Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe einer Witwenrente im Streit.
Die Klägerin bezog von der Beklagten aufgrund des Unfalltodes ihres ersten Ehemannes W. B. (B.) seit 1970 eine Witwenrente.
Als die Klägerin am 23.07.1971 ihren zweiten Ehemann W. E. (W.) heiratete, wurde die Zahlung der Witwenrente eingestellt.
Die Klägerin hat aus ihrer ersten Ehe zwei Töchter, die W. adoptiert hat, und aus ihrer zweiten Ehe mit W. den gemeinsamen
Sohn (T.), der am 28.05.1975 geboren wurde.
Die zweite Ehe der Klägerin wurde im Jahr 1981 vor dem Amtsgericht Böblingen geschieden. Hierbei wurde am 16.12.1981 folgender
gerichtlicher Vergleich geschlossen:
"1. Die Parteien schlagen dem Familiengericht übereinstimmend vor, die elterliche Sorge über ihre Kinder A. U., geb. 1966,
K. A., geb. 1969, und T., geb. 1975, auf die Mutter zu übertragen.
2. Der Antragsgegner verpflichtet sich, für das Kind T. zu Händen der Mutter ab dem auf die Rechtskraft der Scheidung folgenden
Monat eine monatliche, jeweils im Voraus zum 3. eines jeden Monats fällige Unterhaltsrate von 260,-- DM zu zahlen. Darüber
hinaus soll der Mutter das staatliche Kindergeld für alle drei Kinder zustehen.
3. Der Antragsgegner verpflichtet sich, an die Antragstellerin ab dem auf die Rechtskraft des Scheidungsurteils folgenden
Monat monatlichen Unterhalt von 500,-- DM zu zahlen. Diese Festsetzung kann zugunsten des Antragsgegners abgeändert werden,
wenn die Witwenrente der Antragstellerin nach ihrem ersten Ehemann wieder auflebt oder wenn die Antragstellerin eine Berufstätigkeit
aufnimmt. Die normalen Abänderungsmöglichkeiten nach §
323 ZPO bleiben daneben unberührt.
4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der eheliche Hausrat nach dem gegenwärtigen Besitzstand ohne Ausgleichsansprüche
verteilt ist und dass die Antragstellerin keine Ansprüche auf die bisherige Ehewohnung erhebt.
5. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Zugewinn auseinandergesetzt ist."
Die Klägerin stellte am 02.07.1982 einen Antrag auf Wiederaufleben ihrer früheren Witwenrente. Sie erhielt daraufhin ab dem
09.07.1982 eine Witwenrente unter Abzug des in dem Vergleich vereinbarten Unterhaltsanspruch von 500,-- DM, was zu einem Zahlbetrag
der Rente von 609,20 DM monatlich führte.
Anschließend wurde der Unterhaltsanspruch der Klägerin in Höhe von 500,-- DM zwischen der Beklagten und dem Rentenversicherungsträger
dergestalt anteilig berücksichtigt, dass die Beklagte mit Bescheid vom 16.07.1984 die Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen
Unfallversicherung für die Zeit ab dem 01.08.1982 neu berechnete und unter Anrechnung eines Betrags von 416,70 EUR (83,34%
von 500 DM) nunmehr ein monatlicher Auszahlungsbetrag von 692,50 DM festgesetzt wurde, der anschließend regelmäßig angepasst
wurde.
Ab dem 01.07.1991 wurde mit Bescheid vom 15.04.1992 bis auf weiteres nur noch ein monatlicher Unterhaltsbetrag von 208,35
DM (83,34% von 250,-- DM) angerechnet, da die Klägerin glaubhaft gemacht habe, dass W. aufgrund seiner finanziell angespannten
Situation nur zu einer monatlichen Zahlung in dieser Höhe fähig sei. Ab diesem Zeitpunkt betrug die Witwenrente monatlich
869,-- DM.
Am 18.07.1997 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass W. ihr keinen Unterhalt mehr zahlen könne, weswegen sie um Auskunft
bitte, welche Unterlagen zum Beleg hierfür erforderlich seien. Die Beklagte erklärte daraufhin, dass eine Anrechnung des Unterhaltsanspruchs
auch bei Nichtleistung von Unterhalt zu erfolgen habe, solange nicht nachgewiesen sei, dass alle Maßnahmen zur Durchsetzung
des Unterhaltsanspruchs ergriffen worden seien. Auf die Aufforderung der Beklagten, entsprechende Unterlagen vorzulegen, teilte
die Klägerin am 14.10.1997 telefonisch mit, dass sie bislang keine Maßnahmen zur Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs ergriffen
habe. Die Rentenversicherung teilte der Beklagten mit, dass bei ihr eine Nichtanrechnung des Unterhaltsanspruchs nicht beantragt
worden sei. Nachdem die Klägerin auf weitere Nachfragen der Beklagten nach den angeforderten Unterlagen nicht mehr reagierte,
teilte die Beklagte mit Schreiben vom 02.03.1998 mit, dass sie vorerst die weitere Bearbeitung einstellen werde.
Die Bevollmächtigten der Klägerin beantragten am 17.11.1999 erneut eine Rentenerhöhung, was damit begründet wurde, dass W.
schon seit Jahren keinen Unterhalt zahlte. Mit Schreiben vom 23.11.1999 stellte die Beklagte erneut anheim, glaubhaft zu machen,
dass der Unterhaltsanspruch nicht realisierbar sei. Hierauf erfolgte keine Reaktion der Klägerin.
Anschließend wurde der Klägerin mit Bescheiden vom 25.03.2003 und 16.08.2007 die Witwenrente weiterhin abzüglich des um die
Hälfte reduzierten und anteilig im Verhältnis zur Rentenversicherung gekürzten Unterhaltsanspruchs aus der geschiedenen Ehe
in Höhe von 208,35 DM bzw. 106,53 EUR gewährt.
Mit Schreiben vom 16.04.2008 bat die Klägerin um Mitteilung, weswegen von ihrer Hinterbliebenenrente ein monatlicher Betrag
von 106,53 EUR einbehalten werde. Die Beklagte erläuterte daraufhin erneut, dass es sich um den zu berücksichtigenden Unterhaltsanspruch
gegen W. handele. In einem Telefongespräch mit der Beklagten am 08.07.2008 äußerte die Klägerin daraufhin, dass sie den Unterhaltsanspruch
von ihrem geschiedenen Mann anfordern werde, falls dieser weiterhin bestehe.
W. teilte der Beklagten mit E-Mail vom 05.08.2008 mit, dass er nach vorheriger Rechtsberatung seit Ende der neunziger Jahre
die Unterhaltszahlungen an die Klägerin eingestellt habe. Die Beklagte antwortete W. mit Schreiben vom 28.08.2008 dahingehend,
dass er aufgrund des Vergleichs vom 16.12.1981 zur Zahlung von monatlich 500,-- DM verpflichtet sei und dieser Betrag somit
auf die Witwenrente anzurechnen sei. Der auf die Witwenrente anzurechnende Unterhaltsbetrag sei bis auf weiteres auf 250,--
DM monatlich festgesetzt worden, da die Klägerin glaubhaft eine finanziell angespannte Situation von W. dargelegt habe. Ob
der bestehende Unterhaltsanspruch von der Klägerin tatsächlich geltend gemacht werde, sei ihre Entscheidung.
Der Bevollmächtigte der Klägerin führte gegenüber der Beklagten am 20.10.2008 aus, dass mit Ende des Monats Mai 1998 die Erziehung
und Betreuung der inzwischen volljährigen Kinder der Klägerin beendet gewesen sei und danach ein durchsetzbarer Unterhaltsanspruch
gegenüber W. nicht mehr bestanden habe. Insoweit habe der Durchsetzung des Anspruchs aus dem Vergleich seit Mai 1998 die Einrede
aus §
242 BGB entgegengestanden. Die Geschäftsgrundlage des Vergleichs sei mit dem Eintritt der Volljährigkeit der Kinder entfallen.
Die Beklagte forderte den Klägerbevollmächtigten mehrfach zum Nachweis von Vollstreckungsbemühungen betreffend den Unterhaltsanspruch
oder zum Nachweis auf, dass die Abänderung des Unterhaltsvergleichs versucht worden sei. Nachweise hierüber wurden jedoch
nicht vorgelegt. Die Klägerbevollmächtigten teilten am 21.05.2010 lediglich mit, dass der Vergleich wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage
unwirksam und daher keine taugliche Grundlage für Vollstreckungsbemühungen sei.
Mit Bescheid vom 17.06.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwenrente ohne die Anrechnung des Unterhaltsanspruchs
ab. Nach §
65 Abs.
5 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) sei auf eine Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten ein Anspruch auf Unterhalt nach dem letzten Ehegatten zwingend anzurechnen,
weswegen es bei einem monatlichen Anrechnungsbetrag von 106,53 EUR verbleibe. Der wieder aufgelebte Anspruch auf Witwenrente
nach dem ersten Ehepartner habe allein die Funktion, eine Versorgungslücke zu füllen, welche nach der Scheidung vom zweiten
Ehegatten offenbleibe. Die wieder aufgelebte Rente habe nur einen subsidiären Charakter gegenüber dem Unterhaltsanspruch;
sie solle insbesondere nicht den geschiedenen zweiten Ehegatten auf Kosten des Sozialleistungsträgers von seiner Unterhaltspflicht
entlasten. Nach dem Gesetz sei eine Nichtberücksichtigung des Unterhaltsanspruchs ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn der
Unterhaltsanspruch nicht zu verwirklichen sei. Dies sei der Fall, wenn die Durchsetzung sicher oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
aussichtslos sei oder die Verwirklichung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erreicht werden könne. Auf jeden Fall reiche
die bloße tatsächliche Nichtzahlung durch den Unterhaltsschuldner nicht aus. Von der Klägerin sei insoweit zunächst die Ausschöpfung
aller zumutbaren Möglichkeiten zu Realisierung ihres Unterhaltsanspruchs zu verlangen. Dem Unterhaltsvergleich könne bei verständiger
Auslegung nicht entnommen werden, dass der unter Ziffer 3 titulierte Unterhaltsanspruch zeitlich oder etwa durch den Eintritt
der Volljährigkeit der Kinder befristet sein solle. Auch die im Schreiben vom 18.05.2010 genannten Überlegungen zum Wegfall
der Geschäftsgrundlage änderten nichts an der Rechtswirksamkeit des Titels. Auch aus Gründen der Rechtssicherheit könne eine
Wiedergewährung der vollen Rente erst dann erfolgen, wenn der vollstreckbare Titel auch formal durch Einlegung entsprechender
Rechtsmittel nicht mehr existent oder die erfolglose Vollstreckung nachgewiesen sei. Schließlich werde auch durch die Deutsche
Rentenversicherung (DRV) ein monatlicher Teilbetrag der von dort bezogenen Hinterbliebenenrente einbehalten.
Der deswegen am 28.06.2010 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2010 unter Bekräftigung des Rechtstandpunkts
der Beklagten zurückgewiesen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat am 28.07.2010 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Der Vergleich sei erkennbar vor dem Hintergrund geschlossen worden, dass die Klägerin ihren damals noch minderjährigen
Sohn habe erziehen müssen und ihr nach dem damaligen Familienrecht ein Geschiedenenunterhalt zugestanden habe, der bereits
nach heutigem Recht nicht mehr existiere. Der Vergleich sei zudem nicht mehr durchsetzbar. Bereits seit Ende der neunziger
Jahre finde eine Erziehungsleistung nicht mehr statt, weswegen die Klägerin auch keinen Unterhalt mehr erhalte. Würde sie
die Zwangsvollstreckung einleiten, müsse ihr zweiter Ehemann mit einer Vollstreckungsgegenklage reagieren, weswegen die Vollstreckung
ins Leere laufen würde. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage irgendwelche Beträge aus diesem Vergleich zu realisieren.
Andererseits bestehe für die Klägerin nicht die Möglichkeit, den Vergleich zu beseitigen, da er für sie direkt nicht belastend
sei. Ihr stünden insofern keine zivilprozessualen Möglichkeiten zur Verfügung. Auch sei ihr eine offensichtlich aussichtslose
Einleitung der Zwangsvollstreckung gegen W. nicht zumutbar, da sie sich mit diesem inzwischen ausgesöhnt habe.
Das SG hat am 22.12.2010 einen Erörterungstermin durchgeführt. Die Klägerin hat auf Nachfrage erklärt, dass sie seit der Einstellung
der Unterhaltszahlungen im Jahr 1998 zu keinem Zeitpunkt versucht habe, einen Unterhaltsanspruch gegen W. durchzusetzen. Sie
habe sich immer nur an die Beklagte gewandt.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.04.2011 hat die Klägerin ihren Klageantrag dahingehend eingeschränkt, dass nur noch eine
Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Hinterbliebenenrente ohne die Anrechnung eines Unterhaltsanspruchs für die Zeit
von Mai 1998 bis zum 31.03.2011 begehrt wird. Ihr Klägerbevollmächtigter hat ein Schreiben vom 30.03.2011 vorgelegt, aus welchem
die Einleitung der Zwangsvollstreckung beim Amtsgericht Böblingen gegen W. aus dem Vergleich vom 16.12.1981 hervorgeht. In
einem Antragsschreiben des Bevollmächtigten von W. vom 04.04.2011 an das Amtsgericht Freudenstadt wird ausgeführt, dass die
Unterhaltszahlungen ab dem 01.07.1998 einvernehmlich eingestellt worden seien, da der gemeinsame Sohn T. nicht mehr unterhaltsbedürftig
gewesen sei. Die vom SG geäußerte Rechtsmeinung, es käme alleine auf einen wirksamen Titel an, sei verfehlt, weil dann auch der volljährige T. noch
einen Unterhaltsanspruch haben müsste.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20.04.2011 abgewiesen. Für den von Mai 1998 bis zum 20.10.2008 (Antragstellung des Bevollmächtigten
der Klägerin auf ungeminderte Auszahlung der Witwenrente) streitgegenständlichen Zeitraum sei die Klage bereits unzulässig,
da die Leistungsbescheide der Beklagten für diesen Zeitraum bestandskräftig und damit bindend seien. Insoweit könne eine etwaige
Überprüfung lediglich in einem gesonderten Verfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erfolgen. Im Übrigen sei die Klage auf ungeminderte Auszahlung der Witwenrente ab der Antragstellung vom 20.10.2008 unbegründet.
Nach §
65 Abs.
5 SGB VII werde Witwenrente auf Antrag auch an überlebende Ehegatten gezahlt, welche wieder geheiratet hätten, wenn die erneute Ehe
aufgelöst oder für nichtig erklärt worden sei und sie im Zeitpunkt der Wiederheirat Anspruch auf eine solche Rente gehabt
hätten. Hierbei sei die wiederaufgelebte Witwenrente jedoch subsidiär gegenüber Leistungen, die der Witwe das Bestreiten des
notwendigen Lebensunterhalts gewährleisteten, wozu insbesondere Unterhaltsansprüche aus der aufgelösten zweiten Ehe gehörten.
Mit der rechtskräftigen Scheidung der Klägerin von W. im Jahre 1981 sei auf Antrag der Klägerin im Juli 1982 der Anspruch
auf Witwenrente wieder aufgelebt. Allerdings habe nach §
65 Abs.
5 Satz 2
SGB VII auf die Witwenrente der Unterhaltsanspruch, welcher geeignet und bestimmt gewesen sei, den laufenden und wirtschaftlichen
Lebensbedarf zu befriedigen, angerechnet werden müssen (mit Hinweis auf BSGE 19, S. 185 ff., 187). Dies sei lediglich dann
nicht der Fall, wenn der Anspruch nicht zu verwirklichen sei. Lediglich für den Fall, dass die Versorgung hinter dem Rentenanspruch
aus der ersten Ehe zurückbleibe, fülle die wiederaufgelebte Rente demnach subsidiär die Versorgungslücke aus. Der Renten-,
Versorgungs- oder Unterhaltsanspruch müsse durch die Auflösung oder Nichtigkeit der zweiten Ehe im Sinne eines rechtlichen
Zusammenhangs bedingt sein. Die Rechtslage des früheren Ehegatten entspreche der eines Schuldners aus einer Gesamtgläubigerschaft
des bürgerlichen Rechts nach den §§
428,
430 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB). Nach der Ziffer 3 des Unterhaltsvergleichs habe sich W. zur Zahlung von monatlichem Unterhalt von 500,-- DM an die Klägerin
verpflichtet. Die Tatsache, dass W. im Mai 1998 nach Auskunft der Klägerin sämtliche Unterhaltszahlungen eingestellt habe,
weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt nicht mehr mit der Kindererziehung befasst gewesen sei, ändere nichts an dieser Beurteilung.
Eine entsprechende Vereinbarung zwischen der Klägerin und W. über die Einstellung der Unterhaltszahlungen sei nach Aktenlage
nicht getroffen worden und werde im Übrigen auch nicht behauptet.
Auch sei von der in Ziffer 3 des Vergleichs genannten Abänderungsmöglichkeit in Falle des Wiederauflebens der Witwenrente
kein Gebrauch gemacht worden. Die dort genannte Abänderung alleine aufgrund des Wiederauflebens der Witwenrente sei im Übrigen
sozialversicherungsrechtlich unbeachtlich, da eine solche Regelung gegen den Grundsatz verstoße, dass die Mindestversorgung
in erster Linie aus dem zuletzt erworbenen Unterhaltsanspruch sicher zu stellen sei. Der im Vergleich vom 16.12.1981 titulierte
Unterhaltsanspruch bestehe damit unabhängig von der materiell-rechtlichen Lage insoweit fort, als keine der vorgenannten Abänderungsmöglichkeiten
ergriffen und auch in Ziffer 3 des Vergleichs keine Bedingung oder Befristung aufgenommen worden sei. Zumindest für den streitgegenständlichen
Zeitraum könne auch der Nachweis nicht erbracht werden, dass der titulierte Anspruch nicht zu verwirklichen sei. Nicht zu
verwirklichende Ansprüche seien solche, deren Durchsetzung nach den Umständen des Einzelfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit
aussichtslos sei oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erreicht werden könne. Die Klägerin habe selbst erklärt, dass sie
W. zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit zur Zahlung aufgefordert habe, obwohl die Beklagte sie hierzu bereits im Jahre
1997 aufgefordert habe. In Anbetracht der auch im Gerichtsverfahren angeregten, aber unterbliebenen lediglich formlosen Zahlungsaufforderung
an W. - die Einleitung der Zwangsvollstreckung sei hierfür nicht zwingend erforderlich - anhand dessen Reaktion gegebenenfalls
eine fehlende Realisierbarkeit des titulierten Unterhaltsanspruchs hätte nachgewiesen werden können, hätten keine Anhaltspunkte
dafür bestanden, dass insoweit die Realisierung des Anspruchs nicht möglich gewesen sei. Insoweit habe sozialversicherungsrechtlich
der Unterhaltstitel in der dokumentierten Fassung berücksichtigt werden müssen. Eine Beiladung des Rentenversicherungsträgers
nach §
75 Abs.
2 SGG habe nicht erfolgen müssen, da nach §
90 Abs.
1 SGB VI ein titulierter Unterhaltsanspruch unabhängig von der Möglichkeit der Verwirklichung anzurechnen sei und insoweit keine zwingend
einheitliche Entscheidung ergehen müsse. Das Urteil ist dem Klägerbevollmächtigtem am 02.05.2011 zugestellt worden.
Der Klägerbevollmächtigte hat am 05.05.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung gegen dieses Urteil
eingelegt, welche ursprünglich allein gegen W. gerichtet war. Am 27.05.2011 hat der Klägerbevollmächtigte beantragt, das Rubrum
abzuändern und lediglich die Beklagte als Prozessgegner aufzuführen.
Zur Begründung der Berufung hat der Klägerbevollmächtigte einen auf Antrag des W. ergangenen Beschluss des Amtsgerichts Freudenstadt
vom 25.07.2011 (ergangen nach mündlicher Verhandlung vom 20.07.2011; rechtskräftig seit dem 06.09.2011) vorgelegt, in dem
festgestellt wird, dass die Klägerin seit dem 01.04.2011 keinen Unterhaltsanspruch mehr gegenüber W. hat. Der Beschluss wird
damit begründet, dass nach 10-jähriger Ehe und knapp 30 Jahre nach der Scheidung kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt
mehr bestehe; ein Unterhaltstatbestand der §§
1570-
1573,
1575,
1576 BGB liege nicht vor. Zu damaliger Zeit habe für die Beteiligten nicht die Möglichkeit bestanden, den Unterhalt zu befristen.
Im Übrigen hätten die Beteiligten in dem Unterhaltsvergleich aus dem Jahr 1981 die Möglichkeit der Abänderung zu Gunsten von
W. vereinbart, wenn die Witwenrente wieder auflebe; diese Situation sei inzwischen eingetreten.
Mit Beschluss vom 08.07.2011 hat der erkennende Senat auf Antrag von W. festgestellt, dass die Klägerin die außergerichtlichen
Kosten des zunächst von ihr als Beklagten bezeichneten W. zu erstatten habe. Der zunächst als Beklagter benannte W. sei durch
die Klageänderung der Klägerin als Beteiligter aus dem Berufungsverfahren ausgeschieden. Insofern handele es sich bei um eine
Klageänderung in Form eine Beteiligtenwechsels, die nach §
99 Abs.
1, Alt. 2
SGG zulässig sei, weil es sich bei dem gegen W. eingelegten Berufungsverfahren um ein von Anfang an vollumfänglich unzulässiges
Berufungsverfahren gehandelt habe, wohingegen die Berufungseinlegung gegen die Beklagte offensichtlich zulässig sei. Die Klageänderung
sei auch nach §
99 Abs.
1, Alt. 1
SGG als zulässig anzusehen, weil die Beklagte im Sinne von §
99 Abs.
2 SGG nicht widersprochen und sich mit Schriftsatz vom 08.06.2011 auf die abgeänderte Klage eingelassen habe.
Die Klägerin beantragt,
teils sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.04.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.06.2010
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2010 zu verurteilen, ihr die Witwenrente für die Zeit ab Mai 1998 bis zum
31.03.2011 ungemindert auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf dessen Entscheidungsgründe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten
sowie die Akten des SG und des LSG Bezug genommen.
Hinsichtlich der streitbefangenen Erhöhung dieser Rente hat das SG zwar zutreffend auf die Bestandskraft der Rentenbescheide vom 25.03.2003 und 16.08.2007 hingewiesen, mit denen die früheren
Anträge der Klägerin auf Rentenerhöhung abgelehnt worden sind. Allerdings ist der Antrag des Klägerbevollmächtigten vom 20.10.2008
als Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung der Rentenhöhe auch für die Vergangenheit anzusehen, weil hierin ausdrücklich die Auffassung vertreten wird,
dass bereits seit Mitte 1998 keine Anrechnung eines Unterhaltsanspruchs mehr möglich gewesen sei. Ausweislich der Begründung
des Ablehnungsbescheids vom 17.06.2010, dass ein etwaiger Wegfall der Unterhaltsverpflichtung in der Vergangenheit für sich
genommen unbeachtlich sei, hat die Beklagte auch über diesen Antrag im Sinne einer Ablehnung einer früheren Rentenerhöhung
entschieden.
Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften
der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, §
44 Abs. 4 Satz 1 SGB X. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.2007 - B 4 R 19/07 R - SozR 4-1300 § 44 Nr. 12, [...] Rn. 36 f.). Aufgrund dieser Ausschlussfrist können rückwirkend höhere Leistungen für die
Zeit von 1998 bis zum 31.12.2003 nicht mehr gewährt werden.
Dementsprechend kommt es nicht mehr darauf an, dass die Klägerin offensichtlich einvernehmlich mit W. bereits ab Juli 1998
auf die Zahlung von Unterhalt und damit auch auf die Durchsetzung ihres Vollstreckungstitels verzichtet hat, und ob ein hierin
ggf. liegender Verzicht nach nicht zu Lasten eines Dritten - hier der Beklagten - wirksam vereinbart werden konnte (vgl. Landessozialgericht
Niedersachsen, Urteil vom 19.08.1992 - L 2 J 102/91 - [...], ZfS 1993, 52, wonach es wegen der Subsidiarität der wiederauflebenden Witwenrente gegenüber den Unterhaltsansprüchen aus der letzten Ehe
nicht zulässig und für ihre Höhe unbeachtlich sei, wenn die Höhe des Unterhaltsanspruchs von der Höhe der wiederauflebenden
Witwenrente abhängig gemacht wird).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.