Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung in Gestalt einer statistischen
Vergleichsprüfung einzelner Leistungen nach Durchschnittswerten für die Quartale 1/2013 bis 2/2014. Die Kürzungen beziehen
sich - nach einer Teilabhilfe im Verwaltungsverfahren - noch auf Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) 01413 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen <EBM-Ä> (Besuch eines weiteren Kranken) und
GOP 35110 EBM-Ä (Verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen). Das SG hat den Beklagten verurteilt, über die Widersprüche des Klägers unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts
neu zu entscheiden (Urteil vom 12.8.2020). Die Berufung des Beklagten war erfolglos (Urteil des LSG vom 4.11.2021).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Beklagte die grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache sowie Rechtsprechungsabweichungen (Zulassungsgründe gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG) geltend.
II
1. Die Beschwerde des Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2
SGG). Weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die Rechtsprechungsabweichung werden in einer den gesetzlichen Anforderungen
entsprechenden Weise dargetan.
a) Zur formgerechten Rüge eines Zulassungsgrundes der Divergenz iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG, auf den sich der Beklagte hier zunächst beruft, sind abstrakte Rechtssätze des Urteils des LSG und eines Urteils des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG zu bezeichnen und einander gegenüberzustellen
und es ist in der Beschwerdebegründung darzulegen, dass sie nicht miteinander vereinbar sind und dass das Berufungsurteil
auf dieser Divergenz beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 29.11.1989 - 7 BAr 130/88 - SozR 1500 § 160a Nr 67; BSG Beschluss vom 27.6.2012 - B 6 KA 78/11 B - juris RdNr 8 mwN). Eine Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift liegt nicht schon vor, wenn das LSG einen Rechtssatz aus einer höchstrichterlichen
Entscheidung nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also
einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.11.2017 - B 6 KA 43/17 B - juris RdNr 13 mwN).
Hier fehlt es bereits an der Gegenüberstellung zweier sich widersprechender Rechtssätze. Indem der Beklagte behauptet, dass
die Entscheidung des LSG mit Ausführungen aus dem Urteil des Senats vom 30.11.2016 (B 6 KA 29/15 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 56) unter RdNr 23, 24 und 30 nicht vereinbar sei, macht er die Unrichtigkeit der Entscheidung im vorliegenden Einzelfall und
keine Abweichung im Rechtsgrundsätzlichen geltend. Eine Unrichtigkeit der Entscheidung könnte - selbst wenn sie vorliegen
würde - nicht zur Zulassung der Revision führen (BSG Beschluss vom 17.6.2009 - B 6 KA 6/09 B - juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 27.2.2018 - B 6 KA 77/17 B - juris RdNr 5, jeweils mwN).
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die von dem Beklagten zitierte Aussage des Senats aus dem og Urteil vom
30.11.2016, nach der es bei der typisierenden Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei 100 % keiner
vertieften Begründung bedarf, keine Aussage zu der hier maßgebenden Frage entnommen werden kann, wie mit Besonderheiten der
Praxis umzugehen ist. Dass der Anteil der Patienten des Klägers, die in Heimen betreut werden, den Durchschnitt der Vergleichsgruppe
um ein Mehrfaches überschreitet und dass sich dieser Umstand gerade auf den Anteil der Leistungen des Klägers nach GOP 01413 EBM-Ä auswirkt, wird auch vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Zwischen den Beteiligten ist allein umstritten, wie
dieser Besonderheit im vorliegenden Fall konkret Rechnung zu tragen ist (vgl dazu auch nachfolgend b RdNr 12). Damit werden Fragen der Richtigkeit der Entscheidung im Einzelfall angesprochen und nicht die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen,
die die Zulassung einer Revision wegen Divergenz nach stRspr (vgl BSG Beschluss vom 29.11.2017 - B 6 KA 43/17 B - juris RdNr 13 mwN) allein begründen kann.
b) Auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird nicht in der erforderlichen Weise dargelegt.
Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage
in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BVerfG Beschluss vom 14.6.1994 - 1 BvR 1022/88 - BVerfGE 91, 93, 107 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG Beschluss vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich
(klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Den Darlegungsanforderungen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG wird bei der Grundsatzrüge nur genügt, wenn der Beschwerdeführer eine Frage formuliert, deren Beantwortung nicht von den
Umständen des Einzelfalles abhängt, sondern die mit einer verallgemeinerungsfähigen Aussage beantwortet werden könnte (zu dieser Anforderung vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10). Zudem muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer
Nichtzulassungsbeschwerde ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, die einschlägige Rechtsprechung aufzuführen und sich
damit zu befassen (vgl BSG Beschluss vom 19.7.2017 - B 6 KA 6/17 B - juris RdNr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160a RdNr 14d); eine Beschwerdebegründung, die es dem Gericht überlässt, die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen
des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG nicht gerecht. Auch lediglich kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl BVerfG Beschluss vom 7.11.1994 - 2 BvR 2079/93 - DVBl 1995, 35 = juris RdNr 15). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s zB BVerfG Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14). Das Vorbringen des Beklagten genügt diesen Erfordernissen nicht.
"ob der von dem Beurteilungsspielraum der Prüfgremien bei der Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei
einer Einzelleistungsprüfung bei Vorliegen aller Voraussetzungen für eine statistische Vergleichsprüfung, wenn der entsprechende
Wert zur Vergleichsgruppe um mehr als den 'typisierenden' +100 % festgesetzt wird, noch im Detail gerichtlich überprüft werden
kann und somit auch hier für die Prüfgremien ein erhöhter Begründungsbedarf besteht".
Soweit der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, befasst
er sich in der Begründung nicht mit der vorliegenden umfangreichen Rechtsprechung des Senats zur Wirtschaftlichkeitsprüfung
in Form der statistischen Vergleichsprüfung einzelner Leistungen nach Durchschnittswerten. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde
verweist im Wesentlichen auf die Begründung zur Divergenz und dabei "u.a." auf den dort zitierten Beschluss des Senats vom
10.5.2017 (B 6 KA 1/17 B), dem der Beklagte entnimmt, dass der Senat "die statistische Prüfung bei Einzelleistungswerten - insbesondere auch bei der
GOP 01413 - wie oben ausgeführt anerkannt" habe. In diesem
Hinweis auf einen vorliegenden Beschluss und dem Verweis auf die - nur unzureichenden - Darlegungen zur Divergenzrüge kann
nicht die erforderliche Befassung mit der einschlägigen Rechtsprechung gesehen werden. Um die in der Begründung des Beklagten
aufgeworfene Frage, ob gerade die GOP 01413 EBM-Ä einer statistischen Prüfung zugänglich sei, geht es in der formulierten Rechtsfrage auch nicht.
Im Übrigen ist die Frage, welche Anforderungen an die Begründung des Bescheides im Falle einer typisierenden Festlegung der
Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis auf eine Überschreitung um 100 % zu stellen sind, in der Rechtsprechung des Senats
beantwortet (vgl BSG Urteil vom 21.5.2003 - B 6 KA 32/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 14 = juris RdNr 23). Danach bedarf die Festlegung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis auf 100 % grundsätzlich keiner vertieften Begründung.
Darauf hat der Beklagte im Zusammenhang mit der Begründung der Divergenzrüge zutreffend hingewiesen. Ferner ist in stRspr
des Senats geklärt, dass die Anforderungen an die Darlegungen und Berechnungen von Prüfbescheiden zwar nicht überspannt werden
dürfen, zumal sich gerade Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig an einen sachkundigen Personenkreis richten,
dass die Prüfgremien ihre Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung in dem
zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens ergehenden Bescheid aber derart verdeutlichen müssen, dass im Rahmen der - infolge
von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen der Gremien eingeschränkten - sozialgerichtlichen Überprüfung zumindest die zutreffende
Anwendung der einschlägigen Beurteilungsmaßstäbe im Einzelfall erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl etwa BSG Urteil vom 16.7.2003 - B 6 KA 14/02 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11 = juris RdNr 23 mwN). Mit dieser Rechtsprechung hat sich der Beklagte in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht befasst. Damit ist
die Klärungsbedürftigkeit der formulierten Rechtsfrage nicht ausreichend dargelegt.
Zudem fehlt es an der Darlegung der Klärungsfähigkeit. Entscheidungserheblich ist hier ersichtlich nicht die mit der formulierten
Rechtsfrage angesprochene Frage, ob nach der rein statistischen Betrachtungsweise angesichts eines Überschreitungsgrades von
deutlich mehr als 300 % der Anschein einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise gesetzt wird, sondern vielmehr die im Rahmen
der sog intellektuellen Prüfung zu beantwortende Frage, ob die vorliegenden gravierenden Überschreitungen Ausdruck einer besonders
unwirtschaftlichen Behandlungsweise sind oder aber auf eine untypische Praxisausrichtung hinweisen (vgl Engelhard in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand November 2017 § 106 RdNr 298 mwN; zu extremen Überschreitungen von mehr als 1500 % bei einzelnen Leistungsziffern vgl BSG Urteil vom 11.12.2002 - B 6 KA 1/02 R - SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 323 = juris RdNr 29 mwN) und - falls letzteres zutrifft - ob die untypische Praxisausrichtung die gravierenden Überschreitungen vollständig oder nur
in Teilen erklären kann bzw wie den gegebenenfalls bestehenden Besonderheiten der Praxis des Klägers Rechnung zu tragen ist.
Üblicherweise wird festgestellten Praxisbesonderheiten Rechnung getragen, indem der auf diese entfallende Kostenanteil in
Abzug gebracht wird (vgl BSG Urteil vom 21.6.1995 - 6 RKa 35/94 - SozR 3-2500 § 106 Nr 27 S 154 = juris RdNr 19; BSG Urteil vom 18.6.1997 - 6 RKa 52/96 - SozR 3-2500 §
106 Nr 41 S 224 = juris RdNr 17; Engelhard in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand November 2017 §
106 RdNr 290). Auswirkungen von Praxisbesonderheiten müssen nach der Rechtsprechung des Senats bestimmt werden, ehe sich auf der Grundlage
der statistischen Abweichung eine verlässliche Aussage über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- oder Verordnungsweise
treffen lässt (vgl BSG Urteil vom 18.6.1997 - 6 RKa 52/96 - BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 224 = juris RdNr 17 mwN). Das LSG ist davon ausgegangen, dass der Beklagte seinen Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des Anteils der Leistungen
nach GOP 01413 EBM-Ä, die mit Praxisbesonderheiten erklärt werden können, hier überschritten habe. Dass damit über den vorliegenden
Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung angesprochen würden, hat der Beklagte nicht dargelegt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §§
154 ff
VwGO. Danach hat der Beklagte die Kosten des von ihm ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§
154 Abs
2 VwGO). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keinen eigenen Antrag gestellt
haben (§
162 Abs
3 VwGO, vgl BSG Urteil vom 31.5.2006 - B 6 KA 62/04 R - BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
3. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht der Festsetzung der Vorinstanz, die von keinem Beteiligten infrage gestellt worden ist.