Anspruch auf höheres Krankengeld nach dem Mindesteinkommen bei einem hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen
Bemessung nach dem steuerrechtlichen Einkommen
Negatives Einkommen
Gründe
I
Das Thüringer LSG hat mit Urteil vom 26.3.2019 den Anspruch des Klägers auf höheres kalendertägliches Krankengeld (Krg) im
Zeitraum vom 20.5. bis 7.10.2011 verneint. Der Kläger ist als hauptberuflich Selbstständiger freiwilliges Mitglied der beklagten
Krankenkasse (KK). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe das kalendertägliche Krg (6,17
Euro brutto, 6,11 Euro netto) im streitigen Zeitraum ab 20.5.2011 zutreffend nicht anhand des für die Beitragsbemessung maßgeblichen
Mindesteinkommens, sondern gemäß §
47 Abs
4 Satz 2
SGB V nach dem tatsächlich erzielten Arbeitseinkommen auf der Grundlage des der letzten Beitragsberechnung zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheids
für das Jahr 2008 berechnet und hat sich hierfür auf die eigene und auf Rechtsprechung des BSG bezogen.
Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil. Er macht die grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache und sinngemäß Verfahrensmängel (§
160 Abs
2 Nr
1 und
3 SGG)geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da der Kläger den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
und auch keinen Verfahrensmangel hinreichend dargetan hat (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Abs
2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese
noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
a) Der Kläger hält für grundsätzlich bedeutsam folgende Fragen:
"1. Darf die Höhe der Beitragszahlung innerhalb der gleichen Gruppe von Versicherten, hier der Gruppe der versicherten Selbstständigen,
einen grundsätzlichen Systemwechsel in der Krankengeldberechnung begründen?
2. Ist es der Beschwerdegegnerin bei der Berechnung des Krankengeldes erlaubt, von der vorgeschriebenen Vorgehensweise des
§
47 Abs.
4 Satz 2
SGB V und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abzuweichen und einen Steuerbescheid als Krankengeldberechnungsgrundlage
heranzuziehen der nicht Maßstab zur Beitragsberechnung war?
3. Ist es der Beschwerdegegnerin erlaubt für die Berechnung des Beitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung, eines versicherten
Selbstständigen, einen Betrag nach §
240 Abs.
4 S. 2
SGB V festzulegen und für die Berechnung des Krankengeldes einen niedrigeren Wert nach Steuerbescheid, also die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit im Beitrags- und im Leistungsrecht unterschiedlich zu definieren? Ist es erlaubt, für den gleichen Beitrag
unterschiedliche Leistungen zu gewähren?
4. Ist es der Beschwerdegegnerin erlaubt, für versicherte Selbstständige ein unterschiedlich hohes Krankengeld zu zahlen,
obwohl eine identisch hohe Beitragsleistung erbracht wird?"
Hierzu trägt er vor, das Berufungsurteil verstoße gegen das Urteil des BSG vom 14.12.2006 (B 1 KR 11/06 R - BSGE 98, 43 = SozR 4-2500 § 47 Nr 7) und gegen die Beschlüsse des BVerfG vom 11.1.1995 (1 BvR 892/88 - BVerfGE 92, 53) und vom 24.5.2000 (1 BvL 1/98 - BVerfGE 102, 127).
Er habe im maßgeblichen Zeitraum ab 20.5.2011 einen Krg-Anspruch in Höhe von lediglich 183 Euro monatlich gehabt auf der Grundlage
eines Arbeitseinkommens von 264,42 Euro monatlich, berechnet auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheids aus dem Jahr 2008.
Er habe aber einen KKn-B von 322,89 Euro monatlich entrichten müssen. Zur Beitragszahlung sei er im Jahr 2011 nach der damaligen
Mindestbeitragsbemessungsgrundlage (§
240 Abs
4 Satz 2
SGB V) in Höhe von 1916,25 Euro herangezogen worden, aus der auch sein kalendertägliches Krg hätte gezahlt werden müssen.
Aus diesem Zahlenwerk ergebe sich für den Kläger eine überdimensionale finanzielle Belastung. Während ihm Beiträge nach der
Mindestbeitragsbemessungsgrundlage auferlegt worden seien, sei die Leistungsberechnung im streitigen Zeitraum ab Mai 2011
nur nach dem niedrigen Betrag des Einkommens aus dem Steuerbescheid für das Jahr 2008 erfolgt. Er könne aber Krg in der gleichen
Höhe beanspruchen, die seinem Beitrag entspreche. Das LSG habe die seine Ansicht stützende Rechtsprechung des BSG vom 14.12.2006 (B 1 KR 11/06 R, BSGE 98, 43 = SozR 4-2500 § 47 Nr 7) und vom 30.3.2004 (B 1 KR 32/02 R, BSGE 92, 260 = SozR 4-2500 § 47 Nr 1) nicht hinreichend beachtet, aus der sich Anhaltspunkte für seine Rechtansicht ergäben. Durch deren Nichtberücksichtigung
werde er auch in seiner eigentumsrechtlichen Position aus Art
14 GG, die er aus der Beitragszahlung erlangt habe, verletzt.
b) Diese Darlegungen genügen nicht, um der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Denn Rechtsfragen, die bereits höchstrichterlich
beantwortet sind, sind grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig (stRspr vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN). Unter diesem Blickwinkel würdigt die Beschwerdebegründung nicht hinreichend, dass die zitierten Urteile
des BSG vom 30.3.2004 (BSGE 92, 260 = SozR 4-2500 § 47 Nr 1) und vom 14.12.2006 (BSGE 98, 43 = SozR 4-2500 § 47 Nr 7) die rechtlichen Grundlagen für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen enthalten, dies schließt
auch verfassungsrechtlich aufgeworfene Fragen mit ein. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des BSG, dass die Krg-Bemessung bei einem hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen grundsätzlich nicht anhand des fiktiv der Beitragsberechnung
zugrunde liegenden Mindestarbeitseinkommens, sondern - wegen der Entgeltersatzfunktion des Krg - anhand des aus dem letzten
Einkommensteuerbescheid ersichtlichen Arbeitseinkommens (§
15 SGB IV) zu erfolgen hat. Falls gar kein Arbeitseinkommen erzielt worden ist, weil die abzugsfähigen Posten die Einnahmen im betroffenen
Kalenderjahr überschritten haben, scheidet trotz Beitragszahlung ein Anspruch auf Krg-Gewährung ganz aus; ein Verstoß gegen
Verfassungsrecht ist hierin nicht gesehen worden (vgl nur BSG vom 30.3.2004 - B 1 KR 32/02 R, BSGE 92, 260 = SozR 4-2500 § 47 Nr 1, vom 14.12.2006 - B 1 KR 11/06 R, BSGE 98, 43 = SozR 4-2500 § 47 Nr 7 und vom 5.5.2009 - B 1 KR 16/08 R = SozR 4-2500 § 47 Nr 11; vgl auch zuletzt Senatsbeschlüsse vom 22.2.2017 - B 3 KR 47/16 B - und vom 19.10.2017 - B 3 KR 4/17 B -, juris, die Verfassungsbeschwerde gegen den zuletzt genannten Beschluss wurde nicht zur Entscheidung angenommen, vgl BVerfG
1. Senat 1. Kammer vom 27.2.2018 - 1 BvR 17/18 - unveröffentlicht).
Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Betrag, welcher zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit der Beitragsbemessung
zugrunde lag, hinsichtlich des Arbeitseinkommens erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten
vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entspricht, weil sein tatsächliches Einkommen wesentlich geringer war, ist nach der Rechtsprechung
des BSG eine möglichst zeitnahe Ermittlung des maßgeblichen Arbeitseinkommens anzustreben. Im Hinblick darauf fehlen aber Darlegungen
des Klägers, dass das zugrunde zulegende Arbeitseinkommen aus anderen, für den Kläger günstigeren Quellen zu ermitteln gewesen
wäre. Dass er einen hierauf gerichteten Beweisantrag gestellt hat, hat der Kläger hingegen nicht behauptet.
c) Eine bereits höchstrichterlich entschiedene Frage kann allerdings dann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsauffassung
des BSG in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird (vgl nur BSG SozR 1500 § 160 Nr 51, § 160a Nr 13). Als erneut klärungsbedürftig ist es auch angesehen worden, wenn in der Nichtzulassungsbeschwerde neue Gesichtspunkte
gegen die bisherige Rechtsprechung vorgebracht wurden (vgl BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1).
Ausgehend von dem Vortrag des Klägers liegen aber keine neuen Argumente vor, die Anlass geben könnten, die gefestigte Rechtsprechung
einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. Denn es soll auch vermieden werden, dass höchstrichterliche Rechtsprechung immer
wieder mit den gleichen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl nur Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens,
7. Aufl 2016, IX RdNr 65 mwN). Der Kläger hat weder widersprechende Rechtsprechung noch entgegenstehende Literatur aufgezeigt,
die seine Ansicht aus einfach- bzw verfassungsrechtlichen Gründen stützen könnten. Soweit der Kläger meint, aus der genannten
Rechtsprechung des BSG Anhaltspunkte für seine Rechtsposition ziehen zu können, übersieht er, dass er mit diesem Vortrag nichts weiter als die vermeintliche
Rechtswidrigkeit des Berufungsurteils behauptet, die für sich allein aber kein Zulassungsgrund für die Revision darstellt
(s §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG).
2. Wenn der Kläger vorträgt, dass ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG als nicht anwaltlich vertretener Kläger eine
"Art Redeverbot" erteilt worden sei und er meint, dadurch sei ihm rechtliches Gehör verweigert worden, hat er zwar keinen
Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ausdrücklich gerügt. Selbst dann wäre ein solcher aber auch nicht hinreichend aufgezeigt. Die bloße unsubstantiierte Behauptung
eines Redeverbotes bietet keinen Anlass, ihr weiter nachzugehen. Denn in der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor
dem LSG wurde protokolliert, dass der Sach- und Streitstand mit den Beteiligen erörtert worden ist und überdies auch Protokollvermerke
den Wünschen des Klägers entsprechend aufgenommen worden sind. Soweit der Kläger zudem meint, das Urteil des LSG enthalte
keine Ausführungen über die im Berufungsverfahren vorgetragenen vermeintlichen Rechtsverstöße, wird auch damit keine Verletzung
seines Anspruchs auf rechtliches Gehörs (§
62 SGG) substantiiert dargelegt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Gerichte das ihnen entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten
auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Dafür sprechen hier bereits die Ausführungen in den Entscheidungsgründen
des LSG. Hingegen sind besondere Umstände vorliegend nicht dargelegt, aus denen deutlich wird, dass das Vorbringen insofern
überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder ersichtlich nicht erwogen worden ist (insoweit allgemein die stRspr, vgl nur BVerfGE
7, 182; BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 13 S 12).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.