Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung; Angemessenheit der Unterkunftskosten; Mietkosten
für einen Lagerraum
Gründe:
I. Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere wegen der Mietkosten für einen Lagerraum,
der während der unbestimmten Zeit der Unterkunft in einer Übergangswohnanlage der Einlagerung von persönlichen Gegenständen
dient.
Der im Jahre 1954 geborene Kläger ist allein stehend. Er bewohnt ein 19 qm großes Zimmer in einer Obdachlosenunterkunft. Hierfür
zahlt er monatlich eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 45,60 €, die auch Betriebs- und Heizkosten beinhaltet. Weitere persönliche
Gegenstände hat er in einer Garage bzw Scheune in A. untergebracht, für die er monatlich 150 DM (= 76,96 €) zahlt.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 1.1. bis 31.5.2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) in Form der Regelleistung
in Höhe von monatlich 345 € und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 44,02 € (45,60 € abzüglich der Kosten
für die Aufbereitung von Warmwasser in Höhe von 1,58 €), die sie direkt an die Stadt Sch. erbrachte. Die Beklagte lehnte es
aber ab, die Mietkosten der Scheune, die nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liege, nach § 22 SGB II zu übernehmen. Die Leistungen
für Unterkunft und Heizung würden nur das grundlegende Bedürfnis nach einem menschenwürdigen Wohnen betreffen. Mietkosten
für Unterkünfte, die der Unterbringung von Gegenständen dienten, seien daher nicht zu berücksichtigen. Unerheblich sei, dass
der Kläger die Gegenstände in seiner eigentlichen Wohnung nicht unterbringen könne. Bei den in Abzug gebrachten 1,58 € handele
es sich um den ermittelten Energieanteil für Warmwasser, der aus der Regelleistung zu bestreiten und somit von den Unterkunftskosten
abzusetzen sei (Bescheide vom 12.11.2004 und 27.1.2005; Widerspruchsbescheid vom 3.5.2005).
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Nürnberg abgewiesen (Urteil vom 17.8.2005). Auf die Berufung des Klägers hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das
Urteil des SG abgeändert und den Bescheid vom 27.1.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.5.2005 aufgehoben, weil es für
diese keine Rechtsgrundlage gebe. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger
könne wegen der Mietkosten für die Scheune keine höheren Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen. Diese diene nämlich
nicht als Unterkunft. Unabhängig davon sei die Scheune bereits seit 1997 angemietet. Damit werde sie nicht genutzt, um vorübergehend
Hausrat wegen Unterbringung in einer Übergangswohnanlage unterzustellen. Allenfalls dann käme eine Übernahme dieser zusätzlichen
Kosten in Betracht (Urteil vom 11.7.2006).
Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung des § 22 SGB II. Das
LSG habe die Kosten für den von ihm angemieteten Lagerraum zu Unrecht nicht berücksichtigt. Es seien auch die Aufwendungen
als Kosten der Unterkunft (KdU) zu übernehmen, die durch das Unterstellen von Möbeln entstünden. Denn die Leistungen nach
dem SGB II seien nach Sinn und Zweck keine Dauerleistungen. Vielmehr beinhalte dieses Gesetz die Grundsätze des Forderns und
Förderns, weshalb es auch auf die Mobilität des Hilfebedürftigen ankomme. Diese könne es erforderlich machen, für einen längeren
Zeitraum Möbel, Hausrat und andere persönliche Sachen auszulagern.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 11.7.2006 und das Urteil des SG Nürnberg vom 17.8.2005 sowie den Bescheid vom 12.11.2004
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.5.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.1.
bis 31.5.2005 Alg II in Form der Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich weiteren 76,96 € zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung der Vorinstanz für zutreffend.
II. Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG) begründet.
Nach den bisherigen Feststellungen der Vorinstanz kann nicht abschließend entschieden werden, ob dem Kläger höhere Leistungen
für Unterkunft und Heizung - insbesondere wegen der Anmietung eines Lagerraums - zustehen.
1. Streitgegenstand ist nur noch der Bescheid vom 12.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.5.2005, soweit
es die Beklagte damit abgelehnt hat, dem Kläger für die Zeit vom 1.1. bis 31.5.2005 Leistungen für Unterkunft und Heizung
in Höhe von monatlich weiteren 76,96 € zu gewähren. Diese Begrenzung des Streitgegenstands im Revisionsverfahren ist möglich,
da es sich hinsichtlich der KdU um eine abtrennbare Verfügung handelt (vgl BSG, Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R; BSG, Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R; BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 19 ff). Im Revisionsantrag des Klägers liegt auch eine zweifelsfreie und ausdrückliche Erklärung,
den umfassenden Prüfungsumfang auf derartige Leistungen inhaltlich beschränken zu wollen (vgl BSG, Urteil vom 19.3.2008 -
B 11b AS 23/06 R = SozR 4-4200 § 24 Nr 3).
2. Gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II idF von Art 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003
(BGBl I 2954) werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen
sind. Ist es wegen der Größe der konkreten Unterkunft erforderlich, vorübergehend nicht benötigten, angemessenen Hausrat und
persönliche Gegenstände anderweitig unterzubringen, können auch die angemessenen Kosten einer Einlagerung etc Teil der Unterkunftskosten
sein.
a) Der Wortlaut der Regelung steht dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch nicht entgegen. Der Gesetzgeber verwendet in
§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht den Begriff der Wohnung, sondern den seinem Wortsinn nach tendenziell weiteren Begriff der
Unterkunft. Nicht berücksichtigungsfähig sind daher die Kosten für Geschäftsräume, die nicht der Verwirklichung privater Wohnbedürfnisse
dienen (BSG SozR 4-4200 § 16 Nr 1 RdNr 15; Rothkegel in Gagel, SGB II, § 22 RdNr 10). Ein derartiger geschäftlicher Zweck
wird jedoch vom Kläger durch die Anmietung der zusätzlichen Räumlichkeit nicht verwirklicht, weil er ihn jedenfalls zur Unterbringung
privater Gegenstände nutzt.
Der Wortlaut des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II verlangt auch nicht, dass nur die innerhalb eines Gebäudekomplexes gelegenen Räumlichkeiten
als Unterkunft aufzufassen sind. Anknüpfend an das sozialhilferechtliche Schrifttum umfasst der Begriff der Unterkunft alle
baulichen Anlagen oder Teile hiervon, die geeignet sind, Schutz vor der Witterung zu bieten und einen Raum der Privatheit
zu gewährleisten (Piepenstock in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 22 RdNr 28; Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 22 RdNr
12; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 15; Frank in GK-SGB II, § 22 RdNr 5). Dem insoweit offenen Begriff
der Unterkunft können deshalb auch Sachverhalte zugeordnet werden, bei denen die unterschiedlichen privaten Wohnzwecke in
räumlich voneinander getrennten Gebäuden verwirklicht werden. Dies gilt jedenfalls, wenn - wie vorliegend - ein räumlicher
Zusammenhang gewahrt bleibt, der eine Erreichbarkeit durch den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gewährleistet.
b) Auch der Zweck der Regelung steht der Übernahme von Einlagerungskosten nicht grundsätzlich entgegen. Ziel der Vorschrift
ist es, die existentiell notwendigen Bedarfe der Unterkunft sicherzustellen (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl
2008, § 22 RdNr 15c). Diese Zielsetzung findet ihren Ausdruck darin, dass der Gesetzgeber dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
Leistungen für Unterkunft zubilligt, wenn sie der Höhe nach angemessen sind. Aufwendungen für eine Unterkunft sind dann angemessen,
wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard
aufweist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 3 RdNr 20). Die Norm dient mithin erkennbar dazu, den Berechtigten ein menschenwürdiges
Leben zu ermöglichen, indem die Kosten für eine Wohnung als Bestandteil des soziokulturellen Existenzminimums übernommen werden
(Bieresborn in jurisPR-SozR 12/2007 Anm 2).
Der erkennende Senat geht davon aus, dass dieser Bedarf nicht schon dann sichergestellt ist, wenn die Kosten für eine Unterkunft
übernommen werden, die lediglich das Bedürfnis nach Schutz vor der Witterung und Schlaf befriedigt. Vielmehr muss die Unterkunft
auch sicherstellen, dass der Hilfebedürftige seine persönlichen Gegenstände verwahren kann. Deshalb kommen Konstellationen
in Betracht, in denen der angemietete Wohnraum derart klein ist, dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass für die Unterbringung
von Gegenständen aus dem persönlichen Lebensbereich des Hilfebedürftigen (zB Kleidung, Hausratsgegenstände usw) in einem angemessenen
Umfang zusätzliche Räumlichkeiten erforderlich sind. Wird der den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zugebilligte Standard in
einem solchen Maße unterschritten, dass der Hilfebedürftige nicht mehr als ein "Dach über dem Kopf" hat, entspricht es den
Zielsetzungen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, den zuzubilligenden Standard ggfs durch die Anmietung eines weiteren Raumes sicherzustellen,
wenn hierdurch die im Rahmen der Produkttheorie einzuhaltende Grenze nicht überschritten wird.
Hierbei ist schließlich zu berücksichtigen, dass den Leistungen des SGB II - mithin auch den Leistungen für Unterkunft und
Heizung - nach der Konzeption des Gesetzes ein vorübergehender Charakter zukommt, denn die Grundsicherung für Arbeitsuchende
soll dazu beitragen, dass die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus
eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können (§ 1 Abs 1 SGB II). Der vorübergehende Charakter ließe es unwirtschaftlich erscheinen,
wenn die Hilfebedürftigen sich zum privaten Gebrauch bestimmter Gegenstände ohne nähere Prüfung allein mit Rücksicht auf eine
sparsame Mittelverwendung entledigen müssten. Andererseits folgt hieraus zugleich, dass es sich bei den eingelagerten Gegenständen
nicht nur um solche handeln muss, die dem persönlichen Lebensbereich des Hilfebedürftigen zuzuordnen sind. Vielmehr müssen
die Gegenstände den persönlichen Grundbedürfnissen des Hilfebedürftigen oder dem Wohnen dienen.
c) Der Auffassung des Senats, eine Unterkunft iS des § 22 Abs 1 SGB II könne auch durch getrennt voneinander gelegene Räumlichkeiten
gebildet werden, steht die bisherige Rechtsprechung des BSG nicht entgegen. Zwar hat der 14. Senat des BSG entschieden, dass
eine zusätzliche Garagenmiete regelmäßig nicht zu übernehmen ist, es sei denn, die Wohnung ist ohne die Garage nicht anmietbar
(BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2). Die genannte Entscheidung berührt den vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht, weil die vom Kläger
zusätzlich angemieteten Räumlichkeiten nicht der Unterstellung eines Pkw, sondern - jedenfalls nach dem Vortrag des Klägers
- der Unterbringung seiner persönlichen Gegenstände dient.
Ebenfalls klar abzugrenzen ist die vorliegende Gestaltung von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg
(Beschluss vom 16.6.2006 - L 10 B 488/06 AS ER; vgl auch Berlit in Rothkegel, Sozialhilferecht, S 261) zugrunde lag. Denn in dem genannten Verfahren hatte der erwerbsfähige
Hilfebedürftige zwei selbständig nutzbare Unterkünfte angemietet. Hingegen ergibt sich aus dem Zusammenhang der Feststellungen
des LSG, dass der vom Kläger dieses Verfahrens zusätzlich angemietete Raum nicht selbständig als Wohnung, sondern lediglich
als Raum für die Einlagerung von Gegenständen geeignet war.
d) Schließlich ist für den Kostenübernahmeanspruch grundsätzlich unerheblich, ob sich der zusätzlich angemietete Lagerraum
im Zuständigkeitsbezirk der Beklagten befindet. Probleme hinsichtlich der Zuständigkeit der Beklagten entstehen schon deswegen
nicht, weil nach § 36 Satz 2, § 44b SGB II die Arge zuständig ist, in deren Bezirk der Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen
Aufenthalt hat. Die Entfernung zwischen den Räumlichkeiten kann lediglich im Rahmen der Würdigung der tatsächlichen Umstände
ein Gesichtspunkt sein, der dagegen spricht, dass in dem zusätzlich angemieteten Raum tatsächlich persönliche Gegenstände
des Hilfebedürftigen untergebracht sind.
e) Die Anmietung mehrerer Räumlichkeiten entbindet den Grundsicherungsträger nicht von einer Prüfung der Angemessenheit der
Unterkunftskosten. Maßgebend für diese Prüfung ist zum einen die Höhe die Gesamtkosten der angemieteten Räumlichkeiten (so
auch Frank-Schinke in Linhart/Adolph, Stand Oktober 2007, § 22 SGB II RdNr 9). Anwendung findet auch hinsichtlich dieser Gesamtaufwendungen
die nach der Rechtsprechung des BSG heranzuziehende Produkttheorie (vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 33), wobei die Verhältnisse des Aufenthaltsorts des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen maßgebend
sind. Zum anderen bestimmt sich die Angemessenheit der Aufwendungen für einen zusätzlichen Raum zur Einlagerung von Gegenständen
jedoch auch danach, ob diese Gegenstände in einer nachvollziehbaren Relation zu dem Lebenszuschnitt des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
stehen. Es besteht zB kein Anspruch auf Übernahme der Unterkunftskosten, wenn sie auf die Einlagerung von Gegenständen zurückzuführen
sind, die das Ergebnis einer ausgesprochenen Sammlerleidenschaft oder unvernünftiger Vorratshaltung sind. Schließlich darf
es sich nicht um Gegenstände handeln, die der Hilfebedürftige als nicht geschützte Vermögensgüter vor der Inanspruchnahme
von Leistungen der Grundsicherung verwerten muss. Zudem muss die (isolierte) Miete für den zusätzlichen Lagerraum gemessen
am Wert der eingelagerten Güter wirtschaftlich sein.
3. Der Senat kann auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend darüber entscheiden, ob dem
Kläger Leistungen in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen für die angemietete Garage zustehen. Erforderlich sind unter Beachtung
der vorangegangenen Ausführungen Feststellungen insbesondere zu der Art der eingelagerten Gegenstände, die sich nach Art und
Umfang dem persönlichen Lebensbereich des Klägers zuordnen lassen müssen.
Ferner fehlen Feststellungen auch zur Angemessenheit der Gesamtaufwendungen der angemieteten Räumlichkeiten nach Maßgabe der
Produkttheorie. Die erforderlichen Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.