Berücksichtigung von Zeiten der Weiterbildung als beitragsgeminderte Zeiten bei der Berechnung einer Altersrente für langjährig
Versicherte
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung des Zeitraums 3. Mai 1999 bis 2. Mai 2000 als vollwertige Beitragszeit anstelle
einer beitragsgeminderten Zeit in der Altersrente für langjährig Versicherte des Klägers.
Der 1944 geborene Kläger hatte vom 2. April 1962 bis 28. April 1965 den Beruf des Rohrinstallateurs erlernt und mit dem Facharbeiterbrief
abgeschlossen. Vom 1. Oktober 1965 bis 18. Juli 1970 absolvierte er eine Fachschulausbildung.
Ab 12. Dezember 1998 war der Kläger arbeitslos. Im Zeitraum 3. Mai 1999 bis 2. Mai 2000 nahm der Kläger an einem von der Arbeitsverwaltung
geförderten Praxisseminar "Technischer Projektberater für berufserfahrene Fach- und Führungskräfte" der bfz (Berufliche Fortbildungszentren
der Bayerischen Wirtschaft) in Vollzeit teil. Während dieses Zeitraums bezog der Kläger Unterhaltsgeld vom Arbeitsamt B-Stadt,
das Rentenversicherungsbeiträge für ihn abführte.
Mit Antrag vom 6. November 2006 begehrte der Kläger Altersrente für langjährig Versicherte. Mit angefochtenem Bescheid vom
9. Mai 2007 gewährte die Beklagte dem Kläger die beantragte Rente ab 1. Juli 2007. Hierbei berücksichtigte sie die Zeiträume
2. April 1962 bis 28. April 1965 und 1. Mai 1999 bis 31. Mai 2000 als Pflichtbeitragszeit, berufliche Ausbildung, beitragsgeminderte
Zeit. Insgesamt ergaben sich 44,8995 persönliche Entgeltpunkte (EP).
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die Berücksichtigung des Zeitraums 1. Mai 1999 bis 31.
Mai 2000 als beitragsgeminderte Zeiten. Hierbei handele es sich nicht um Ausbildungs- sondern um Fortbildungszeiten. Darüber
hinaus bemängelte er die Berücksichtigung von Krankheits- und Arbeits- losigkeitszeiten als beitragsgeminderte Zeiten.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2008 zurückgewiesen. Bei dem ganztägigen von der Bundesagentur
für Arbeit geförderten Fortbildungskurs habe es sich um eine Fachschulausbildung gehandelt. Dem Kläger sei theoretischer Unterricht
in schulischer Form erteilt worden. Die Ausbildung habe mindestens einen Halbjahreskurs mit Ganztagsunterricht umfasst. Die
Ausbildung sei daher neben der Beitragszeit wegen beruflicher Ausbildung auch als Zeit der Fachschulausbildung zu berücksichtigen.
Die Berücksichtigung sei jedoch ohne Auswirkung, da die maximale Höchstgrenze der Bewertung nach §
74 SGB VI bereits ausgeschöpft sei.
Mit der hiergegen erhobenen Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) bemängelte der Kläger zunächst erneut, dass die Weiterbildungszeit sowie die Krankheitszeiten und Zeiten der Rehabilitation
zu Unrecht als beitragsgeminderte Zeiten berücksichtigt worden seien. Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2008 begehrte er nur noch
die Anerkennung des Zeitraums 3. Mai 1999 bis 2. Mai 2000 als vollwertige Beitragszeit. In diesem Zeitraum habe er keine Erstausbildung
im Sinne des §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI absolviert. Das Arbeitsamt habe während dieser Zeit Unterhaltsgeld gezahlt, dessen Höhe sich nach dem zuvor erzielten Entgelt
richtete. Es sei also keine während der Ausbildung geminderte Vergütung gezahlt worden. Eine beitragsgeminderte Zeit während
der Ausbildung liege daher nicht vor. Das Klagebegehren bezüglich der Bewertung der Beitragszeiten während des Krankengeld-
bzw. Übergangsgeldbezugs wurde für erledigt erklärt.
Mit Urteil vom 12. August 2008 verpflichtete das SG die Beklagte, unter Abänderung des Bescheides vom 9. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2008
die Zeit vom 3. Mai 1999 bis 2. Mai 2000 nicht als beitragsgeminderte Zeit, sondern als vollwertige Beitragszeit anzuerkennen
und dies bei der Berechnung der Altersrente des Klägers entsprechend zu berücksichtigen (Zifffer I.). Der Beklagten wurden
die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt (Ziffer II.). §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI sei eng auszulegen, um nicht die Ziele des Gesetzgebers zu konterkarieren. Mit dieser Bestimmung solle verhindert werden,
dass Zeiten einer beruflichen Ausbildung, in denen regelmäßig ein geringes Entgelt gezahlt werde, zu einer drastischen Minderung
der Rentenhöhe führe. Auch sei als Ausbildung im Sinne des §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI nur die erste zu einem Abschluss führende Bildungsmaßnahme zu werten. Selbst wenn man dem nicht folgen sollte, seien als
beitragsgeminderte Zeiten nur solche Zeiten einer beruflichen Ausbildung anzusetzen, bei denen Pflichtbeiträge ausschließlich
für die Berufsausbildung gezahlt würden. Nicht hierunter fielen Zeiten, in denen während einer Aus- oder Weiter- bildung Versicherungspflicht
aufgrund Bezugs von Sozialleistungen bestehe. Eine Schlechterstellung von ausbildungswilligen Personen habe - wie sich auch
aus §
58 Abs.
4 SGB VI ergebe - der Gesetzgeber verhindern wollen. Der in einem Parallel- verfahren von der Beklagten angeführte Beschluss des Fachausschusses
für Ver- sicherung und Rente vom 1. Februar 1994 binde das Gericht nicht, da es sich hierbei nur um eine interne Verwaltungsanweisung
der Rentenversicherungsträger handele.
Mit der hiergegen erhobenen Berufung machte die Beklagte geltend, der Begriff der beruflichen Ausbildung im Sinne des §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI bestimme sich grund- sätzlich nach §
7 Abs.
2 SGB IV, wonach als Beschäftigung auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung
gelte. Bei der vom Kläger absolvierten Maßnahme handele es sich um berufliche Ausbildung im Sinne der §§
7 Abs.
2 SGB IV, 1 Abs. 5 Berufsbildungsgesetz (BBiG). Danach würden vom Begriff der Berufsbildung auch die berufliche Fortbildung und die berufliche Um- schulung in Betrieben
der Wirtschaft, in vergleichbaren Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft, insbesondere des öffentlichen Dienstes, der Angehörigen
freier Berufe und in Haushalten erfasst. Die berufliche Fortbildung im Sinne des § 1 Abs. 3 BBiG setze eine vorausgehende umfassende Berufsausbildung nicht zwingend voraus. Der Begriff der beruflichen Weiterbildung im
Sinne des §
77 SGB III knüpfe inhaltlich an den der beruflichen Fortbildung im Sinne des § 1 Abs. 3 BBiG an. Deshalb seien diese Zeiten grundsätzlich als beitragsgeminderte Zeiten wegen beruflicher Ausbildung zu berück- sichtigen.
Die überwiegende Kommentarliteratur teile die Auffassung der Beklagten.
Auf Anfrage des Senats legte die Beklagte eine Probeberechnung vor, aus der sich bei Berücksichtigung des Zeitraums 3. Mai
1999 bis 2. Mai 2000 als vollwertige Beitrags- zeiten höhere persönliche EP (45,1515) sowie ein höherer anfänglicher Rentenzahlbetrag
ergeben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12. August 2008 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 9. Mai 2007 in
der Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 7. April 2008 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Beklagte verpflichtet, den Zeitraum 3. Mai 1999 bis 2. Mai 2000 als vollwertige Beitragszeit bei der Rentenberechnung
zu berücksichtigen.
Gemäß §
55 Abs.
1 S. 1
SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt
worden sind. Beitragszeiten unterfallen gemäß §
54 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI in Zeiten mit vollwertigen Beiträgen sowie in beitragsgeminderte Zeiten. Nach der Legaldefinition des §
54 Abs.
3 S. 1
SGB VI sind beitragsgeminderte Zeiten Kalendermonate, die sowohl mit Beitragszeiten als auch Anrechnungszeiten, einer Zurechnungszeit
oder Ersatzzeiten (fünftes Kapitel) belegt sind. Als beitragsgeminderte Zeiten gelten gemäß §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine Berufsausbildung (Zeiten einer beruflichen Ausbildung).
In dem hier strittigen Zeitraum wurde von dem damaligen Arbeitsamt B-Stadt auf der Grundlage des §
3 Abs.
1 Nr.
3 SGB VI in der bis 31. Dezember 2004 gültigen Fassung Pflichtbeiträge an die Beklagte aufgrund des Bezugs von Unterhaltsgeld (§§
153 ff.
SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Fassung) abgeführt. Die im strittigen Zeitraum vorliegenden Pflichtbeiträge sind
als vollwertige Beiträge zu berücksichtigen, da keine beitragsgeminderte Zeit vorliegt.
Der Kläger hat von 3. Mai 1999 bis 2. Mai 2000 keine beitragsgeminderte Zeit gemäß §
54 Abs.
3 S. 1
SGB VI zurückgelegt, da dieser Zeitraum nicht gleichzeitig mit Anrechnungszeiten, einer Zurechnungszeit oder Ersatzzeiten belegt
ist. In Betracht kommt hier allein eine gleichzeitige Belegung mit einer Anrechnungszeit gemäß §
58 Abs.
1 S. 1 Nr.
4 SGB VI. Danach sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder
Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung).
Das Vorliegen einer Anrechnungszeit aufgrund schulischer Ausbildung im Rahmen einer Fachschule wird von der Beklagten nicht
mehr behauptet. Diese ist unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 22. September 1981, Az. 1 RA 37/80, in juris, und den Weiterbildungscharakter des vom Kläger absolvierten Praxisseminars zu Recht von ihrer Auffassung abgerückt,
der Kläger habe im fraglichen Zeitraum eine Fachschule absolviert. Letztlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob tatsächlich
Zeiten einer schulischen Ausbildung (etwa in Form einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme) vorliegen. Denn gemäß §
58 Abs.
1 S. 3
SGB VI sind Zeiten, in denen Versicherte nach Vollendung des 35. Lebensjahres wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig
waren, keine Anrechnungszeiten. Da der schon über 25 Jahre alte Kläger aufgrund des Bezugs von Unterhaltsgeld und damit einer
Sozialleistung versicherungspflichtig war, liegt keine Anrechnungszeit vor.
Es sind entgegen der Auffassung der Beklagten aber auch keine beitragsgeminderten Zeiten gemäß §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI gegeben. Der Kläger hat im strittigen Zeitraum keine berufliche Ausbildung im Sinne dieser Bestimmung, sondern eine Weiterbildungsmaßnahme
absolviert.
Der Begriff der Berufsausbildung ist im
SGB VI selbst nicht näher definiert. Auch die von der Beklagten in Bezug genommene Legaldefinition des §
7 Abs.
2 SGB IV hilft nicht weiter. Danach gilt als Beschäftigung auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im
Rahmen betrieblicher Berufsbildung. Damit erläutert der Gesetzgeber nicht, was unter Berufsausbildung zu verstehen ist. Nach
Auffassung des Senats ist zur Klärung des Begriffs der Berufsausbildung - unter Berücksichtigung des Regelungszwecks des §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI - Rückgriff zu nehmen auf den allgemeinen Sprachgebrauch, berufsrechtliche Regelungen im Berufsbildungsgesetz (BBiG) sowie das Verständnis des Begriffs der Berufsausbildung in anderen Sozialrechtsbereichen.
Nach der berufsrechtlichen Grundregel des § 1 Abs. 1 BBiG in der bis zum 31. Dezember 2002 gültigen Fassung unterfällt - durchaus in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch
- die berufliche Bildung in die Bereiche Ausbildung, Fortbildung und Umschulung. Die Berufsausbildung hat dabei eine breit
angelegte berufliche Grundbildung und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen
Fertigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen
zu ermöglichen (§ 1 Abs. 2 S. 1, 2 BBiG). Die berufliche Fortbildung soll es ermöglichen, die beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erhalten, zu erweitern,
der technischen Entwicklung anzupassen oder beruflich aufzusteigen (§ 1 Abs. 3 BBiG). Die berufliche Umschulung soll schließlich zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigen (§ 1 Abs. 4 BBiG). Das Arbeitsförderungsrecht unterscheidet zwischen der Berufsausbildung und der Weiterbildung. Mit dem Begriff der Weiterbildung
werden Fortbildungen und Umschulungen zusammengefasst (vgl. §§
77 ff.
SGB III).
Der Gesetzgeber hat in §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI in Kenntnis dieser im allgemeinen Sprachgebrauch und auch in anderen Rechtsbereichen üblichen Differenzierungen aber nur
Zeiten einer beruflichen Ausbildung (und nicht die einer beruflichen Bildung) als beitragsgeminderte Zeiten deklariert. Hätte
er auch Zeiten der Fortbildung und Umschulung erfassen wollen, hätte es nahe gelegen, auf den in §§
7 Abs.
2 SGB IV, § 1 Abs. 1 BBiG verwendeten weiteren Oberbegriff der beruflichen Bildung zurückzugreifen oder explizit auch zusätzlich Zeiten der Weiterbildung
bzw. Fortbildung und Umschulung in den Wortlaut des §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI aufzunehmen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Der Senat ist daher der Auffassung, dass von dem Begriff der beruflichen Ausbildung
in §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI Maßnahmen der Weiterbildung (Fortbildungen und Umschulungen) nicht umfasst werden.
Das Praxisseminar diente jedoch nicht der Ausbildung für einen künftigen Beruf des Klägers, der zum Zeitpunkt der Durchführung
des Praxisseminars aufgrund seiner Facharbeiterausbildung zum Rohrinstallateur und seiner langjährigen Berufserfahrung bereits
über eine umfassende berufliche Grundbildung verfügt hat. Dem Kläger wurden in diesem Kurs keine weitere breit angelegte berufliche
Grundbildung und die für eine qualifizierte berufliche Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt.
Ziel der Maßnahme war vielmehr - wie auch die Beklagte anerkennt - allein die Vertiefung, Erweiterung und Spezialisierung
bereits vorhandener Kenntnisse des Klägers. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass das Arbeitsamt B-Stadt ausweislich des
Bewilligungsbescheids vom 21. Juni 1999 das Praxisseminar als Weiterbildungsmaßnahme im Sinne des §
77 SGB III eingeordnet hat. Dieses Praxisseminar stellt damit keine Zeit der beruflichen Ausbildung dar.
Es ist auch kein sachlicher Grund erkennbar, eine beitragsgeminderte Zeit nach §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI anzunehmen. Hintergrund dieser Bestimmung ist, dass Auszubildende am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn typischerweise nur
eine relativ geringfügige Ausbildungsvergütung erhalten. Die nach §
70 SGB VI ermittelten Entgeltpunkte wären damit in der Regel niedrig. Um dies auszugleichen, sieht §
71 Abs.
2 SGB VI vor, für beitragsgeminderte Zeiten die Summe der Entgeltpunkte um einen Zuschlag so zu erhöhen, dass mindestens der Wert
erreicht wird, den diese Zeiten jeweils als beitragsfreie Anrechnungszeiten wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit, wegen einer
schulischen Ausbildung und als Zeiten wegen einer beruflichen Ausbildung oder als sonstige beitragsfreie Zeiten hätten. Wenn
also die Entgeltpunkte für die gezahlten Beiträge nicht bereits höher sind, werden sie daher wie beitragsfreie Zeiten mindestens
mit dem individuell erreichten Durchschnittswert (Gesamtleistungswert) der Beitragszeiten bewertet (KassKomm-Polster, §
71 SGB VI Rn. 8).
In einer derartigen, für Auszubildende am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn typischen Situation befand sich der Kläger jedoch
im strittigen Zeitraum nicht. Er bezog vielmehr Sozialleistungen in Form von Unterhaltsgeld von der Arbeitsverwaltung, dessen
Höhe sich nach dem zuvor erzielten Entgelt gerichtet hat. Damit ist auch keine Notwendigkeit ersichtlich, diese Zeit als beitragsgeminderte
Zeit (mit der Möglichkeit eines Zuschlags an Entgeltpunkten gemäß §
71 Abs.
2 SGB VI) zu qualifizieren.
Da im strittigen Zeitraum keine zweite berufliche Ausbildung des Klägers vorliegt, kann es der Senat dahingestellt sein lassen,
ob es auch im Rahmen des §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI zutrifft, dass nur die erste berufliche Ausbildung als beitragsgeminderte Zeit zu berücksichtigen ist (in diesem Sinn BayLSG,
Urteil vom 28. Juni 2006, Az. L 16 R 294/05, in juris; KassKomm-Niesel, §
54 SGB VI Rn. 18; vgl. auch BSG, Urteil vom 21. Juli 1977, Az. 7 RAr 135/75, in juris, für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts, wonach Ausbildung nur die erste zu einem beruflichen Abschluss führende
Bildungsmaßnahme darstellt, während alle späteren Schritte zur weiteren beruflichen Bildung entweder als Fortbildung oder
Umschulung zu werten sind) oder ob eine weitere berufliche Ausbildung iSd §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI möglich ist und zu einer erneuten Berücksichtigung von beitragsgeminderten Zeiten führt.
Den von der Beklagten zitierten abweichenden Meinungen von Försterling in Ruhland/Försterling, GK-
SGB VI, §
54 SGB VI Rn. 43 sowie Fichte in Hauck/Haines, §
54 SGB VI Rn. 17, folgt der Senat nicht, weil dort die abweichende Auffassung nicht hinreichend begründet wird. Der bloße Hinweis auf
§
7 Abs.
2 SGB IV, der eben gerade nicht eine Definition des Begriffs der beruflichen Ausbildung enthält, sondern in dem nur auf (betriebliche)
Berufsbildung Bezug genommen wird, reicht nach Auffassung des Senats nicht aus, um eine Einbeziehung von Fortbildungs- und
Umschulungsmaßnahmen in den Anwendungsbereich des §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI zu rechtfertigen.
Eine Bewertung des fraglichen Zeitraums als beitragsgeminderte Zeit kommt damit nicht in Betracht. Die Berufung war daher
in der Hauptsache (Ziffer I. des Urteils des SG) zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) trägt dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte mit ihrem Berufungsbegehren in vollem Umfang unterlegen ist. Da der Kläger
jedoch im Klageverfahren teilweise erfolglos geblieben ist (Erledigterklärung des Klagebegehrens bzgl. der Bewertung von Beitragszeiten
während des Krankengeld-/Übergangsgeld- bezugs), ist es gerechtfertigt, unter Abänderung der Ziffer II. des Urteils des SG den Kostenerstattungsanspruch des Klägers auf insgesamt 4/5 zu reduzieren.
Die Revision war zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), da der höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage, ob auch Weiterbildungsmaßnahmen dem Anwendungsbereich des §
54 Abs.
3 S. 2
SGB VI unterfallen, grundsätzliche Bedeutung zukommt.