Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
Angemessenheit der Leistungen für Unterkunft und Heizung
Fehlendes schlüssiges Konzept wegen mangelhafter Datenbasis
Tatbestand
Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum 1.7. bis 31.12.2015 sowie vom 1.1. bis 30.4.2016 insbesondere unter dem Gesichtspunkt, ob die dem Kläger und
Berufungsbeklagten (in der Folge: Kläger) bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung angemessen iS des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sind.
Dabei geht es - nachdem im Verfahren L 7 AS 408/15 zwischen den Beteiligten streitig war, ob der Beklagte die Leistungen für Unterkunft und Heizung auf der Grundlage des Grundsicherungsrelevanten
Mietspiegels aus August 2013 mit Nachbesserungen aus Juli 2017 im Zeitraum November 2014 bis April 2015 absenken durfte (vgl
Urteil des Senats vom selben Tag) - vorliegend insbesondere darum, ob der Beklagte eine entsprechende Absenkung im Folgezeitraum
aufgrund der Fortschreibung des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels entsprechend des Verbraucherindex ab September 2015
vornehmen durfte.
I
Der Beklagte und Berufungsbeklagte (in der Folge: Beklagter) nimmt für das Gebiet der kreisfreien Stadt A. als gemeinsame
Einrichtung (§ 44 Abs. 1 S. 2 HS 1 SGB II) die Aufgaben der Träger nach dem SGB II wahr. Bei im streitigen Zeitraum rd 280 000 Einwohnern (vgl www.statistik.bayern.de) waren von rd 145 000 Wohnungen in Gebäuden
mit Wohnraum rd 93 000 zu Wohnzwecken vermietet (vgl Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, zensus 2011,
Gebäude und Wohnungen sowie Wohnverhältnisse der Haushalte, Kreisfreie Stadt A. am 9.5.2011). Von den Wohnungen in Gebäuden
mit Wohnraum standen rd 35 000 im Eigentum von Wohnungsgenossenschaften, Kommunen oder kommunalen Wohnungsunternehmen, privatwirtschaftlichen
Wohnungsunternehmen, anderen privatwirtschaftlichen Unternehmen, Bund oder Land oder Organisationen ohne Erwerbszweck (zB
Kirchen) (vgl Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, aaO). Mietwerterhebungen für das gesamte Stadtgebiet
oder (qualifizierte) Mietspiegel fehlten (zumindest) bis Februar 2013 und liegen - über die Datenbasis des Grundsicherungsrelevanten
Mietspiegels hinaus für den streitigen Zeitraum bis heute nicht vor.
Auf dieser Grundlage beauftragte der zum Verfahren zuständige kommunale Träger die R. GbR, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater,
Rechtsanwälte, mit der Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Mietspiegels zur Ermittlung der angemessenen Kosten der
Unterkunft für die Stadt A., den diese im Augst 2013 (in der Folge: Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel) und nach Überarbeitung
im Verfahren L 7 AS 408/15 (in der Folge: Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel, Juli 2017) wie folgt erstellte:
1. Der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel berechnet in einem ersten Schritt an Hand von Bestandsmieten die Angemessenheitsgrenze
bestehend aus angemessenen Nettokaltkosten und angemessenen Betriebskosten. In einem zweiten Schritt überprüft er, ob Leistungsberechtigte
tatsächlich die Möglichkeit haben, mit den als angemessen bestimmten Beträgen eine bedarfsgerechte Unterkunft anzumieten,
ob also zur Angemessenheitsgrenze auf dem örtlichen Wohnungsmarkt hinreichend freier Wohnraum verfügbar ist.
2. Für den ersten Schritt wurden im Zeitraum März und April 2013 zum Stichtag 30.4.2013 (vgl S. 11 des Grundsicherungsrelevanten
Mietspiegels) im Bereich der gesamten Stadt A. (vgl S. 14 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels) im Rahmen einer Vermieter-
und Mieterbefragung 16 765 Datensätze an Bestandsmieten (vgl S. 13 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels) erhoben. Von
diesen Datensätzen entfallen insgesamt 15 955 Wohnungen auf Genossenschaften/Wohnungsbauunternehmen (410 Datensätze von der
Häuserverwaltung Keller, 584 von der Postbaugenossenschaft A-Stadt eG, 855 von der SG A-Stadt F., 8 918 von der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt A. GmbH, 74 von der Wohnbaugenossenschaft L., 3 030 von der Wohnungs-
und Siedlungsbau B. und 2 084 von der Wohnungsbau GmbH des Landkreises A-Stadt; vgl Gutachterliche Stellungnahme vom 29.7.2016
im Verfahren L 7 AS 408/15); dabei handelte es sich im Wesentlichen um sämtliche Wohnungen, die diese Unternehmen zum damaligen Zeitpunkt (30.4.2013)
vermieteten.
3. Die Datensätze wurden in der Folge vereinheitlicht und um redundante Daten, unvollständige Angaben und unplausible Werte
bereinigt (vgl S. 14 f des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels). Weiter wurden Wohnungen mit gehobenem Wohnstandard (vgl
S. 9 f des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels) ausgeschlossen (vgl S. 15 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels).
Im Rahmen des Verfahrens L 7 AS 408/15 wurden schließlich von den erhobenen Bestandsmieten solche Datensätze ausgeschlossen, die zum Stichtag älter als vier Jahre
waren (vgl S. 6 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, Stand Juli 2017). Damit liegen dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel
nunmehr noch 13 357 Bestandsmietendatensätze zugrunde (vgl S. 6 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, Stand Juli 2017).
Die dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel im August 2013 darüber hinaus zunächst zugrunde gelegten Daten zu Unterkunftskosten
von SGB II- und SGB XII-Leistungsempfängern (vgl S. 13 f des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels) wurden im laufenden Berufungsverfahren entfernt,
da hinsichtlich dieser eine Doppelerfassung mit den im Rahmen der Vermieter- und Mieterbefragung erhobenen Daten nicht ausgeschlossen
werden konnte (vgl S. 5 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, Stand Juli 2013).
4. In der Folge wurde als Angemessenheitsgrenze der Nettokaltmiete die obere Grenze des 95%-igen Konfidenzintervalls ermittelt.
Dabei wurde davon ausgegangen, dass sich nach statistischen Maßstäben 95% aller Daten der Grundgesamtheit, also nicht nur
die Daten aus der Stichprobe, innerhalb dieses Intervalls befinden. Das Konfidenzintervall habe durch die Ermittlung der Standardabweichung
und des Mittelwerts der zur Berechnung vorliegenden Daten gebildet werden können. Es gebe somit nicht nur eine Wahrscheinlichkeit
der Lage der Daten an, sondern diene auch der Kappung von Ausreißern, da sich diese Werte idR außerhalb des Konfidenzintervalls
befänden (vgl S. 16 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels August 2013). Hieraus wurde auf eine (angemessene) Nettokaltmiete
für Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften, bis 50 qm, iHv 5,50 € pro qm geschlossen (vgl S. 16 des Grundsicherungsrelevanten
Mietspiegels).
5. Die Berechnung der durchschnittlichen kalten Neben- und Betriebskosten folgte zunächst demselben Ansatz wie die Ermittlung
der Nettokaltmiete in € pro qm. In der Folge wurde allerdings nicht die obere Grenze des Konfidenzintervalls ermittelt, sondern
der Durchschnittswert der Daten, die sich innerhalb des Konfidenzintervalls befanden. Hieraus ergaben sich für Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften,
bis 50 qm, kalte Betriebskosten iHv 1,44 € pro qm (vgl S. 16 f des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels).
6. Insgesamt kommt der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel für eine Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft, bis 50 qm zu einer
(angemessenen) Bruttokaltmiete iHv 347,05 € monatlich (50 qm x 5,50 € + 50 qm x 1,44 €) (vgl S. 17 des Grundsicherungsrelevanten
Mietspiegels August 2013). An diesem Betrag wurde auch festgehalten, obgleich die im Verfahren L 7 AS 408/15 vorgenommenen "Nachbesserungen" (Entfernung der Daten von SGB II- und SGB XII-Leistungsempfängern sowie von Bestandsmieten älter als vier Jahre) für Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften zu einer angemessenen
Bruttokaltmiete iHv 330,49 € führten (vgl S. 7 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, Stand Juli 2013).
7. Im zweiten Schritt wurde überprüft, ob zu der auf Basis der Bestandsmieten vorläufig ermittelten Angemessenheitsgrenze
konkrete Wohnungsangebote verfügbar sind. Dies sei nötig, da die vorläufig definierte Obergrenze noch keine Aussage dazu zulasse,
ob entsprechende Wohnungen in erforderlichem Umfang neu angemietet werden können. Insoweit wurde der im Grundsicherungsrelevanten
Mietspiegel aus August 2013 zunächst gewählte Ansatz (vgl S. 18 ff des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels) im Verfahren
L 7 AS 408/15 überarbeitet. Nunmehr wird unter Berücksichtigung von Fluktuationsquote und Mehrfachinseratefaktor ein monatliches Transaktionsvolumen
berechnet. Die Preisstruktur wurde an Hand der sog Neuvertragsmieten - dh des Mietpreises von Wohnungen, deren Mietverträge
in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag 30.4.2013 geschlossen worden sind oder bei denen eine Mietpreisänderung erfolgt
ist -, die im Rahmen der Bestandsmieten im März und April 2013 erfasst wurden, analysiert (vgl S. 13 des Grundsicherungsrelevanten
Mietspiegels, Stand Juli 2017). Im Weiteren wurde auf Grundlage der in der Bürgerumfrage 2015 erhobenen Daten die Nachfragekonkurrenz
auf dem Wohnungsmarkt eingestellt (S. 10 ff des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, Stand Juli 2017). Im Ergebnis kommt
(auch) der (im Juli 2017 vorgelegte, überarbeitete) Grundsicherungsrelevante Mietspiegel zu dem Ergebnis, dass sämtliche unangemessen
wohnenden SGB II- und SGB XII-Leistungsempfänger, die zu einer Kostensenkung aufgefordert werden, zu der im ersten Schritt ermittelten Angemessenheitsgrenze
(für Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften iHv 347,05 € monatlich) auch unter Berücksichtigung der Nachfragekonkurrenz am Wohnungsmarkt
A-Stadt eine Wohnung hätten anmieten und damit ihre Unterkunftskosten senken können (S. 15 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels,
Stand Juli 2017).
8. Für die Zeit ab 1.9.2015 schrieb der Beklagte bzw der zuständige kommunale Träger den Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel
fort, indem er die im Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel ermittelte Angemessenheitsgrenze entsprechend des Verbraucherpreisindex
Bayern, Sondergliederung Nettokaltmieten und Wohnungsnebenkosten zwischen April 2013 und April 2015 anpasste. Dies ergab für
Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften angemessene Kosten der Unterkunft iHv 356,22 € monatlich (Erhöhung der angemessenen Nettokaltmiete
um 3,18%, so dass diese 283,83 € monatlich beträgt, sowie der angemessenen kalten Betriebskosten um 0,58%, so dass diese nunmehr
72,39 € monatlich betragen).
9. Der Stadtrat des zuständigen kommunalen Trägers beschloss die Fortschreibung des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels
am 25.6.2015 für die Zeit ab 1.9.2015 (vgl Bl 93 ff der LSG-Akte). Der Beklagte vollzog die so beschlossenen Angemessenheitsgrenzen
entsprechend.
II
Der 1952 geborene Kläger lebte im streitigen Zeitraum allein unter der im Rubrum angegebenen Adresse. Ausweislich des am 2.12.2006
geschlossenen Mietvertrages schuldete der Kläger für die ca 58 qm große Drei-Zimmer-Wohnung 350 € Miete zzgl 50 € Betriebskostenvorauszahlung
und 60 € für Heizung und Warmwasser, insgesamt also 460 € monatlich. Über Einkommen oder Vermögen verfügte der Kläger im streitigen
Zeitraum nicht. Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum einen Vertrag über eine private Kranken- und Pflegeversicherung abgeschlossen,
für die er einen monatlichen Gesamtbeitrag iHv 413,94 € bis Oktober 2015, von November bis Dezember 2015 iHv 358,13 € und
ab Januar 2016 361,35 € (davon jeweils Gesamtmonatsbeitrag zur Pflegeversicherung iHv 38,44 €) monatlich schuldete.
Der Kläger bezog ab Mai 2011 vom Beklagten und Berufungsbeklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dabei wurden neben dem jeweils gültigen Regelbedarf für Alleinstehende und dem Zuschuss zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung
Leistungen für Unterkunft und Heizung iHv zunächst 460 € und von Januar 2012 bis einschließlich Oktober 2014 iHv 453,80 €
monatlich bewilligt.
Mit Schreiben vom 17.4.2014, dessen Kenntnisnahme der Kläger am 29.4.2014 bestätigte, wies der Beklagte den Kläger darauf
hin, dass seine derzeitigen Kosten für Unterkunft (Kaltmiete und Betriebskosten) in Höhe von derzeit 393,80 € nach den Richtlinien
der Stadt A. zur derzeitigen Angemessenheit unangemessen hoch seien. Die Grenze der Angemessenheit für die Kaltmiete und die
Betriebskosten beliefen sich im Fall des Klägers auf 347,05 €. Unangemessene Kosten seien solange als Bedarf anzuerkennen,
wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder zumutbar sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermietung oder auf andere
Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel aber längstens für sechs Monate (Bl 434 der Beklagten-Akte).
Für die Zeit vom 1.11.2014 bis 30.4.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger im Hinblick auf dessen selbstständige Tätigkeit
nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II iVm §
328 Abs.
1 S. 1
SGB III vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung von Einkommen unter Berücksichtigung des jeweils
gültigen Regelbedarfs, eines Zuschusses zum Beitrag zur privaten Krankenversicherung iH des halben Basistarifs bzw zur privaten
Pflegeversicherung in tatsächlich geschuldeter Höhe sowie Leistungen für die Unterkunft und Heizung iHv 407,05 €. Dieser Zeitraum
ist unter dem Az L 7 AS 408/15 zwischen den Beteiligten streitig.
Für die Zeit vom 1.7. bis 31.12.2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger erneut vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II unter Berücksichtigung der aus seiner Sicht angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (347,05 € + tatsächliche Kosten
für Heizung iHv 60 € = 407,05 € monatlich). Für die Zeit ab 1.9.2015 passte er die Bewilligung an die Fortschreibung des Grundsicherungsrelevanten
Mietspiegels an (356,22 € + tatsächliche Kosten für Heizung iHv 60 € = 416,22 €; Änderungsbescheid vom 8.12.2015). Der Widerspruch
des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10.12.2015).
Für die Zeit vom 1.1. bis 30.4.2016 bewilligte der Beklagte entsprechende Leistungen (Bescheid vom 11.1.2016, wobei die zunächst
auch für die Zeit 1.5. bis 30.6.2016 bewilligten Leistungen mit Bescheid vom 14.4.2016 aufgehoben wurden, nachdem der Kläger
ab 1.5.2016 laufend eine Altersrente für Schwerbehinderte bezieht). Auch hier blieb der Widerspruch des Klägers ohne Erfolg
(Widerspruchsbescheid vom 3.5.2016).
Das Sozialgericht Augsburg hat die am 17.12.2015 betreffend den Zeitraum Juli bis Dezember 2015 (S 11 AS 1387/15) bzw am 19.5.2016 betreffend den Zeitraum Januar bis April 2016 () erhobenen Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
verbunden (Beschluss vom 6.6.2016, Bl 45 der SG-Akte) und den Beklagten unter Abänderung der streitigen Bescheide verurteilt, dem Kläger vom 1.7. bis 31.12.2015 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung iHv 453,80 € bzw vom 1.1.2016
bis 30.4.2016 iHv 460 € monatlich zu bewilligen. Das Konzept des Beklagten sei für die Zeit ab 1.7.2015 nicht (mehr) als schlüssig
anzusehen. Der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel hätte bereits für die Zeit ab 1.7.2015 aktualisiert werden müssen, weshalb
sich der Anspruch des Klägers für die Zeit vom 1.7. bis 31.8.2015 nach der "Hilfslösung des BSG" richte. Für die Zeit ab 1.9.2015 erfülle die vom Beklagten vorgenommene Fortschreibung mittels eines bayernweiten Preisindex
nicht den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept (Urteil vom 15.6.2016, dem Beklagten zugestellt am 21.6.2016).
Mit seiner vom Sozialgericht zugelassenen, am 21.7.2016 zum Landessozialgericht erhobenen Berufung möchte der Beklagte die
Aufhebung der Entscheidung des Sozialgerichts und die Abweisung der Klagen erreichen. Der Beklagte gehe hinsichtlich der Datenerhebung
und - auswertung von der grundsätzlichen Vergleichbarkeit des grundsicherungsrelevanten Mietspiegels mit einem qualifizierten
Mietspiegel aus. Die Fortschreibung sei (deshalb) entsprechend der Vorgaben des §
558d Abs.
2 BGB zur Fortschreibung qualifizierter Mietspiegel erfolgt. Hieraus ergebe sich auch, dass die Fortschreibung ab 1.9.2015 nicht
zu beanstanden sei. Soweit das Sozialgericht moniere, dass der Rückgriff auf den Verbraucherindex Bayern die Besonderheiten
am örtlichen Mietmarkt nicht erfasse, übersehe es, dass diese bereits in der Datenerhebung für den Grundsicherungsrelevanten
Mietspiegel Berücksichtigung fanden und dort durch die Fortschreibung fortwirkten. Der vom Sozialgericht gesehene Zusammenhang
zwischen der sog Mietpreisbremse für A-Stadt (Berücksichtigung in der Wohnungsgebieteverordnung ab 1.8.2015) und einer signifikanten überdurchschnittlichen Steigerung des Mitpreisniveaus bzw dem daraus gezogenen Schluss,
dass zumindest für die Zeit ab 1.7.2015 eine Fortschreibung des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels hätte erfolgen müssen,
sei nicht nachzuvollziehen. Die Fortschreibung mittels Preisindex werde in der Gesetzesbegründung, der Literatur, der Arbeitshilfe
des Bundesministeriums und zwischenzeitlich auch von mehreren Sozialgerichten als zulässig angesehen. Recherchen am Wohnungsmarkt
sowie das Angebot der städtischen Wohnungsbaugesellschaft zeigten, dass in A-Stadt (ausreichend) Wohnraum zur Angemessenheitsgrenze
zur Verfügung stehe. Schließlich sei ein ausreichendes Bemühen des Klägers um eine Kostensenkung nicht nachzuvollziehen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15.6.2016 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es sei bereits von der fehlenden Schlüssigkeit des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels auszugehen. Auch durch die Fortschreibung
erfolge weder eine zeitgerechte noch eine realitätsgerechte Erfassung der sozialen Wirklichkeit im Hinblick auf die Bedarfe
der Unterkunft, da die dem Index zugrunde liegenden Daten im gesamten Freistaat Bayern erhoben worden seien und damit für
die Stadt A. keine Aussagekraft hätten. Soweit sich der Beklagte auf §
558d Abs.
2 BGB berufe, übersehe er die unterschiedliche Zielrichtung dieser Regelung und des § 22 Abs. 1 SGB II. Der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel sei gerade kein qualifizierter Mietspiegel und beruhe auch nicht auf einer entsprechenden
Datenbasis. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft gehe in ihrem Geschäftsberichten 2013 und 2014 von einer jährlichen Mietpreissteigerung
iHv 5 bzw 6% aus. Dies bleibe schließlich noch hinter den Steigerungsraten von 7 bis 11% zurück, die einschlägige Internetportale
für A-Stadt angeben. Auch dies zeige, dass die vom Beklagten angenommene Preissteigerung nicht realitätsgerecht sei. Soweit
der Beklagte auf die Angebote der städtischen Wohnbaugesellschaft verweise, überzeuge dies aus verschiedenen Gründen nicht.
Ua könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Leistungsempfänger dort innerhalb von sechs Monaten eine Unterkunft zur
angemessenen Miete erhalten könne.
Auf die Aufforderung des Gerichts, die vorläufig bewilligten Leistungen endgültig festzusetzen, hat der Beklagte den "Änderungsbescheid
über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts" vom 8.7.2016 übermittelt, mit dem "die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen
Bescheide vom 24.6.2015 und 8.12.2015 (...) insoweit aufgehoben" werden. Im Rahmen der Begründung werden "folgende Änderungen"
angegeben: "Mit Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15.6.2016 (...) wurde das Jobcenter A-Stadt verpflichtet, die og Bescheide
dahin abzuändern, dass Ihnen in der Zeit vom 1.7.2015 bis 31.12.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung
der Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 453,80 € monatlich zu bewilligen sind. Kosten der Unterkunft werden Ihnen
hiermit in dieser Höhe bewilligt. (...) Der Bescheid ergeht in Ausführung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 15.6.2016/S
11 AS 1387/15." Ein entsprechender Bescheid erging den Zeitraum Januar bis April 2016 betreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vom Beklagten übermittelte Akte, die vom Sozialgericht beigezogene
Akte sowie die Akte des Berufungsverfahrens auch zum Verfahren L 7 AS 408/15 verwiesen. In letzterer findet sich insbesondere der vollständige Grundsicherungsrelevante Mietspiegel, die vom Senat dort
eingeholten Gutachterlichen Stellungnahmen vom 29.7. und vom 14.10.2016 sowie der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel, Stand
Juli 2017.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
1. Streitgegenstand ist die Entscheidung des Sozialgerichts Augsburg vom 15.6.2016, mit der der Beklagte in Abänderung des
Bescheids vom 24.6.2015, geändert durch Bescheid vom 8.12.2015 idG Widerspruchsbescheides vom 10.12.2015 sowie des Bescheids
vom 11.1.2016 geändert durch Bescheid vom 14.4.2016 idG des Widerspruchsbescheides vom 3.5.2016 verurteilt worden ist, dem
Kläger vom 1.7.2015 bis 30.4.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft iH des jeweils gültigen Tabellenbetrages nach § 12 WoGG zzgl eines Sicherheitszuschlags zu zahlen.
Dabei gelten die insgesamt mit den genannten Bescheiden vorläufig bewilligten Leistungen mit Ablauf des 31.7.2017 als abschließend
festgesetzt (§ 41a Abs. 5 S. 1 SGB II iVm § 80 SGB II in der Fassung vom 26.7.2016). Insbesondere ist nach den vorliegenden Akten weder ein Antrag des Klägers auf den Erlass einer
abschließenden Entscheidung noch der Erlass einer abschließenden Entscheidung des Beklagten über den streitigen Zeitraum nachzuvollziehen.
Nicht Gegenstand des Verfahrens wurden die Änderungsbescheide vom 8.7.2016, im Rahmen derer gerade noch hinreichend deutlich
wird, dass es sich um Ausführungsbescheide zum angefochtenen Sozialgerichtsurteil handelt (vgl BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a/7 AL 76/04 R - RdNr. 12 sowie Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 20/06 R - RdNr. 12 jeweils
zitiert nach juris).
2. Die Berufung ist statthaft, da sie vom Sozialgericht zugelassen worden ist (§
144 Abs.
3 SGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben.
3. Die Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden, da es im Ergebnis zu Recht auf
die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 S. 1, Abs.
4 SGG) die Bescheide des Beklagten dem klägerischen Begehren entsprechend ändert. Der Kläger hat im streitigen Zeitraum Anspruch
auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, als ihm vom Beklagten bewilligt wurden. Die vom Beklagten vorgenommene
Absenkung der Leistungen für Unterkunft und Heizung auf die aus seiner Sicht angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung
findet keine Stütze im Gesetz, da ihr kein schlüssiges Konzept zugrunde liegt. Dabei kann offen blieben, ob die vom Beklagte
bzw dem zuständigen kommunalen Träger mittels Preisindex vorgenommene Änderung grds zulässig ist (vgl dazu BSG, B 4 AS 33/16 R - Terminbericht Nr. 59/17).
4. Der im streitigen Zeitraum 62-jährige Kläger erfüllt die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht erwerbsfähig gewesen sein
könnte (vgl hierzu auch Gutachten vom 3.7.2012, Bl 294 der Beklagten-Akte). Der Kläger war im streitigen Zeitraum auch hilfebedürftig,
da er nicht über Einkommen oder Vermögen verfügte, mit dem er seinen Bedarf decken konnte. Anhaltspunkte für das Vorliegen
von Leistungsausschlüssen sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
5. Rechtsgrundlage für die vorliegend ausschließlich streitige Höhe der Leistungen für Unterkunft iS der sog Bruttokaltmiete
ist § 22 Abs. 1 SGB II. Danach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen
sind. Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien
zu erfolgen, wobei zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten
Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen ist (BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R - RdNr. 13; Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/1 R - RdNr. 17; Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr. 18). Weiter müssen die Unterkunftsbedarfe als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums folgerichtig in einem
transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (vgl zuletzt BSG, Urteil vom 18.11.2013 - B 4 AS 9/14 R - RdNr. 13 mwN).
6. Eine solche realitätsgerechte Berechnung der Unterkunftsbedarfe ist dem Beklagten mit dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel
nicht gelungen. Dabei kann dahinstehen, ob die dort gewählte Methode grds ein schlüssiges Konzept iS der genannten Rechtsprechung
begründen kann. Denn die realitätsgerechte Beantwortung der Frage, wieviel auf dem Wohnungsmarkt der Stadt A. im streitigen
Zeitraum für eine einfache Wohnung aufzuwenden war, scheitert vorliegend - unter Berücksichtigung jedes im Raum stehenden
methodischen Ansatzes - daran, dass die zugrundeliegenden Daten nicht hinreichend repräsentativ sind.
a) Dabei ist dem Beklagten zunächst insoweit zuzustimmen, als zur Feststellung der Beschaffenheit des örtlichen Mietwohnungsmarktes
nicht zwingend auf einen qualifizierten oder einfachen Mietspiegel iS der §§ 558c f
BGB abgestellt werden muss (vgl BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr. 16; Urteil vom 19.1.2010 - B 14 AS 50/10 R - RdNr. 31; zur grundsätzlichen Eignung der hinter einem Mietspiegel liegenden Daten, die grundsicherungsrechtliche Angemessenheit
zu bestimmen vgl aber ua BSG, Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr. 32 f sowie Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr. 25 ff; zur Repräsentativität und Validität der Datenerhebung bei Mietspiegeln vgl BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - RdNr. 28; zur Empfehlung sich im Rahmen von Grundsicherungsrelevanten Mietspiegeln hinsichtlich Stichprobenumfang und
Auswertung etc an den für Mietspiegel geltenden Standard anzulehnen vgl BSG, Urteil vom 22.9.2009 - R 4 AS 18/09 R - RdNr. 24;). Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss gleichwohl auf einem schlüssigen Konzept beruhen,
das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben (stRspr,
vgl ua BSG, 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr. 16; Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr. 17; Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - RdNr. 24).
Das kann ua dann der Fall sein, wenn die Datenbasis auf mindestens 10% des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes
beruht (BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr. 16). Dabei ist eine Auswertung nur des Wohnungsbestandes bestimmter Anbieter bei der Erstellung des Konzepts zulässig,
wenn gleichzeitig gewährleistet ist, dass hierdurch das untere Mietpreisniveau des gesamten örtlich in Betracht zu ziehenden
Mietwohnungsbestandes realistisch abgebildet wird. So ist es ua nicht zulässig, Hilfebedürftige auf bestimmte Wohnungsbaugesellschaften
als Anbieter zu verweisen, wenn nicht erkennbar ist, dass diese das in Bezug zu nehmende Mietsegment aufgrund einer marktbeherrschenden
Stellung im Wesentlichen abdecken (BSG, Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr. 19). Datenerhebungen allein bei den örtlichen Wohnbaugenossenschaften sind nicht ausreichend, wenn die Genossenschaften
über keinen ins Gewicht fallenden Anteil am Wohnungsbestand des Vergleichsraumes verfügen und eine Mietpreisabfrage keine
valide Datengrundlage für die Angemessenheitsgrenze ergeben kann (BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - RdNr. 20 aE).
b) Diese Anforderungen erfüllt der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel nicht. Die ihm zugrunde gelegte Datenbasis ermöglicht
kein realitätsgerechtes Abbild der (im Vergleichszeitraum bzw streitigen Zeitraum) aktuellen Situation bei Neuanmietungen.
aa) Zwar stützt sich der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel auf eine Datenbasis von 10% des regional in Betracht zu ziehenden
Wohnungsbestands für die Ermittlung der angemessenen Mietwerte (vgl BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R; Urteil vom 23.8.2011 - B 14 AS 91/10 R - RdNr. 24) und berücksichtigt Daten über den gesamten Vergleichsraum (vgl S. 14 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels;
hier das Gebiet der Stadt A., vgl BSG, Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr. 16).
bb) Es ist allerdings unter keinem Gesichtspunkt nachzuvollziehen, dass die erhobenen Daten die (im Jahr 2013 und in der Folge)
aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietmarktes der Stadt A. wiedergeben.
Insoweit lässt der Kläger zu Recht darauf hinweisen, dass die dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel zugrunde liegenden
Daten weit überwiegend Mietverhältnisse mit wenigen Wohnungsbaugesellschaften betreffen. So stammen von den im März und April
2013 zum Stichtag 30.4.2013 erhobenen 16 765 sog Primärdatensätze 15 955 von lediglich sieben Anbietern, wobei innerhalb dieser
Datensätze wiederum 14 032 Datensätze von drei (Wohnungs- und Siedlungsbau B. GmbH & Co. OHG, Wohnungsbau GmbH des Landkreises
A-Stadt und Wohnungsbaugesellschaft der Stadt A. GmbH) Anbietern von Wohnraum stammen. Dies entspricht hinsichtlich der sieben
Anbieter rd 95% bzw hinsichtlich der drei zuletzt genannten Anbieter rd 84% der dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel
zugrundeliegenden Daten.
Es ist an Hand keiner der für den Vergleichsraum vorliegenden statistischen Datenerhebungen (vgl zensus 2011 - Gebäude und
Wohnungen Kreisfreie Stadt A., Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung) nachzuvollziehen, dass diese Anbieter
den gesamten örtlich in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestand (im unteren Mietpreisniveau) derart beherrschen. Einen entsprechenden
Schluss lässt auch die vom Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel angenommene Ausgangslage nicht zu, nachdem er den Daten des
Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung (aaO) im Wesentlichen entsprechend von 93 588 zu Wohnzwecken vermieteten Wohnungen
in Gebäuden mit Wohnraum ausgeht und gleichzeitig in seine 16 765 Datensätze umfassende Stichprobe mit 15 955 sämtliche zu
Wohnzwecken vermietete Wohnungen der genannten Anbieter einstellte. Die in der Stichprobe erfassten Daten können nicht als
repräsentativ angesehen werden, da die Daten der genannten sieben Unternehmen mit einem Umfang und damit Gewicht berücksichtigt
wurden, das nicht dem entspricht, das ihnen in der Realität zukommt.
cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil die genannten sieben Anbieter im Wesentlichen das Mietangebot (zu der
vom Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel in der ersten Stufe ermittelten Angemessenheitsgrenze) im Wesentlichen abdecken
würden. So haben die im Rahmen der Erstellung des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels erhobenen Daten (vgl S. 18 f des
Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels sowie Stellungnahme R. vom 29.7.2016 Bl 141, 149 der LSG-Akte) ergeben, dass von den
insgesamt 1 659 erhobenen Angebotsmieten "lediglich" 182 von Wohnungsunternehmen stammten. Dies entspricht schließlich bei
weitem nicht dem Umfang an Angebotsmieten, die der Grundsicherungsrelevante Mietspiegel in der Folge als der im Schritt 1
ermittelten Angemessenheitsgrenze entsprechende Angebotsmieten identifiziert (vgl S. 20 Abbildung 15 des Grundsicherungsrelevanten
Mietspiegels, die nach den vorherigen Ausführungen unter 4.3 bzw Abbildung 14 allein bei Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften
von rd 210 und insgesamt (also über alle Bedarfsgemeinschaftsgrößen) von 427 angemessenen Angebotsmieten ausgeht (vgl auch
S. 21 Abbildung 17 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels).
dd) Die dargestellte Problematik des Ansatzes des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, die Primärdaten im Wesentlichen
bei sieben Wohnungsunternehmen zu erheben, kann schließlich auch durch die Überarbeitung während des Berufungsverfahrens (vgl
Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel Juli 2017) nicht "geheilt" werden. Dort wird zur Ermittlung des zur Angemessenheitsgrenze
verfügbaren Angebots nicht mehr auf die zum Stichtag 30.4.2013 erhobenen Daten von Angebotsmieten zurückgegriffen. Nunmehr
werden zur Ermittlung, wie viele Wohnungen den nachfragerelevanten Gruppen zu den ermittelten Angemessenheitsgrenzen zur Verfügung
stehen, ausschließlich die im Rahmen der Bestandsmieten zum 30.4.2013 erhobenen Neuvertragsmieten, dh den Mietpreis von Wohnungen,
deren Mietverträge in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag 30.4.2013 geschlossen worden sind oder bei denen eine Mietpreisveränderung
erfolgt ist, herangezogen (S. 14 des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels Juli 2017). Damit setzt sich aber die hinsichtlich
der Bestandsmieten dargestellte Problematik in der Bestimmung des Mengengerüsts der Angebotsseite fort, da davon auszugehen
ist, dass auch bei den Neuvertragsmieten ein Übergewicht an Wohnungen von Wohnungsunternehmen vorliegt, das in der Realität
am Wohnungsmarkt A-Stadt so nicht nachzuvollziehen ist. Insgesamt spricht an dieser Stelle alles dafür, dass dieser Ansatz,
sprich die Berücksichtigung ausschließlich der zusammen mit den nicht repräsentativ erhobenen Bestandsmieten erhobenen Neuvertragsmieten,
die fehlende Schlüssigkeit bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze aus den Bestandsmieten fortschreibt.
ee) Es ist schließlich weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass die in der Datenerhebung im Wesentlichen berücksichtigten
Wohnungsunternehmen oder Teile von diesen jedem Hilfebedürftigen rechtzeitig vor einer Absenkung der Leistungen für Unterkunft
und Heizung auf den aus Sicht des Beklagten angemessenen Umfang eine Wohnung anbieten könnten. Damit ist auch unter diesem
Gesichtspunkt die vom Beklagten vorgenommene Gewichtung der Wohnungsunternehmen bei der Erhebung der Bestanddaten nicht zu
rechtfertigen.
ff) Das dargestellte Defizit der dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel zugrundeliegenden Datenbasis kann schließlich nicht
durch die vom Beklagten oder der Beigeladenen (punktuell) erhobenen Daten zu den Angebotsmieten aus der Lokalpresse oder einschlägigen
Internetportalen (vgl Ausführungen im Widerspruchsbescheid bzw der Stellungnahme des Beklagten vom 30.4.2015 vor dem Sozialgericht
bzw der dieser beigefügten Stellungnahme der Beigeladenen, Bl 65 ff der SG-Akte) behoben werden (vgl BSG, Urteil vom 16.6.2015 - B 4 AS 44/14 R - RdNr. 22 zur fehlenden systematischen Einbeziehung des Faktors der Neuvertragsmieten). Entsprechendes muss im Hinblick
auf Ausführungen unter bb) bis ee) hinsichtlich des Hinweises auf die zur Angemessenheitsgrenze von der Wohnungsbaugenossenschaft
der Stadt A. GmbH im Zeitraum 2014 und 2015 neu vermieteten Wohnungen (vgl Anlage 7 und 8 zur Berufungsschrift des Beklagten)
gelten (vgl BSG, Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr. 19).
gg) Die fehlende Repräsentativität der dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel zugrundeliegenden Daten kann schließlich
nicht deshalb unbeachtlich bleiben, weil dem Beklagten bzw der Beigeladenen als für die Kosten der Unterkunft nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II zuständigen kommunalen Träger auch nach beachtlichen Bemühungen um eine hinreichende Datenbasis schlussendlich weitere und
insbesondere repräsentative Daten nicht zur Verfügung stehen. Denn es ist Angelegenheit und Verantwortung des Grundsicherungsträgers,
bereits im Verwaltungsverfahren ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten zu entwickeln. Die
umfassende Ermittlung der Daten sowie deren Auswertung ist dessen Aufgabe (BSG, Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr. 21; Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - RdNr. 26). Ist - wie hier - eine umfassende (oder hinreichende) Datenerhebung im Verwaltungsverfahren nicht gelungen
(und kann diese - wie hier - im sozialgerichtlichen Verfahren nicht mehr nachgeholt werden) rechtfertigt dies gerade keine
Bestimmung der Angemessenheitsgrenze durch ein dann unschlüssiges Konzept. Vielmehr ist in diesem Fall vom Fehlen einer Angemessenheitsgrenze
auszugehen (vgl BSG, Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - RdNr. 21; Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 - RdNr. 27) bzw macht den Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG zzgl eines "Sicherheitszuschlags" nach generell-abstrakten Kriterien im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze erforderlich
(BSG, Urteil vom 16.6.2015 - B 4 AS 44/14 R - RdNr. 25).
c) Fehlt es aber bereits an einer zureichenden Datenbasis, kommt es auf die weitere Auseinandersetzung mit den Überlegungen
des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels nicht weiter an. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass - wie dargestellt -
nicht ersichtlich ist, dass die fehlende Repräsentativität der Daten innerhalb des Konzepts korrigiert werden könnte.
d) Der Senat sieht keine Möglichkeit, wie im Hinblick auf den zwischenzeitlich abgelaufenen Streit- und Vergleichszeitraum
eine zureichende Datenbasis - die schließlich Grundlage eine jeden schlüssigen Konzepts ist - noch erreicht werden könnte.
Einen (qualifizierten) Mietspiegel iS der §§ 558c f
BGB oder einem solchen zugrunde liegende Daten gibt es für den Streitbzw Vergleichszeitraum nicht. Auch sonst ist nicht ersichtlich,
woher oder wie die (für eine Nachbesserung des konzeptionellen Ansatzes des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels) validen
Daten zur Abbildung der Verhältnisse des Mietwohnungsmarktes A-Stadt in 2014 und 2015 noch erreicht werden könnten. So war
bereits Ausgangspunkt des Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels, dass es Mietwerterhebungen für das gesamte Stadtgebiet gerade
nicht gibt und der zuständige kommunale Träger betonte bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, über andere
Daten nun einmal nicht zu verfügen.
7. Ist aber bereits das der Fortschreibung zugrunde liegende Konzept nicht schlüssig, kommt es auf die Art seiner Fortschreibung
in der Folge nicht weiter an. Dies muss zumindest in dem Fall geltend, als die die fehlende Schlüssigkeit begründenden Umstände
durch die Fortschreibung nicht korrigiert werden. Dies ist hier der Fall. Die Fortschreibung des Grundsicherungsrelevanten
Mietspiegels durch den Preisindex lässt die dem Grundsicherungsrelevanten Mietspiegel zugrunde liegenden Daten gerade unberührt
bzw knüpft ausschließlich an diesen an. Den Vergleichsraum betreffende Daten, die ggf die bereits vorhandenen Daten ergänzen
und ggf zu deren Validität beitragen könnten, werden durch die Fortschreibung gerade nicht eingebracht. Eine solche - von
der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Methodenfreiheit umfassten - Fortschreibung kann ein unschlüssiges Konzept
nicht schlüssig machen.
8. Damit sind der Berechnung der Leistungen für Unterkunft und Heizung die tatsächlichen Aufwendungen zugrunde zu legen, die
allerdings - im streitigen Zeitraum - durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben begrenzt sind (stRspr, vgl zuletzt BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 87/12 R - RdNr. 25), wobei wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umstände im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung
zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle,
also die rechte Spalte zurückzugreifen und ein Sicherheitszuschlag iHv 10% des genannten Tabellenwerte einzubeziehen ist (zur
den Werten des vorliegend maßgeblichen § 12 WoGG vgl BSG, aaO - RdNr. 27 f).
Auf dieser Grundlage errechnet sich für einen Ein-Personen-Haushalt in der Zeit bis 31.12.2015 unter Berücksichtigung der
Mietenstufe IV für die Gemeinde A-Stadt (vgl Anlage zu § 1 Abs. 3 der Wohngeldverordnung in der Neufassung der Bekanntmachung vom 19.10.2013, BGBl I 2722) ein Tabellenwert nach § 12 WoGG idF vom 9.12.2010 iHv 358 € monatlich, der unter Berücksichtigung des Sicherheitszuschlags iHv 10% aus 358 € eine Begrenzung
der dem Kläger im streitigen Zeitraum zustehenden Leistungen für Unterkunft (ohne Heizung) auf 393,80 € (358 € + 35,80 €)
bedeutet. Für die Zeit ab 1.1.2016 ergibt sich aufgrund derselben Mietenstufe (vgl Anlage zu § 1 Abs. 3 der Wohngeldverordnung idF des Art. 2 Nr. 7 G v 2.10.2015 I 1610 mWv 1.1.2016) ein Tabellenwert nach § 12 WoGG idF vom 2.10.2015 (BGBl I 1610) iHv 434 €, der bereits ohne Sicherheitszuschlag die tatsächlichen Kosten der Unterkunft des
Klägers (ohne Heizung) überschreitet. Auf dieser Grundlage sind die tatsächlichen Kosten der Unterkunft des Klägers in der
Zeit ab 1.1.2016 - zumindest bis der Beklagte ein anderweitiges schlüssiges Konzept vorlegt, als angemessen iS des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II anzusehen.
9. Da der Kläger darüber hinausgehende Leistungen vorliegend nicht geltend macht, kommt es für die vorliegende Entscheidung
nicht darauf an, ob die weiteren Voraussetzungen für eine Absenkung der Leistungen für Unterkunft (insbesondere das Vorliegen
einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung und der subjektiven Zumutbarkeit einer Kostensenkung) erfüllt sind.
10. Ist aber das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht zu beanstanden, muss die Berufung des Beklagten ohne Erfolg bleiben.
11. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
12. Gründe, die Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1,
2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.