Umwandlung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Der Kläger, der seit dem 1.8.2019 Altersrente bezieht, begehrt für die Zeit vom 1.5.2015 bis zum 31.7.2019 die Umwandlung
der von ihm bezogenen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Beklagte lehnte nach medizinischen Ermittlungen den Antrag mit Bescheid vom 16.10.2015 und Widerspruchsbescheid vom 13.10.2016
ab. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21.11.2018 abgewiesen. Das LSG hat ua nach Einholung eines Gutachtens nach §
109 SGG mit dem angefochtenen Urteil die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 22.7.2021 hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und als Zulassungsgrund Verfahrensfehler (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) geltend gemacht.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Beschwerdebegründung
legt keinen Zulassungsgrund iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise dar. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist.
Der Kläger macht geltend, das LSG habe seine Entscheidung auf eigene Sachkunde gegründet, ohne deren Grundlagen zu offenbaren.
Es habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, weil es aufgrund eigener Sachkunde von den Feststellungen in ärztlichen
Gutachten und Befundberichten abgewichen sei. So habe das LSG falsche Schlüsse aus einem Bericht des J-Krankenhauses gezogen,
in dem eine "normale linksventrikuläre Globalfunktion", aber auch eine "diastolische Dysfunktion 2. Grades" bescheinigt worden
sei. Die im Gutachten des nach §
109 SGG gehörten Sachverständigen G geäußerten Einschätzungen zu seiner Multimorbidität und eingeschränkten Leistungsfähigkeit habe
das Gericht ignoriert. Angesichts seiner ausgeprägten Herzerkrankung und der hohen Mortalitätsprognose, die das LSG völlig
ausgeblendet habe, bestehe keine vollschichtige Leistungsbereitschaft. Das im Widerspruchsverfahren eingeholte internistische
Gutachten, das das LSG herangezogen habe, sei nicht verwertbar, ua weil es sich nicht mit den Vorgutachten auseinandersetze.
Das LSG habe weder seine Wertung im Vorfeld zu erkennen gegeben, noch den Kläger persönlich geladen, noch G in der mündlichen
Verhandlung gehört.
Mit diesem Vorbringen legt die Beschwerdebegründung keine unvorhersehbare Anmaßung eigener Sachkunde des Gerichts dar. Vielmehr
hat danach das LSG nur das getan, was seine Aufgabe ist, nämlich ausgehend von einem bestimmten Rechtsstandpunkt eine Beweiswürdigung
anhand der festgestellten medizinischen Tatsachen vorzunehmen und die Erwerbsminderung selbst zu beurteilen (vgl BSG Beschluss vom 27.4.2021 - B 13 R 125/20 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 12.11.2019 - B 9 SB 58/19 B - juris RdNr 8). Der Kläger wendet sich mit seinem Vortrag im Kern gegen die - aus seiner Sicht unzutreffende - Beweiswürdigung durch das
LSG, die nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG der Nachprüfung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich entzogen ist.
Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum die Bewertung des LSG nach dem Verfahrensablauf für den Kläger überraschend gewesen
sein könnte. Art
103 Abs
1 GG gebietet den Gerichten grundsätzlich nicht, bereits vor der Entscheidung auf ihre Rechtsauffassung hinzuweisen (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 24.10.2007 - 1 BvR 1086/07 - juris RdNr 21; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - juris RdNr 26). Dementsprechend gibt es auch im einfachrechtlichen Prozessrecht keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht
verpflichten würde, die Beteiligten auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche
Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit ihnen zu erörtern (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 9.10.2014 - B 13 R 157/14 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 2.3.2021 - B 5 RE 18/20 B - juris RdNr 22 - jeweils mwN). Besondere Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass sich das LSG bei seiner Beweiswürdigung und Entscheidungsfindung
auf einen Gesichtspunkt gestützt hat, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen
Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl dazu BVerfG <Kammer> Beschluss vom 3.5.2021 - 2 BvR 1176/20 - juris RdNr 21 mwN), sind in der Beschwerdebegründung nicht vorgetragen.
Sofern der Kläger beanstandet, das LSG habe sich keinen persönlichen Eindruck von ihm verschafft, enthält die Beschwerdebegründung
zu einem daraus resultierenden Verfahrensfehler keine weiteren Ausführungen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens steht
grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, wobei ein großer Entscheidungsspielraum besteht (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.4.2021 - B 8 SO 23/20 BH - juris RdNr 10 mwN).
Die Rüge, es hätte G in der mündlichen Verhandlung gehört werden müssen, bezeichnet ebenfalls nicht hinreichend einen Verfahrensfehler.
Sie betrifft die Amtsermittlungspflicht des LSG. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach §
103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des
LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden
Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten. Hierzu gehört nach ständiger
Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung
gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl BSG Beschluss vom 17.11.2021 - B 1 KR 4/21 BH - juris RdNr 11). Daran fehlt es hier.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.