VIII ZR 72/85 NJW 1986, 1348, 1349; OLG Hamm NJW-RR 2006, 65, 66). Hiergegen erinnert auch die Revision nichts.
2. Im Weiteren hat sich das Berufungsgericht folgerichtig mit der Zulässigkeit der Anschlussberufung befasst und diese mit
Recht bejaht. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Beklagte der Berufung des Klägers zulässigerweise
auch unter einer Bedingung anschließen konnte. Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass der Berufungsbeklagte die Anschließung
von dem Erfolg oder Misserfolg seines Antrages auf Zurückweisung der gegnerischen Berufung oder von einem sonstigen "innerprozessualen"
Vorgang hier von der gerichtlichen Entscheidung über den Streit bezüglich der Wirksamkeit des Teilvergleiches abhängig machen
kann, dessen Eintritt oder Ausfall bis zur sachlichen Entscheidung über die Berufung feststeht (vgl. BGH Urteile vom 10. November
1983 VII ZR 72/83 NJW 1984, 1240, 1241 und vom 19. Januar 2001 V ZR 437/99 NJW 2001, 1127, 1131). Richtig ist es ebenfalls, dass sich der Berufungsbeklagte der Berufung auch (allein) mit dem Ziel der Erhebung einer
Widerklage anschließen kann (vgl. bereits BGHZ 4, 229, 234).
3. Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht ferner erkannt, dass die Beklagte ihre Unterhaltsansprüche
für die Zeit seit dem 30. Juli 2008 nicht mit einer gegen den Teilvergleich vom 2. Februar 2010 gerichteten Abänderungsklage
(§
323 Abs.
1 ZPO aF), sondern nur mit einer Leistungsklage als statthafter Klageart verfolgen konnte und das ursprüngliche Abänderungsbegehren
der Beklagten in verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise (vgl. dazu Senatsurteil vom 1. Juni 1983 IVb ZR 365/81 FamRZ 1983, 892, 893 f.) in einen Leistungsantrag umgedeutet.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt §
323 ZPO aF (bzw. nunmehr § 238 FamFG) zwar auch dann zur Anwendung, wenn ein Unterhaltsgläubiger, dessen durch gerichtliche Entscheidung oder durch Prozessvergleich
titulierter Unterhalt nachträglich durch eine gerichtliche Abänderungsentscheidung aberkannt worden ist, in der Folgezeit
erneut Unterhalt verlangt. Kommt es zu einer solchen Abänderungsentscheidung, hat das Gericht im Rahmen der Korrektur der
ursprünglichen Prognose seinerseits die künftige Entwicklung der Verhältnisse vorausschauend zu berücksichtigen. Demgemäß
beruht die abändernde Entscheidung sowohl im Falle der Reduzierung als auch beim völligen Wegfall des Unterhalts weiterhin
auf einer Prognose der zukünftigen Entwicklung und stellt den Rechtszustand auch für die Zukunft fest. Das spätere Begehren
auf Wiedergewährung des Unterhalts stellt daher abermals die Geltendmachung einer von der Prognose abweichenden tatsächlichen
Entwicklung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse dar, für die das Gesetz das gerichtliche Abänderungsverfahren
vorsieht, um die (erneute) Anpassung der Entscheidung an die veränderten Entscheidungsgrundlagen zu ermöglichen (Senatsurteile
BGHZ 172, 22 = FamRZ 2007, 983 Rn. 19 und vom 30. Januar 1985 IVb ZR 63/83 FamRZ 1985, 376, 377).
b) Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht auf die Fälle übertragbar, in denen dem Unterhaltsgläubiger ein titulierter Unterhalt
durch einen Prozessvergleich aberkannt wird. Nach §
323 Abs.
4 ZPO aF sind die Bestimmungen über die Abänderungsklage (§
323 Abs.
1 bis Abs.
3 ZPO aF) auf Prozessvergleiche (§
794 Abs.
1 Nr.
1 ZPO) oder auf Schuldurkunden nach §
794 Abs.
1 Nr.
2a und Nr.
5 ZPO nur insoweit entsprechend anzuwenden, als darin künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen übernommen oder festgesetzt
worden sind. §
323 Abs.
4 ZPO aF erfasst mithin gerade nicht die Fälle, in denen für die Zukunft keine Leistungspflicht festgelegt worden ist. Eine analoge
Anwendung über den Wortlaut des §
323 Abs.
4 ZPO aF hinaus kommt nicht in Betracht. Denn die verfahrensrechtliche Situation nach Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung
ist mit derjenigen nach Abschluss eines Prozessvergleichs nicht vergleichbar. Auch wenn die Parteien mit der getroffenen Regelung
zum Ausdruck bringen wollten, dass für die Zukunft kein Unterhaltsanspruch mehr besteht, beschränkt sich die Vereinbarung
auf den materiellen Anspruch; sein Nichtbestehen ist nicht rechtskräftig festgestellt (vgl. Senatsurteil BGHZ 172, 22 = FamRZ 2007, 983 Rn. 20; OLG Hamm NJWE-FER 2000, 129).
An dieser rechtlichen Beurteilung hat sich im Übrigen durch die Reform des familiengerichtlichen Verfahrens nichts geändert.
Nach § 239 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann jeder Teil die Abänderung eines Vergleiches nach §
794 Abs.
1 Nr.
1 ZPO oder einer vollstreckbaren Urkunde beantragen, wenn diese eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden Leistungen enthält.
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber keine vom früheren Rechtszustand abweichende Rechtslage schaffen wollen (vgl. BT-Drucks.
16/6308, S. 258), so dass nach den zu §
323 Abs.
4 ZPO aF entwickelten Grundsätzen auch unter der Geltung des neuen Verfahrensrechts keine Abänderung beantragt werden kann, wenn
durch einen Prozessvergleich ein titulierter Anspruch aberkannt worden ist (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 239 Rn. 28; Prütting/Helms/Bömelburg FamFG 2. Aufl. § 239 Rn. 12; Haußleiter/Fest FamFG § 239 Rn. 10).
4. Selbst wenn die Beklagte danach in verfahrensrechtlicher Hinsicht gehalten war, ihr Unterhaltsbegehren für den Zeitraum
seit dem 30. Juli 2008 mit der Leistungsklage (§
258 ZPO) zu verfolgen, ist der zwischen den Parteien am 2. Februar 2010 geschlossene Teilvergleich für den materiellen Unterhaltsanspruch
der Beklagten weiterhin von Bedeutung. Er wirkt sich für diesen Zeitraum auf das Unterhaltsrechtsverhältnis aus, solange und
soweit seine Geschäftsgrundlage nicht weggefallen ist und die Regelung deshalb einer Anpassung an die veränderten Verhältnisse
unterliegt (vgl. Senatsurteil BGHZ 172, 22 = FamRZ 2007, 983 Rn. 22 ff.).
a) Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, dass der Vergleich bereits für den Zeitraum zwischen dem 30. Juli 2008
und dem 31. Januar 2011 anzupassen sei.
aa) Bei Prozessvergleichen über Dauerschuldverhältnisse kann die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung
nach allgemeiner Ansicht zwar zu Störungen vertraglicher Vereinbarungen führen, die nach den Grundsätzen über den Wegfall
der Geschäftsgrundlage im Wege der Anpassung zu bereinigen sind. Für diese Fälle hat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen,
dass eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht nur für solche Unterhaltszeiträume zu einer
Anpassung des Vergleiches führen kann, die auf die Verkündung des die bisherige Rechtsprechung aufgebenden Urteils des Senats
folgen. Für die Zeit davor verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage, welche die Parteien ihrem Vergleich zugrunde gelegt
haben (Senatsurteile BGHZ 148, 368 = FamRZ 2001, 1687, 1690 f. und vom 22. Januar 2003 XII ZR 186/01 FamRZ 2003, 518, 520). Denn der in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung beruhende Prozessvergleich stellt einen Vertrauenstatbestand
für beide Parteien dar, in den eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich nicht rückwirkend zu Lasten
des Unterhaltspflichtigen eingreifen darf, zumal erst sie zu einer die Vertragsanpassung rechtfertigenden Äquivalenzstörung
führt (Senatsurteil vom 22. Januar 2003 XII ZR 186/01 FamRZ 2003, 518, 520).
bb) Die gleichen Grundsätze gelten auch dann, wenn das Bundesverfassungsgericht eine bestimmte, auf der Rechtsprechung der
Fachgerichte beruhende Rechtsanwendung, die von den Parteien ihrem Vergleich zugrunde gelegt worden ist, aus verfassungsrechtlichen
Gründen beanstandet. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem Urteil zur (Nicht-) Berücksichtigung des aus neuer
Ehe herrührenden steuerlichen Splittingvorteils bei der Bemessung des an den geschiedenen Ehegatten zu leistenden Unterhalts
darauf hingewiesen, dass seine Entscheidung für bereits bestehende Unterhaltstitel, die nicht Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde
waren, lediglich eine auf die Zukunft beschränkte Rechtsfolgenwirkung entfaltet (BVerfG FamRZ 2003, 1821, 1825; vgl. auch Senatsurteile vom 14. März 2007 XII ZR 158/04 FamRZ 2007, 882 Rn. 25 und vom 28. Februar 2007 XII ZR 37/05 FamRZ 2007, 793 Rn. 36) und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Senatsrechtsprechung zur Anpassung von Unterhaltsvergleichen an eine
geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung Bezug genommen (BVerfG FamRZ 2003, 1821, 1825). Eine Anpassung von vertraglichen Unterhaltsvereinbarungen, die auf der früheren Rechtsprechung des Senats zur Bedarfsermittlung
durch Dreiteilung des zur Verfügung stehenden Gesamteinkommens des Unterhaltspflichtigen und beider unterhaltsberechtigten
Ehegatten beruhen, kommt daher frühestens für solche Unterhaltszeiträume in Betracht, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 25. Januar 2011 nachfolgen, mithin für den Zeitraum seit dem 1. Februar 2011. Richtig ist deshalb auch der Hinweis der
Revisionserwiderung darauf, dass es für diese Beurteilung auf die vom Berufungsgericht erörterte Frage nach den Voraussetzungen
für die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit (§§
1585 b Abs.
2,
1613 Abs.
1 BGB) nicht einmal angekommen wäre.
b) Mit Recht wendet sich die Revision indessen gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, der Beklagten einen Unterhaltsanspruch
auch für die Zeit ab dem 1. Februar 2011 zu versagen.
Richtig ist im Ausgangspunkt, dass die Anpassung einer Unterhaltsvereinbarung an veränderte Verhältnisse nicht schematisch
und automatisch erfolgt, sondern nur dann, wenn dem benachteiligten Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nach
Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann. Die in diesen Zusammenhang zu stellenden Zumutbarkeitserwägungen des Berufungsgerichts
können dessen Entscheidung, die Beklagte an dem Teilvergleich vom 1. Februar 2010 und damit an der vollständigen Aberkennung
des Unterhaltsanspruches festzuhalten, allerdings nicht tragen. Die Anpassung eines Unterhaltstitels an veränderte Umstände
kann sowohl von dem Unterhaltspflichtigen als auch von dem Unterhaltsberechtigten verlangt werden. Der Anpassungsanspruch
des Unterhaltsberechtigten würde aber weitgehend ausgehöhlt werden, wenn man ihm im Anpassungsverfahren ohne weiteres entgegenhalten
könnte, er habe seine Lebensführung während der hier nicht einmal besonders langen Geltungsdauer der Unterhaltsvereinbarung
auf das bisherige geringe Unterhaltsniveau oder sogar auf das Ausbleiben von Unterhaltszahlungen einrichten können. Auch der
Hinweis des Berufungsgerichts auf die "relativ geringe" Höhe des sich nunmehr zugunsten der Beklagten ergebenden Unterhaltsanspruches
vermag insoweit nicht zu überzeugen, zumal sich das Berufungsgericht damit auch in Widerspruch zu seinen eigenen Ausführungen
betreffend die vorherigen Unterhaltszeiträume setzt. Seine Entscheidung, der Beklagten den zur Höhe von monatlich 138 € errechneten
Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen für den Zeitraum bis zum 29. Juli 2008 zu gewähren, hat das Berufungsgericht
insbesondere damit begründet, dass die finanziellen Verhältnisse der Beklagten keineswegs so günstig gestaltet seien, dass
der Wegfall ihres Unterhaltsanspruchs keine spürbaren Auswirkungen auf ihren Lebensstandard hätte. Dann ist es nicht nachvollziehbar,
warum bei einem Wegfall des Unterhaltsanspruches im Jahre 2011 insoweit eine abweichende Beurteilung geboten sein sollte,
zumal das Berufungsgericht selbst davon ausgeht, dass sich für den Unterhaltszeitraum seit Februar 2011 für die Beklagte rechnerisch
ein Unterhaltsanspruch in vergleichbarer Höhe ergeben würde.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen auch nicht deshalb
als richtig, weil die im Rahmen der Anpassung des Prozessvergleiches zu berücksichtigenden Maßstäbe des §
1578 b BGB eine Begrenzung des Unterhalts geboten hätten.
aa) Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass bei einem Altersrentner rechtlich erhebliche ehebedingte
Nachteile nicht mit den durch die Unterbrechung oder die Aufgabe der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursachten geringeren
Rentenanwartschaften begründet werden können, wenn für diese Zeit ein Versorgungsausgleich stattgefunden hat. Nachteile in
der Versorgungsbilanz sind dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit vollständig ausgeglichen (grundlegend
Senatsurteil vom 16. April 2008 XII ZR 107/06 FamRZ 2008, 1325 Rn. 43). Einen Sachverhalt, der eine Ausnahme von dieser Regel rechtfertigen könnte (vgl. etwa Senatsurteil vom 4. August
2010 XII ZR 7/09 FamRZ 2010, 1633 Rn. 25: Versorgungsausgleich erfasst nur einen Teil der Ehezeit) hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und die Beklagte
nicht geltend gemacht.
bb) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht allerdings in der Beurteilung, dass die Voraussetzungen für eine Begrenzung
des Unterhaltsanspruches schon deshalb gegeben seien, weil aufseiten der Beklagten keine fortwirkenden ehebedingten Nachteile
vorlägen und allein der langen Ehedauer keine entscheidende Bedeutung mehr beizumessen sei. Damit trägt das Berufungsgericht
dem Umstand, dass §
1578 b BGB nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile beschränkt ist, sondern auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität
erfasst, nicht hinreichend Rechnung.
(1) Der Senat hat mehrfach betont, dass auch dann, wenn keine ehebedingten Nachteile feststellbar sind, eine Herabsetzung
oder Befristung des nachehelichen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen
Lebensverhältnissen begründet ist. Es ist Aufgabe des Tatrichters, bei der insoweit gebotenen Billigkeitsabwägung das im Einzelfall
gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen. In solchen Fällen, in denen die fortwirkende nacheheliche Solidarität
den wesentlichen Billigkeitsmaßstab bildet, gewinnt die Ehedauer durch die wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere
durch den Verzicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder wegen der Haushaltsführung
eingetreten ist. Schon dieser Gesichtspunkt kann in Fällen, in denen keine ehebedingten Nachteile vorliegen, aus Billigkeitsgründen
gegen eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts sprechen (vgl. Senatsurteile vom 11. August 2010 XII ZR 102/09 FamRZ 2010, 1637 Rn. 48 und vom 6. Oktober 2010 XII ZR 202/08 FamRZ 2010, 1971 Rn. 33).
(2) Die vorgenannten, von der Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsätze erfahren auch durch die am 1. März 2013 in
Kraft getretene Neufassung des §
1578 b Abs.
1 BGB (vgl. Art. 3 und Art. 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Durchführung des Haager Übereinkommens vom 23. November 2007 über die internationale Geltendmachung der
Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen sowie zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des internationalen
Unterhaltsverfahrensrechts und des materiellen Unterhaltsrechts vom 20. Februar 2013, BGBl. I S. 273) keine grundlegenden Änderungen.
Nach §
1578 b Abs.
1 Satz 2
BGB ist nunmehr das Tatbestandsmerkmal der Ehedauer als weiterer konkret benannter Billigkeitsmaßstab neben das Bestehen ehebedingter
Nachteile getreten. Demgegenüber ist der Begriff der "Dauer der Ehe" bei der beispielhaften Aufzählung der Gründe für das
Entstehen ehebedingter Nachteile (§
1578 b Abs.
1 Satz 3
BGB) gestrichen worden, da es einer zusätzlichen Erwähnung der Ehedauer in diesem Zusammenhang nicht mehr bedurfte. In der Gesetzesbegründung
wird dazu ausdrücklich hervorgehoben, dass die tatbestandliche Neufassung des §
1578 b Abs.
1 BGB eine (lediglich) klarstellende Funktion erfüllt, um einer dem Willen des Gesetzgebers der Unterhaltsrechtsreform 2008 nicht
entsprechenden und auch vom Bundesgerichtshof missbilligten Praxis entgegenzuwirken, beim Fehlen ehebedingter Nachteile automatisch
zu einer Begrenzung des Unterhaltsanspruches zu gelangen, ohne bei der Billigkeitsabwägung die sonstigen Umstände des Einzelfalls,
darunter insbesondere die lange Ehedauer, zu berücksichtigen (BT-Drucks. 17/11885 S. 5 f.). Aus der Begründung des Gesetzes
ergibt sich demgegenüber nicht, dass dem Begriff der "Dauer der Ehe" durch die Aufnahme als selbständiges Billigkeitskriterium
in §
1578 b Abs.
1 Satz 2
BGB ein anderer Inhalt hätte verliehen werden sollen und der Gesetzgeber den Begriff der Ehedauer abweichend von der in der Gesetzesbegründung
ausdrücklich in Bezug genommenen Senatsrechtsprechung zur Berücksichtigung der Ehedauer im Rahmen der nachehelichen Solidarität
interpretieren wollte (ebenso Borth FamRZ 2013, 165, 167). Es bleibt daher dabei, dass die Ehedauer ihren wesentlichen Stellenwert bei der Bestimmung des Maßes der gebotenen
nachehelichen Solidarität aus der Wechselwirkung mit der in der Ehe einvernehmlich praktizierten Rollenverteilung und der
darauf beruhenden Verflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse gewinnt (vgl. auch Born NJW 2013, 561, 562). Weiterhin rechtfertigt eine lange Ehedauer für sich genommen insbesondere dann keinen fortdauernden Unterhalt nach
den die eigene Lebensstellung übersteigenden ehelichen Lebensverhältnissen, wenn beide Ehegatten während der Ehe vollschichtig
berufstätig waren und die Einkommensdifferenz lediglich auf ein unterschiedliches Qualifikationsniveau zurückzuführen ist,
das bereits zu Beginn der Ehe vorlag (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 2010 XII ZR 202/08 FamRZ 2010, 1971 Rn. 21).
cc) Nach diesen Maßstäben kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben.
Im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach §
1578 b BGB wird der Ehedauer im vorliegenden Fall ein erhebliches Gewicht beizumessen sein, weil sich die Beklagte während der mehr
als dreiunddreißig Jahre währenden Ehezeit nach Lage der Dinge allein um die Führung des Haushalts und um die Betreuung der
beiden Kinder gekümmert haben dürfte. Andererseits folgt selbst aus dem Umstand, dass eine Hausfrauenehe von (sehr) langer
Dauer geführt worden ist, noch nicht zwangsläufig, dass die mit einer Herabsetzung oder Befristung verbundene Absenkung des
Lebensniveaus des Unterhaltsberechtigten stets unterbleiben müsste. Vielmehr sind im Rahmen der Billigkeitsabwägung auch alle
weiteren Umstände des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen. Insbesondere hat der Tatrichter zu ermitteln, wie dringend
der Unterhaltsberechtigte neben seinen eigenen Einkünften auf die Zahlung von Unterhalt angewiesen ist und in welchem Maße
der Unterhaltspflichtige auch unter Berücksichtigung weiterer, gegebenenfalls nachrangiger Unterhaltspflichten durch diese
Unterhaltszahlungen belastet wird (Senatsurteil vom 2. März 2011 XII ZR 44/09 FamRZ 2011, 713 Rn. 24); dabei wird insbesondere die Belastung des Unterhaltsschuldners durch die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen
Ehegatten mit zunehmender Dauer der Zweitehe an Gewicht gewinnen. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts lassen
eine solche umfassende Billigkeitsabwägung nicht zu, weil das Berufungsgericht aus seiner Sicht folgerichtig insbesondere
zu den Einkommensverhältnissen der Parteien im Unterhaltszeitraum seit dem 1. Februar 2011 und zur Unterhaltsbedürftigkeit
der zweiten Ehefrau des Klägers keine Feststellungen getroffen hat.
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die von einem Hauseigentümer zu tragenden verbrauchsunabhängigen
Kosten grundsätzlich nur dann von seinem Wohnvorteil abgezogen werden können, wenn es sich bei ihnen um nicht umlagefähige
Betriebskosten im Sinne von §
556 Abs.
1 BGB, §§ 1, 2 BetrKV handelt (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 XII ZR 78/08 FamRZ 2009, 1300 Rn. 29 ff.).