Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, von einem freigestellten Darlehensnehmer während der Zeit
der Freistellung Zinsen gemäß §
18 Abs.
2 Satz 2
BAföG i.V.m. §
8 Abs.
1 DarlehensV wegen Nichtzahlung rückständiger Raten zu verlangen.
Der zur Rückzahlung seines Ausbildungsförderungsdarlehens in Vierteljahresraten von 600 DM ab Juni 1994 verpflichtete Kläger
erhielt vom 1. Juni 1994 bis zum 30. November 1995 Freistellung von der Rückzahlungspflicht unter Hinweis darauf, daß die
nächste Rate am 29. Februar 1996 zu entrichten sei. Ein Folgeantrag wurde erst am 2. Juli 1996 gestellt. Ihn lehnte das Bundesverwaltungsamt
mit Bescheid vom 18. Oktober 1996 zunächst ab und berechnete dem Kläger mit Bescheid vom selben Tage Rückstandszinsen nach
§
18 Abs.
2
BAföG i.V.m. §
8 DarlehensV in Höhe von 6% der Darlehensrestschuld (39.911 DM) für die Zeit vom 1. März 1996 bis zum 2. Juli 1996 (= 811,52
DM). Gegen beide Bescheide erhob der Kläger Widerspruch.
Durch Bescheide vom 22. November 1996 gewährte das Bundesverwaltungsamt einerseits dem Kläger unter Aufhebung der Ablehnung
Freistellung für die Zeit vom 1. März 1996 bis zum 31. Oktober 1997 (die bis zur Freistellung fällig gewordenen Raten, Mahnkosten
und Rückstandszinsen wurden gegen Ratenzahlung gestundet), wies aber andererseits den Widerspruch gegen den Rückstandszinsbescheid
zurück.
Die daraufhin erhobene Klage hatte im ersten Rechtszug keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat dagegen den Zinsbescheid
vom 18. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 1996 aufgehoben, und zwar im wesentlichen aus
folgenden Gründen:
Die Voraussetzungen des als Rechtsgrundlage für den Rückstandszinsbescheid in Betracht kommenden §
18 Abs.
2 Satz 2
BAföG i.V.m. §
8 Abs.
1 DarlehensV hätten in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht vorgelegen. Denn der Kläger sei während dieser Zeit von der
Rückzahlung des Darlehens nach §
18 a
BAföG in vollem Umfang freigestellt gewesen. Nach Sinn und Zweck des §
18 Abs.
2 Satz 2
BAföG, als verschuldensunabhängige Sanktionsnorm die rechtzeitige Rückzahlung fälliger Raten zu erzwingen, und seinen systematischen
Bezügen zu §
18 a
BAföG sei sein zu weit geratener Tatbestand teleologisch zu reduzieren. Denn der Sinn des Gesetzes, den säumigen Darlehensnehmer
zur Einhaltung seiner laufenden Rückzahlungsverpflichtungen anzuhalten, entfalle eindeutig für die Zeit, in der dieser wegen
zu geringen Einkommens von der Rückzahlung freigestellt worden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der diese die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils
erstrebt. Sie rügt Verletzung des §
18 Abs.
2 Satz 2
BAföG.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Ansicht des Berufungsgerichts, Rückstandszinsen nach §
18 Abs.
2 Satz 2
BAföG i.V.m. §
8 Abs.
1 DarlehensV könnten in dem Zeitraum nicht verlangt werden, in dem der Darlehensnehmer gemäß §
18 a
BAföG von der Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens freigestellt ist, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwG0).
Die Regelung, ohne Rücksicht auf Verschulden Rückstandszinsen in Höhe von 6% von der Darlehensrestschuld zu erheben, wenn
der Darlehensnehmer den Zahlungstermin um mehr als 45 (früher 30) Tage überschritten hat (§
18 Abs.
2 Satz 2
BAföG i.V.m. §
8 Abs.
1 DarlehensV), bezweckt, den Darlehensnehmer unter einen nachhaltigen, dem Entstehen von Zahlungsrückständen entgegenwirkenden
Rückzahlungsdruck zu setzen, "um jeden Anreiz für eine zögerliche Rückzahlung zu nehmen" (Begründung des Regierungsentwurfs
eines
BAföG, BT-Drucks. VI/1975, S. 29 zu §
18 Abs. 1 und 2 sowie BVerwGE 89, 145, 148, 150). Diese harte, aber in Anbetracht des angestrebten Zwecks verhältnismäßige Sanktion setzt zwar ihrer gesetzlichen
Intention nach grundsätzlich Zahlungsfähigkeit des Darlehensnehmers voraus. Denn gegenüber Schuldnern, denen die erforderlichen
finanziellen Mittel fehlen, um ihre Rückzahlungsverpflichtungen erfüllen zu können, vermag finanzieller Beugezwang nicht zu
wirken.
Zu Unrecht nimmt jedoch das Berufungsgericht an, daß der Beugezweck der Rückstandszinsregelung in der Zeit, in der ein Darlehensnehmer
gemäß §
18 a
BAföG von der Rückzahlung des Darlehens freigestellt ist, nicht erreicht werden könne. Die Freistellungsregelung, auf die der Senat
bereits in seinem Urteil vom 24. Oktober 1991 (BVerwGE 89, 145, 151) bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Rückstandszinsregelung hingewiesen und die er dort als soziale Schutzvorkehrung
zugunsten des Geförderten bezeichnet hatte, zielt darauf ab, die Rückzahlung des Darlehens in zumutbaren Grenzen zu halten:
"Der Darlehensnehmer soll nicht Beschränkungen unterworfen sein, die sozial nicht vertretbar sind" (so die Begründung des
Regierungsentwurfs eines 2.
BAföG-ÄnderungsG, BT-Drucks. 7/2098, S. 20 zu Nr. 15 Buchstabe c sowie BVerwG, Urteil vom 27. September 1995 - BVerwG 11 C 33.94 -, Buchholz 436.36 §
18 a
BAföG Nr. 4 S. 6 = NJW 1996, 945). Der Gesetzgeber hat sie aber nicht als umfassende Inschutznahme der Vermögenssphäre des Darlehensnehmers ausgestaltet,
sondern sie zeitlich und gegenständlich begrenzt. Sie kann deshalb auch nicht als typisierende und pauschalierende Umschreibung
der Zahlungsunfähigkeit des Darlehensnehmers verstanden werden, die einem Rückstandszinsverlangen für Darlehensrückstände
aus der Zeit vor erfolgter Freistellung entgegen gehalten werden könnte. Die Freistellung nach §
18 a
BAföG befreit von der Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens durch Aufschub des Fälligwerdens der im Freistellungszeitraum
ansonsten zu tilgenden Raten. Sie erfolgt vom Beginn des Antragsmonats in der Regel für ein Jahr, rückwirkend erfolgt sie
für längstens vier Monate vor dem Antragsmonat (§
18 a Abs.
2 Satz 1
BAföG). Sie erfaßt deshalb von vornherein nur die Rückzahlungsraten, die im Freistellungszeitraum fällig werden. Außerdem regelt
§
18 a
BAföG keine (auch) vermögens-, sondern nur die einkommensabhängige Rückzahlung bzw. Freistellung und schützt folglich nur das Einkommen
des Darlehensnehmers unterhalb der dort genannten Grenzen. Das Vermögen des Darlehensnehmers wird dagegen - anders als während
der Förderung das des Auszubildenden (§
11 Abs.
2 i.V.m. §
29
BAföG) - im Rahmen der Darlehensrückzahlung vom Gesetz weder als einzusetzender noch als in gewissem Umfang zu schützender Gegenstand
in den Blick genommen. Es steht deshalb auch während der Zeiten einer Freistellung grundsätzlich uneingeschränkt als Deckungsmittel
für rückständige Raten aus der Zeit vor der Freistellung zur Verfügung, so daß im Einzelfall die Drohung mit Rückstandszinsen
durchaus einen Ansatzpunkt finden kann, um den säumigen Darlehensnehmer zur Erfüllung seiner Zahlungspflichten, wenn auch
nicht aus seinem Einkommen, so doch aus seinem Vermögen anzuhalten.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Sinn des Gesetzes, den säumigen Darlehensnehmer zur Einhaltung bereits entstandener
Rückzahlungsverpflichtungen anzuhalten, entfalle eindeutig für die Zeiten einer Freistellung nach §
18 a
BAföG, trifft demnach nicht zu. Daß das Fehlen von Vermögen bei einem geförderten Auszubildenden vom Gesetzgeber in Ausübung seiner
Typisierungsbefugnis als regelhafter Tatbestand unterstellt worden sein könnte, läßt sich schon deshalb nicht annehmen, weil
angesichts der Freibetragsregelung des §
29
BAföG durchaus damit zu rechnen ist, daß ein Geförderter mit einem - wenn auch bescheidenen - Vermögen in die Phase der Darlehensrückzahlung
eintritt. Verstärkt wird diese Erwartung aber entscheidend dadurch, daß nach §
18 Abs.
3 Satz 3
BAföG die erste Rate auf das Darlehen erst fünf Jahre nach dem Ende der Förderungshöchstdauer des zuerst mit Darlehen geförderten
Ausbildungs- oder Studienganges zu leisten ist und deshalb im Regelfall damit gerechnet werden kann, daß bei Beginn der Rückzahlungspflicht
aufgrund der ersten Jahre der Berufstätigkeit auch ein gewisser Vermögensstock vorhanden ist. Lediglich in den eher seltenen
Fällen, in denen der Ausgebildete bis zum Beginn der Rückzahlungspflicht kein Vermögen hatte erwerben können, könnte die Belastung
mit Rückstandszinsen während der Zeiten einer Freistellung nach §
18 a
BAföG eine unverhältnismäßige Sanktion sein. Aber auch dies rechtfertigt keine teleologische Reduktion der Rückstandszinsregelung.
Denn der Senat hat bereits in seinem schon genannten Urteil in BVerwGE 89, 145, 151 f. darauf hingewiesen, daß dem Bundesverwaltungsamt mit der Möglichkeit der Stundung (§ 7 DarlehensV i.V.m. § 59
BHO) ein Instrument zur Verfügung steht, um insoweit die zur Vermeidung erheblicher/besonderer Härten erforderlichen Maßnahmen
treffen zu können und das Anfallen von Rückstandszinsen zu verhindern. Durch die zwischen Zahlungstermin und Beginn der Rückstandszinspflicht
eingeschobene 45-Tage-Frist (§
18 Abs.
2 Satz 2
BAföG), vor deren Ablauf der Darlehensnehmer nach der Verwaltungspraxis der Beklagten zudem noch üblicherweise rechtzeitig gemahnt
wird (vgl. BVerwGE 89, 145, 152), stellt das Gesetz zudem sicher, daß dem Darlehensschuldner hinreichend Zeit bleibt, um einen Stundungsantrag zu stellen
und dem Bundesverwaltungsamt seine Zahlungsunfähigkeit darzulegen. Wer diese Möglichkeiten nicht nutzt, sondern seine bereits
entstandenen, also nicht freigestellten Rückzahlungsverpflichtungen "schleifen" läßt, kann das Anfallen von Rückstandszinsen
nicht als unverhältnismäßige Sanktion rügen.
Die Einwände des Klägers hiergegen greifen nicht durch. Soweit er sich das im Berufungsurteil (S. 8) verwendete Beispiel zu
eigen macht und aus ihm den Schluß zieht, es zeige, daß die Rückstandszinsregelung während der Zeit einer Freistellung nicht
anwendbar sein könne, weil sie ansonsten auch einen Darlehensnehmer träfe, der sich völlig korrekt verhalten habe, vermag
ihm der Senat nicht zu folgen. Zwar sind, die Rückzahlungsraten bei vom Bundesverwaltungsamt geforderter vierteljährlicher
Zahlungsweise (§
18 Abs.
4
BAföG) erst am Ende des dritten Monats in einer Summe zu leisten (§
11 Abs. 1 DarlehensV). Die einkommensabhängige Rückzahlung bzw. Freistellung richtet sich aber auch in diesem Fall gemäß §
18 a
BAföG nach dem monatlichen Einkommen des Darlehensnehmers. Auch hier entscheidet sich also die einkommensabhängige Rückzahlung
und damit gegebenenfalls eine Freistellung nicht aus der Gegenüberstellung der aus drei Monatsraten von je 200 DM bestehenden
Vierteljahreszahlung von 600 DM zum Monatseinkommen im dritten Monat oder aus drei Monaten, sondern aus der Gegenüberstellung
der jeweiligen Monatsrate zum jeweiligen Monatseinkommen. Das führt auch indem genannten Beispiel zu keinem unbilligen Ergebnis.
Das liegt auf der Hand, wenn man der Ansicht ist, die vor dem Antragsmonat liegenden zwei Monate seien ohne Rücksicht auf
die Höhe des tatsächlichen Monatseinkommens rückwirkend in den Freistellungszeitraum mit einzubeziehen, weil das im Antragsmonat
erzielte Einkommen kraft der Regelung des §
18 a Abs.
2 Satz 2
BAföG als monatliches Einkommen für alle Monate des Freistellungszeitraums gelte (so wohl Ramsauer/Stallbaum,
BAföG, 3. Aufl. 199l, §
18 a Rdn. 11). Aber auch wenn der Gesetzgeber den §
18 a Abs., 2 Satz 2
BAföG für Rückwirkungsfälle nicht gedacht haben sollte, wäre kein unbilliges Ergebnis zu erwarten. Denn dann müßte der Beschränkung
des §
18 a Abs.
2 Satz 2
BAföG auf die nach dem Antragsmonat liegenden Monate des Freistellungszeitraums die Erwartung des Gesetzgebers entnommen werden,
daß nur der Darlehensnehmer sich "völlig korrekt" verhält, der sein monatliches, über den Grenzen des §
18 a Abs.
1
BAföG liegen des Einkommen nicht verbraucht, sondern aus ihm die auf diesen Monat entfallende Rate zurücklegt für die am Ende des
dritten Monats zu entrichtende Rückzahlungssumme. Gerät sein Einkommen im dritten Monat dann unter die Freistellungsgrenze,
so ist er für diesen Monat mit 200 DM freizustellen braucht also am Ende des dritten Monats nur die Raten für die beiden Monate
zu zahlen, in denen es über der Freistellungsgrenze lag. Sollte er dazu, weil er die beiden Monatsraten nicht zurückgelegt
hat, nicht in der Lage sein, müßte er sich um Stundung bemühen; hierfür hätte er nach §
18 Abs.
2 Satz 1
BAföG 45 Tage Zeit, um Rückstandszinsen zu vermeiden.
Keine Rechtfertigung einer teleologischen Reduktion vermag auch das von Oberverwaltungsgericht und Kläger herangezogene Beispiel
eines Darlehensnehmers zu begründen, der aufgrund einer Zweitausbildung nach §
18 Abs.
3 Satz 4
BAföG freigestellt wird, der aber zuvor mit einer Rückzahlungsrate in Rückstand geraten ist. Dabei kann unerörtert bleiben, ob
und gegebenenfalls inwieweit in einem solchen Fall die Rückstandszinsen mit der Erhöhung des Gesamtdarlehens anstiegen. Denn
vor den daraus entstehenden Belastungen kann sich der Darlehensnehmer/Auszubildende dadurch schützen, daß er entweder vorhandenes
Vermögen zur Tilgung der rückständigen Rate einsetzt oder aber einen Stundungsantrag stellt.
Das Verwaltungsgericht hat nach alledem die Anfechtungsklage des Klägers gegen den Rückstandszinsbescheid des Bundesverwaltungsamtes
vom 18. Oktober 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 1996 zu Recht abgewiesen. Das der Klage stattgebende
Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Köln
war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwG0, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwG0.