Mitgliedschaft eines landwirtschaftlichen Unternehmers in der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung; Bodenbewirtschaftung
beim Mähen einer Wiese
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten umstritten.
Der Kläger ist Eigentümer eines Wiesengrundstücks von 0,4163 ha, das zwei Mal jährlich gemäht wird. Das Schnittgut dient allein
der Heugewinnung. Mit Bescheid der Lippischen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (BG; Rechtsvorgängerin der Beklagten)
vom 18.4.1980 wurde er in deren Unternehmerverzeichnis (Kataster) aufgenommen. Seinen im August 2006 gestellten Antrag, den
Aufnahmebescheid zurückzunehmen und das Ende der Mitgliedschaft festzustellen, lehnte die Beklagte ab, weil das Grünland zur
Erhaltung des Kulturzustandes gepflegt werde (Bescheid vom 13.9.2006, Widerspruchsbescheid vom 20.12.2006).
Das SG Detmold hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 26.9.2008). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung zurückgewiesen
(Urteil vom 2.6.2010). Der Kläger habe seit 1.1.1980 ein Unternehmen der Landwirtschaft betrieben. Zwar liege eine planmäßige
Aufzucht und Aberntung von Bodengewächsen nicht vor. Die Eigenschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer entfalle aber erst
dann, wenn entweder die Bodenfläche im Wesentlichen Ödland sei und landwirtschaftlich nicht genutzt werden könne oder die
Bodenbewirtschaftung auf Dauer eingestellt werde. Eine zeitliche Geringfügigkeitsgrenze habe unter der Geltung der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) nicht bestanden. Die mit dem
SGB VII mit Wirkung ab 1.1.1997 eingeführten Bagatellgrenzen seien überschritten.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung der §§ 776 Abs 1 Nr 1
RVO und
123 Abs
1 Nr
1 SGB VII. Er sei kein landwirtschaftlicher Unternehmer, da es an einer Bodenbewirtschaftung zur Gewinnung landwirtschaftlicher Erzeugnisse
fehle. Das Grundstück würde allein gemäht, um im Sinne landschaftspflegerischer Aktivitäten den Kulturzustand zu erhalten,
Beeinträchtigungen Dritter durch Samenflug zu vermeiden und für Fahrzeugführer die Sicht auf angrenzende Straßen freizuhalten.
Das Schnittgut sei für ihn unerwünschter Abfall.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Juni 2010 und des Sozialgerichts Detmold vom 26. September
2008 sowie die Ablehnungsentscheidungen der Beklagten im Bescheid vom 13. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 20. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 18. April 1980,
hilfsweise dessen Aufhebung für die Zeit ab 1. Januar 1997 festzustellen, dass er nicht Mitglied der Beklagten ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Bodenbewirtschaftung umfasse alle Bestellungs-, Pflege-, und Aberntungstätigkeiten
einschließlich der Bearbeitung und Düngung des Bodens. Der nur geringe Arbeitsaufwand des Klägers sei unerheblich.
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Ablehnungsentscheidungen der Beklagten im Bescheid vom 13.9.2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen
Anspruch auf Rücknahme oder Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 18.4.1980 und Feststellung seiner Nicht-Mitgliedschaft bei
der Beklagten.
Die angefochtene Feststellung der Beklagten, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftigen Aufnahmeentscheidung
vom 18.4.1980 wegen anfänglicher Unrichtigkeit und das hierauf gerichtete Verpflichtungsbegehren des Klägers beurteilen sich
nach § 44 Abs 2 SGB X. Der hierzu nachrangige Anspruch auf Aufhebung der Aufnahmeentscheidung wegen einer im Nachhinein eingetretenen nachträglichen
Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse richtet sich hingegen nach § 48 Abs 1 SGB X. Diese Vorschriften werden nicht durch die Regelungen des §
136 Abs
1 Satz 4 iVm Abs
2 SGB VII als leges speciales verdrängt, die lediglich die Überweisung von Unternehmen und damit die Beziehungen der Unfallversicherungsträger
zueinander betreffen.
Nach § 44 Abs 2 SGB X ist ein nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für
die Zukunft zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von
einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist; er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen
werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es ist weder geltend gemacht worden noch erkennbar, dass die Beklagte bei
der Aufnahme des Klägers in das Unternehmerverzeichnis von einem Sachverhalt ausgegangen sein könnte, der sich (nachträglich)
als unrichtig erweist. Sie hat auch das Recht nicht unrichtig angewandt. Ihre Entscheidung im Bescheid vom 18.4.1980, den
Kläger als landwirtschaftlichen Unternehmer im Kataster zu führen, entsprach der damaligen Sach- und Rechtslage.
Der Verwaltungsakt, dessen Rücknahme begehrt wird, muss von Anfang an rechtswidrig sein. Maßgeblich ist daher das Recht, das
für den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes vom 18.4.1980 gilt, hier das der
RVO. Nach § 792 iVm § 658 Abs 1
RVO war jeder Unternehmer Mitglied der sachlich zuständigen BG, dessen Unternehmen seinen Sitz im örtlichen Zuständigkeitsbereich
der BG hatte. Unternehmer war gemäß § 658 Abs 2 Nr 1
RVO derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen (Betrieb, Einrichtung oder Tätigkeit) ging. Von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung
waren nach § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 1
RVO Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaus umfasst, es sei denn, es handelte sich
um Haus-, Zier- oder andere Kleingärten, die weder regelmäßig noch in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet
wurden und deren Erzeugnisse hauptsächlich dem eigenen Haushalt dienten (§ 778
RVO). Auf der Grundlage dieser Vorschriften ist der Kläger zu Recht zum 1.1.1980 selbst versichertes und beitragspflichtiges
Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beklagten geworden.
Sein unfallversicherungsrechtlicher Rechtsstatus als landwirtschaftlicher Unternehmer war nicht von vornherein deswegen ausgeschlossen,
weil er unter die Spezialvorschrift des § 778
RVO, einer Ausnahmeregelung für Ziergärten, Hausgärten und andere Kleingärten, gefallen wäre. Bei dem Wiesengrundstück von 0,4163
ha handelt es sich offenkundig nicht um einen der Verschönerung dienenden Ziergarten. Da seine Nutzung nicht auf den häuslichen
Bedarf ausgerichtet ist, stellt es auch keinen Hausgarten dar. Schließlich scheidet ein anderer Kleingarten aus, denn selbst
die ursprünglich vom Reichsversicherungsamt angenommene Obergrenze von 2.500 m² (vgl hierzu BSG vom 31.1.1989 - 2 RU 30/88 - BSGE 64, 252, 254 = SozR 2200 § 778 Nr 2 S 7) ist überschritten.
Durch das Mähen des Wiesengrundstücks wurde ein "Unternehmen" im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung begründet. Der
Begriff des Unternehmens ist durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30.4.1963 (BGBl I, 241) als Sammelbegriff
für Betriebe, Einrichtungen und Tätigkeiten ausgestaltet worden. Die Aufzählung im Klammerzusatz des § 658 Abs 2 Nr 1
RVO macht deutlich, dass unter einem Unternehmen nicht nur ein Betrieb im herkömmlichen wirtschaftlichen Sinne zu verstehen ist.
Der unfallversicherungsrechtliche Begriff des Unternehmens knüpft nicht an eine bestimmte Rechtsform oder das Vorliegen einer
organisato- rischen Einheit an und setzt weder einen Geschäftsbetrieb noch eine auf Erwerb oder Gewinn- erzielung gerichtete
Tätigkeit voraus (BSG vom 5.8.1976 - 2 RU 189/74 - BSGE 42, 126, 128 = SozR 2200 § 539 Nr 24 S 68; BSG vom 28.9.1999 - B 2 U 40/98 R - SozR 3-2200 § 776 Nr 5 S 12 f). Anders als nach § 1 Abs 3 des bis zum 31.12.1994 geltenden Gesetzes über eine Altershilfe
für Landwirte (GAL) kommt es auch nicht darauf an, dass das Unternehmen nach seiner Art und Größe eine Existenzgrundlage bilden
kann. Vielmehr ist in der gesetzlichen Unfallversicherung jede Tätigkeit geeignet, ein Unternehmen im Sinne der gesetzlichen
Unfallversicherung zu begründen. Dieser weite unfallversicherungsrechtliche Begriff des Unternehmens gilt auch für die landwirtschaftliche
Unfallversicherung. § 792
RVO bestimmt ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 658
RVO. Ein landwirtschaftliches "Unternehmen" im weiten unfallversicherungsrechtlichen Sinn liegt schon deshalb nicht nur dann
vor, wenn der Unternehmer einen landwirtschaftlichen Betrieb oder eine landwirtschaftliche Einrichtung führt.
Der Kläger betreibt das Unternehmen und ist damit "Unternehmer". Es geht für seine Rechnung (vgl § 658 Abs 2 Nr 1
RVO), denn ihm gereicht es unmittelbar zum wirtschaftlichen Vor- oder Nachteil (vgl BSG vom 7.11.2000 - B 2 U 42/99 R - juris RdNr 16 mwN). Nach seinem eigenen Vorbringen wird das Grundstück gemäht, um nachteilige Einwirkungen auf Dritte zu
vermeiden. Dass er die Wiese durch Dritte mähen lässt, berührt seine Eigenschaft als Unternehmer, dem dies zum Vorteil gereicht,
nicht (vgl BSG vom 5.5.1998 - B 2 U 30/97 R - BSGE 82, 132, 135 = SozR 3-2200 § 802 Nr 1 S 5).
Dieses Unternehmen des Klägers ist "landwirtschaftlicher" Natur. Der Begriff der "landwirtschaftlichen" Unternehmen ist im
Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gesetzlich definiert. Er erfasst nach dem Gesetz nicht nur bodenbewirtschaftende
Unternehmen. Soweit er sich auf solche bezieht, verlangt er schon nach seiner alltagssprachlichen Bedeutung, dass der Unternehmer,
der, wie der Kläger, keinen Betrieb und keine Einrichtung führt, wirtschaftende Tätigkeiten am "Land" durchführen lässt oder
durchführt. Daher ist landwirtschaftlicher Unternehmer, wer als Besitzer von Grundstücken (Eigentümer, Pächter, Nießbraucher
oder sonstige Nutzer) auf eigene Rechnung Tätigkeiten verrichtet oder verrichten lässt, die mit dem Boden in irgendeiner Art
wirtschaften (vgl BSG vom 7.11.2000 - B 2 U 42/99 R - juris RdNr 16 mwN). Hingegen reicht es nicht aus, dass jemand Eigentümer, Besitzer oder Nutzungsberechtigter an einem Grundstück
ist, ohne eine mit dem Boden wirtschaftende Tätigkeit zu entfalten (oder einen landwirtschaftlichen Betrieb, eine solche Einrichtung
oder eine darauf bezogene Verwaltung zu führen).
Das Abmähen der auf einem Grundstück gewachsenen Pflanzen ist (wie deren Anbau und die Bearbeitung des Bodens zwecks Pflanzenanbaus)
eine mit dem Boden wirtschaftende Tätigkeit. Zur Bodenbewirtschaftung zählt nicht nur die Bestellung des Bodens durch Säen
oder Pflanzen und seine Bearbeitung durch zB Pflügen, Düngen oder Bewässern. Sie umfasst vielmehr sämtliche Tätigkeiten, die
- wie hier - dem Abschneiden von Bodengewächsen oder der Gewinnung von Bodenerzeugnissen dienen. Unerheblich ist, ob die Bodenerzeugnisse
auf einer Aufzucht beruhen und zu welchem Zweck sie gewonnen werden. Auch das Mähen von Gras zur Heugewinnung ohne weitere
Verwendung des Heus gehört damit zu den landwirtschaftlichen Tätigkeiten (vgl BSG vom 17.2.1971 - 7/2 RU 124/67 - BSGE 32, 211, 212 = SozR Nr 1 zu § 815
RVO). Der bloße Besitz eines Grundstücks mit Pflanzenbewuchs macht also den Eigentümer, Pächter oder sonstigen Nutzungsberechtigten
noch nicht zum landwirtschaftlichen Unternehmer. Die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung wird, soweit
kein Betrieb, keine Einrichtung und keine Verwaltung geführt wird, erst durch die Verrichtung einer bodenbewirtschaftenden
Tätigkeit begründet, die ihrer Art nach eine unfallversicherte Tätigkeit sein kann.
Anderes ergibt sich nicht aus § 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG). Danach ist Landwirt, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt,
das die Mindestgröße erreicht (Abs 2 Satz 1). Zur erforderlichen Bodenbewirtschaftung gehören diejenigen wirtschaftlichen
Tätigkeiten von nicht ganz kurzer Dauer, die der Unternehmer zum Zwecke einer überwiegend planmäßigen Aufzucht von Bodengewächsen
ausübt (Abs 4 Satz 2 Halbs 1). Es kann dahingestellt bleiben, wie der Begriff "Aufzucht" zu verstehen ist, ob er ein aktives
Tun durch Eingriff in das natürliche Geschehen voraussetzt und das bloße wilde Wachsen nicht gesäten Grases nicht erfasst.
Die Vorschrift des § 1 Abs 2 Satz 1 und Abs 4 Satz 2 Halbs 1 ALG ist bei der Feststellung eines landwirtschaftlichen Unternehmens im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht anwendbar.
Das ALG ist durch Art 1 des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (ASRG 1995) vom 29.7.1994 (BGBl I, 1890) mit Wirkung zum 1.1.1995 eingeführt worden. Eine
§ 1 Abs 2 Satz 1 und Abs 4 Satz 2 Halbs 1 ALG entsprechende Regelung sah das GAL nicht vor. Obwohl durch Art 8 ASRG 1995 zugleich auch das Dritte Buch der
RVO über die Gesetzliche Unfallversicherung geändert worden ist, hat der Gesetzgeber davon abgesehen, ausdrücklich oder durch
Verweisung auf das ALG jene Definition des Begriffs der Bodenbewirtschaftung in das Unfallversicherungsrecht des Dritten Buches der
RVO zu übernehmen.
Auch nach der Gesetzessystematik wurden nach § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 1
RVO grundsätzlich sämtliche Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft in die landwirtschaftliche Unfallversicherung einbezogen.
Lediglich Haus-, Zier- und andere Kleingärten gelten nach § 778
RVO nicht als landwirtschaftliche Unternehmen. Dieses Regelungskonzept bestätigt, dass sich die landwirtschaftliche Unfallversicherung
mangels zumindest begrifflicher Erläuterung des landwirtschaftlichen Unternehmens auf sämtliche bodenbewirtschaftenden Unternehmen
mit Ausnahme von Haus-, Zier- und anderen Kleingärten erstreckt. Damit wird dem Anliegen Rechnung getragen, die betrieblichen
Risiken der Landwirtschaft so weit wie möglich abzudecken.
Die Mitgliedschaft des landwirtschaftlichen Unternehmers in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung begründet seinen eigenen
Versicherungsschutz bei Verrichtung einer Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer sowie den seiner Beschäftigten und
"WieBeschaftigten" in dieser Versicherung. Nach § 539 Abs 1 Nr 5
RVO waren Unternehmer gegen Arbeitsunfall versichert, solange und soweit sie als solche Mitglieder einer landwirtschaftlichen
BG waren. Für diesen Personenkreis wurde entgegen der Regel, dass Unternehmer nicht versichert sind, ein berechtigtes Interesse
an einem Unfallversicherungsschutz angenommen (vgl BT-Drucks IV/120 S 51 zu § 539). Dieses berechtigte Interesse besteht unabhängig
von der Größe des landwirtschaftlichen Unternehmens und der Art der landwirtschaftlichen Tätigkeit. Auch solche bodenbewirtschaftende
Tätigkeiten, die nicht der Aufzucht von Bodengewächsen dienen, kann der Gesetzgeber in die Unfallversicherung einbeziehen,
da ihnen ein nicht unwesentliches Unfallrisiko eigen ist. § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 1
RVO stellt auf die umfassende Organisationseinheit "Unternehmen" iS des § 658 Abs 2 Nr 1
RVO ab, ohne Grenzen oder Einschränkungen festzulegen. Nur Tätigkeiten in Haus-, Zier- oder anderen Kleingärten sind nach § 778
RVO unter den dort genannten Voraussetzungen von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ausgenommen worden (vgl BSG vom
12.6.1980 - 2 BU 175/88 - juris RdNr 8).
Mit der vorliegenden Entscheidung weicht der Senat nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Es ist zwar zutreffend,
dass in früheren Urteilen solche (regelmäßigen) Tätigkeiten als von einem landwirtschaftlichen Unternehmen umfasst bezeichnet
wurden, die von nicht ganz kurzer Dauer und dazu bestimmt waren, Bodengewächse überwiegend planmäßig aufzuziehen und abzuernten
(vgl zuletzt BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 51/02 R - juris RdNr 17; BSG vom 6.5.2003 - B 2 U 37/02 R - juris RdNr 16; BSG vom 7.11.2000 - B 2 U 28/99 R - juris RdNr 16 und B 2 U 42/99 R - juris RdNr 19, jeweils mwN). Damals waren aber nur Fallgestaltungen zu beurteilen, in denen die planmäßige Aufzucht und
das regelmäßige Abernten von Bodengewächsen festgestellt oder die landwirtschaftliche Fläche verpachtet war. Diese tatsächlichen
Feststellungen wurden lediglich als eine hinreichende Bedingung für ein "landwirtschaftliches Unternehmen" angesehen. Hingegen
wurde nicht gesagt, dass dies eine notwendige Voraussetzung für die Annahme eines landwirtschaftlichen Unternehmens wäre.
Notwendig ist allein eine im genannten Sinn mit dem Boden wirtschaftende Tätigkeit. Deshalb kommt es nach den abschließenden
Ausnahmeregelungen des Gesetzes für Zier-, Haus- und andere Kleingärten, bei denen dieser Aspekt berücksichtigt wird, grundsätzlich
auch nicht darauf an, ob die Bodenbewirtschaftung nur einen geringfügigen Arbeitsaufwand erfordert. Gleichwohl kann offen
bleiben, ob bei Tätigkeiten an anderen Grundstücken als Zier-, Hausund Kleingärten bezogen auf den Arbeitsaufwand bei der
Bodenbewirtschaftung eine allgemeine Geringfügigkeits- oder Bagatellgrenze für ganz geringfügige Tätigkeiten besteht (zuletzt
auch offen gelassen in BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 51/02 R - juris RdNr 21 und vom 6.5.2003 - B 2 U 37/02 R - juris RdNr 17). Der mit dem (hier zweimaligen) Mähen der 0,4163 ha großen Fläche verbundene Arbeitsaufwand kann jedenfalls
nicht mehr als ganz geringfügig bezeichnet werden.
Zwar hat der Senat im Beschluss vom 25.10.1989 (2 BU 99/89) ausgeführt, dass das gelegentliche Mähen einer Wiese zur Abwehr eventueller Beschwerden der Nachbarn über Unkrautsamenflug
ohne weitere Nutzung des abgemähten Grases nicht geeignet ist, ein landwirtschaftliches Unternehmen zu begründen. Zu entscheiden
war aber über ein verwahrlostes Wiesengrundstück von nur 0,35 ha, das lediglich hin und wieder durch den fünfzehnjährigen
Enkelsohn des Klägers gemäht wurde. Ob das Abmähen von Gras auf einer Wiese für sich allein eine landwirtschaftliche unternehmerische
Tätigkeit darstellt, hat der Senat jedoch wegen des vom LSG tatsächlich und bindend festgestellten geringfügigen Arbeitsaufwandes
des Enkels ausdrücklich offen gelassen. Soweit der Beschluss in eine von diesem Urteil abweichende Richtung weisen kann, wird
an ihm nicht festgehalten.
Die Ablehnung des erhobenen Anspruchs auf Aufhebung der Aufnahmeentscheidung im Bescheid vom 18.4.1980 ist mangels einer wesentlichen
nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung
vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (Abs
1 Satz 2 Nr 1). Eine Änderung in diesen Verhältnissen ist wesentlich, wenn der Verwaltungsakt, so wie er ursprünglich nach
der damaligen Sach- und Rechtslage zu Recht erlassen wurde, nach der neuen Sach- und Rechtslage nicht mehr ergehen dürfte
(BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 21/06 R - SozR 4-1300 § 48 Nr 11 RdNr 11 mwN).
Gegenüber den Verhältnissen, die bei Erlass des Aufnahmebescheids vom 18.4.1980 vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung
tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht eingetreten. Dass das Wiesengrundstück mittlerweile nicht mehr gemäht würde, ist
weder vom LSG festgestellt noch vom Kläger vorgetragen worden. Eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen
ist nicht darin zu erblicken, dass das Dritte Buch der
RVO zum 1.1.1997 durch das
SGB VII abgelöst worden ist. An die Stelle der bis zum Jahre 1996 geltenden §§ 792 iVm 658 Abs 2 Nr 1, § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und § 778
RVO sind zum 1.1.1997 die inhaltsgleichen Vorschriften der §§ 121 Abs 1,
123 Abs
1 Nr
1 und Abs
2 sowie §
136 Abs
3 Nr
1 SGB VII getreten. Auch danach ist die Nutzung des Grundstücks durch den Kläger als landwirtschaftliches Unternehmen zu qualifizieren
und er als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied der Beklagten (§
130 Abs
1 Satz 1
SGB VII).
Gemäß §
121 Abs
1 SGB VII umfasst der unfallversicherungsrechtliche Begriff des Unternehmens Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und Tätigkeiten.
Diese Vorschrift betrifft nicht nur die gewerblichen BGen, obwohl der Begriff des Unternehmens in der die Zuständigkeit der
landwirtschaftlichen BGen regelnden Bestimmung des §
123 Abs
1 SGB VII als "landwirtschaftliches Unternehmen" beschrieben wird. Nach §
123 Abs
2 SGB VII sind von den landwirtschaftlichen Unternehmen aber nur Haus-, Zier- und andere Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes
ausgeschlossen, es sei denn, sie werden regelmäßig oder in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet
oder ihre Erzeugnisse dienen nicht hauptsächlich dem eigenen Haushalt. Daher ist auch nach dem Recht des
SGB VII jede den Boden bewirtschaftende Tätigkeit geeignet, ein Unternehmen zu begründen. Eine Begrenzung des landwirtschaftlichen
Unternehmens auf Betriebe, Verwaltungen und Einrichtungen war mit der Einführung des
SGB VII nicht verbunden (vgl BT-Drucks 13/2204 S 104 zu §
123 Abs 1).
Unternehmer ist nach §
136 Abs
3 Nr
1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Die Abweichung vom Wortlaut des
§ 658 Abs 2 Nr 1
RVO bedeutet ebenso keine sachliche Änderung, sondern die Übernahme der dazu ergangenen Rechtsprechung (vgl BSG vom 7.11.2000
- B 2 U 42/99 R - juris RdNr 22; BT-Drucks 13/2204 S 108 zu §
136 Abs
3). Auch der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmers wird im
SGB VII unverändert verwendet (vgl BT-Drucks aaO S 104 zu §
123 Abs
1). Allerdings räumt §
5 SGB VII den Unternehmern landwirtschaftlicher Unternehmen bis zu einer Größe von 0,12 ha (1.1.1997 bis zum 29.3.2005) oder 0,25 ha
(seit 30.3.2005) das Recht ein, die Befreiung von der Versicherung nach §
2 Abs
1 Nr
5 SGB VII zu beantragen. Die Größe der hier bewirtschafteten Fläche liegt indes erheblich über dieser Grenze. Eine Befreiung des Klägers
ist auch nicht verfügt worden.
Da der Kläger keinen Anspruch auf Rücknahme oder Aufhebung des Aufnahmebescheids vom 18.4.1980 hat, ist auch für die begehrte
Feststellung kein Raum.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Halbs 1
SGG iVm § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 63 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) und war für die Vorinstanzen abzuändern.
In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen in einem Rechtszug - wie hier - weder der Kläger noch der Beklagte zu den in §
183 SGG genannten Personen gehört, werden nach §
197a Abs
1 Satz 1
SGG Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben. Nach § 52 Abs 1 GKG ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung
der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten
Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs 3 GKG). Ein Streitwert von über 2.500.000 Euro darf nicht angenommen werden (§ 52 Abs 4 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert
von 5.000 Euro (Auffangstreitwert) anzunehmen (§ 52 Abs 2 GKG).
Für Rechtsstreitigkeiten um den zuständigen Unfallversicherungsträger hat der Senat den Streitwert auf das Dreifache des bei
dem bisherigen Unfallversicherungsträger angefallenen Jahresbeitrags, mindestens jedoch den vierfachen Auffangstreitwert beziffert.
Begründet wurde dies mit der erheblichen Bedeutung der Zuordnung eines Unternehmens zu einem bestimmten Unfallversicherungsträger
aufgrund der sich daraus ergebenden Beitragsbelastung, der zu erbringenden Präventionsleistungen nebst der damit einhergehenden
Überwachung und Beratung sowie der relativ hohen Voraussetzungen für eine Überweisung von einem Unfallversicherungsträger
zu einem anderen (Beschluss vom 28.2.2006 - B 2 U 31/05 R - SozR 4-1920 § 52 Nr 3 RdNr 10). Diese Gesichtspunkte sind jedenfalls im vorliegenden Verfahren, in dem sich der Kläger
allein gegen seine Heranziehung als (landwirtschaftlicher) Unternehmer durch die Beklagte wendet, nicht geeignet, einen höheren
Streitwert als 5.000 Euro zu begründen.
Der Streitwert ist in erster Linie nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen
zu bestimmen (§ 52 Abs 1 GKG). Die Bedeutung der Sache bestimmt sich nach dem Gegenstand des konkreten Prozesses. Eventuelle, nicht vorhersehbare mittelbare
Folgewirkungen sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Ob Präventionsleistungen erbracht werden und sich im Nachhinein
die anfängliche Unrichtigkeit der die Zuständigkeit eines Unfallversicherungsträgers feststellenden Verwaltungsentscheidung
herausstellt oder sich die tatsächlichen unternehmerischen Verhältnisse grundlegend ändern, ist völlig ungewiss. Auch die
mit der Zuständigkeit zu einem Unfallversicherungsträger regelmäßig verbundene Beitragsbelastung ist kein geeignetes Beurteilungskriterium,
wenn Gegenstand des Verfahrens ausschließlich die Frage der Mitgliedschaft ist. Bereits bindend gewordene Beitragsbescheide
werden nicht durch die gerichtliche Aufhebung eines die Zuständigkeit bei einem Unfallversicherungsträger feststellenden Verwaltungsaktes
beseitigt. Sind Beitragsbescheide eigenständig angegriffen, bestimmt deren Höhe den Streitwert (§ 52 Abs 3 GKG). Zudem hängt die Beitragshöhe von verschiedenen Faktoren ab und lässt sich eine Beitragsstabilität nicht vorhersagen. Für
die Festsetzung des Streitwerts fehlt es vorliegend an hinreichenden Anhaltspunkten. Dem trägt § 52 Abs 2 GKG Rechnung, der für solche Fälle einen Auffangstreitwert von 5.000 Euro vorsieht.