Parallelentscheidung zu LSG Bayern - L 11 AS 851/15 WA - v. 12.01.2016
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Verfahrens S 15 AS 34/14 (Berufungsverfahren L 11 AS 762/14).
Der 1958 geborene Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg
II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 11.12.2013 bewilligte der Beklagte Alg II für die Zeit vom 01.01.2014 bis 30.06.2014. Neben dem Regelbedarf
und dem Mehrbedarf für die Warmwassererzeugung iHv insgesamt 399,99 EUR monatlich rechnete er für die Monate Februar und Mai
zusätzlich 2014 jeweils einen Betrag von 15,82 EUR als Bedarfe für Unterkunft und Heizung (Grundsteuer B) ein. Mit Änderungsbescheid
vom 18.12.2013 berücksichtigte der Beklagte bei der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.01.2014 bis 30.06.2014 keine
Bedarfe für Unterkunft und Heizung mehr, da die diesbezüglichen Abschlagszahlungen erst im Juli 2014 fällig seien. Den dagegen
eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger "Belastungen" von monatlich 51 EUR geltend machte, verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 21.01.2014 als unzulässig. Mit Änderungsbescheiden vom 06.02.2014 und 10.07.2014 bewilligte der Beklagte weitere Leistungen
unter Berücksichtigung anfallender Kosten für Wasser und Kanal (Februar 2014: 7,20 EUR; März und Mai 2014: je 41 EUR) und
Kaminkehrerkosten (Juni 2014: 74,22 EUR). Für die Zeit vom 01.07.2014 bis 31.12.2014 bewilligte der Beklagte mit Bescheid
vom 24.06.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.06.2014 und 10.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 30.09.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 02.10.2014 Alg II. Neben dem Regelbedarf und dem Mehrbedarf für
die Warmwassererzeugung iHv insgesamt 399,99 EUR monatlich wurden als Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Juli 2014 Müllgebühren
iHv 115,32 EUR und Grundsteuer B iHv 63,28 EUR, im August 2014 Wasser und Kanal iHv 41 EUR, im Oktober 2014 Gebäudeversicherung
iHv 119,31 EUR und im November 2014 Wasser und Kanal iHv 41 EUR berücksichtigt. Die gegen den Widerspruchsbescheid vom 21.01.2014
erhobene Klage, mit dem der Kläger zuletzt noch für das Jahr 2014 weitere Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung
iHv 890,64 EUR abzüglich bereits hierfür erbrachter Leistungen begehrt hat, hat das Sozialgericht Würzburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 17.09.2014 (S 15 AS 34/14) abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat der Senat mit Urteil vom 18.03.2015 (L 11 AS 762/14) als unzulässig verworfen. Der Wert des Beschwerdegegenstands überschreite 750 EUR nicht, es handele sich nicht um wiederkehrende
oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr und die Berufung sei vom SG nicht zugelassen worden.
Der Kläger hat beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) die Wiederaufnahme des Verfahrens S 15 AS 34/14 (Berufungsverfahren L 11 AS 762/14) beantragt. Erst jetzt lägen die kompletten Urkunden vollständig vor und seien zuvor vom Senat nicht berücksichtigt worden.
Die Urkunden seien beim SG am 20.07.2015 eingegangen. Die Sache sei an das SG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Verfahren S 15 AS 34/14 (Berufungsverfahren L 11 AS 762/14) wieder aufzunehmen und das Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 18.03.2015 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Würzburg vom 17.09.2014 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg
zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Wiederaufnahmeklage gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18.03.2015 - L 11 AS 762/14 - als unzulässig zu verwerfen bzw. im Falle der Zulässigkeit die Klage als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe für eine Wiederaufnahme seien nicht schlüssig dargelegt. Die vom Kläger benannten Urkunden seien für das Verfahren
ohne Einfluss.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Wiederaufnahmeklage ist an das SG zu verweisen. Die Beteiligten sind vor der Verweisung angehört worden.
Gemäß §
98 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
17a Abs
2 Satz 1
Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) ist bei sachlicher Unzuständigkeit der Rechtsstreit nach Anhörung an das zuständige Gericht zu verweisen. Diese Vorschriften
sind jedenfalls entsprechend auch bei nicht gegebener funktionaler (instanzieller) Zuständigkeit anzuwenden (vgl Beschluss
des Senats vom 27.03.2014 - L 11 AS 178/14 ER; LSG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 15.03.2006 - L 1 B 77/06 KR ER - [...]; LSG NRW, Beschluss vom 30.01.2009 - L 16 AR 4/08 - [...]; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
98 Rn 2 mwN). Ansonsten würde in Fällen wie dem vorliegenden den Beteiligten der gemäß Art
101 Grundgesetz (
GG) garantierte gesetzliche Richter entzogen.
Das LSG ist funktionell unzuständig. Für eine Wiederaufnahmeklagte ist zunächst grundsätzlich das Gericht zuständig, das im
ersten Rechtszug erkannt hat (§
584 Abs
1 1.HS
ZPO), mithin das SG. Das LSG ist nur dann zuständig, wenn es das angegriffene Urteil erlassen (§
584 Abs
1 2.HS
ZPO) und dabei sachlich entschieden hat, insbesondere die Berufung zurückgewiesen hat. Verwirft das Berufungsgericht jedoch die
Berufung als unzulässig und entscheidet deshalb nicht in der Sache, verbleibt es bei der Zuständigkeit des SG (Leitherer aaO § 179 Rn 8).
Vorliegend hat der Senat die Berufung mit Urteil vom 18.03.2015 (L 11 AS 762/14) als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands nicht mehr als 750 EUR betragen und es sich nicht um wiederkehrende
oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr gehandelt hat (§
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 und Satz 2
SGG). Eine Entscheidung in der Sache wurde somit vom Senat nicht getroffen. Es verbleibt damit bei der Zuständigkeit des SG für die Wiederaufnahmeklage. Diese war deshalb an das SG zu verweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem SG vorbehalten (§
98 Satz 1
SGG i.V.m. §
17b Abs
2 Satz 1
GVG).
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§
98 Satz 2
SGG i.V.m. §
17a Abs
2 Satz 1
GVG; §
177 SGG).