Befreiung eines Architekten von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
Befreiungsfähigkeit einer verkammerten Tätigkeit
Nichtzulassungsbeschwerdeberechtigung eines Beigeladenen
Bindungswirkung des angefochtenen Urteils
Gründe:
I
Mit Urteil vom 31.1.2018 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 1.7.2015 verneint.
Die Klägerin ist seit dem 11.7.2000 kraft Gesetzes Pflichtmitglied der Architektenkammer Baden-Württemberg (Beigeladene zu
2) sowie seit dem 1.8.2000 kraft Gesetzes Mitglied des Versorgungswerks der Architektenkammer Baden-Württemberg (Beigeladener
zu 1). Seit dem 1.7.2015 ist sie auf Grundlage eines Anstellungsvertrages vom 16.3.2015 als Sachbearbeiterin für den technischen
Einkauf mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden bei der G. S. GmbH, H. tätig.
Die Klage gegen den den Befreiungsantrag der Klägerin ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 9.11.2015 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 23.2.2016 ist erfolgreich gewesen (Gerichtsbescheid des SG Mannheim vom 10.11.2016). Auf die Berufung
der Beklagten hat das LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 31.1.2018 den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ua ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die begehrte Befreiung nach §
6 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB VI nicht erfüllt seien, weil die Klägerin keine berufsspezifische Architektentätigkeit ausübe. Die von ihr verrichtete Tätigkeit
könne nicht dem Kernbereich der versorgungs- und kammerrechtlich definierten Berufsaufgaben zugeordnet werden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil haben die Klägerin und die Beigeladenen Beschwerde eingelegt. Sie berufen
sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von §
160 Abs
2 Nr
1 SGG sowie Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG . Die Beigeladenen machen darüber hinaus Verfahrensmängel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerin und der Beigeladenen zu 2 sind unzulässig (dazu A. und B.), während die Nichtzulassungsbeschwerde
des Beigeladenen zu 1 zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet ist (dazu C.).
A. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 S 1 und 2
SGG zu verwerfen.
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte)
Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 §
160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl 2014, §
160a RdNr 32 ff).
Die Klägerin misst folgenden Fragen grundsätzliche Bedeutung bei:
1. "Ist eine berufsspezifische Tätigkeit dann nicht ausreichend, wenn sie nur einen Randbereich des beruflichen Spektrums
umfasst? Ist es deshalb erforderlich, dass die Tätigkeit im Kernbereich der Versorgungs- und Kammer rechtlich definierten
Berufsaufgaben zugeordnet werden kann, bzw. die Tätigkeit die typischen, prägenden Aufgaben nach Maßgabe des Kammer- und Versorgungsrechts
umfasst"?
2. Setzen "die berufsspezifischen Aspekte einer Architektentätigkeit den planerischen Aspekt unbedingt voraus ... und worin
(besteht) diese ggf."?
3. Ist "eine berufsspezifische Tätigkeit des Architekten nach den Kerntätigkeiten zu beurteilen ... und eine Randtätigkeit
nicht ausreichend"?
4. "Wenn eine Kerntätigkeit zur Beurteilung notwendigerweise ausgeführt werden muss, welche Tätigkeiten (sind) als Kerntätigkeit
im Berufsbild eines Architekten zu beurteilen"?
5. "Welche Tätigkeiten (müssen) mindestens ausgeführt werden ..., damit der Antragsteller als Architekt gilt"?
Es ist bereits fraglich, ob die Beschwerdebegründung mit diesen Formulierungen hinreichend deutlich abstrakt-generelle Rechtsfragen
zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl §
162 SGG) aufwirft (vgl Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen einer Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht
zu den Aufgaben des BSG, aus dem Vortrag des Beschwerdeführers eine entsprechende Rechtsfrage herauszuarbeiten (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48). Im vorliegenden Fall bleibt unklar, ob sich die Fragen ausschließlich auf die landesrechtliche Vorschrift des
§ 1 Abs 1 und 5 ArchG BW (idF vom 28.3.2011) oder zumindest teilweise auch auf die bundesrechtliche Norm des §
6 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB VI beziehen.
Sollte die Klägerin den Bedeutungsgehalt des § 1 Abs 1 und 5 ArchG BW für klärungsbedürftig halten, ist darauf hinzuweisen,
dass Landesrecht grundsätzlich nicht revisibel ist und die Beschwerdebegründung nicht darlegt, warum im vorliegenden Fall
ausnahmsweise eine Revisibilität anzunehmen sei (vgl hierzu Urteile des Senats vom 7.12.2017 - B 5 RE 10/16 R - SozR 4-2600
§ 6 Nr 14, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen und vom 22.3.2018 - B 5 RE 5/16 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 16 vorgesehen).
Die Prüfung, ob überhaupt revisibles Recht vorliegt, obliegt allein dem Beschwerdeführer (vgl auch BSGE 56, 45, 51 = SozR 2100 § 70 Nr 1 S 8).
Sollten sich Fragen 1 und 3 zumindest auch auf §
6 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB VI beziehen, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend aufgezeigt.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus
dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann
anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine
oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde
als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage
von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (Krasney/Udsching/Groth, aaO, Kap IX RdNr 183 mwN).
Hieran fehlt es. Die Klägerin hat sich nicht mit dem Urteil des Senats vom 7.12.2017 (aaO) auseinandergesetzt. In dieser Entscheidung,
die sich mit dem Anspruch eines Tierarztes auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befasst hat, hat
sich der Senat eingehend mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen eine verkammerte Tätigkeit nach §
6 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB VI befreiungsfähig ist.
2. Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen.
Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten
Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat.
Eine derartige Divergenz hat die Klägerin nicht dargetan. Sie rügt eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung von dem
Urteil des 11. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 27.6.2017 - L 11 R 2694/16. Landessozialgerichtliche Entscheidungen stellen jedoch ausweislich des Wortlauts des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG keine divergenzfähigen Entscheidungen im Sinne der Norm dar.
B. Die Nichtzulassungsbeschwerde der zu 2 beigeladenen Architektenkammer ist unzulässig, weil sie nicht durch die angefochtene
Entscheidung beschwert ist, und daher ebenfalls gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 S 1 und 2
SGG zu verwerfen.
Zwar ist gemäß §
69 Nr
3, §
75 Abs
4, §
160 Abs
1 SGG auch der Beigeladene als Verfahrensbeteiligter zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde berechtigt. Er muss allerdings
durch die angefochtene Entscheidung materiell beschwert sein. Dies setzt voraus, dass er geltend machen kann, aufgrund der
Bindungswirkung des angefochtenen Urteils nach §
141 SGG unmittelbar in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt zu sein (vgl BSGE 81, 207, 208 = SozR 3-2500 § 101 Nr 2 S 8 mwN; BSGE 118, 30 = SozR 4-2500 § 85 Nr 81, RdNr 14; BVerwG Urteil vom 18.4.1997 - 3 C 3/95 - Juris RdNr 16 mwN). Dies trifft auf die Beigeladene zu 2 nicht zu; sie hat hierzu auch nichts vorgetragen.
Die Bindungswirkung erfasst grundsätzlich nur die Urteilsformel; sie ist auf den in der Urteilsformel enthaltenen Gedanken
beschränkt. Tatsächliche Feststellungen und rechtliche Erwägungen, die den Urteilsspruch tragen, sind zwar zum Verständnis
heranzuziehen, nehmen aber an der Rechtskraft nicht teil (BSG SozR 3-1500 § 75 Nr 31 S 40 mwN).
Die Urteilsformel der angefochtenen Entscheidung besagt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, die Klägerin von der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Hierdurch wird die Beigeladene zu 2 nicht unmittelbar in ihren Rechten
betroffen.
Die Urteilsformel bewirkt insbesondere nicht die Beendigung der Mitgliedschaft der Klägerin in der Architektenkammer; diese
ist allein von ihrer Eintragung in der Architektenliste abhängig (vgl § 3 Abs 1 Alt 1 der Satzung der Architektenkammer Baden-Württemberg
vom 25.11.2017 und § 3 ArchG BW). Die Eintragung wird nach § 7 ArchG BW gelöscht, wenn einer der dort genannten Gründe verwirklicht
ist. Diese werden durch die Urteilsformel nicht berührt. Eine unmittelbare Betroffenheit sonstiger Rechtspositionen der Beigeladenen
zu 2 ist ebenfalls nicht ersichtlich (vgl §§ 1 - 19 der Satzung der Architektenkammer Baden-Württemberg sowie die übrigen
Vorschriften des ArchG BW).
C. Die Beschwerde des zu 1 beigeladenen Versorgungswerks ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils
und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§
160a Abs
5 SGG).
1. Der Beigeladene zu 1 ist durch das angefochtene Urteil im oben dargelegten Sinne beschwert. Wird das einen Anspruch der
Klägerin auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung verneinende Urteil des LSG rechtskräftig, ist der Beigeladene
zu 1 hieran gemäß §
141 Abs
1 Nr
1, §
69 Nr
3 SGG gebunden. In diesem Fall hat die Klägerin an den Beigeladenen zu 1 keinen Beitrag in Höhe des an die gesetzliche Rentenversicherung
zu zahlenden Beitrags (vgl § 17 Abs 1 der Satzung des Versorgungswerks der Architektenkammer Baden-Württemberg - Stand: 1.1.2018),
sondern ¼ des Regelbeitrags zu entrichten, falls sie keine Befreiung vom Versorgungswerk beantragt (vgl § 17 Abs 2 S 1 der
Satzung des Versorgungswerks der Architektenkammer Baden-Württemberg). Dies wirkt sich umso nachteiliger aus, je mehr die
Klägerin ihre wöchentliche Arbeitszeit erhöht. Sollte die Klägerin einen Antrag auf Befreiung vom Versorgungswerk stellen,
kann der Beigeladene zu 1 diesem nicht entgegentreten. Gemäß § 12 Abs 1 Nr 1 iVm § 11 Abs 1 der Satzung des Versorgungswerks
der Architektenkammer Baden-Württemberg werden als Angestellte eingetragene Mitglieder der Architektenkammer vielmehr von
der Teilnahme befreit, solange sie Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen. Durch die Befreiung endet die
Teilnahme (§ 14 S 1 Nr 3 der Satzung des Versorgungswerks der Architektenkammer Baden-Württemberg).
2. Der Beigeladene zu 1 hat auch entsprechend den Erfordernissen des §
160a Abs
2 S 3
SGG den Verfahrensmangel der fehlenden notwendigen Beiladung des Arbeitgebers der Klägerin gemäß §
75 Abs
2 Alt 1
SGG dargetan. Der Verfahrensmangel liegt auch vor.
a) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich
ergehen kann, sind diese gemäß §
75 Abs
2 Alt 1
SGG beizuladen. Im vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Befreiung von
der Versicherungspflicht hat. Es handelt sich somit um einen Streit über das Bestehen der Versicherungspflicht. Bei einem
solchen Rechtsstreit kann die Entscheidung gegenüber Arbeitgeber und Versichertem nur einheitlich ergehen (BSG Urteil vom 23.2.1977 - 12 RK 14/76 - Juris RdNr 14; vgl auch BSG SozR 1500 § 75 Nr 39 S 41; BSG Urteil vom 16.10.2002 - B 10 LW 5/01 R - Juris RdNr 15 = SozR 3-5868 § 3 Nr 5).
Die Entscheidung über die Versicherungspflicht greift unmittelbar in die Rechtssphäre des Arbeitgebers ein. Sie bestimmt,
ob er im Außenverhältnis Beitragsschuldner ist, oder dem Arbeitnehmer gegenüber teilweise ausgleichspflichtig ist.
In der gesetzlichen Rentenversicherung schuldet der Arbeitgeber gemäß §
174 SGB VI iVm §
28e SGB IV im Außenverhältnis gegenüber dem Versicherungsträger die Beiträge für den versicherungspflichtig Beschäftigten in vollem
Umfang und macht die Beitragshälfte des Arbeitnehmers (vgl §
168 Abs
1 Nr
1 SGB VI) diesem gegenüber durch Lohnabzug geltend (§
28g SGB IV). Für Beschäftigte, die nach §
6 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit sind, zahlt der Arbeitgeber hingegen gemäß §
172a SGB VI einen Zuschuss in Höhe der Hälfte des Beitrags zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, höchstens aber die Hälfte
des Beitrags, der zu zahlen wäre, wenn die Beschäftigten nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
befreit worden wären. In der berufsständischen Versorgung ist mithin nur das Mitglied Beitragsschuldner, während der Arbeitgeber
dem Mitglied den Arbeitgeberbeitrag als Zuschuss schuldet (Gesetzentwurf der Bundesregierung - Entwurf eines Vierten Gesetzes
zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 3.8.2011 - BT-Drucks 17/6764 S 22 zu Nr 10).
b) Hinsichtlich der von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG geforderten möglichen Kausalität zwischen geltend gemachtem Verfahrensmangel und der angefochtenen Entscheidung stellt sich
bei der Rüge der unterlassenen notwendigen Beiladung iS von §
75 Abs
2 Alt 1
SGG die Frage, ob der Beschwerdeführer auch darlegen muss, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsauffassung
des LSG - auf dem Mangel beruhen kann (so BSG Beschluss vom 28.12.2017 - B 8 SO 71/17 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 17.5.2018 - B 8 SO 1/18 B - Juris RdNr 6; Beschluss des Senats vom 31.7.2018 - B 5 R 38/18 B - Juris RdNr 10; vgl auch BSG Beschluss vom 10.4.2017 - B 6 KA 22/17 B - Juris RdNr 6), oder ob bei einem solchen Verfahrensverstoß der Einfluss auf die Entscheidung entsprechend einem absoluten
Revisionsgrund (§
202 S 1
SGG iVm §
547 ZPO) unwiderlegbar vermutet wird (so BFH Beschluss vom 8.5.2008 - IV B 138/07 - Juris RdNr 9; BFH Beschluss vom 14.11.2008 - IV B 136/07 - Juris RdNr 40; BFH Beschluss vom 21.12.2011 - IV B 101/10 - Juris RdNr 6; vgl auch Ratschow in Gräber, FGO, 8. Aufl 2015, § 115 RdNr 97).
Für letztere Rechtsauffassung spricht, dass die unterbliebene echte Beiladung iS von §
75 Abs
2 Alt 1
SGG im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist (BSGE 61, 197, 199 = SozR 7723 § 9 Nr 1 S 2; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 16; BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 5 R 22/10 R - Juris RdNr 18) und die Unterlassung einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens darstellt, weil die Vorschrift
eine unverzichtbare Sachentscheidungsvoraussetzung regelt (vgl BFH Beschluss vom 8.5.2008 - IV B 138/07 - Juris RdNr 9; BFH Beschluss vom 14.11.2008 - IV B 136/07 - Juris RdNr 40; BFH Beschluss vom 21.12.2011 - IV B 101/10 - Juris RdNr 6; vgl auch B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
75 RdNr 13a mwN). Insbesondere aber ist die Unterlassung einer notwendigen Beiladung iS von §
75 Abs
2 Alt 1
SGG mit der Verletzung rechtlichen Gehörs eines Beteiligten vergleichbar, der daran gehindert wird, an der mündlichen Verhandlung
teilzunehmen. Der nach §
75 Abs
2 Alt 1
SGG notwendig Beizuladende wird durch die Unterlassung der Beiladung an jedwedem Vorbringen und damit auch an einer Anhörung
in der mündlichen Verhandlung gehindert, obwohl die Entscheidung - wie bei den Hauptbeteiligten - unmittelbar in seine Rechtssphäre
eingreift. Im ersten Fall sind aber grundsätzlich keine näheren Darlegungen zur Kausalität erforderlich (vgl nur BSG Beschluss vom 21.6.2011 - B 1 KR 144/10 B - Juris RdNr 5 mwN). Letztlich bedarf die angesprochene Frage hier keiner Entscheidung.
Der Beigeladende zu 1 hat nämlich aufgezeigt, dass die Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Es besteht die
Möglichkeit, dass bei Beteiligung des Arbeitgebers der Klägerin am Verfahren und seiner Darstellung ihrer Tätigkeit das LSG
eine andere Bewertung der Leistungen der Klägerin als Architektin vorgenommen hätte.
c) Da §
168 S 2
SGG dem BSG lediglich die Möglichkeit eröffnet, eine notwendige Beiladung im Revisions-, nicht aber im Beschwerdeverfahren nachzuholen
(vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
168 RdNr 3c mwN aus der Rspr), kommt nur die Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache an die Vorinstanz in Betracht.
3. Auf die weiteren vom Beigeladenen zu 1 vorgebrachten Revisionszulassungsgründe kommt es nach alldem nicht an (vgl auch
BFH vom 21.12.2011 - IV B 101/10 - Juris RdNr 7).
4. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache wird das LSG zu beachten haben, dass sich die Frage, ob eine
befreiungsfähige Beschäftigung iS von §
6 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB VI vorliegt, nach den Urteilen des Senats vom 7.12.2017 (aaO) und 22.3.2018 (aaO) ausschließlich in Anwendung der Normen des
Kammer- und Versorgungsrechts entscheidet, und daher der Tatbestand des §
6 Abs
1 S 1 Nr
1 SGB VI nicht durch ungeschriebene Tatbestandsmerkmale - wie die Approbationspflichtigkeit der ausgeübten Tätigkeit oder sonstige
einschränkende Umstände - angereichert und dadurch in seinem Anwendungsbereich eingeengt werden darf.
In diesem Zusammenhang weist der Senat erneut darauf hin, dass Landesrecht zwar grundsätzlich nicht revisibel ist, etwas anderes
jedoch dann gilt, wenn das LSG bei der Auslegung von Landesrecht allgemein geltende Auslegungsgrundsätze verletzt, die dem
Bundesrecht angehören (vgl Urteil des Senats vom 7.12.2017, aaO, RdNr 27 f).
Insoweit wird das LSG zu bedenken haben, dass nach § 1 Abs 1 ArchG BW Berufsaufgabe des Architekten "insbesondere" die gestaltende,
technische, wirtschaftliche, ökologische und soziale Planung von Bauvorhaben ist, und der Begriff "insbesondere" eine Öffnungsklausel
für weitere Tätigkeitsfelder eines Architekten darstellt. Ferner wird zu berücksichtigen sein, dass der Landesgesetzgeber
in Abs 5 über die unmittelbare Planung und Bauausführung hinausgehende Aufgaben ergänzend in das Gesetz aufgenommen hat, um
der Entwicklung Rechnung zu tragen, dass Bauherren zunehmend eine umfassende Betreuung ihrer Projekte erwarten, die teilweise
weit vor der eigentlichen Planungstätigkeit ansetzt und mitunter auch noch nach Übergabe des Vorhabens fortbestehen kann (Gesetzentwurf
der Landesregierung - Gesetz zur Änderung des Bauberufsrechts und anderer Gesetze, Landtag von Baden-Württemberg - LT-Drucks
15/7857, S 38 zu § 1 Abs 5 ArchG BW).
Des Weiteren wird das LSG zu beachten haben, dass nach der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 30.1.1996 - 1 C 9/93 - Juris RdNr 24), auf die der Senat bereits in seinem Urteil vom 7.12.2017 (aaO, RdNr 30) hingewiesen hat, auch eine Tätigkeit
"in einem Randbereich" eines verkammerten Berufs eine die Zwangsmitgliedschaft in der Berufskammer begründende Berufsausübung
ist. In diesem Zusammenhang hat das BVerwG hervorgehoben, dass der Zweck des Kammerrechts, die Gesamtbelange des Berufsstandes
zu wahren, es rechtfertige, alle Tätigkeitsbereiche zu erfassen, also auch "Randgruppen", die in Grenzbereichen zu anderen
Berufen tätig seien (vgl BVerwG, aaO). Ob angesichts dieser Rechtsprechung eine Unterscheidung zwischen einem Kernbereich
und einem Randbereich verkammerter Tätigkeiten mit daran anknüpfenden unterschiedlichen Rechtsfolgen zulässig erfolgen kann,
dürfte zweifelhaft sein.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG zur Hauptsache vorbehalten.