Kein Anspruch gegen die Krankenkasse auf Übernahme der Kosten für Dronabinol-Tropfen
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger das Arzneimittel "Dronabinol-Tropfen" als Sachleistung zur
Verfügung zu stellen hat.
Der 1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Seit ca. 1985 leidet er an einer Encephalomyelitis disseminata
(Multiple Sklerose - MS); diese verlief bisher schubförmig mit unvollständigen Remissionen. Als Folge der Erkrankung bestehen
beim Kläger Gehstörungen mit Reduzierung der maximalen Gehstrecke sowie Kribbelparästhesien vorwiegend im Bereich der unteren
Extremitäten, darüber hinaus ist eine zunehmende Ataxie festzustellen.
In den vergangenen Jahren hat der Kläger die Schmerzzustände und Sensibilitätsstörungen selbstständig durch die Einnahme von
selbst angebautem Cannabis zu beeinflussen versucht und seinen Angaben zufolge dabei günstige Auswirkungen auf seine MS-Symptomatik
verspürt. Im Hinblick darauf verordnete der Neurologe und Psychiater Dr. S. am 28. Juli 1999 unter der Diagnose MS mit schwerer
Ataxie und Tetraspastik "Dronabinol-Tropfen 2 % 3 ml". Dronabinol ist ein Inhaltsstoff der Hanfpflanze und ein verkehrs- und
verschreibungsfähiges Betäubungsmittel nach Anlage III zu § 1 Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG). Dieses Cannaboid wurde seinerzeit durch die B.-Apotheke in Hamburg rezepturmäßig hergestellt; zwischenzeitlich erfolgt
die Herstellung der Rezeptursubstanz durch die Firma T. In der Bundesrepublik Deutschland ist arzneimittelrechtlich kein Arzneimittel
auf der Grundlage von Cannabis zugelassen. Als Fertigarzneimittel ist der (synthetisch hergestellte) Wirkstoff Dronabinol
unter dem Warennamen "Marinol" in den USA im Verkehr; die Zulassung erfolgte für die Behandlung von Anorexie bei Aids-Patienten
sowie zytostatikbedingtem Erbrechen. Hierdurch bedingt darf Marinol auf der Grundlage des § 73 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG) im Inland verordnet und importiert werden.
Am 02. August 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für das Medikament Dronabinol. Er machte
geltend, die relative Stabilität seiner schweren Erkrankung nur mit Hilfe der Selbstmedikation mit Cannabis erreicht zu haben,
wobei die wenigen Male, die er es abgesetzt habe, eine rapide Verschlechterung der Gesamtsymptomatik zu verzeichnen gewesen
sei. Da ein Polizeieinsatz den weiteren Eigenanbau unmöglich gemacht habe, sei er jetzt auf eine Verschreibung des Medikaments
angewiesen. Er legte in Kopie das erwähnte Rezept des Dr. S. vom 28. Juli 1999, die ärztliche Bescheinigung des Dr. M., Chefarzt
der Klinik Dr. E. (Krankenhaus für MS- und andere Nerven- und Stoffwechselleiden), vom 22. Juli 1999, ein Informationsblatt
der B.-Apotheke sowie den Artikel "Verwendung von Cannabis bei MS?" aus ACM-News Nr. 7, Januar 1999 (ACM = Arbeitsgemeinschaft
Cannabis als Medizin) vor. In der vorgelegten Bescheinigung des Dr. M. befürwortet dieser nervenärztlicherseits die kontrollierte
Einnahme von Dronabinol, nachdem der Kläger mit dem regelmäßigem Konsum von Cannabis günstige Auswirkungen auf seine MS-Symptomatik
verspürt habe. Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), wobei
Dr. M.-J. ausweislich seiner Stellungnahme vom 16. August 1999 die Kostenübernahme nicht befürwortete. Die in dem vorgelegten
Beitrag zitierten Studien/Kasuistiken bzw. Untersuchungen mit sehr geringen Probandenzahlen, wobei zum Teil subjektive Angaben
über "allgemeine" Besserungen als Kriterium für eine Wirksamkeit herangezogen worden seien, reichten bei weitem nicht aus,
um einen therapeutischen Effekt des begehrten Präparates nachzuweisen. Um die Effektivität dieser Behandlung nachzuweisen,
seien vielmehr wissenschaftlich fundierte Aussagen aufgrund statistisch einwandfreier Untersuchungsdesigns mit einer genügend
großen Probandenzahl erforderlich. Gestützt auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid
vom 19. August 1999 ab. Im Widerspruchsverfahren verwies der Kläger auf eine Umfrage unter 112 MS-Patienten in Schottland
und Großbritannien aus dem Jahre 1997 sowie auf internationale wissenschaftliche Stellungnahmen, nach denen Cannabis bei MS
als wirksam beurteilt worden sei. Im Übrigen legte er ausführlich seine Krankengeschichte dar. Die Beklagte holte die telefonische
Auskunft der B.-Apotheke vom 12. Oktober 1999 sowie die Auskunft des Dr. S. vom 06. Dezember 1999 ein. Ferner veranlasste
sie eine weitere Stellungnahme des MDK, wobei Dr. M.-J. ausweislich seiner Stellungnahme vom 13. Dezember 1999 an seiner bisherigen
Einschätzung festhielt. Auch der darüber hinaus hinzugezogene Dr. Bi. befürwortete die Kostenübernahme ausweislich seiner
Ausführungen vom 21. Dezember 1999 nicht. Seines Erachtens stellten die vorliegenden Veröffentlichungen zur Wirksamkeit von
Cannabisprodukten auf MS keine wirklich relevante Datenlage dar, um diese Medikation medizinisch-wissenschaftlich vertreten
zu können. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2000 wies der bei der Beklagten eingesetzte Widerspruchsausschuss den Widerspruch
im Wesentlichen unter Darlegung der Ausführungen des Dr. Bi. in dem erwähnten Gutachten zurück.
Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG) Mannheim Klage und machte geltend, die Beklagte habe die Kosten der begehrten Behandlung mit Dronabinol unter dem Gesichtspunkt
eines Systemversagens zu tragen, da eine Äußerung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (BA) zur Cannabis-Medikation
bei MS trotz Erfüllung der notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht vorliege, diese Behandlung sich in
der medizinischen Fachdiskussion hinreichend durchgesetzt habe und von einer erheblichen Zahl von Ärzten angewandt werde.
Er legte die Bescheinigung des Dr. S. vom 08. November 1999 sowie das "Gutachten" des Dr. G. vom 06. Dezember 1999 vor. Im
Hinblick auf das vom SG eingeholte Gutachten des Dr. Ba., der zur Frage, ob sich das Medikament Dronabinol bei MS in der wissenschaftlichen Fachdiskussion
hinreichend durchgesetzt habe, die Datenlage für "zu dünn" erachtet habe, führte er aus, dass "Nahas", auf dessen Abhandlung
"Marihuana and medicine" sich Dr. Ba. im Wesentlichen gestützt habe, nach Auffassung anderer Autoren eine eher extreme Einzelmeinung
vertrete. Im Übrigen sei auffällig, dass auch im Zusammenhang mit den aufgeführten Alternativmedikamenten häufig von einer
schlechten Datenlage die Rede sei. Da auch diese Medikamente mit heftigen Nebenwirkungen einhergehen könnten, sei es nicht
angemessen, einerseits auf die "dünne Datenlage" und die Nebenwirkungen bei Cannabinoiden zu verweisen, wenn die Alternativen
andererseits gleichfalls auf einer derartigen Datenlage beruhten und ebenfalls möglicherweise gravierende Nebenwirkungen zeigten.
Soweit Dr. Ba. festgestellt habe, dass im Wesentlichen nur Einzelfallberichte und keine Ergebnisse groß angelegter Studien
vorlägen, sei darauf hinzuweisen, dass schon die Tatsache der im Gutachten aufgeführten Studie des Medical Research Council
in England oder eine derzeit in der Schweiz durchgeführte Studie sowie die Vielzahl von Forschungen und Aufsätzen zeigten,
dass die wissenschaftliche Fachdiskussion sich mit dem Thema Medikation mit Cannabis-Produkten bei MS intensiv befasse. Auch
der Gutachter erwarte als Ergebnis der Studien mit hoher Wahrscheinlichkeit Effekte auf die Symptome Spastik, schmerzhafte
Parästhesien und Tremor. Den Stand der wissenschaftlichen Fachdiskussion dokumentiere auch das Buch von G. "Cannabis und Cannabinoide",
von dem ein Vorabdruck des Kapitels " Spastische Störungen" in Kopie vorgelegt wurde. All dies lasse den Schluss zu, dass
sich die Behandlungsmethode in der wissenschaftlichen Diskussion hinreichend durchgesetzt habe. Darüber hinaus gebe es auch
begründete Hinweise, dass sich Dronabinol in der ärztlichen Praxis weitgehend durchgesetzt habe. Die Beklagte trat der Klage
unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Auch das Gutachten
des Dr. Ba. mache deutlich, dass aufgrund der Datenlage derzeit eine Verordnung von Dronabinol zu Lasten der gesetzlichen
Krankenversicherung nicht ausreichend begründet werden könne. Sie verwies auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom
05. Juli 1995 (1 RK 6/95 - Remedacen), 16. September 1997 (1 RK 32/95) und 16. Oktober 1997 (1 RK 28/95).
Das SG erhob das bereits erwähnte Gutachten des Dr. Ba., Chefarzt der Neurologischen Klinik am Diakoniekrankenhaus M. GmbH, vom
30. Oktober 2000 und wies die Klage mit Urteil vom 09. August 2001 im Wesentlichen mit der Begründung ab, der BA habe über
die Zulassung der Dronabinol-Therapie noch nicht entschieden, weshalb keine Leistungsverpflichtung der Beklagten bestehe.
Der Kläger könne sich auch nicht auf ein Versagen anderer Therapien berufen, nachdem er die von Dr. Ba. in Erwägung gezogene
Interferoneinnahme nicht versucht habe. Die Wirksamkeit der Dronabinol-Therapie sei im Übrigen nicht nachgewiesen; insoweit
sei die Erprobung nicht abgeschlossen und es fehle an zuverlässigen wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen über Qualität
und Wirkungsweise. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des der früheren Bevollmächtigen des
Klägers am 17. August 2001 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 17. September 2001 schriftlich durch Fernkopie beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt.
Er macht geltend, dass er sich in einem unlösbaren Dilemma befinde, da er die Kosten für Dronabinol selbst nicht aufbringen
könne. Lediglich durch den - verbotenen - Eigenanbau von Hanf habe er die Behandlungskosten tragen können. Die Erlaubnis zur
Selbstmedikation sei ihm versagt worden, wobei ihm entgegengehalten worden sei, dass er sich Dronabinol verschreiben lassen
könne. Dieses Dilemma sei als Ausfluss des Sozialstaatsprinzips bei der Entscheidung über die Kostentragungspflicht zu berücksichtigen,
und zwar dergestalt, dass die vom BSG aufgestellten Anforderungen an den Nachweis der Wirksamkeit der Behandlungsmethode abzusenken
seien. Denn die Regelungen des BtMG in Deutschland und die entsprechenden Regelungen im Ausland erschwerten den Nachweis der Wirksamkeit der Methode erheblich.
Entgegen der Ansicht des SG sei ungeachtet dessen aber von der Wirksamkeit der Dronabinol-Therapie auszugehen. Die im Einzelnen näher bezeichneten Publikationen
zeigten, dass sich mit Dronabinol eine wirksame Therapie bei MS durchführen lasse. Insbesondere die Publikationen "Greenberg
HS et al" und "Ungerleider JT et al" stützten sich auf randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudien, wobei der gerichtliche
Sachverständige die zuerst genannte Studie übersehen habe. Ungeachtet dessen ergebe sich aber auch aus dem Gutachten des Dr.
Ba. selbst, dass die Methode wirksam sei. Denn der Sachverständige zweifle positive Effektive auf die Spasmen grundsätzlich
nicht an und habe auch, bezogen auf ihn, Behandlungserfolge für möglich gehalten. Auch das Bundesministerium für Gesundheit
und die Bundesärztekammer gingen ausweislich des Beitrags von Möller und Flenker "Cannabis als Medizin" von einem Wirksamkeitsnachweis
und damit von einer anerkannten Heilmethode aus, da diese einen relativ gut gesicherten Effekt von Dronabinol u.a. auf Spastik,
Schmerzzustände und Bewegungsstörungen bestätigten. Bei Einholung eines weiteren Gutachtens sei es sinnvoll, sich mit der
Forschungsgruppe in Großbritannien, die eine sich in der Phase III befindende Studie an 660 MS-Patienten durchführe, wegen
Zwischenergebnissen in Verbindung zu setzen. Die Verwendung von Dronabinol als ärztliche Behandlungsmaßnahme habe sich auch
hinreichend durchgesetzt, was sich daraus entnehmen lasse, dass das Medikament in Belgien und in Kanada zugelassen sei. Soweit
das SG darauf abgestellt habe, dass er die von Dr. Ba. in Betracht gezogene Interferontherapie nicht versucht habe, stehe dieser
Gesichtspunkt der begehrten Kostenübernahme nicht entgegen. Denn eine Verweisung auf diese Therapie verletze ihn in seinem
Selbstbestimmungsrecht sowie seiner Therapie- und Gewissensfreiheit. Zudem sei die Wirksamkeit dieser Therapie bei seinem
speziellen Krankheitsbild ungeklärt. Ein Wirksamkeitsnachweis entsprechend den Anforderungen des §
135 Abs.
1 SGB V sei im Übrigen nicht erforderlich. Es sei nicht Aufgabe des BA, Dronabinol einer eigenen Kontrolle zu unterziehen. Dies sei
auch nicht notwendig, da schon das arzneimittelrechtliche Zulassungsverfahren der Qualitätssicherung diene. Der Wirkstoff
Dronabinol sei in den USA als Fertigarzneimittel Marinol zugelassen. Zwar begehre er nicht Marinol, sondern Dronabinol, doch
unterscheide sich Marinol trotz des unterschiedlichen Herstellungsverfahrens pharmakologisch nicht von dem Rezepturarzneimittel.
Prüfungsmaßstab sei allein, ob Dronabinol sich als notwendig darstelle.
Verfahrensrechtlich sei der BA zur Abwendung eines Systemversagens beizuladen, da dieser ohne Beiladung an die Sozialgerichtsrechtsprechung
nicht gebunden sei. Ein Systemversagen liege allerdings schon darin, dass sich der BA und die zur Antragstellung berechtigten
Institutionen nicht unmittelbar nach der Einstufung von Dronabinol in die Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG eigeninitiativ oder auf Antrag mit der streitbefangenen Therapie befasst hätten. Zum Beweis dafür, dass die Verordnung von
Dronabinol bei der Erkrankung MS erstens eine konventionelle und keine neue Behandlungsmethode, zweitens eine von der Wissenschaft
anerkannte und in der Ärzteschaft verbreitete Behandlungsmethode ist und drittens im Einzelfall gerechtfertigt ist, da es
sich bei MS um eine schwere Krankheit handle, Behandlungsalternativen nicht bestünden und die begründete Aussicht bestehe,
mit Dronabinol einen Behandlungserfolg zu erzielen und viertens die Verordnung von Dronabinol bei ihm ärztlich indiziert sei,
beantragt er, Prof. Dr. M., Sektion Klinische Neurophysiologie in der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H.,
mit der Erstattung eines Gutachtens zu beauftragen. Da im Übrigen ungeklärt sei, ob das Standardrezepturarzneimittel als halbsynthetisches
Generikum hinsichtlich des in den USA zugelassenen Arzneimittels Marinol pharmakologisch identisch ist, sei ein pharmakologisches
Gutachten einzuholen. Im Übrigen seien bezüglich der Einstufung von Dronabinol in die Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG beim Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung Protokolle und Unterlagen der Sachverständigenanhörung zu der
Frage beizuziehen, ob diese Einstufung auch erfolgt ist, um eine Versorgung von Patienten und Kassenpatienten mit der Behandlungsmethode
"Verordnung des Standardrezepturarzneimittels Dronabinol bei der Erkrankung Multiple Sklerose" zu gewährleisten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09. August 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19.
August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2000 zu verurteilen, ihm Dronabinol-Tropfen als Sachleistung
zu gewähren,
hilfsweise die Kosten für die Beschaffung von Dronabinol-Tropfen zu erstatten,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, bei der für die Beklagten zuständigen Spitzenorganisation außergerichtlich und gerichtlich
darauf hinzuwirken, dass beim Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ein Überprüfungsantrag hinsichtlich der Behandlungsmethode
"Verordnung des Standardrezepturarzneimittels Dronabinol bei Erkrankung mit Multipler Sklerose" gestellt wird
sowie die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Die Verordnung von nicht zugelassenen oder nicht registrierten Arzneimitteln
und von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Indikationen sei unzulässig. Gleiches gelte für die Erprobung von
Arzneimitteln. Sie verweist auf das Urteil des BSG vom 30. September 1999 (B 8 KN 9/98 R).
Die Berichterstatterin hat die Auskunft des BA (Arbeitsausschuss "Arzneimittel") vom 21. Januar 2001 eingeholt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden
erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der
Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §
151 Abs.
1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß
§
124 Abs.
2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 19. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 19. Januar 2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Behandlung
mit dem begehrten Arzneimittel "Dronabinol-Tropfen" zu Lasten der Beklagten. Diese ist daher auch nicht verpflichtet, dem
Kläger das begehrte Medikament als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Gemäß §
27 Abs.
1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (
SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um u.a. eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung
zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß Satz 2 Nr. 3 der Vorschrift die Versorgung
mit Arzneimitteln. Dabei besteht die Leistungspflicht der Krankenkasse jedoch nicht für jede Art von Behandlung. Diese unterliegt
vielmehr den Einschränkungen aus §
2 Abs.
1 und §
12 Abs.
1 SGB V. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer
nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Die Qualität und Wirksamkeit der Leistungen muss dem allgemein anerkannten
Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Auf dieser Grundlage gehört die hier streitige Behandlung mit Dronabinol
nicht zu den von der gesetzlichen Krankenkasse geschuldeten Leistungen.
Soweit die Pflicht zur Übernahme der Kosten eines Arzneimittels in Streit steht, ist bei der rechtlichen Beurteilung danach
zu unterscheiden, ob es sich im Sinne des § 4 Abs. 1 AMG um ein im Voraus hergestelltes und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebrachtes und
damit ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel handelt, oder um ein für den jeweiligen Behandlungsfall nach ärztlicher
Verordnung zusammengestelltes und damit nach dem AMG zulassungsfreies Rezepturarzneimittel. Soweit ein Fertigarzneimittel in Frage steht, fehlt es an der erforderlichen Zweckmäßigkeit
und Wirtschaftlichkeit, wenn für das entsprechende Medikament nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts keine Zulassung
erteilt worden ist. Entsprechendes gilt für neuartige zulassungsfreie Rezepturarzneimittel, wenn der BA im Hinblick auf den
Vorbehalt des §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V insoweit keine Empfehlung abgegeben hat. Denn danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen
Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden, wenn der BA in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische
Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat.
Der Senat geht im Sinne der Darlegungen des Klägers davon aus, dass das von ihm begehrte "Dronabinol" pharmakologisch identisch
ist mit dem in den USA zugelassenen Fertigarzneimittel Marinol. Der Einholung eines pharmakologischen Gutachtens - wie vom
Kläger beantragt - bedarf es zur Klärung dieser Frage daher nicht. Ob sich die rechtliche Beurteilung des geltend gemachten
Anspruchs unter diesem Gesichtspunkt allein nach den für Fertigarzneimittel geltenden Kriterien richtet, kann dabei dahingestellt
bleiben. Denn das streitbefangene Arzneimittel fällt unabhängig davon, ob man es als Fertigarzneimittel oder als Rezepturarzneimittel
einstuft, nicht in die Leistungspflicht der Beklagten.
Geht man im Sinne der Rechtsansicht des Klägers davon aus, dass die für Fertigarzneimittel anwendbaren Kriterien heranzuziehen
sind, weil die Rezeptursubstanz Dronabinol als Fertigarzneimittel unter dem Warennamen "Marinol" vertrieben wird, lässt sich
eine Leistungspflicht der Beklagten gleichwohl nicht begründen. Denn das Fertigarzneimittel "Marinol" verfügt nicht über eine
arzneimittelrechtliche Zulassung nach den Vorschriften des AMG. Das Fehlen einer derartigen Zulassung führt aber dazu, dass das Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
nicht verordnungsfähig ist. Diese Sperrwirkung beruht darauf, dass die Voraussetzungen für die arzneimittelrechtliche Zulassung
den Mindestanforderungen entsprechen, die im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung an eine wirtschaftliche und zweckmäßige
Verordnungsweise zu stellen sind. Wie sich aus dem Zweck des Gesetzes (vgl. § 1 AMG) und der Aufzählung der Versagensgründe in § 25 Abs. 2 Satz 1 AMG ergibt, dient das Zulassungsverfahren nach dem AMG nicht nur der Abwehr von gesundheitsgefährdenden Arzneimitteln, vielmehr soll es zugleich eine ausreichende Qualität und
Wirksamkeit der Arzneimittel gewährleisten. Das Arzneimittelrecht geht davon aus, dass Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
eines Medikaments regelmäßig vor der Freigabe zur Anwendung am Patienten in einem Zulassungsverfahren nachzuweisen sind. Der
Hersteller hat dazu die für eine Überprüfung notwendige vollständige Dokumentation (§§ 22 ff. AMG) vorzulegen, wobei ihm die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der vom Gesetz geforderten Kriterien obliegt. Mit
dieser arzneimittelrechtlichen Zulassung verfügen die Krankenkassen über ein eindeutiges zugängliches Kriterium bei der Entscheidung
über die Verordnungsfähigkeit von pharmazeutischen Produkten. Zudem ist dieses Kriterium zuverlässig, da die Zulassungsentscheidung
nach §§ 21 ff. AMG auf der Grundlage aufwendiger Zulassungsunterlagen des Antragstellers mit sachangemessener behördlicher Kompetenz ergeht
(BSG, Urteil vom 23. Juli 1998 - B 1 KR 19/96 R = SozR 3-2500 § 31 Nr. 5).
Da das Fertigarzneimittel Marinol über keine arzneimittelrechtliche Zulassung nach dem AMG verfügt, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, ist die Verordnungsfähigkeit dieses Arzneimittels zu Lasten der
gesetzlichen Krankenversicherung zu verneinen.
Dem steht nicht entgegen, dass Marinol in den Staaten der USA zugelassen ist. Denn diese Zulassung ist einer Zulassung nach
den Vorschriften des AMG nicht gleichzusetzen. Die außerhalb des Geltungsbereichs des AMG erfolgte Zulassung führt lediglich dazu, dass das Arzneimittel auf der Grundlage des § 73 Abs. 3 AMG für den Einzelfall verordnet und importiert werden darf. Diese grundsätzliche Verordnungsfähigkeit bedeutet nicht gleichzeitig,
dass das Arzneimittel auch zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden darf. Wie bereits ausgeführt, steht
diese nämlich unter dem Vorbehalt einer Zulassung nach den Vorschriften des AMG, wobei eine solche für Marinol bisher gerade nicht erteilt worden ist. Somit ist offen, ob Marinol den Mindestanforderungen
genügt, die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung an eine wirtschaftliche und zweckmäßige Verordnungsweise zu stellen
sind. Eine ausreichende Wirksamkeit und Qualität dieses Arzneimittels ist somit nicht ohne weiteres zu bejahen, zumal ohne
eingehende Prüfung der nach ausländischen Rechtsvorschriften erfolgten Zulassung nicht feststeht, dass der entsprechenden
Zulassung ein ausreichender Qualitäts-, Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweis entsprechend den innerstaatlichen Regelungen
zugrunde liegt. Damit stellt die arzneimittelrechtliche Zulassung bei Arzneimitteln, die nach dem Recht eines Drittstaates
zugelassenen sind, gerade kein eindeutiges und zuverlässigen Kriterium zur Bejahung der nach den Regelungen der §§
2 und
12 SGB V erforderlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Arzneimittels dar. Es ist daher auch nicht gerechtfertigt, mit der
Leistungspflicht der Krankenkassen allein an das Kriterium der inländischen Verordnungsfähigkeit anzuknüpfen.
Hinzu kommt bezüglich des vorliegend im Streit stehenden Arzneimittels, dass die in den USA erfolgte Zulassung, was zwischen
den Beteiligten gleichfalls nicht im Streit steht, nicht für das Anwendungsgebiet erfolgt ist, in dem das Arzneimittel nach
dem Willen des Klägers konkret eingesetzt werden soll. Denn während sich die Indikation von Marinol auf die Behandlung von
Anorexie bei Aids-Patienten und zytostatikbedingtem Erbrechen bezieht, soll das Medikament beim Kläger im Rahmen seiner MS-Erkrankung
im Hinblick auf auftretende Schmerzzustände und Sensibilitätsstörungen angewandt werden. Die Verwendung eines Arzneimittels
außerhalb des zugelassenen Indikationsbereichs ist aber nicht anders zu beurteilen als die Anwendung eines Arzneimittels,
hinsichtlich dessen ein Zulassungsverfahren (noch) nicht durchgeführt wurde. Denn ein ausreichender Wirksamkeitsnachweis in
einem dafür vorgesehenen und geeigneten Verfahren ist in einem Anwendungsbereich außerhalb der zugelassenen Indikation gerade
nicht erbracht. Selbst wenn man bezüglich des Arzneimittels Marinol demnach unterstellen würde, dass der außerhalb des Geltungsbereichs
des AMG erfolgten Zulassungsentscheidung zumindest ein den innerstaatlichen Maßstäben entsprechendes Prüfungsverfahren vorausgegangen
ist, ließe sich nicht ausschließen, dass das Arzneimittel bei seinem Gebrauch außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs
schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen
(vgl. BSG, Urteil vom 30. September 1999 - B 8 KN 9/98 KR R = SozR 3-2500 § 27 Nr. 11). Die in den Staaten der USA erfolgte
Zulassung von Marinol rechtfertigt somit auch unter diesem Gesichtspunkt keine Beurteilung im Sinne des klägerischen Begehrens.
Soweit das BSG in seinem Urteil vom 19. März 2002 (B 1 KR 37/00 R) die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen in eng begrenzten Ausnahmefällen auf einen sogenannten Off-Label-Gebrauch
eines Arzneimittels ausgedehnt hat, lassen sich die in jener Entscheidung entwickelten Grundsätze auf den vorliegend zu beurteilenden
Sachverhalt schon deshalb nicht übertragen, weil das in jener Entscheidung streitbefangene Fertigarzneimittel Sandoglobulin
für bestimmte Anwendungsgebiete über eine arzneimittelrechtliche Zulassung nach den Vorschriften des AMG verfügt, was bei dem vorliegend im Streit stehenden Arzneimittel Marinol gerade nicht der Fall ist.
Die geltend gemachte Leistungspflicht für das streitbefangene Arzneimittel ließe sich auch dann nicht bejahen, wenn dieses
Präparat als zulassungsfreies Rezepturarzneimittel einzustufen wäre. Denn der Vorbehalt des §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V gilt für alle Arten von Untersuchungs- und Behandlungsverfahren und damit auch für neuartige Arzneitherapien. Demnach dürfte
Dronabinol, wenn es nicht nach den Grundsätzen der Fertigarzneimittel zu beurteilen wäre, in der gesetzlichen Krankenversicherung
nur nach Prüfung und Empfehlung durch den BA angewandt werden. Da eine derartige Empfehlung jedoch nicht vorliegt, ist dieses
Medikament nicht Gegenstand des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung und daher auch nicht von der Beklagten
zur Verfügung zu stellen.
Soweit der Kläger insoweit geltend gemacht hat, es sei im Hinblick auf die in den USA erfolgte Zulassung des Wirkstoffs Dronabinol
als Fertigarzneimittel Marinol nicht Aufgabe des BA, Dronabinol einer eigenen Kontrolle zu unterziehen, verkennt der Kläger,
dass die erwähnte Zulassung nicht den Indikationsbereich betrifft, in dem das streitbefangene Arzneimittel bei ihm zur Anwendung
gelangen soll. Bezüglich des beabsichtigten Anwendungsbereichs ist im Zusammenhang mit der erteilten Zulassung mithin nicht
einmal der therapeutische Nutzen einer Überprüfung unterzogen worden.
Soweit der Kläger einen Mangel des gesetzlichen Leistungssystems geltend gemacht hat, ist darauf hinzuweisen, dass sich die
Rechtswidrigkeit einer Leistungsverweigerung als sogenannter Systemmangel nur mit der rechtswidrigen Untätigkeit des BA begründen
ließe. Dabei liegt ein Systemmangel nur dann vor, wenn die Entscheidung des BA trotz Erfüllung der für die Überprüfung neuer
Behandlungsmethoden formalen und inhaltlichen Voraussetzungen willkürlich und aus sachfremden Erwägungen unterblieben oder
verzögert wäre (vgl. BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 14; BSG SozR 3-2500 § 27a Nr. 2; BSG, Urteil vom 19. Februar 2002 - B 1 KR 16/00 R). Hierfür sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Insbesondere liegt dem BA nach der dem Senat erteilten Auskunft vom
21. Januar 2002 offensichtlich nicht einmal ein entsprechender Antrag auf Beratung vor. Ein Systemversagen liegt insbesondere
auch nicht darin, dass seitens der antragsbeigefügten Stellen kein solcher Antrag gestellt wurde, bzw. der BA sich nicht aus
eigener Initiative heraus mit der streitbefangenen Therapie befasst hat. Vielmehr ist es sachgerecht, den BA mit der Überprüfung
einer neuen Therapie erst dann zu befassen, wenn wissenschaftlich begründete Aussagen zur Wirksamkeit einschließlich eventueller
Risiken überhaupt getroffen werden können. Dies ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt bezüglich des Einsatzes von Cannaboiden bei
MS jedoch noch nicht möglich. Wissenschaftlich begründbare Aussagen zum Nutzen und gegebenenfalls auch zu den Risiken der
hier streitigen Arzneitherapie können sich frühestens nach Vorliegen der Ergebnisse der in England laufenden placebokontrollierten
Doppelblindstudie treffen lassen, mit der erstmals im Rahmen einer groß angelegten Studie an 660 MS-Patienten die Effekte
von Cannabisextrakt (Cannador) bzw. Tetrahydrocannabinol (Marinol) auf die Spastik untersucht werden. Daran wird deutlich,
dass die streitige Therapie die Phase der Erprobung noch nicht überschritten hat, was allein schon unter diesem Gesichtspunkt
die Leistungspflicht der Beklagten ausschließt. Denn wie bereits aus der Entstehungsgeschichte sowie aus Sinn und Zweck des
§
2 SGB V deutlich wird, sind noch im Prüfstadium befindliche Behandlungsmethoden nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung.
Nach der Gesetzesbegründung dieser Vorschrift dürfen sich neue Behandlungsmethoden nicht mehr im Erprobungsverfahren befinden.
Denn es ist nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die medizinische Forschung zu finanzieren (BT Drucks. 11/2237
S. 157).
Dass die streitige Arzneitherapie die Phase der Erprobung noch nicht überschritten hat, entnimmt der Senat dem vom SG erhobenen Gutachten des Dr. Ba., den vom Kläger vorgelegten Unterlagen sowie den dem Senat seitens des BA zur Verfügung gestellten
Fachbeiträgen. Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass mit dem Einsatz von Dronabinol bzw. Marinol beim Krankheitsbild
des Klägers mit gewisser Wahrscheinlichkeit Behandlungserfolge erzielt werden können. Dr. Ba. führt insoweit aus, dass mit
hoher Wahrscheinlichkeit Effekte von Tetrahydrocannabinol auf die Symptome Spastik, schmerzhafte Parästhesien und Tremor vorhanden
seien. Trotz der kaum angezweifelten Wirkungen der streitigen Medikation ist gleichwohl der vom Kläger gezogene Schluss, die
Methode sei im Hinblick auf diesen Wirksamkeitsnachweis bereits als anerkannte Heilmethode zu qualifizieren, nicht gerechtfertigt.
Denn der medizinische Einsatz einer Methode hängt maßgeblich auch davon ab, welche Nebenwirkungen damit verbunden sind, wobei
insbesondere eine sorgfältige Abwägung der Nutzen-Risiko-Relation vorzunehmen ist. Insoweit wird über die streitbefangene
Arzneitherapie in der medizinischen Wissenschaft jedoch weiterhin kontrovers diskutiert, was letztendlich zur Aufnahme der
bereits erwähnten Studie an 660 MS-Patienten in England geführt hat. Diese Feststellungen werden im Ergebnis auch von Möller
und Flenker in ihrem vom Kläger vorgelegten Beitrag "Cannabis als Medizin" bestätigt, die von einem wissenschaftlich noch
unbefriedigender Kenntnisstand bezüglich der Wirkungen von Cannabis-Arzneimitteln ausgehen. Auch der den Kläger behandelnde
Neurologe und Psychiater Dr. S. weist im Rahmen seiner vom Kläger erstinstanzlich vorgelegten Bescheinigung vom 08. November
1999 darauf hin, dass die beim Einsatz von Cannabis-Präparaten beschriebenen positiven Effekte nicht aus groß angelegten Doppelblindstudien
stammten, sondern aus Einzelfallbeobachtungen bzw. Beobachtungen an sehr kleinen Fallgruppen. Um eine gültige Aussage über
die Wirkmechanismen zu machen, seien aus neurologischer Sicht daher unbedingt größer angelegte Untersuchungsserien erforderlich.
Auch die Ausführungen von G. in dem vom Kläger vorgelegten Auszug aus seiner Abhandlung "Cannabis und Cannabinoide" belegen,
dass hinreichend gesicherte Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Behandlung mit Dronabinol nicht vorliegen. So wird nicht
zuletzt anhand seiner zusammenfassenden Feststellung, wonach kontrollierte Vergleichsstudien viel zum Ende der Diskussion
über Wirksamkeit und Sicherheit dieser Medikamente beitragen würden, deutlich, dass zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare
Erkenntnisse zu Wirksamkeit und Risiko der streitigen Arzneimittel noch nicht vorliegen.
Da der Kläger nach alledem das begehrte Arzneimittel nicht als Sachleistung von der Beklagten verlangen kann, hat die Beklagte
das entsprechende Begehren des Klägers zu Recht abgelehnt, so dass auch nicht zu beanstanden ist, dass das SG die Klage abgewiesen hat. Die Berufung des Klägers konnte hinsichtlich seines Hauptantrags somit gleichfalls keinen Erfolg
haben. Da die im Streit stehende Arzneitherapie nicht in die Leistungspflicht der Beklagten fällt, hat der Kläger weder einen
Sachleistungsanspruch gegen die Beklagte, noch kann er, sofern er sich das streitbefangene Arzneimittel auf eigene Kosten
selbst beschafft, die ihm entstehenden Kosten von der Beklagten im Wege der Kostenerstattung verlangen. Auch der Hilfsantrag
des Klägers konnte somit keinen Erfolg haben. Für den weiter hilfsweise gestellten Antrag, soweit man dessen Zulässigkeit
bejahen wollte, gilt Entsprechendes, nachdem im Hinblick auf die gegenwärtige Datenlage kein konkreter Beratungsanlass für
den BA besteht. Schon im Hinblick darauf war auch eine Beiladung des BA nicht geboten.
Im Rahmen der dem Senat obliegenden Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen war es letztlich auch nicht geboten,
den weiteren Beweisanträgen den Klägers nachzugehen. Soweit der Kläger die Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. M. beantragt
hat, sind die insoweit aufgeworfenen Fragen entweder nicht entscheidungserheblich oder bereits durch das vom SG erhobene Gutachten des Dr. Ba. geklärt. Die beantragte Sachverständigenanhörung zu den Gründen der Aufnahme von Dronabinol
in die Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG war gleichfalls mangels Entscheidungserheblichkeit nicht geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.