Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die extrabudgetäre Vergütung der Behandlung von Patienten durch den Kläger aufgrund des "Gesetzes
für schnellere Termine und bessere Versorgung" (Terminservice- und Versorgungsgesetz, TSVG) im Quartal 3/2019 in Streit.
Der Kläger ist als Facharzt für Kardiologie zur vertragsärztlichen Versorgung in V zugelassen. Er übte seine Tätigkeit bis
zum 30.06.2018 in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit zwei anderen Vertragsärzten und seit dem 01.07.2018 im Rahmen
einer Einzelpraxis am selben Standort aus.
Mit nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenem Bescheid vom 11.06.2019 wies die Beklagte dem Kläger ein Regelleistungsvolumen
(RLV) und qualifikationsgebundene Zusatzvolumen (QZV) für das Quartal 3/2019 in Höhe von insgesamt 69.180,90 € zu. Mit Honorarbescheid
vom 15.01.2020 für das Quartal 3/2019 setzte die Beklagte sodann das Honorar des Klägers auf insgesamt 79.348,71 € fest. Mit
Richtigstellungsbescheid vom selben Datum (Anlage 6 zum Honorarbescheid) teilte die Beklagte zudem mit, dass die TSVG-Kennzeichnung
99873E bei Neupatienten erst ab dem 01.09.2019 berechnungsfähig und nur bei Patienten anzusetzen sei, die noch nie oder seit
mindestens acht Quartalen nicht mehr in der Praxis behandelt worden seien. Von dieser Regelung seien neue Praxen jedoch ausgenommen;
die extrabudgetäre Vergütung werde erst nach acht vollen Quartalen nach Praxisgründung bzw. Praxisübernahme geleistet. Daher
sei der Ansatz der TSVG-Kennzeichnung 99873E im Fall des Klägers noch nicht möglich. Die Beklagte strich die angesetzte Kennziffer
in allen 60 Abrechnungsfällen.
Gegen den Honorarbescheid für das Quartal 3/2019 sowie gegen die Zuweisung des RLV und des QZV für das Quartal 3/2019 legte der Kläger mit Schreiben vom 17.02.2020 am 19.02.2020 Widerspruch ein und führte
zur Begründung aus, er wende sich gegen die Streichung der TSVG-Kennzeichnung 99873E in den in der Anlage 6 zum Honorarbescheid
aufgeführten Fällen. Für Einschränkungen dergestalt, dass Neupraxen von der Ziffer ausgenommen seien, ergebe sich keine Rechtsgrundlage.
§
87a Abs.
3 Satz 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) ermächtige den Bewertungsausschuss (BA) lediglich zur Auswahl derjenigen Arztgruppen, die von der Regelung nach §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V profitieren sollten, nicht aber zur Einschränkung des Vergütungsanspruches für bestimmte Fälle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2020 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Zuweisung des RLV und QZV und gegen den Honorarbescheid für das Quartal 3/2019 zurück und gab zur Begründung an, die Honorarverteilungsregelungen
basierten auf den Vorgaben des Gesetzgebers und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gemäß den §§
85 ff.
SGB V. Demnach orientiere sich die Vergütungshöhe der vertragsärztlichen Leistungen hauptsächlich an der Bewertung im Einheitlichen
Bewertungsmaßstab (EBM) und dem jeweils maßgeblichen Honorarverteilungsmaßstab (HVM). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen
sowie die KBV vereinbarten durch den BA alle erforderlichen Regelungen zur Umsetzung gesetzlicher Vorgaben. Gemäß dem am 11.05.2019
in Kraft getretenen TSVG seien in §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
3 bis 6
SGB V fünf unterschiedliche Konstellationen aufgeführt, für die eine Vergütung außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung
(MGV) vorgesehen sei ("TSVG-Konstellationen"). Im Zuge der Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben habe der BA mit seinem Beschluss
vom 19.06.2019 in der 439. Sitzung, Teil B, den Umfang der extrabudgetären Vergütung in den TSVG-Konstellationen konkretisiert.
Eine solche Konkretisierung sei unter der Vorgabe einer angemessenen Vergütung aller vertragsärztlichen Leistungen im Rahmen
der Sicherstellung des vertragsärztlichen Versorgungssystems gemäß §
72 Abs.
2 SGB V notwendig. In dem genannten Beschluss des BA seien auch für die TSVG-Konstellation "Neupatient" (TSVG-Kennzeichnung 99873E:
Noch nie oder seit mindestens zwei Jahren nicht mehr behandelter Patient in einer Praxis) gemäß §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V Ausnahmen von einer extrabudgetären Vergütung definiert worden. In Teil B unter Nr. 8 "Praxiskonstellationen, für die die
Regelung der extrabudgetären Vergütung von Neupatienten nicht gilt" sei festgelegt: "In der TSVG-Konstellation gemäß §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V erfolgt innerhalb von zwei Jahren keine Vergütung außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, wenn es sich um eine
Behandlung in einer Praxis innerhalb der ersten zwei Jahre nach Gründung (,Neupraxis') handelt oder ein Gesellschafterwechsel
in einer Arztpraxis vorliegt." Die Auflösung der BAG des Klägers zum 30.06.2018 und die Gründung von drei Einzelpraxen durch
die bisherigen Gesellschafter falle als zulassungsrechtliche Zäsur unter diese Regelung. Insofern bestehe für die Einzelpraxis
des Klägers ab dem Quartal 3/2018 eine Sperrfrist von acht Quartalen in Bezug auf die TSVG-Kennzeichnung von Neupatienten,
sodass deren extrabudgetäre Vergütung in diesem Zeitraum nicht möglich sei. Die Streichung der Pseudo-GOP 99873E in 60 Behandlungsfällen im Quartal 3/2019 sei daher rechtmäßig. Einem Honorarvergleich der Quartale 3/2018 und 3/2019
sei zudem zu entnehmen, dass sich das GKV-Honorar wie auch der GKV-Fallwert im Quartal 3/2019 im Vergleich zum maßgeblichen
Bezugsquartal des Vorjahres erhöht hätten.
Dagegen hat der Kläger am 14.08.2020 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, entgegen der Auffassung der Beklagten habe er Anspruch auf die extrabudgetäre Vergütung
der betreffenden Leistungen zu den Preisen des EBM. Nach §
87b Abs.
5 Satz 13
SGB V in der im Quartal 3/2019 geltenden Fassung habe der BA "Vorgaben zu beschließen, bei welchen Arztgruppen, die an der grundversorgenden
oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmen, eine Vergütung nach Absatz 3 Satz 5 Nr. 5 vorzusehen ist." Auf dieser
Basis habe der BA in seiner 439. Sitzung am 19.06.2019 in Teil B.2 auch die Arztgruppe der fachärztlichen Internisten, zu
welcher der Kläger gehöre, in die extrabudgetäre Vergütung bestimmter Fälle einbezogen. Darunter falle in §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V auch die sogenannte TSVG-Konstellation. Diese Norm spreche nicht davon, dass die betreffende Arztpraxis bereits seit zwei
Jahren bestehen müsse. Allerdings habe der BA in seiner 439. Sitzung am 19.06.2019 unter Teil B.8 eine entsprechende Einschränkung
beschlossen. Für eine solche Einschränkung für Neupraxen gebe es jedoch keine Rechtsgrundlage, so dass der Beschluss des BA
nichtig sei. §
87a Abs.
5 Satz 3
SGB V ermächtige den BA nämlich lediglich zur Auswahl derjenigen Arztgruppen, die von der Regelung nach §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V profitieren sollten, nicht aber zu Einschränkungen des Vergütungsanspruches für bestimmte Fälle. Auch andere Ermächtigungsgrundlagen
seien nicht ersichtlich. Schließlich sei auch §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V nicht in einer Weise gefasst, die eine nähere Bestimmung des Norminhaltes durch den BA in der hier stattgefundenen Weise
rechtfertigen würde. Auch wenn der BA berechtigt sei, zu definieren, was unter einer Arztpraxis im Sinne des §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V zu verstehen sei, so reiche die Kompetenz des BA doch nicht, um - hinter dem Wortlaut der Norm zurückbleibend - junge Praxen
innerhalb der ersten acht Quartale nicht als Arztpraxis in diesem Sinne anzusehen. Für eine solche einschränkende Auslegung
gäben weder Wortlaut noch Sinn der Norm etwas her. Sofern §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung überhaupt einer Konkretisierung durch den BA zugänglich gewesen sei, verstoße
der Beschluss des BA in seiner 439. Sitzung am 19.06.2019 unter Teil B.8 jedenfalls gegen den aus Art.
12 Abs.
1 und Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) abgeleiteten Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, weil die Praxis des Klägers mit diesem Beschluss ohne sachlichen
Grund schlechter behandelt werde als eine Praxis, die bereits mehr als acht Quartale existiere. Es sei nicht ersichtlich,
warum eine Praxis, die noch keine acht Quartale bestehe, für dieselbe Vergütung keine extrabudgetäre, sondern bei Überschreitung
des RLV wie hier nur eine geschmälerte Vergütung erhalten solle. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte den Kläger im Rahmen der
Honorarverteilung im Übrigen nicht als Jungpraxis anerkenne, sodass der Kläger für das Quartal 3/2019 keine Möglichkeit gehabt
habe, anstelle der gemäß § 9 Abs. 1 HVM für das RLV zu berücksichtigenden Fallzahlen des Vorjahresquartales etwa gestiegene Fallzahlen des Abrechnungsquartals für die Ermittlung
des RLV zu beanspruchen (vgl. § 12 Abs. 4 HVM). Wenn aber die Praxis des Klägers im Rahmen des § 12 HVM nicht als Jungpraxis, sondern als Bestandspraxis gelte, müsse
dies erst recht im Rahmen des §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V gelten. Wenn die Beklagte die Praxis des Klägers als Jungpraxis einstufe, ergebe sich ein Anspruch auf extrabudgetäre Vergütung
aus §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
3 SGB V 1. Alternative (Patienten erstmals untersucht oder behandelt); bei Einstufung als Bestandspraxis ergebe sich der Anspruch
aus §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V 2. Alternative (Patienten mindestens zwei Jahre nicht in der jeweiligen Arztpraxis untersucht und behandelt).
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Kläger sei bis zum 30.06.2018 in einer BAG tätig gewesen und nehme seit dem
01.07.2018 mit einer Einzelpraxis an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Durch die Auflösung der BAG und die Gründung
der Einzelpraxis und die zulassungsrechtliche Zäsur unterfalle der Kläger der zweijährigen Sperrfrist. Entgegen der Ausführungen
des Klägers beruhe der Beschluss des BA auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage und sei nicht nichtig. Der BA habe gemäß §
87a Abs.
5 Satz 13
SGB V "Vorgaben zu beschließen". Er sei damit nicht nur ermächtigt, die entsprechenden Arztgruppen auszuwählen. Darunter fielen
auch weitergehende, in unmittelbarem Zusammenhang stehende und dem Sinn und Zweck der Regelung entsprechende Vorgaben. Unabhängig
davon habe der Gesetzgeber in §
87a Abs.
5 Nr.
5 SGB V bereits selbst geregelt, dass Neupatienten nur solche seien, die in der jeweiligen Arztpraxis erstmals untersucht und behandelt
würden oder die mindestens zwei Jahre nicht in der jeweiligen Arztpraxis untersucht und behandelt worden seien. Bereits aus
diesem Wortlaut ergebe sich, dass mit der Arztpraxis nur etablierte Praxen gemeint sein könnten. Denn in einer Neupraxis oder
in einer Praxis mit Gesellschafterwechsel würden alle Patienten erstmalig untersucht und behandelt und könnten nicht mindestens
zwei Jahre nicht untersucht oder behandelt worden sein. Insoweit habe der BA unter Nr. 8 des angeführten Beschlusses lediglich
eine Klarstellung vorgenommen. Im Übrigen stehe dem BA ein Gestaltungsspielraum zu, in dessen Rahmen er auch berechtigt sei,
Detailfragen zu regeln. Dies beinhalte insbesondere auch die Möglichkeit, in besonders gelagerten Konstellationen von einer
extrabudgetären Vergütung von Neupatienten abzusehen. Der Beschluss des BA verstoße nicht gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit.
Für die unterschiedliche Behandlung von Neupraxen oder Praxen mit Gesellschafterwechsel und etablierten Praxen bestehe ein
sachlicher Grund. Die vom BA ausgeschlossenen Neupraxen oder Praxen mit Gesellschafterwechsel wollten und müssten sich zunächst
etablieren und sich einen entsprechend guten Ruf erarbeiten. Um dies zu erreichen, könnten sie es sich nicht leisten, Neupatienten
in dem Maße abzulehnen wie bereits ausreichend am Markt etablierte Praxen. Durch Neupraxen und Praxen mit Gesellschafterwechsel
könne das vom Gesetzgeber des TSVG angestrebte Ziel, nämlich die schnellere Bereitstellung von Arztterminen für gesetzlich
Versicherte durch Zusatzangebote, nicht oder nur äußerst bedingt erreicht werden. Damit sei ein sachlicher Grund für die unterschiedliche
Behandlung gegeben. Die Ausführungen des Klägers zur HVM-Regelung spielten vorliegend keine Rolle. Es gehe ausschließlich
um die bundeseinheitliche Regelung des BA und deren Rechtmäßigkeit. Unabhängig davon könnten in verschiedenen Regelungsbereichen
gleiche Begrifflichkeiten unterschiedlich zu bewerten sein.
Das SG hat die KBV sowie den GKV-Spitzenverband zum Rechtsstreit beigeladen.
Die KBV (Beigeladene zu 1) hat ausgeführt, ein Anspruch des Klägers auf Aufhebung und Neubescheidung seines Honorars für das
Quartal 3/2019 bestehe nicht. Insbesondere sei auf Grundlage der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien die vom BA
getroffene Regelung zur Vergütung von Leistungen der Neupraxen innerhalb der MGV von §
87a Abs.
5 Satz 13
SGB V gedeckt und setze den Regelungsgehalt von §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V um. Es handele sich bei den vom BA getroffenen Regelungen um untergesetzliche Normen mit Rechtsnormcharakter. Die hier maßgebliche
Regelung für das Quartal 3/2019 in Teil B.8 des Beschlusses des BA in seiner 439. Sitzung habe der BA in seiner 452. Sitzung
(schriftliche Beschlussfassung) neu gefasst. Zur Begründung der ursprünglichen Formulierung von Teil B.8 enthielten die entscheidungserheblichen
Gründe zum Beschluss des BA in seiner 439. Sitzung am 19.06.2019 folgende Ausführungen: "Entsprechend der gesetzlichen Vorgabe
in §
87a Abs.
5 Satz 13
SGB V werden für die TSVG-Konstellation Neupatient mit diesem Beschluss die Arztgruppen, für die eine extrabudgetäre Vergütung
in diesen Fällen ... vorzusehen ist, benannt. Zudem werden ... Ausnahmen für den Fall, dass eine Praxis neu ist oder ein Gesellschafterwechsel
vorliegt, vorgegeben." Der BA habe mit dieser Regelung den gesetzgeberischen Auftrag erfüllt und sich im Rahmen der gesetzlichen
Ermächtigung gehalten. Die Ermächtigung räume dem BA auch die Befugnis ein, Voraussetzungen für die Abrechnung der Leistungen
außerhalb der MGV für die ausgewählten Arztgruppen festzulegen und Abrechnungsausschlüsse für bestimmte Praxen vorzusehen. Dies ergebe sich
daraus, dass im Gesetz ausdrücklich von der "Festlegung von Vorgaben" die Rede sei. Dies sei mehr als die bloße Bestimmung
der an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmenden Arztgruppen. Auf Grundlage der Rechtsauffassung
des Klägers ergebe die Verwendung des Wortes "Vorgaben" keinen Sinn. Wenn der Ausschuss Vorgaben zu den Arztgruppen zu beschließen
habe, die auch zeitlich begrenzte Abrechnungsausschlüsse umfassen könnten, sei es zwangsläufig so, dass hiervon bestimmte
Arztpraxen betroffen seien. Im Übrigen stelle sich die Frage der ausreichenden Ermächtigungsgrundlage insofern nicht, als
sich der Ausschluss der extrabudgetären Vergütung für Neupraxen innerhalb der ersten acht Quartale bereits unmittelbar aus
§
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V ergebe und der Beschluss des BA diese Regelung lediglich umsetze. Dass die Förderung in TSVG-Konstellationen ausschließlich
bei mindestens acht Quartalen bestehenden Arztpraxen erfolgen könne, ergebe sich aus der Gleichstellung von zwei Jahren in
dieser Arztpraxis nicht mehr behandelten Patienten mit dort erstmals behandelten Patienten. Solche Patienten könne es in einer
neu gegründeten Einzelpraxis aber von vornherein nicht geben. Sie setzten die Existenz einer seit mindestens zwei Jahren bestehenden
Praxis voraus. Deshalb spreche der Gesetzgeber in §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V von Leistungen im "Behandlungsfall" und verwende sowohl bei der erstmaligen Vorstellung des Patienten als auch nach der nach
zwei Jahren die Formulierung der "jeweiligen Arztpraxis". Es müsse sich hierbei um dieselbe Arztpraxis im Sinne von § 21 Abs.
1 Satz 1 Bundesmantelvertrag - Ärzte (BMV- Ä) handeln. Nachdem ein Vertragsarzt aus einer BAG ausgeschieden sei und seine
Tätigkeit in einer Einzelpraxis ausübe, habe er zunächst ausschließlich "neue" Patienten, die diesen Leistungserbringer erstmals
aufsuchten. Wenn die Konstellation §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V greifen würde, erhielte der Arzt zu Beginn seiner Tätigkeit sämtliche Behandlungsleistungen extrabudgetär vergütet. Der mit
der extrabudgetären Vergütung in TSVG-Konstellation verfolgte Zweck würde damit ad absurdum geführt. Sinn und Zweck des §
87a Abs.
3 Satz 5
SGB V sei die weitere Verbesserung und Förderung des Zuganges zur ambulanten ärztlichen Versorgung sowie der Abbau von Wartezeiten.
Dies stehe im Einklang mit dem mit sämtlichen nach §
87a Abs.
3 Satz 5
SGB V extrabudgetär zur vergütenden Leistungen verfolgten Ziel, den Zugang der Patienten zur vertragsärztlichen Versorgung zu verbessern.
Damit zeige sich deutlich, dass es sich bei §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V um ein TSVG-Instrument handele, das den Ärzten Vergütungsanreize setze, um ihren Patientenstamm zu erweitern und auch Neupatienten
den Praxiszugang zu ermöglichen. Eine solche Anreizwirkung gehe von einer Bestandspraxis aus. Eine neu zugelassene Praxis
habe regelmäßig keine derart hohe Auslastung, dass sie in Betracht ziehen würde, Patienten abzuweisen. Es müsse deshalb kein
derartiger Anreiz gesetzt werden. Auch sei der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit durch den Beschluss des BA nicht
verletzt. Sinn und Zweck des §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V sei die Verbesserung und Förderung des Zugangs zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung und der Abbau von Wartezeiten.
Dafür sollten Vergütungsanreize gesetzt werden. Diese Situation sei mit der Lage einer Neupraxis nicht vergleichbar. Diese
habe bei einer zulässigen typisierenden Betrachtung nicht dieselbe Auslastung und müsse sich in der Versorgungslandschaft
etablieren, so dass sie keine zusätzlichen finanziellen Anreize zur Aufnahme von Patienten in den Patientenstamm benötige
und die Aufnahme von Patienten für die Neupraxis regelmäßig auch einfacher umzusetzen sei als bei einer etablierten Praxis.
Dazu komme, dass eine Praxis nach der Neugründung zunächst ausschließlich neue Patienten habe. Würde sie in den Genuss einer
extrabudgetären Vergütung kommen, würden anfänglich sämtliche Leistungen extrabudgetär vergütet werden, und die Praxis deutlich
besser als eine etablierte Praxis stehen. Dies sei offensichtlich verfehlt und nicht mit dem Gesetzeszweck vereinbar. Damit
liege offensichtlich eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen vor. Art.
3 Abs.
1 GG enthalte auch das Gebot sachgerechter Differenzierung bei Vorliegen wesentlicher Unterschiede.
Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23.11.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Streichung der abgerechneten extrabudgetären Leistungen unter
der TSVG-Kennzeichnung 99873E sei nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für die von der Beklagten durchgeführte sachlich-rechnerische
Berichtigung von Vertragsarztabrechnungen sei §
106d SGB V in der Fassung vom 16.07.2015. Ergänzende Regelungen enthielten § 45 BMV-Ä und § 34 Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä). Die KV berichtige die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit.
Vorliegend handle es sich um einen Fall der sachlich-rechnerischen Richtigstellung im Honorarbescheid für das Quartal 3/2019,
in der Weise, dass das Honorar von Vornherein nur unter Streichung der abgerechneten Leistungen unter der Pseudo-GOP 99873E ausbezahlt werde (sog. quartalsgleiche Richtigstellung). Die vom Kläger im Quartal 3/2019 abgerechneten Leistungen
unter der Pseudo-GOP 99873E, mit der Neupatienten in der Honorarabrechnung nach den Hinweisen der Beklagten zu kennzeichnen gewesen seien, seien
in allen 60 Fällen zu Recht gestrichen worden, weil die klägerische Praxis als Neupraxis im Quartal 3/2019 von der extrabudgetären
Vergütung insoweit ausgeschlossen gewesen sei. Jede Vergütung vertragsärztlicher Leistungen außerhalb der Gesamtvergütung
erfordere eine gesonderte gesetzliche Ermächtigung. Hier komme insoweit nur §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V in Betracht; danach seien Leistungen im Behandlungsfall gegenüber Patienten, die in der jeweiligen Arztpraxis erstmals untersucht
und behandelt würden (sog. Neupatienten), von den Krankenkassen außerhalb der nach Satz 1 vereinbarten Gesamtvergütungen mit
den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung nach Absatz 2 Satz 5 zu vergüten. Gleichgestellt seien Patienten, die mindestens
zwei Jahre nicht in der jeweiligen Arztpraxis untersucht und behandelt worden seien. Begünstigt würden Ärztinnen und Ärzte,
die an der grundversorgenden oder unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnähmen. Der BA habe nach §
87a Abs.
5 Satz 13
SGB V Vorgaben zu beschließen, bei welchen Arztgruppen eine Vergütung nach Nr. 5 vorzusehen sei. Nach dem Beschluss des BA in seiner
439. Sitzung am 19.06.2019 in der Fassung der 452. Sitzung (schriftliche Beschlussfassung) laute Teil B.8 mit Wirkung ab dem
01.05.2019 wie folgt: "In der TSVG-Konstellation gemäß §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V erfolgt keine Vergütung außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, wenn es sich um eine Behandlung in einer Praxis
(Einzelpraxis, Berufsausübungsgemeinschaft oder MVZ) innerhalb der ersten vollen acht Quartale nach deren Gründung handelt.
Eine Praxisgründung liegt auch dann vor, wenn eine Einzelpraxis - auch im Wege eines Nachbesetzungsverfahrens - übernommen
wird." Bei den Behandlungen der Patienten in der klägerischen Praxis im Quartal 3/2019 handle es sich um die dort ausgeschlossenen
Behandlungen innerhalb der ersten vollen acht Quartale nach deren Gründung. Denn die Einzelpraxis des Klägers sei nach Auflösung
der vorigen BAG zum 30.06.2018 am 01.07.2018 (Quartal 3/2018) gegründet worden, sodass die Sperrfrist von acht Quartalen noch
nicht abgelaufen gewesen sei. Die Regelung im Beschluss des BA sei auch sowohl für den Kläger als auch für die Beklagte verbindlich
gewesen; es handle sich (auch nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts <BSG>) bei den Beschlüssen des BA um Normsetzung
durch Vertrag. Der Beschluss des BA sei auch entgegen der klägerischen Ansicht nicht wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges
Recht nichtig. Weder fehle es an der Ermächtigungsgrundlage des BA, noch ergebe sich durch den Ausschluss von Neupraxen in
den ersten acht Quartalen von der extrabudgetären Vergütung bei Behandlung von Neupatienten ein Verstoß gegen die aus Art.
12 Abs.
1 i. V m. Art.
3 Abs.
1 GG abgeleitete Honorarverteilungsgerechtigkeit. Ob der Kläger im Rahmen des HVM der Beklagten als Neupraxis geführt werde, sei
in diesem Zusammenhang unerheblich.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 29.11.2021 zugestellte Urteil hat dieser am 21.12.2021 Berufung zum Landessozialgericht
(LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Der Kläger vertieft sein Vorbringen im Klageverfahren. Insbesondere führt er aus, er habe
Anspruch auf extrabudgetäre Vergütung der im streitgegenständlichen Quartal 3/2019 unter der Pseudo-GOP 99873E zur Abrechnung eingereichten Leistungen. Nach den Vorgaben des BA im Beschluss der 452. Sitzung ergebe sich, dass
bei ihm entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG keine Praxisgründung innerhalb der letzten acht Quartale vorliege, sondern er seine Praxis bereits seit mehr als acht Quartalen
führe, sodass er Anspruch auf die extrabudgetäre Vergütung der streitgegenständlichen Leistungen habe. Nach dem Beschluss
des BA sei die "Änderung der Anzahl ... der Gesellschafter" - also auch deren Reduktion - ausdrücklich kein Fall einer Praxisgründung.
Zwar sei der Fall der Auflösung einer BAG nicht ausdrücklich genannt; aus dem Beschluss ergebe sich aber, dass eine Praxisgründung
auch dann vorliegen solle, wenn eine Praxis im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens mit einem neuen Arzt besetzt werde. Das
sei hier aber nicht geschehen; vielmehr habe sich die Anzahl der Gesellschafter der BAG des Klägers durch deren Auflösung
auf Null reduziert, sodass keine Praxisgründung im Sinne des §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V i.V.m. dem Beschluss des BA vorliege, sondern er durchgängig mehr als zwei Jahre tätig gewesen sei. Die Auflösung einer BAG
sei - jedenfalls, wenn deren Gesellschafter wie hier im Übrigen mit unveränderten Zulassungen am selben Standort dieselben
Patienten weiter versorgten - der Änderung der Anzahl oder Personen der Gesellschafter einer BAG erheblich ähnlicher als einer
Praxisübernahme oder Praxisgründung. Für dieses Ergebnis spreche auch, dass er auch im Rahmen der Honorarverteilung nicht
als Neupraxis gegolten habe, sondern unstreitig als Bestandspraxis. Der BA sei nicht berechtigt gewesen, seine Praxis wegen
der Auflösung seiner BAG von der Regelung des §
87a Abs.
3 Satz 5 Nr.
5 SGB V auszunehmen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.11.2021 aufzuheben, den Honorarbescheid vom 15.01.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 03.08.2020 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über das Honorar des Klägers für das Quartal 3/2018 unter extrabudgetärer
Vergütung derjenigen Patienten, die im Richtigstellungsbescheid Anlage 6 unter Streichung der TSVG-Kennzeichnung 99873E nicht
extrabudgetär vergütet wurden, neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe. Die Auflösung der
BAG und die Gründung der Einzelpraxis fielen als zulassungsrechtliche Zäsur unter die 2-jährige Sperrfrist. Insoweit könnten
auch die Ausführungen des Klägers, es sei keine Praxisneugründung erfolgt, vielmehr habe er seine Praxis seit mehr als acht
Quartalen geführt, nicht verfangen. Der Kläger übersehe bei seiner Argumentation, dass entsprechend des Beschlusses des BA
lediglich dann keine Praxisgründung vorliege, wenn sich die Anzahl oder Personen der Gesellschafter einer bestehenden BAG
geändert habe. Eine bestehende BAG existiere jedoch gerade nicht. Die BAG sei aufgelöst und die Einzelpraxis des Klägers gegründet
worden. Insbesondere könnten die Ausführungen des Klägers zu HVM-Regelungen der Beklagten vorliegend keine Rolle spielen.
Es gehe im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich um die bundeseinheitliche Regelung des BA. Nur die Rechtmäßigkeit dieser
sei zu beurteilen. Nicht zu bewerten sei hingegen, ob die klägerische Praxis im Rahmen der Honorarverteilung als Neupraxis
einzustufen sei oder nicht. Unabhängig davon könnten in verschiedenen Regelungsbereichen gleiche oder ähnliche Begrifflichkeiten
unterschiedlich zu bewerten sein. Dies habe das BSG bereits hinsichtlich der Praxisbesonderheiten in der Wirtschaftlichkeitsprüfung und in der Honorarverteilung so entschieden.
Zudem dürften Ziel und Zweck der jeweiligen Regelung nicht aus dem Blick verloren werden. Im Rahmen der Honorarverteilung
gehe es darum, neuen Praxen ein Wachstum ihrer Fallzahlen mindestens bis zum Fachgruppendurchschnitt zu gewähren. Bei der
vorliegend umstrittenen Regelung gehe es jedoch um die Aufnahme neuer Patienten. Darüber hinaus komme insoweit, wie das SG richtig entschieden habe, ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 GG von vornherein nicht in Betracht, da es sich nicht um den gleichen Normgeber handle.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Die Beigeladene zu 1) hat mit Schreiben vom 20.09.2022 zur Berufung Stellung genommen. Entgegen der Auffassung des Klägers
handle es sich bei der zum 01.07.2018 gegründeten klägerischen Praxis um eine "Neupraxis" im Sinne des Beschlusses des BA
in seiner 452. Sitzung. Dieser Beschluss zur Vergütung von Leistungen innerhalb der MGV bei der Behandlung von Patienten in Neupraxen setze nur das um, was ohnehin im
SGB V vorgesehen sei; jedenfalls halte er sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Auch die Differenzierung bei
der Vergütung der Leistungen zwischen neu gegründeten und bereits bestehenden Praxen sei unter dem Blickwinkel des Grundsatzes
der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster
und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der abgerechneten Leistungen unter der Pseudo-GOP 99873E im Quartal 3/2019 und damit keinen Anspruch auf Neubescheidung seiner Honoraransprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts.
Der Beschluss des BA macht in der Klammer von Satz 1 explizit einen Unterschied zwischen einer Einzelpraxis, einer BAG und
einem MVZ. Die Regelung in Satz 3, unter welchen Voraussetzungen keine Praxisgründung vorliegt, behandelt explizit nur die
BAG und das MVZ. Damit sieht der BA gerade für die Einzelpraxis keine Ausnahme vor. Das wird noch dadurch bestätigt, dass
sogar bei der Übernahme einer Einzelpraxis durch einen anderen Arzt - nicht nur im Wege eines Nachbesetzungsverfahrens - explizit
eine Praxisgründung vorliegt (Satz 2). Es ist deshalb das Argument des Klägers, die Regelung enthalte eine im Wege der Auslegung
zu schließende ergänzungsbedürftige Lücke für die Konstellation der "Umwandlung" einer BAG in Einzelpraxen, nicht überzeugend.
Vielmehr muss im Umkehrschluss gerade in dieser Konstellation eine Gleichbehandlung mit der Übernahme einer Einzelpraxis erfolgen.
Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist auch für den Senat nicht ersichtlich. Auf die Ausführungen des SG wird verwiesen.
V. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz (GKG).