Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Im Streit ist die Aufhebung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Der Kläger ist Sonderrechtsnachfolger seiner im Oktober 2021 verstorbenen Ehefrau, der vom Beklagten ab Oktober 2013 Leistungen
der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII iHv 160 Euro monatlich bewilligt wurde. Nach der Heirat, der Aufnahme in die Familienversicherung der Gesetzlichen Kranken-
und Sozialen Pflegeversicherung des Klägers und der Einstufung in Pflegegrad 2 ab 2017 wurde ihr Pflegegeld nach dem Sozialgesetzbuch
Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (
SGB XI) iHv 316 Euro monatlich ab dem 1.4.2017 von der Pflegekasse bewilligt. Hierauf hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen
der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII für die Zukunft auf (Bescheid vom 19.7.2017; Widerspruchsbescheid vom 25.9.2017). Die hiergegen erhobene Klage hat keinen Erfolg gehabt (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Regensburg vom 30.1.2020; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts <LSG> vom
18.1.2022). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, mit der Bewilligung des Pflegegelds nach dem
SGB XI iHv monatlich 316 Euro durch die Pflegekasse sei eine wesentliche Veränderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) eingetreten. Die Erbringung gleichartiger Leistungen der Sozialhilfe sei damit ausgeschlossen gewesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er macht Rechtsfehler
des LSG, die grundsätzliche Bedeutung der Sache sowie einen Verfahrensmangel geltend. Zugleich hat er einen Antrag auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten gestellt.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
(§
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) noch ein Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der
ehrenamtlichen Richter nach §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht <BSG> vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht; sie formuliert schon keine abstrakte Rechtsfrage, sondern
macht in erster Linie Rechtsfehler des LSG geltend. Die (behauptete) Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils kann aber die
Zulassung der Revision nicht begründen (vgl nur BSG vom 7.12.2020 - B 8 SO 22/20 B - RdNr 19; BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7). Die Formulierung einer Rechtsfrage im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erfordert regelmäßig, dass die Rechtsfrage mit
"Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann, was zwar nicht ausschließt, dass eine Frage gestellt wird, die je nach den formulierten
Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt; es ist aber nicht Aufgabe des Senats, selbst weitere denkbare Rechtsfragen, die
weder ausformuliert sind noch mit einer eingehenden Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur einhergehen, aus dem
Vorbringen des Klägers herauszulesen und kommentar- oder lehrbuchartig aufzubereiten (vgl nur BSG vom 1.3.2018 - B 8 SO 104/17 B - RdNr 8; BSG vom 25.6.2020 - B 8 SO 36/20 B - RdNr 6; BSG vom 5.10.2021 - B 8 SO 32/21 B - RdNr 6).
Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet
werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Einen Verfahrensfehler bezeichnet der Kläger nicht diesen Anforderungen entsprechend, indem er die Ausführungen in den Entscheidungsgründen
lediglich als "oberflächlich" und nicht hinreichend begründet bezeichnet und damit wohl sinngemäß Verstöße gegen §
128 Abs
1 Satz 2
SGG und §
136 Abs
1 Nr
6 SGG geltend machen will. Eine Rüge der Verletzung von §
128 Abs
1 Satz 2
SGG setzt die vorliegend nicht vorhandene Darlegung voraus, dass ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG wesentliche entscheidungserhebliche
Gesichtspunkte fehlen (vgl Giesbert in jurisPK-
SGG, 2. Aufl 2022, §
128 RdNr 83; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
128 RdNr
18). Hinsichtlich des sinngemäß geltend gemachten Verstoßes gegen §
136 Abs
1 Nr
6 SGG fehlt es ebenso an einer ausreichenden Darlegung. Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn
das Gericht nicht jeden Gesichtspunkt abhandelt, der erwähnt werden könnte (vgl §
202 Satz 1
SGG iVm §
313 Abs
3 Zivilprozessordnung <ZPO>: "Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher
und rechtlicher Hinsicht beruht."), oder wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und zum tatsächlichen Geschehen aus der Sicht
eines Dritten falsch, oberflächlich oder nur wenig überzeugend sein sollten (vgl BSG vom 2.6.2004 - B 7 AL 56/03 R - SozR 4-4300 § 223 Nr 1 RdNr 16; BSG vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - RdNr 7; BSG vom 17.4.2019 - B 13 R 83/18 B - RdNr 11; BSG vom 21.6.2022 - B 5 R 71/22 B - RdNr 12 mwN). Von einem Fehlen der Entscheidungsgründe ist nur auszugehen, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar,
sachlich inhaltslos oder sonst derart unbrauchbar sind, dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Entscheidungstenor
zu tragen (vgl BSG vom 7.12.1965 - 10 RV 405/65 - SozR Nr 9 zu §
136 SGG; BSG vom 5.10.2010 - B 8 SO 62/10 B - RdNr 7 mwN). Ein solcher Sachverhalt wird in der Beschwerdebegründung nicht ansatzweise vorgebracht.
Aus den dargelegten Gründen kann auch PKH dem Kläger nicht bewilligt werden. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte
Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 ZPO); daran fehlt es hier. Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§
73a Abs
1 SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.