Rechtmäßigkeit der Verweisung einer Wiederaufnahmeklage im sozialgerichtlichen Verfahren vom Landessozialgericht an das Sozialgericht
wegen instanzieller Unzuständigkeit
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Verfahrens S 15 AS 33/14 (Berufungsverfahren L 11 AS 761/14).
Der 1958 geborene Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg
II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom 07.11.2013 beantragte er die Übernahme der im Jahr 2013 für den Betrieb seines Traktors entstandenen
Kosten iHv 226,98 EUR (TÜV, Versicherung, Fahrzeugpapiere und Diesel). Der Beklagte führte dazu mit Schreiben vom 13.12.2013
aus, der Traktor werde nicht nur für das Sägen des Holzes genutzt. Der notwendige Diesel sei aus dem Regelbedarf zu decken.
Es werde angefragt, ob Einverständnis mit einer Einmalzahlung von 30 EUR für den Traktorbetrieb bestehe. Eine Rechtbehelfsbelehrung
war dem Schreiben nicht beigefügt. Den dagegen eingelegten Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014
als unzulässig und bewilligte schließlich mit Bescheid vom 28.04.2014 im Hinblick auf Aufwendungen bezüglich des Traktors
für 2013 eine Leistung iHv 19 EUR. Für 2014 berücksichtigte der Beklagte keine entsprechenden Kosten. Die Klage gegen den
Widerspruchsbescheid vom 17.01.2014 hat das Sozialgericht Würzburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 17.09.2014 (S 15 AS 33/14) abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat der Senat mit Urteil vom 18.03.2015 (L 11 AS 761/14) verworfen. Das im Berufungsverfahren gegenständliche Begehren von Leistungen für 2013 bis 2015 iHv 19 EUR monatlich in Bezug
auf die Traktorkosten führe nicht zu einem Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 750 EUR, es handele sich nicht um wiederkehrende
oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr und die Berufung sei vom SG nicht zugelassen worden.
Der Kläger hat beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) die Wiederaufnahme des Verfahrens S 15 AS 33/14 (Berufungsverfahren L 11 AS 761/14) beantragt. Erst jetzt lägen die kompletten Urkunden vollständig vor und seien zuvor vom Senat nicht berücksichtigt worden.
Die Urkunden seien beim SG am 20.07.2015 eingegangen. Die Sache sei an das SG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Verfahren S 15 AS 33/14 (Berufungsverfahren L 11 AS 761/14) wieder aufzunehmen und das Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 18.03.2015 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Würzburg vom 17.09.2014 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg
zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Wiederaufnahmeklage gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18.03.2015 - L 11 AS 761/14 - als unzulässig zu verwerfen bzw. im Falle der Zulässigkeit die Klage als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe für eine Wiederaufnahme seien nicht schlüssig dargelegt. Die vom Kläger benannten Urkunden seien für das Verfahren
ohne Einfluss.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Wiederaufnahmeklage ist an das SG zu verweisen. Die Beteiligten sind vor der Verweisung angehört worden.
Gemäß §
98 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
17a Abs
2 Satz 1
Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) ist bei sachlicher Unzuständigkeit der Rechtsstreit nach Anhörung an das zuständige Gericht zu verweisen. Diese Vorschriften
sind jedenfalls entsprechend auch bei nicht gegebener funktionaler (instanzieller) Zuständigkeit anzuwenden (vgl Beschluss
des Senats vom 27.03.2014 - L 11 AS 178/14 ER; LSG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 15.03.2006 - L 1 B 77/06 KR ER - [...]; LSG NRW, Beschluss vom 30.01.2009 - L 16 AR 4/08 - [...]; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
98 Rn 2 mwN). Ansonsten würde in Fällen wie dem vorliegenden den Beteiligten der gemäß Art
101 Grundgesetz (
GG) garantierte gesetzliche Richter entzogen.
Das LSG ist funktionell unzuständig. Für eine Wiederaufnahmeklagte ist zunächst grundsätzlich das Gericht zuständig, das im
ersten Rechtszug erkannt hat (§
584 Abs
1 1.HS
ZPO), mithin das SG. Das LSG ist nur dann zuständig, wenn es das angegriffene Urteil erlassen (§
584 Abs
1 2.HS
ZPO) und dabei sachlich entschieden hat, insbesondere die Berufung zurückgewiesen hat. Verwirft das Berufungsgericht jedoch die
Berufung als unzulässig und entscheidet deshalb nicht in der Sache, verbleibt es bei der Zuständigkeit des SG (Leitherer aaO § 179 Rn 8).
Vorliegend hat der Senat die Berufung mit Urteil vom 18.03.2015 (L 11 AS 761/14) als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands nicht mehr als 750 EUR betragen und es sich nicht um wiederkehrende
oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr gehandelt hat (§
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 und Satz 2
SGG). Eine Entscheidung in der Sache wurde somit vom Senat nicht getroffen. Es verbleibt damit bei der Zuständigkeit des SG für die Wiederaufnahmeklage. Diese war deshalb an das SG zu verweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem SG vorbehalten (§
98 Satz 1
SGG i.V.m. §
17b Abs
2 Satz 1
GVG).
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§
98 Satz 2
SGG i.V.m. §
17a Abs
2 Satz 1
GVG; §
177 SGG).